Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 23.06.2005, Az.: L 1 RA 305/04
abhängige Unternehmensstellung; Auftraggeber; berufsgruppenspezifisches Merkmal; ein Auftraggeber; Einbeziehung; Erweiterung; gesetzliche Rentenversicherung; Gleichheitsgrundsatz; Gleichheitssatz; Gleichheitssatz; Lehrer; mehrere Auftraggeber; Rentenversicherung; Rentenversicherungspflicht; selbstständig Tätiger; selbstständige Tätigkeit; Selbstständiger; selbstständiger Lehrer; Unternehmer; unternehmerische Stellung; Verfassungsmäßigkeit; Verfassungsverstoß; Verfassungswidrigkeit; Versichertenkreis; Versicherungspflicht; Versicherungstatbestand; Verstoß
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 23.06.2005
- Aktenzeichen
- L 1 RA 305/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 50940
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BSG - 05.07.2006 - AZ: B 12 RA 4/05 R
- BVerfG - 02.04.2009 - AZ: 1 BvR 2405/06
Rechtsgrundlagen
- § 2 S 1 Nr 1 SGB 6
- § 2 S 1 Nr 9 SGB 6
- Art 3 Abs 1 GG
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Versicherungspflicht der Klägerin als selbständige Lehrerin in der gesetzlichen Rentenversicherung.
Die im Jahre 1955 in Spanien geborene Klägerin (spanische Staatsangehörige) ist selbständige Lehrerin für das Fach Spanisch. Den Unterricht erteilt sie seit mehreren Jahren – zum Teil seit 1980 – für verschiedene Auftraggeber (Volkshochschule H; Verwaltungs- und Wirtschafts-Akademie = L Akademie; Bildungsverein e.V.) auf der Grundlage jeweils geschlossener Honorarverträge. Sie beschäftigt keine Arbeitnehmer. In den Jahren 1997 bis 2001 erzielte sie Jahresgesamteinkünfte aus allen Honorarverträgen von jeweils ca. 20.000 DM.
Nach einer Betriebsprüfung durch die Landesversicherungsanstalt (LVA) H bei der Volkshochschule (VHS) H prüfte die Beklagte die Versicherungspflicht der Klägerin nach dem Pflichtversicherungstatbestand des § 2 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI): selbstständige Lehrerin ohne Beschäftigung von versicherungspflichtigen Arbeitnehmern. Dazu hörte sie die Klägerin an und belehrte sie über die Befreiungsmöglichkeiten bei bisheriger Unkenntnis der Versicherungspflicht und anderweitiger Altersvorsorge nach § 231 Abs. 6 SGB VI. Die Klägerin gab an, keine anderweitige Altersvorsorge getroffen zu haben und deshalb einen Befreiungsantrag nicht mit Erfolg stellen zu können. Jedoch vertrat sie die Auffassung, von vornherein nicht der Versicherungspflicht gem. § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI zu unterfallen. Denn die Vorschrift sei verfassungswidrig. Die Verfassungswidrigkeit ergebe sich aus einem Verstoß gegen den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG), weil eine Ungleichbehandlung der Versicherten nach § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI einerseits und § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI andererseits bestehe. Denn zwar sollten nach der gesetzgeberischen Intention beide Vorschriften nach ihrem Sinn und Zweck die Versicherungspflicht für solche Selbstständige begründen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit sozial schutzbedürftig sind. Und diese wirtschaftliche Abhängigkeit ergebe sich daraus, dass der Selbstständige nur für einen Auftraggeber tätig sei. Diese Abhängigkeit von nur einem Auftrag habe der Gesetzgeber jedoch allein in dem erst später, nämlich zum 1. Januar 