Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 23.04.1975, Az.: 8 U 227/74
Anspruch des Arbeitnehmers auf Ersatz des gesamten Erwerbsschadens; Übergang von Ersatzansprüchen der Arbeitnehmer auf den Sozialversicherungsträger; Fortzahlung von Arbeitsentgelt durch den Sozialversicherungsträger; Geltendmachung eines abgeleiteten Schadensersatzanspruchs durch den Sozialversicherungsträger; Ermittlung des normativen Erwerbsschadens; Wintergeld als Erwerbsschaden
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 23.04.1975
- Aktenzeichen
- 8 U 227/74
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1975, 11748
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:1975:0423.8U227.74.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Osnabrück - 22.10.1974 - AZ: 3 O 283/74
Rechtsgrundlagen
- § 74 Abs. 2 AFG
- § 74 Abs. 3 Ziff. 2a AFG
- § 80 AFG
- § 3 PflVersG
- § 842 BGB
- § 843 BGB
- § 11 StVG
- § 4 LFG
Verfahrensgegenstand
Schadensersatz
In dem Rechtsstreit
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts in Oldenburg
auf die mündliche Verhandlung vom 16. April 1975
unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht ... und
der Richter am Oberlandesgericht ... und ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 22.10.1974 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen geändert und wie folgt neu gefaßt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 482,63 DM nebst 13,25 % Zinsen für die Zeit vom 19.4. bis 31.12.1974 sowie nebst 12,75 % Zinsen seit dem 1.1.1975 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des ersten Rechtszuges werden der Klägerin zu 3/4 und der Beklagten zu 1/4 auferlegt. Die Kosten der Berufung tragen die Klägerin zu 2/3 und die Beklagte zu 1/3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin betreibt ein Bauunternehmen. Ihre Arbeitnehmer s. und F. wurden am 28.1.1974 bei einem von dem Versicherungsnehmer S. Beklagten verschuldeten Verkehrsunfall verletzt. Ausweislich der vorgelegten ärztlichen Atteste waren S. bis zum 9.2.1974 und F. bis zum 12.2.1974 (jeweils einschließlich) arbeitsunfähig krank. Die Klägerin zahlte ihnen während dieser Zeit den Lohn fort und begehrt nunmehr von der Beklagten unter Hinweis auf § 4 Lohnfortzahlungsgesetz (LFG) Schadensersatz.
Die Parteien sind sich darüber einig, daß die Beklagte zum vollen Schadensersatz verpflichtet ist. Der Streit geht um die Höhe des Anspruchs und dabei vor allem um die Auslegung des § 4 LFG.
Die Klägerin hat ihren Schaden in erster Instanz auf 6.017,98 DM beziffert und diesen Betrag in einer Aufstellung vom 6.3.1974 wie folgt aufgegliedert:
S.:
120 | Ausfallstunden á 13,75 DM (Akkordstundenlohn | |
---|---|---|
13,50 DM + Vermögensbildung 0,25 DM) | 1.650,- DM | |
zuzüglich 68 % Unkostenanteil | 1.122,- DM | |
120 | Stunden Wintergeldausfall netto | 240,- DM |
F.:
96 | Ausfallstunden á 13,75 DM = | 1.320,- DM |
---|---|---|
zuzüglich 68 % Unkostenanteil | 897,60 DM | |
96 | Stunden Wintergeldausfall netto | 192,- DM |
5.421,60 DM | ||
+ 11 % Mehrwertsteuer | 596,38 DM | |
6.017,98 DM |
Der Unkostenanteil von 68 % setzt sich nach einer von der Klägerin gefertigten weiteren Aufstellung zusammen aus einem Basislohn von 117,10 % (gegenüber den Lohnkosten einschließlich Arbeitgeberanteil zur Vermögensbildung, die 100 % darstellen) sowie aus den Zahlungen der Klägerin für die Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung (14,15 % der Lohnkosten), an die Sozialkassen des Baugewerbes (Lohnausgleichskasse - LAK -, Urlaubskasse und Zusatzversorgungskasse - ZVK -; insgesamt 15 %), für die Winterbauförderung an die Bundesanstalt für Arbeit (4 %), für die Krankenversicherung der Schlechtwettergeldempfänger an die Bundesanstalt für Arbeit (0,55 %), für den Schwerbeschädigtenausgleich (0,56 %), an die Berufsgenossenschaft gem. § 723 RVO (4,3 %), für ihre Haftpflichtversicherung (0,8 %), für die Sommer-Schlechtwettergeld-Pauschale (2 %) und für freiwillige Sozialaufwendungen (2,5 %). Diese Beiträge ergeben - bezogen auf den Gesamtlohn - zusammen einen Prozentsatz von 43,86 %. Multipliziert mit dem Faktor 1,171 errechnet sich ein Prozentsatz von 51,36. Die Akkition von Basislohn (117,10 %) und Beitragsunkosten (51,36 %) ergibt bei einem Lohn von 100 % einen Unkostenanteil von 68,46 %.
