Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 17.11.1980, Az.: 2 Ss 239/80
Strafantragsbefugnis des Straßenmeisters durch den Leiter eines zuständigen Straßenbauamtes; Besprühen eines Omnibuswartehäuschens und der Rückseite des Ortsschildes sowie des Transformatorenhauses mit Ölfarbe oder Lackfarbe als Sachbeschädigung; Außenstellen der Straßenmeistereien als Abteilungen der jeweiligen Straßenbauämter mit selbstständigen Tätigkeitsmerkmalen; Bloße Veränderung der äußeren Erscheinungsform einer Fläche als Sachbeschädigung; Wiederherstellung einer zuvor beschädigten Sache
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 17.11.1980
- Aktenzeichen
- 2 Ss 239/80
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1980, 20040
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1980:1117.2SS239.80.0A
Rechtsgrundlage
- § 303 StGB
Fundstellen
- NStZ 1981, 223-224
- StV 1981, 129-130
Verfahrensgegenstand
Sachbeschädigung
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft
gegen das Urteil des Amtsrichters in ... vom 16. April 1980
hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle
in der Sitzung vom 17. November 1980,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht ... als Vorsitzender,
Richter am Oberlandesgericht ...,
Richter am Amtsgericht ... als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt ... als Beamter der Staatsanwaltschaft,
Rechtsanwalt ..., als Verteidiger des Angeklagten ... - während der Verhandlung -
Justizangestellte ... - während der Verhandlung -
Justizangestellter ... - während der Urteilsverkündung - als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts ... zurückverwiesen.
Gründe
Die Anklage wirft den Angeklagten vor, am 23. September 1978 gemeinschaftlich fortgesetzt handelnd in ... und ... -
- 1.
auf die Eternitinnenflächen eines Omnibuswartehäuschens der Stadt ... im Ortsteil ...,
- 2.
auf die graue, unbeschriftete Rückseite des Ortsschildes
- 3.
auf zwei bereits mit nicht abwaschbaren Parolen beschriebene Backsteinwände eines Transformatorenhauses in ...
mit Öl- oder Lackfarbe Parolen gesprüht zu haben. Das Amtsgericht hat die Angeklagten vom Vorwurf der Sachbeschädigung nach § 303 StGB unter Hinweis auf den Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 13. November 1979 - 5 StR 166/79 - (NJW 1980, 350 f. ) freigesprochen; weder die Substanz noch die Brachbarkeit des Wartehäuschens, des Ortsschildes und des Transformatorenhauses seien beeinträchtigt worden; beim Transformatorenhaus liege darüber hinaus auch deshalb keine Sachbeschädigung vor, weil auf den Wänden bereits großbuchstabige Parolen vorhanden gewesen seien.
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft, die die Verletzung sachlichen Rechts rügt, war das Urteil aufzuheben und an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückzuverweisen.
I.
Die vom Senat von Amts wegen zu prüfende Voraussetzung des Vorliegens rechtswirksamer Strafanträge ist erfüllt. Wie das Amtsgericht rechtsbedenkenfrei ausgeführt hat, sind die Strafanträge der Stadt ... und der Stromversorgung Osthannover GmbH rechtzeitig und formgerecht gestellt worden.
Auch der Strafantrag des Leiters der Straßenmeisterei ... ist vom Amtsgericht zutreffend für rechtswirksam gehalten worden. Es fehlt zwar an einer ausdrücklichen Ermächtigung des Straßenmeisters durch den Leiter des zuständigen Straßenbauamtes, Strafantrag zu stellen, seine Strafantragsbefugnis ergibt sich jedoch aus den vom Wiedersächsischen Landesverwaltungsamt als oberer Landesbehörde verfügten "Dienstaufgaben der Straßenmeistereien und Autobahnmeistereien der niedersächsischen Straßenbauverwaltung" vom 17. August 1973 und der "Dienstvorschrift für die Leiter der Straßenmeistereien und Autobahnmeistereien der niedersächsischen Straßenbauverwaltung" vom 5. Juli 1973. Danach vertritt der Leiter der Straßenmeisterei die niedersächsische Straßenbauverwaltung gegenüber Dritten im Rahmen der ihm übertragenen Dienstgeschäfte (I. 1. Dienstaufgaben). Ihm sind zur selbständigen Erledigung alle erforderlichen Anordnungen und Mäßnahmen, die für den Betrieb der Straßenmeisterei und seiner Dienstaufgaben erforderlich sind, übertragen worden (2.2.0 Dienstvorschrift). U.a. ist er für die Verwaltung, Unterhaltung und Verkehrssicherheit der Straßen des überörtlichen Verkehrs seines Bezirks einschließlich des Zubehörs und der Nebenalagen verantwortlich (3.1.0 Dienstaufgabe).