1999, in Kraft getretenen § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI als Tatbestandsmerkmal normiert. Eine entsprechende Ergänzung der wesentlich älteren Vorschrift des § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI habe er jedoch nicht vorgenommen. Vermutlich habe der Gesetzgeber den durch § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI auftretenden Wertungswiderspruch nicht bemerkt. Dieser Wertungswiderspruch werde an konkreten Beispielen deutlich. So sei es nicht mit den von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) gestellten Anforderungen an ausreichende sachliche Gründe für eine Ungleichbehandlung zu vereinbaren, wenn zwar z.B. ein EDV-Systembetreuer, der für verschiedene Auftraggeber tätig sei, versicherungsfrei, jedoch ein Lehrer, der in denselben verschiedenen Betrieben wie der EDV-Systembetreuer EDV-Unterricht erteile, versicherungspflichtig sei. Entsprechendes gelte auch für zahlreiche andere Berufsgruppen. § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI müsse deshalb verfassungskonform dahingehend ausgelegt werden, dass auch nach dieser Vorschrift – ebenso wie nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI – Versicherungspflicht nur dann bestehe, wenn der selbstständig tätige Lehrer (ohne Arbeitnehmer) ebenfalls nur für einen Auftraggeber tätig sei. Nach der damit gebotenen verfassungskonformen Auslegung des § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI unterliege die Klägerin aber nicht der Versicherungspflicht für Lehrer und sei nicht beitragspflichtig.
Die Beklagte erließ – nachdem sie zunächst mit dem vorliegend nicht streitgegenständlichen Bescheid vom 22. November 2001 eine Befreiung der Klägerin von der Versicherungspflicht nach § 231 Abs. 6 SGB VI bestandskräftig abgelehnt hatte – den Bescheid vom 30. Januar 2002, mit dem sie die Versicherungspflicht der Klägerin als selbständige Lehrerin gemäß § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI mit Wirkung ab dem 1. Januar 1996 feststellte und die Klägerin zur Zahlung einkommensgerechter Beiträge in einer Gesamthöhe von (für die Zeit vom 1. Januar 1996 bis Januar 2002) 11.642,60 Euro aufforderte.
Zudem setzte die Beklagte die Beitragsschuld der Klägerin für weitere Zeiträume mit weiteren Bescheiden vom 6. März 2002, 4. April 2002, 29. April 2002 und 29. Juli 2002 auf zuletzt 17.267,20 Euro fest, gegen die die Klägerin ebenfalls Widerspruch einlegte, die die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. November 2002 zurückwies.
Den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 30. Januar 2002 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24. Juli 2002 zurück und führte zur Begründung im Einzelnen aus: Die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung für selbstständige Lehrer und Erzieher bestehe bereits seit Anfang des 20. Jahrhunderts und sei seit 1992 in § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI normiert. Durch die Einführung des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI sei der Kreis der Versicherungspflichtigen im Jahre 1999 lediglich erweitert worden. Dabei bestehe eine Konkurrenzregel zwischen beiden Vorschriften dahingehend, dass die Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI vorrangig sei und im Falle ihres Eingreifens die Anwendung des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI ausschließe.
Mit ihrer hiergegen am 21. August 2002 vor dem Sozialgericht (SG) Hannover erhobenen Klage hat die Klägerin ergänzend geltend gemacht, dass nach der Rechtsprechung des BVerfG die Anforderungen an die Gewichtigkeit der für vom Gesetzgeber vorgenommene Differenzierungen herangezogenen sachlichen Gründe besonders hoch sein müssten, wenn die unterschiedliche Behandlung nicht bloße Sachverhalte, sondern – wie vorliegend – Personengruppen betreffe. Solche gewichtigen sachlichen Gründe für eine unterschiedliche Behandlung von Personengruppen seien vorliegend jedoch nicht erkennbar. Dies gelte insbesondere für die für die Einführung der Versicherungspflicht für Selbstständige angeführte besondere soziale Schutzbedürftigkeit. Denn eine besondere soziale Schutzbedürftigkeit sei bei keinem Selbständigen gegeben, der für mehrere Auftraggeber tätig sei. Gleichwohl würden verschiedene Selbständige vom Gesetz ungleich behandelt. Denn Lehrer mit mehreren Auftraggebern würden der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterworfen, alle anderen (kleinen) Selbständigen mit mehreren Auftraggebern hingegen nicht. Dies gelte gerade auch im Fall der Klägerin. Sie habe in den Jahren 1999 bis 2003 im Regelfall zwar den größten Anteil ihrer Einkünfte von der VHS bezogen (jeweils 14.000 – 18.000 DM bzw. 9.000 – 10.000 Euro), jedoch hätten die von den übrigen Auftraggebern bezogenen Einkünfte im Regelfall mehr als 1/6 der Einkünfte der VHS betragen (zur Glaubhaftmachung der Einkunftshöhen hat die Klägerin Bescheinigungen ihrer Auftraggeber vorgelegt). Die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 12. Oktober 2000 (B 12 RA 2/99 R = SozR 3-2600 § 2 Nr. 5) stehe der Annahme der Verfassungswidrigkeit des § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI nicht entgegen. Denn zwar habe das BSG in seiner Entscheidung keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der beiden vorliegend in Rede stehenden Tatbestände gehabt und zur Begründung beider ausgeführt, dass die beiden Gesetzestatbestände der § 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 9 SGB VI an unterschiedliche Kriterien anknüpften, nämlich an berufsgruppenspezifische Merkmale in Nr. 1 und – ohne berufsgruppenspezifische Merkmale – an die generelle soziale Schutzbedürftigkeit in Nr. 9. Dabei habe das BSG jedoch übersehen, dass auch die Einbeziehung der Lehrer in Nr. 1 wegen deren besonderer sozialer Schutzbedürftigkeit erfolgt sei. Diese besondere soziale Schutzbedürftigkeit liege aber gerade nicht vor, wenn die Lehrer – ebenso wie Selbständige aus anderen Berufsgruppen im Rahmen der Nr. 9 – für mehrere Auftraggeber tätig seien. § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI sei daher – wie gefordert – in verfassungskonformer Auslegung um das Merkmal "für im Wesentlichen einen Auftraggeber tätig" zu ergänzen.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage mit Urteil vom 8. Oktober 2004 mit der Begründung abgewiesen, dass nicht nur die Voraussetzungen des § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI im Fall der Klägerin gegeben seien, sondern dass die Norm auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei, insbesondere auch nicht wegen eines etwaigen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Denn die Einbeziehung der Selbständigen in die gesetzliche Rentenversicherungspflicht sei in den beiden in Rede stehenden Tatbeständen des § 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 9 SGB VI aus unterschiedlichen Gründen erfolgt, so dass die unterschiedliche Regelung beider Selbständigen-Gruppen sachlich begründet sei. Die im Jahre 1922 erfolgte Einbeziehung der selbständigen Lehrer sei aufgrund berufsgruppenspezifischer Merkmale erfolgt, nämlich deshalb, weil die Lehrer wegen der Notwendigkeit ihrer höchstpersönlichen Leistungserbringung besonders schutzbedürftig erschienen. Demgegenüber seien die übrigen Selbständigen im Jahre 1999 ohne Bezug auf berufsgruppenspezifische Merkmale, sondern deshalb einbezogen worden, weil sie bei einer Tätigkeit nur für einen Auftraggeber sozial schutzbedürftig (gewesen) seien. Ein Grund, einzelne, bereits in § 2 Satz 1 Nrn. 1 - 8 SGB VI erfasste Gruppen von Selbständigen anlässlich der Einführung des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI wieder aus der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht auszunehmen, habe für den Gesetzgeber erkennbar nicht bestanden. Im Übrigen sei die Verfassungsmäßigkeit des § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI auch bereits mehrfach vom BSG festgestellt worden, in seiner Entscheidung vom 12. Oktober 2000 gerade auch im systematischen Vergleich zu § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI.