Die Klägerin hat die Beklagte mit Schreiben vom 20.3.1974 zur Zahlung bis zum 5.4.1974 aufgefordert. Diesem Schreiben beigefügt war die Aufstellung vom 6.3.1974, nicht dagegen die weitere Aufstellung über die Zusammensetzung der Unkosten.
Am 19.4.1974 fanden Regulierungsverhandlungen statt. Die Beklagte zahlte per Verrechnungsscheck vom gleichen Tage, der am 22.4.1974 gutgeschrieben wurde, 3.860,86 DM. Weitere Zahlungen lehnte sie ab.
Die Klägerin hat vorgetragen:
Sie habe Aufwendungen in der genannten Höhe gehabt und nehme in Höhe der Klageforderung Bankkredit in Anspruch, den sie mit 13,5 % verzinsen müsse.
Sie hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 6.017,98 DM nebst 13,5 % Zinsen seit dem 5.4.1974 abzüglich am 22.4.1974 gezahlter 3.860,86 DM zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Angaben der Klägerin über die Höhe des gezahlten Lohns und der Unkosten sowie hinsichtlich des Zinsanspruchs mit Nichtwissen bestritten, insbesondere die Berechtigung der Position über den Wintergeldausfall in Zweifel gezogen, und die Ansicht vertreten, die in der Unkostenaufstellung der Klägerin genannten Beiträge seien mit Ausnahme der Zahlungen für die Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung nicht erstattungsfähig.
Die 3. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück hat die Klage durch Urteil vom 22.10.1974 abgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt: Mit Ausnahme der Leistungen zur Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung seien die von der Klägerin aufgewendeten Beiträge nicht übergangsfähig im Sinne des § 4 LFG. Mit ihrer Zahlung von 3.860,86 DM habe die Beklagte den auf die Klägerin übergegangenen Ersatzanspruch befriedigt. Auf das Urteil im übrigen wird verwiesen.
Gegen dieses ihr am 30.10.1974 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 29.11.1974 Berufung eingelegt, die sie nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist durch Verfügung des Vorsitzenden vom 20.12.1974 bis zum 29.1.1975 einschließlich an diesem Tage begründet hat.
Die Klägerin verlangt nunmehr nur noch die Erstattung eines Unkostenanteils von 63,94 %. Ihre Zahlungen für den Schwerbeschädigtenausgleich und ihre Haftpflichtversicherung sowie ihre freiwilligen Sozialaufwendungen macht sie nicht mehr geltend. Weiter hat sie die in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer (596,38 DM) fallenlassen. Ihre Unkostenanteile für Schölzel und Franke beziffert; sie auf 1.055,01 DM und 844,01 DM, ihre Gesamtforderung auf 5.301,02 DM.
Die Klägerin tritt der Rechtsauffassung des Landgerichte entgegen und meint, bei ihren Beiträgen an die Sozialkassen des Baugewerbes, für die Winterbauförderung, für die Krankenversicherung der Schlechtwettergeldempfänger, an die Berufsgenossenschaft und für die Schlechtwettergeldregelung während der Sommermonate handele es sich sämtlich um Leistungen, die dem Begriff des Arbeitsentgelts zuzurechnen und deshalb erstattungsfähig seien. Im übrigen wiederholt und ergänzt sie ihr Vorbringen aus dem ersten Rechtszuge.
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 5.301,02 DM nebst 13,5 % Zinsen seit dem 5.4.1974 abzüglich am 22.4.1974 gezahlter 3.860,86 DM zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie macht sich das angefochtene Urteil zueigen und wiederholt gleichfalls ihr erstinstanzliches Vorbringen. Weiter trägt sie vors § 4 LFG enthalte eine abschließende, einer Ausweitung nicht fähige Regelung. Die noch geltend gemachten Beiträge seien darum sämtlich nicht erstattungsfähig. Die Angaben der Klägerin über den Akkordlohn und die Zahl der Ausfallstunden wolle sie nicht mehr bestreiten.
Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Sie Berufung ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hat sie teilweise Erfolg. Denn den Arbeitnehmern S. und F. der Klägerin ist aus dem Unfall vom 28.1.1974 und der dadurch bedingten Arbeitsunfähigkeit ein den bereits gezahlten Betrag von 3.860,86 DM übersteigender Erwerbsschaden erwachsen.
I.
Unstreitig hat die Klägerin ihren verletzten Arbeitnehmern den Lohn fortgezahlt. Die Parteien sind sich auch darüber einig, daß die Beklagte gemäß § 3 PflVersG in Verb. mit §§ 842, 843 BGB, 11 StVG verpflichtet ist, den Arbeitnehmern der Klägerin deren gesamten Erwerbsschaden zu ersetzen. Gemäß § 4 LFG sind deshalb die Ersatzansprüche der Arbeitnehmer insoweit auf die Klägerin übergegangen, als diese nachdem LFG "Arbeitsentgelt fortgezahlt und darauf entfallende von den Arbeitgebern zu tragende Beiträge zur Bundesanstalt für Arbeit, Arbeitgeberanteile an Beiträgen zur Sozialversicherung sowie zu Einrichtungen der zusätzlichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung abgeführt hat". Die Klägerin macht demnach einen abgeleiteten Schadensersatzanspruch geltend. Erstattungsfähig ist nicht der der Klägerin als Dritter erwachsene eigene Schaden, sondern die durch den Verdienstausfall bedingte Vermögenseinbuße der Arbeitnehmer der Klägerin.
Arbeitsentgelt im Sinne der §§ 2, 4 LFG ist alles, was der Arbeitgeber aufgrund des Arbeitsverhältnisses als laufende Zahlung gewährt, was also der Arbeitnehmer aufgrund des Arbeitsvertrages für seine Arbeit verlangen kann (mit Ausnahme hier nicht in Betracht kommender Aufwandsentschädigungen; BGH NJW 1971, 99 [BGH 22.10.1970 - VII ZR 71/69] F - 960 -; NJW 1972, 1703 ff - 1704/5 -). Es kommt darauf an, was der Verletzte durch die Verwertung seiner Arbeitskraft während der Dauer der Arbeitsunfähigkeit an vermögenswerten Ansprüchen erworben haben würde. Die entsprechende Einbuße macht den zu ersetzenden normativen Schaden aus (vgl. BGH NJW 1972, 1703 ff [BGH 04.07.1972 - VI ZR 114/71]; BGH NJW 1965, 1430 ff - 1431 -). Auch Leistungen des Arbeitgebers an dritte Stellen (z. B. Sozialversicherungsträger) können daher erstattungsfähig sein, selbst wenn sie nicht dem Bruttolohn entnommen werden. Entscheidend ist insoweit, daß es sich um zum Bruttolohn hinzutretende Leistungen des Arbeitgebers für den Arbeitnehmer und damit um einen Vorteil handelt, der diesem aus seiner Arbeit zufließt und ausschließlich ihm zugute kommt (BGH NJW 1965, 1431 [BGH 27.04.1965 - VI ZR 124/64]).
§ 4 LPG enthält keine abschließende enumerative Aufzählung der zu ersetzenden Leistungen des Arbeitgebers für den Arbeitnehmer. Der Gesetzgeber hat vielmehr lediglich zum Ausdruck gebracht, daß er die bereits von der Rechtsprechung zu der Frage des Erwerbsschadens gewonnenen Ergebnisse billige (BGH NJW 1972, 1704; vgl. Lange VersR 1970, 486 ff - 492 -). Daher ist es zulässig und - falls die genannten Voraussetzungen erfüllt sind - geboten, über die Aufzählung in § 4 LFG hinaus weitere Leistungen des Arbeitgebers als erstattungsfähig anzusehen (BGH a.a.O.; LG Berlin VersR 1973, 570).
II.
1.
Die Zahl der unfallbedingten Ausfallstunden ist mit 120 Stunden bei S. und 96 Stunden bei F. unstreitig.
Beide Arbeitnehmer der Klägerin haben vor dem Unfall und hätten während der Sauer ihrer Unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit einen Stundenlohn (einschließlich Arbeitgeberanteil zur Vermögensbildung) von 13,75 DM erhalten. Für S. errechnet sich demnach ein Lohnausfall von 1.650,- DM, während sich für Franke ein Lohnausfall in Höhe von 1.320,- DM ergibt.
Der Erwerbsschaden umfaßt außer dem Lohn auch das zusätzlich vom Arbeitgeber gezahlte Wintergeld. Diese Zahlungen haben ihre Rechtsgrundlage in §§ 74 Abs. 3 Ziff. 2a, 80 Arbeitsförderungsgesetz (AFG). Nach § 74 Abs. 2 AFG fördert die Bundesanstalt für Arbeit die ganzjährige Beschäftigung in der Bauwirtschaft durch die Leistungen der Produktiven Winterbauförderung und das Schlechtwettergeld. Zu der Produktiven Winterbauförderung zählt das Wintergeld. Es wird den Arbeitnehmern des Baugewerbes gewährt, um die witterungsbedingten Mehraufwendungen bei Arbeit in der witterungsungünstigen Jahreszeit (16.12 bis 15.3.; § 75 Abs. 2 Satz 1 AFG) abzugelten, und beträgt pro geleistete Arbeitsstunde 2,- DM. S. hat 120 Arbeitsstunden versäumt, F. 96. An Wintergeld wären ihnen (240 DM + 192 DM =) 432,- DM gezahlt worden. Dieser Anspruch steht nunmehr der Klägerin zu.
Ohne den weiter geltend gemachten Unkostenanteil ergibt sich ein Zwischenbetrag von (1.650,- DM + 1.320,- DM + 432,- DM =) 3.402,- DM.
2.
Die Klägerin verlangt weiter einen Unkostenanteil von nunmehr noch 63,94 % (bezogen auf den Lohn ohne das Wintergeld). Dieser Prozentsatz ist überhöht. Nach Auffassung des Senats stehen ihr lediglich 31,70 % der tatsächlichen Lohnkosten (ohne Wintergeld) = 941,49 DM zu.
a)
Die Beiträge der Klägerin zu den Sozialkassen des Baugewerbes (15 %), für die Krankenversicherung für Schlechtwettergeldempfänger (0,55 %) und für die Schlechtwettergeldregelung während der Sommermonate (2 %) sind Leistungen, die dem Begriff des Arbeitsentgelts zuzurechnen sind. Denn sie erfolgen im Interesse der Arbeitnehmer und haben zur Folge, daß diese Ansprüche erwerben und auch während des witterungsbedingten Arbeitsausfalls krankenversichert sind, ohne für diese Zeit selbst einen Beitragsteil entrichten zu müssen.
aa)
Die Lohnausgleichskasse wird von den Arbeitgebern gespeist. Aus ihr erhalten die Arbeitnehmer für die arbeitsfreie Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr einen nach dem vorherigen Lohn bemessenen Pauschbetrag, der vom Arbeitgeber verauslagt und von der Kasse erstattet wird (siehe LG Köln VersR 1972, 1181).