Im Rahmen seiner Organerrichtungsgewalt konnte das Landesverwaltung samt diese Regelung verfügen, ohne daß es einer förmlichen Errichtung durch Gesetz oder Verordnung bedurfte (Wolff/Bachoff, Verwaltungsrecht II, 4. Aufl., § 78 II c 5, § 78 III a 2-4). Auch bestehen keine rechtlichen. Bedenken gegen die generellen Ermächtigung. Als Außenstellen sind die Straßenmeistereien Abteilungen der jeweiligen Straßenbauämter mit selbständigen Tätigkeitsmerkmalen ( OLG Oldenburg, Beschluß vom 7. September 1979 - Ss 438/79 -; W. Weber. Das Organisätionsgefüge des Landes Niedersachsen, Neues Archiv für Niedersachsen, Sonderheft Mai 1968). Der Leiter einer Straßenmeisterei ist damit Organ des jeweiligen Straßenbauamtes und deshalb berechtigt innerhalb des ihm zugewiesenen Wirkungskreises das Strafantragsrecht auszuüben. (Zum Strafantragsrecht bei juristischen Personen vgl. RG in GA 63, 116; Stree in Sch.-Sch., StGB 20. Aufl., § 77 Rdn. 14). Mit dieser Auffassung setzt sich der Senat nicht in Widerspruch zu der Auffassung des OLG Oldenburg (a.a.O.). Das OLG Oldenburg hatte die Frage einer generellen Ermächtigung des Leiters einer Straßenmeisterei nicht zu entscheiden. In dem dort entschiedenen Fall lag eine ausdrückliche Ermächtigung des Leiters des Straßenbauamtes vor.
Zur Schuldfrage hat das Amtsgericht folgendes festgestellt: Am Tattag fuhren die beiden Angeklagten mit einem PKW durch den Landkreis ..., um an geeigneten Gegenständen mit einer Sprühdose wegen der Manöverschäden Parolen gegen die NATO-Truppen zu sprühen. Dabei führte der Angeklagte ... den PKW (UA S. 2). Mit Öl- oder Lackfarbe sprühte der Angeklagte ... aus einer Sprühdose auf die Eternitinnenflächen eines Buswartehäuschens der Stadt ... in ... Ortsteil ..., an einer Landesstraße die Parolen "BRD raus aus der NATO! Besatzer raus aus Deutschland! Abzug aller fremden Truppen" (UA S. 3).
Gegen 15.15 Uhr sprühte der Angeklagte ... auf die graue unbeschriftete Rückseite des Ortschildes (Zeichen 385 StVO) ... die Parole "Besatzer raus!" mit der gleichen Farbe.
Anschließend fuhren beide Angeklagte zu einem Transformatorenhaus in .... Dieses Transformatorenhaus besteht aus rotem Backstein. Auf zwei Seiten waren bereits mit großen weißen, nicht abwaschbaren Buchstaben die Worte "AMA NEIN KPD/ML" gemalt worden. Außerdem befand sich an einer Seite ein zum Teil abgerissenes Plakat. Der Angeklagte ... sprühte auf die eine Wand des Transformatorenhäuschens der Stromversorgung ... GmbH zum Teil über die weißen Buchstaben die Parole "Auflösung der Nato und Warschauer Pakt, KBW" und auf die andere Seite dieses Transformatorenhäuschens, wiederum teilweise über die weiße Schrift, die Parole "BRD raus aus der NATO" (UA S. 3/4).
Die Lack- oder Ölfarbe läßt sich nicht leicht wieder beseitigen (UA S. 17).
Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts rechtfertigen es diese Feststellungen noch nicht, die Angeklagten vom Vorwurf der Sachbeschädigung freizusprechen.