Gegen das am 2. November 2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 2. Dezember 2004 eingegangene Berufung, mit der die Klägerin ergänzend geltend macht, dass auch das berufsgruppenspezifische Merkmal der höchstpersönlichen Leistungserbringung nicht die unterschiedliche Behandlung der Selbständigen mit mehreren Auftraggebern rechtfertigen könne, weil dieses Merkmal in beiden Selbständigen-Gruppen des § 2 Satz 1 Nr. 1 und 9 SGB VI anzutreffen sei. So erbringe z.B. eine Physiotherapeutin ebenso höchstpersönliche Leistungen wie eine Lehrerin und könne ebenso für mehrere Auftraggeber tätig werden wie die Lehrerin, gleichwohl unterfalle allein die Lehrerin der Versicherungspflicht, nicht aber die Physiotherapeutin. Maßgebliches Kriterium für die Einbeziehung der Selbständigen in die gesetzliche Rentenversicherungspflicht sei daher allein die soziale Schutzbedürftigkeit. Diese bestehe aber bei allen Berufsgruppen der Selbständigen gleichermaßen nur dann, wenn sie von einem Auftraggeber abhängig seien, und bei allen Berufsgruppen gleichermaßen nicht, wenn sie für mehrere Auftraggeber tätig seien. Mit der daraus folgenden Ungleichbehandlung der Lehrer und Lehrerinnen habe sich das BSG in seiner Entscheidung vom 12. Oktober 2000 nicht befasst.
Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß,
1. das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 8. Oktober 2004 und den Bescheid der Beklagten vom 30. Januar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juli 2002 aufzuheben,
hilfsweise,
2. die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtenen Bescheide als zutreffend und bezieht sich zur Begründung ergänzend auf das Urteil des SG. Daneben weist die Beklagte darauf hin, dass sie inzwischen weitere Bescheide zur Feststellung der Beitragsschuld der Klägerin für weitere Zeiträume erlassen und die Klägerin hiergegen jeweils Widerspruch eingelegt habe (Bescheide vom 30. November 2004, 5. Januar 2005 und 1. Februar 2005). Sie vertritt hierzu die Auffassung, dass diese Bescheide entgegen der jeweils beigefügten Rechtsmittelbelehrung gem. § 96 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden seien.
Der Senat hat im vorbereitenden Verfahren die Beklagte darauf hingewiesen, dass die Beitragsbescheide aus den Jahren 2004 und 2005 nicht gem. § 96 SGG Gegenstand des anhängigen Berufungsverfahrens geworden seien. Zudem hat er den Prozesskostenhilfe-Antrag der Klägerin mit der Begründung abgelehnt, dass eine Verfassungswidrigkeit des § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI nicht feststellbar und damit keine Erfolgsaussicht der Berufung erkennbar sei.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Sie haben vorgelegen und sind Gegenstand von Beratung und Entscheidung gewesen.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten zuvor hiermit einverstanden erklärt haben.
Die gem. §§ 143f. SGG statthafte und zulässige Berufung ist unbegründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 30. Januar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juli 2002. Hierüber hat das SG in seinem Urteil entschieden und hiergegen richtet sich das Berufungsbegehren der Klägerin. Dem hingegen sind nicht zum Gegenstand des Berufungsverfahrens die weiteren Bescheide der Beklagten vom 6. März 2002, 4. April 2002, 29. April 2002 und 29. Juli 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. November 2002 sowie die Bescheide vom 30. November 2004, 5. Januar 2005 und 1. Februar 2005 geworden. Denn diese Bescheide sind weder gem. § 86 SGG noch gem. § 96 SGG in das Widerspruchs- bzw. Klage- oder Berufungsverfahren einbezogen worden, worauf der Senat in seiner Verfügung vom 9. März 2005 hingewiesen hat. Der Bescheid der Beklagten vom 30. Januar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juli 2002 regelt maßgeblich das Bestehen der Versicherungspflicht der Klägerin als solche, während die übrigen Bescheide diese Versicherungspflicht voraussetzen und die draus folgende Beitragshöhe feststellen. Die übrigen Bescheide betreffen daher andere Rechtsnormen und Lebenssachverhalte (z.B.: Einkommenshöhe der Klägerin in den verschiedenen Zeitabschnitten) und würden bei einer Einbeziehung den Streitstoff des anhängigen Verfahrens erheblich erweitern. Dies soll durch die den Vorschriften der §§ 86 und 96 SGG immanente Prozessökonomie gerade vermieden werden. Nur ergänzend ist zu erwähnen, dass die Beklagte in den Rechtsmittelbelehrungen aller genannten Bescheide jeweils selbst auf die Einlegung des Widerspruchs, nicht also auf §§ 86, 96 SGG, hingewiesen hat, und auch die Klägerin nicht von einer Einbeziehung der Bescheide ausgegangen ist, sondern gegen jeden Bescheid Widerspruch eingelegt hat.
In der Sache ist weder das Urteil des SG noch sind die Bescheide der Beklagten zu beanstanden. Die Klägerin unterfällt der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, und zwar auch unter Beachtung des Umstandes, dass sie für mehrere Auftraggeber tätig ist. Dabei ist der zugrunde liegende Sachverhalt unter den Beteiligten unstreitig. Streitig ist die Rechtsfrage, ob § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI verfassungswidrig bzw. verfassungskonform dahingehend auszulegen ist, dass die Norm nur auf solche selbstständig tätige Lehrerinnen und Lehrer anzuwenden ist, die für einen Auftraggeber tätig sind. Eine solche Verfassungswidrigkeit ist – ebenso wie schon für das SG – auch für den erkennenden Senat nicht feststellbar.
Zur Begründung verweist der Senat zunächst gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils des SG, die er sich voll inhaltlich zu eigen macht.
Zusammenfassend und ergänzend ist folgendes auszuführen:
Zutreffend weist die Berufung darauf hin, dass nach den gesetzlichen Tatbeständen des § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI einerseits und § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI andererseits eine Ungleichbehandlung von für mehrere Auftraggeber tätigen selbständigen Lehrern und für mehrere Auftraggeber tätigen sonstigen Selbständigen dadurch stattfindet, dass (allein) die selbständigen Lehrer versicherungspflichtig sind. Die Berufung verdeutlicht dies plastisch am Beispiel der für dieselben mehreren Unternehmen tätigen EDV-Lehrer bzw. EDV-Systemadministratoren, von denen nur der EDV-Lehrer versicherungspflichtig ist, während der EDV-Administrator versicherungsfrei bleibt. Ebenso zutreffend macht die Berufung darauf aufmerksam, dass die eine solche Ungleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) rechtfertigenden sachlichen Gründe um so gewichtiger sein müssen, je stärker die Ungleichbehandlung von Personen bzw. Personengruppen sich auf die Ausübung von grundrechtlich geschützten Freiheiten auswirkt (vgl. nur: BVerfGE 92, 53, 69 [BVerfG 11.01.1995 - 1 BvR 892/88]).
Im Gegensatz zur Berufungsklägerin ist der Senat jedoch der Auffassung, dass die diese Ungleichbehandlung von für mehrere Auftraggeber tätigen selbständigen Lehrer einerseits und von sonstigen Selbständigen andererseits maßgeblichen Gründe von ausreichendem Gewicht sind, um die verbleibende Ungleichbehandlung zu rechtfertigen.
Dies folgt daraus, dass die Einbeziehung der selbständigen Lehrer in die gesetzliche Rentenversicherungspflicht aus anderen gesetzgeberischen Erwägungen erfolgte als die Einbeziehung der weiteren Selbständigen nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI. Die Einbeziehung der selbständigen Lehrer in die gesetzliche Rentenversicherung erfolgte nach der Rechtsprechung bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts, durch den Gesetzgeber seit dem Jahr 1922 (Nachweise bei: BSG, Urteil vom 12. Oktober 2000, B 12 RA 12/99 R). Gesetzgeberische Intention war dabei, dass selbständige Lehrer ausschließlich auf die Verwertung ihrer persönlichen Arbeitskraft angewiesen waren (und sind) und deshalb ähnlich wie ein abhängig beschäftigter Arbeitnehmer im Hinblick auf die Altersvorsorge als schutzwürdig angesehen wurden (und werden). Diese gesetzgeberische Intention wurde auch mit Einführung des SGB VI aufrecht erhalten und im Tatbestand des § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI fortgeschrieben. Die (andauernde) Einbeziehung der selbständigen Lehrer beruht deshalb auf berufsgruppenspezifischen Merkmalen. Dem hingegen erfolgte die Erweiterung des Versichertenkreises der Selbständigen um bzw. in § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI, weil die dort genannten Selbständigen, die im wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind, aufgrund ihrer von einem Auftraggeber abhängigen Unternehmensstellung schutzwürdig erschienen (bzw. sind). § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI greift deshalb nicht an einen berufsgruppenspezifisches, sondern an ein Merkmal der unternehmerischen Stellung an.
Zwar verkennt der Senat bei alledem nicht, dass durch die Gesetzestatbestände des § 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 9 SGB VI Fälle auftreten können, bei denen der (gewichtige) sachliche Grund für die Ungleichbehandlung bei der Einbeziehung in die gesetzliche Rentenversicherungspflicht nicht sogleich ("auf den ersten Blick") erkennbar wird. Dies mag für den von der Berufung aufgezeigten Beispielsfall des EDV-Lehrers bzw. EDV-Systemadministrators gelten. Zum Einen wird dem Gesetzgeber jedoch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Typisierung/Pauschalierung der von ihm zur Regelung beabsichtigten Fallkategorien zugestanden, die zudem eine besondere Ausprägung im Bereich des Sozialversicherungsrechts erfährt, solange es durch die Typisierung/Pauschalierung nicht zu Systemwidrigkeiten innerhalb des gesetzlichen Regelungssystems kommt. Und zum Zweiten besteht zwischen den Gesetzestatbeständen des § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI einerseits und der Nr. 9 SGB VI andererseits eine solche Systemwidrigkeit gerade nicht, weil beide Tatbestände in einer Konkurrenzregel zu einander stehen, nach der die (älteren) Versicherungstatbestände des § 2 Satz 1 Nr. 1 bis 8 SGB VI als spezielle Regelungen gegenüber dem (Auffang-)Tatbestand des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI vorrangig sind (Nachweise bei Hauck/Haines/Klattenhoff, Kommentar zum SGB VI, § 2 Rdnoten 60, 60a m.w.N.).
Damit aber ist eine Verfassungswidrigkeit innerhalb der bzw. zwischen den Versicherungstatbeständen des § 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 9 SGB VI nicht festzustellen.
Die Berufung ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG.
Die Revisionszulassung erfolgt nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG, weil die Sache grundsätzliche Bedeutung hat. Zwar hat das BSG in seinem Urteil vom 12. Oktober 2000 (B 12 RA 12/99 R) die Frage der Versicherungspflicht von selbständigen Lehrern mit mehreren Auftraggebern unter Würdigung sowohl des § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI als auch des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI gewürdigt und eine Prüfung nach Art. 3 Abs. 1 GG vorgenommen. Die Erörterung des Gleichheitssatzes beschränkte sich dabei jedoch auf die Prüfung der Einbeziehung des selbständigen Lehrers in die gesetzliche Versicherungspflicht als solcher, nicht also auf die Frage des systematischen Verhältnisses von Nr. 1 und Nr. 9 des Satzes 1 des § 2 SGB VI im Fall der Tätigkeit von selbständigen Lehrern für mehrere Auftraggeber.