Die Urlaubskasse für das Baugewerbe beruht wie die Lohnausgleichskasse auf tarifvertraglicher Vereinbarung. Die Arbeitgeber zahlen den Arbeitnehmern kein Urlaubsentgelt, sondern leisten stattdessen entsprechende Beiträge an die Urlaubskasse. Diese verwaltet die bei ihr angesammelten Beträge und zahlt sie den Arbeitnehmern als Urlaubsentgelt aus.
Die Zusatzversorgungskasse schließlich gewährt den Arbeitnehmern unter bestimmten Voraussetzungen eine Zusätzliche Rente (z. B. bei Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit). Es handelt sich um eine Art. Betriebsrente. Die erforderlichen Beiträge werden ausschließlich von den Arbeitgebern aufgebracht.
Die Beiträge der Arbeitgeber an die genannten Kassen dienen ausschließlich den Belangen der Arbeitnehmer; sie sind daher ein Teil des Arbeitsentgelts (für Urlaubsentgelt BGH NJW 1972, 1704/5; Urlaubskasse: AG Hamburg BB 1973, 987; Sozialkasse im Baugewerbes LG Berlin VersR 1973, 570; a.A. -Urlaubs- und Lohnausgleichskasse - LG Köln VersR 1972, 1181/2).
bb)
Die Empfänger von Schlechtwettergeld bleiben krankenversichert, ohne jedoch während der witterungsbedingten Ausfallzeit eigene Beiträge zur Krankenversicherung leisten zu müssen. Ihren Anteil hat der Arbeitgeber zu zahlen (§§ 162, 163 AFG). Daraus ergibt sich, daß es sich um Zahlungen zum ausschließlichen Nutzen der Arbeitnehmer, mithin um Arbeitsentgelt handelt.
cc)
Das gleiche gilt für den von der Klägerin geleisteten Beitrag für die Schlechtwettergeldregelung während der Sommermonate. Denn durch ihn wird ein in dem Arbeitsverhältnis wurzelnder Anspruch des Arbeitnehmers auf Zahlung einer Schlechtwettergeldpauschale begründet. Diese betrug 1974 190,- DM und wurde ausgezahlt von der Zusatzversorgungskasse in Wiesbaden. Die Beitragsleistungen der Arbeitgeber beruhen auf tarifvertraglicher Vereinbarung.
b)
Erstattungsfähig sind - unstreitig - weiter die von der Klägerin gezahlten anteiligen Beiträge für die Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung (14,15 %; § 4 LFG).
c)
Die Beiträge der Klägerin zur Berufsgenossenschaft (§ 723 RVO) und zu den Kosten der Winterbauförderung sind dagegen nicht erstattungsfähig.
aa)
Die Berufsgenossenschaften sind die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung. Ihre Aufgaben sind in § 537 RVO umschrieben: Durch die Unfallversicherung sollen Arbeitsunfälle verhütet und nach Eintritt eines Arbeitsunfalles der Verletzte, dessen Angehörige und dessen Hinterbliebene entschädigt werden. Diese Entschädigung erfolgt durch Geldleistungen, durch Maßnahmen zur Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit, durch Erleichterung der Verletzungsfolgen und durch Arbeits- und Berufsförderung. Die finanziellen Mittel für diese Aufgaben werden durch Beiträge ausschließlich der Unternehmer aufgebracht, wobei sich die Beitragshöhe nach dem Arbeitsentgelt der Versicherten und nach dem Grad der Unfallgefahr in dem betreffenden Betrieb bestimmt (§§ 723, 725 RVO).
Die Frage, ob die Beiträge zur Berufsgenossenschaft erstattungsfähig sind, ist umstritten. Die wohl herrschende Meinung verneint sie mit der Begründung, die Beiträge würden nicht zugunsten der Arbeitnehmer, sondern im Interesse des Arbeitgebers entrichtet (OLG Frankfurt VersR 1964, 854; BGH VersR 1966, 89; Lange VersR 1970, 486 ff - 493 -; LG Köln VersR 1972, 1181; AG Stuttgart VersR 1972, 408; Pelikan, Kommentar zum LFG, § 4 Anm. 4). Die Vertreter der gegenteiligen Meinung führen demgegenüber aus, die Leistungen der Berufsgenossenschaft kämen nicht nur den Arbeitgebern, sondern vor allem den Arbeitnehmern zugute. Die Beiträge würden deshalb nicht ausschließlich im Interesse der Arbeitgeber, sondern in überwiegendem Maße im Interesse der Arbeitnehmer erbracht (LG Berlin VersR 1973, 570/1 m.w.Nachw.; LG Köln BB 1973, 1308).
Der Senat schließt sich der erstgenannten Auffassung an. Nach seiner Ansicht dienen die Beiträge an die Berufsgenossenschaft vor allem den Interessen der Arbeitgeber. Denn ihre evtl. Haftpflicht gegenüber ihren Arbeitnehmern wird in dem durch §§ 636 ff RVO festgelegten Rahmen durch die (durch die Beitragszahlungen bewirkte) Leistungspflicht der Berufsgenossenschaft abgelöst. Die Unfallversicherung wirkt darum für den Arbeitgeber als eine Art. Haftpflichtversicherung; Sie befreit ihn in gewissem Umfang von Schadensersatzansprüchen der Arbeitnehmer oder ihrer Angehörigen (vgl. BGH NJW 1971, 194 ff - 196 [BGH 10.11.1970 - VI ZR 104/69] -). Damit korrespondieren naturgemäß die Belange der Arbeitnehmer. Sie sind die Empfänger der Entschädigungsleistungen der Berufsgenossenschaft und auch ihnen kommen die Maßnahmen der Unfallverhütung zugute. Außerdem besteht ein enger Zusammenhang zwischen der Beschäftigung der Arbeitnehmer, dem gezahlten Lohn und den Beiträgen an die Berufsgenossenschaft.
Doch ändern diese Umstände nichts daran, daß die Unfallversicherung durch ihre Leistungen in erster Linie dem Arbeitgeber zugute kommt, weil sie ihm Versicherungsschutz gewährt und gewähren soll. Ihn erkauft er sich durch seine Beiträge. Diese sind daher nicht als Teil des Arbeitsentgelts anzusehen, denn sie werden allenfalls mittelbar zugunsten der Arbeitnehmer erbracht. Eine derartige Beziehung zur Arbeitstätigkeit reicht jedoch nicht aus. Erforderlich ist vielmehr, daß die Leistungen des Arbeitgebers ausschließlich (so BGH NJW 1965, 1431 [BGH 27.04.1965 - VI ZR 124/64]) oder doch jedenfalls ganz überwiegend den Arbeitnehmern zugute kommen, daß es sich um eine Leistung für den Arbeitnehmer handelt. Nur dann können sie zum Arbeitsentgelt gerechnet werden.
Die von der Klägerin gezahlten Beiträge zur Berufsgenossenschaft stellen daher keinen Erwerbsschaden der Verletzten, sondern einen nicht erstattungsfähigen Drittschaden (der Klägerin) dar.
bb)
Wie bereits ausgeführt, zählt es zu den Aufgaben der Bundesanstalt für Arbeit, den Winterbau zu fördern. Die dadurch entstehenden Kosten werden durch die sogen. Winterbaumumlage gedeckt; diese wird von den Arbeitgebern an die Bundesanstalt für Arbeit gezahlt (§ 186 a AFG). In Gestalt des Wintergeldes fließen die Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit über den jeweiligen Arbeitgeber den Arbeitnehmern zu. Aber auch die Arbeitgeber werden aus dem Beitragsaufkommen unterstützt; sie erhalten von der Bundesanstalt Investitions- und Mehrkostenzuschüsse (§§ 74 Abs. 3 Satz 1, 77, 78 AFG).
Die ausschließlich von den Arbeitgebern zu zahlende Umlage dient also sowohl den Interessen der Arbeitnehmer als auch denen der Arbeitgeber. Das Schwergewicht dürfte auf dem Wintergeld liegen. Man wird daher möglicherweise die Beiträge in Höhe eines entsprechenden Prozentsatzes als Teil des Arbeitsentgelts zu werten haben. Dennoch kommt hier eine Erstattung nicht in Betracht. Denn die Klägerin erhält insoweit bereits Ersatz in Höhe des für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit auf ihre beiden verletzten Arbeitnehmer entfallenden Wintergeldes. Würde man ihr darüber hinaus auch die anteiligen Kosten der Winterbaumumlage erstatten, würde der gleiche Schaden zweifach berücksichtigt. An sich besteht der Erwerbsschaden in der anteiligen Umlage (soweit man in ihr - teilweise - Arbeitsentgelt sieht). Fällt die Arbeitsunfähigkeit aber - wie hier - in die Förderungszeit im Sinne der §§ 75 Abs. 2 Satz. 1, 80 Abs. 1 AFG, wird dieser Schaden des Arbeitnehmers gleichsam überlagert durch den Ausfall an Wintergeld. Darum kann der Erwerbsschaden der Arbeitnehmer s. und F. hier nur in dem Wintergeldausfall gesehen werden.
d)
Soweit die Klägerin außer dem tatsächlich gezahlten Bruttolohn (einschließlich des Arbeitgeberanteils zur Vermögensbildung) und den genannten Beiträgen einen weiteren zusätzlichen Lohnanteil in Höhe von 17,10 % verlangt und ihre Beitragsleistungen mit dem Faktor 1,171 (= 1 % des sogen. Basislohns) multipliziert, hat ihre Klage keinen Erfolg. Denn die Erstattungsfähigkeit dieser Positionen ist nicht dargetan.
Die geltend gemachten Beiträge beziehen sich jeweils auf den Bruttoarbeitslohn; er stellt 100 % dar. Die von der Klägerin vorgenommene Multiplikation mit dem Faktor 1,171 bedeutet, daß die Beitragsunkosten auf den sogen. Basislohn bezogen werden. Da sie sich aber nicht von ihm, sondern von dem Bruttolohn berechnen, kann die Klägerin lediglich einen Unkostenprozentsatz von (14,15 % + 15 % + 0,55 % + 2 % =) 31,70 % und keine (31,7 × 1,171 =) 37,12 % ersetzt erhalten.
Die Klägerin hat weiter nicht dargetan, weshalb sie berechtigt ist, einen Unkostenanteil (Aufschlag auf die gezahlten Löhne) von 17,10 % in Rechnung zu stellen. Daß es sich dabei um dem Arbeitsentgelt zuzurechnende zusätzliche Leistungen des Arbeitgebers zugunsten der Arbeitnehmer handelt, ist nicht ersichtlich.
III.
Die Forderung der Klägerin errechnet sich nach allem mit (3.402,- DM + 941,49 DM =) 4.343,49 DM. 3.860,86 DM hat die Beklagte bereits gezahlt. Die Klägerin hat daher noch Anspruch auf 482,63 DM.
Dieser Betrag ist gemäß §§ 284, 286, 288 BGB beginnend mit dem 19.4.1974 zu verzinsen. Durch das Schreiben der Klägerin vom 20.3.1974 ist die Beklagte nicht in Verzug gekommen. Denn diesem Schreiben lag die Unkostenaufstellung nicht an; außerdem war die Dauer der Arbeitsunfähigkeit der Arbeitnehmer der Klägerin nicht angegeben. Die Beklagte war darum nicht in der Lage, vor dem 19.4.1974 eine abschließende Stellungnahme abzugeben (§ 285 BGB).
Der Zinssatz beträgt bis zum 31.12.1974 13,25 % und seit dem 1.1.1975 12,75 %. Denn die Klägerin hat durch Vorlage einer Bankbescheinigung nachgewiesen, daß sie in Höhe des zugesprochenen Betrages mit Bankkredit arbeitet und die genannten Zinssätze in den angegebenen Zeiträumen zu zahlen hatte und hat.
IV.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92, 97, 708 Ziff. 7 ZPO.