Zwar ist mit dem Bundesgerichtshof bei einer bloßen Veränderung der äußeren Erscheinungsform einer Fache in aller Regel davon auszugehen, daß noch nicht der Tatbestand der Sachbeschädigung erfüllt ist, auch wenn diese Veränderung auffällig (belangreich) ist (BGH a.a.O.; OLG Celle Beschluß, vom 12. Februar 1980 - 1 Ss 103/79 -). Auch begründet eine dem Gestaltungswillen des Eigentümers zuwiderlaufende Veränderung der äußeren Erscheinung und Form einer Sache für sich allein grundsätzlich ebensowenig den Tatbestand der Sachbeschädigung wie die Verletzung ästhetischer Gesichtspunkte, es sei denn, es handelt sich um ein Kunstwerk. Eine Sachbeschädigung liegt nur vor, wenn in die Substanz einer Sache eingegriffen wird oder die technische Brauchbarkeit beeinträchtigt wird.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs bezieht sich jedoch nur auf die Falle des wilden Plakatierens gegen den Willen des jeweiligen Eigentümers. Sie bedeutet jedoch nicht, daß im vorliegenden Fall keine Sachbeschädigung vorliegt. Der Bundesgerichtshof hebt hervor, daß der Tatbestand der Sachbeschädigung dann erfüllt ist, wenn bei Beseitigung der Plakate in die Substanz der als Untergrund dienenden Sachen, zu der auch Lack- und Farbanstrich gehören, in einem nach der Größe und dem Erhaltungszustand der Sache ins Gewicht fallenden Umfang eingegriffen wird oder sie durch die Reinigung derart in Mitleidenschaft gezogen werden, daß eine Reinigung zwangsläufig zu einer Beschädigung führen muß. Dabei ordnet der Bundesgerichtshof die Fälle, in denen das Reichsgericht von einer erheblichen Veränderung der äußeren Erscheinung und Form gesprochen hat (RGSt 66, 203, 205: Übergießen einer Litfaßsäule mit Petroleum; HHR 1933 Nr. 350: Beschmieren einer Wand mit Teer), denen einer Substanzverletzung zu.
Das Amtsgericht hat festgestellt, daß die Öl- oder Lackfarbe sich nicht leicht wieder beseitigen läßt. Damit liegt die Möglichkeit nahe, daß die Parolen sich durch Reinigungsmaßnahmen, sei es nun unter Anwendung chemischer oder mechanischer Mittel, nicht hätten entfernen lassen, ohne daß in die Substanz der Gegenstände eingegriffen wird, und damit der Tatbestand der Sachbeschädigung erfüllt ist. Der sachlich-rechtliche Fehler liegt darin, daß der Strafrichter dies nicht erörtert und insoweit Feststellungen nicht getroffen hat.
Soweit im vorliegenden Fall das Wartehäuschen und das Ortsschild nicht gereinigt, sondern neu gestrichen worden sind, ist dieses für die Frage der Substanzverletzung unbeachtlich; denn die Wiederherstellung einer zuvor beschädigten Sache vermag die Sachbeschädigung als Delikt nicht mehr zu beseitigen (RGSt 43, 304, 205; Wolff in LK, StGB, 10. Aufl., § 303 Rdn. 8).
Diese Möglichkeit der Beseitigung läßt auch nicht auf nur geringfügige, mühelos behebbare Verunstaltungen schließen. Die Innenwände des Wartehäuschens und die Rückseite des Straßenschildes mußten mit deckender Farbe vollständig erneuert werden.
Ob auch bei dem Transformatorenhäuschen im Hinblick auf die bereits vorhandenen Parolen eine erhebliche Beeinträchtigung vorliegt oder ob der deshalb ohnehin erforderliche Beseitigungsaufwand nicht nur geringfügig größer wird, so daß von keiner erheblichen Beeinträchtigung gesprochen werden kann (vgl. dazu OLG Frankfurt, MDR 1979, 693), kann nach den bisherigen Feststellungen des Amtsgerichts nicht abschließend beurteilt werden. Insofern mangelt es an einer näheren Darlegung, wie weit die alten und neuen Parolen sich decken und ob auch zur Beseitigung der alten Parolen eine vollständige Erneuerung der Wandflächen notwendig geworden wäre.
Das Urteil war deshalb aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückzuverweisen.