Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 27.10.2010, Az.: 11 A 2389/10
Aufenthaltserlaubnis: Verlängerung; Untätigkeitsklage: zureichender Grund
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 27.10.2010
- Aktenzeichen
- 11 A 2389/10
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 41268
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGOLDBG:2010:1027.11A2389.10.0A
Rechtsgrundlagen
- §§ 161 III
- 75 VwGO
Amtlicher Leitsatz
Ein schwebendes Widerrufsverfahren beim BAMF hindert die Ausländerbehörde nicht daran, über die Verlängerung der nach § 25 Abs. 3 AufenthG erteilten Aufenthaltserlaubnis zu entscheiden.
Gründe
Das Verfahren war in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen, da beide Beteiligte den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben.
Die Kosten waren nach § 161 Abs. 3 VwGO dem Beklagten aufzuerlegen, weil der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte. Liegt ein Fall einer Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO vor, so tritt eine Kostenüberbürdung nach § 161 Abs. 3 VwGO nur dann nicht ein, wenn der Beklagte einen zureichenden Grund für die Nichtbescheidung hatte und dem Kläger dieser Grund bekannt war oder bekannt sein musste (Kopp/ Schenke, VwGO, 16. Aufl., § 161 Rn. 37 m.w.N.).
Hier liegt ein Fall des § 75 VwGO vor. Der Kläger hat die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis am 25. Mai 2010 beantragt, so dass die Drei-Monats-Frist des § 75 Satz 2 VwGO im Zeitpunkt der Klageerhebung (20. September 2010) bereits deutlich abgelaufen war. Ein zureichender Grund, wieso über den Antrag noch nicht entschieden wurde (§ 75 Satz 3 VwGO) ist nicht erkennbar.
Der Beklagte beruft sich insofern allein darauf, dass er die Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge über einen möglichen Widerruf des zugunsten des Klägers festgestellten Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 5 AufenthG abwarten wollte. Weiteren Ermittlungs- oder Prüfungsbedarf macht er nicht geltend; auch aus dem Verwaltungsvorgang ist nicht ersichtlich, dass der Beklagte außer der Beteiligung des Bundesamtes weitere Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung ergriffen oder weitere rechtliche Prüfungen angestellt hätte. Vielmehr wurde dem Kläger noch am selben Tag, an dem das Bundesamt den Beklagten über die Einstellung des Widerrufsverfahrens informierte (30. September 2010), mitgeteilt, dass die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden wird. Auch der Beklagte ging also offenbar davon aus, dass der Antrag - abgesehen von der Beteiligung des Bundesamtes - von Anfang an entscheidungsreif war.
Eine Beteiligung des Bundesamtes ist bei der Entscheidung über die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG aber gesetzlich nicht vorgeschrieben. Ebenso wenig kann dem Gesetz entnommen werden, dass ein schwebendes Widerrufsverfahren des Bundesamtes eine Entscheidung der Ausländerbehörde über eine solche Verlängerung vorübergehend sperrt. Nur die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 AufenthG hängt von einer Mitteilung des Bundesamtes, dass die Voraussetzungen eines Widerrufs oder einer Rücknahme nicht vorliegen, ab; eine entsprechende Regelung fehlt für § 25 Abs. 3 AufenthG.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 25 Abs. 3 AufenthG auch nach Einleitung eines Widerrufsverfahrens durch das Bundesamt weiterhin vor, solange der Widerruf nicht unanfechtbar oder vollziehbar ist (vgl. Urteil vom 22. November 2005 - 1 C 18/04 -, BVerwGE 124, 326 ff. - zitiert nach juris, Rn. 13). Die Einleitung eines Widerrufsverfahrens hat lediglich zur Folge, dass die Behörde über die Verlängerung nach Ermessen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls entscheiden muss, anstatt gesetzlich zu ihr verpflichtet zu sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. November 2005 - 1 C 18/04 -, BVerwGE 124, 326 ff. - zitiert nach juris, Rn. 15).
Diese Pflicht zu einer Ermessensentscheidung noch vor Abschluss des Widerrufsverfahrens hat der Beklagte hier völlig verkannt. Im Schriftsatz vom 18. Oktober 2010 geht er vielmehr eindeutig davon aus, er habe über den Verlängerungsantrag vor einer Entscheidung des Bundesamtes über den Widerruf nicht entscheiden dürfen. Auch aus dem Verwaltungsvorgang wird nicht ersichtlich, dass der Beklagte zwischen der förmlichen Mitteilung des Bundesamtes über die Einleitung des Widerrufsverfahrens (23. Juni 2010) und der Mitteilung über dessen Einstellung (30. September 2010) irgendwelche Schritt im Hinblick auf eine Ermessensausübung getroffen hat. Insbesondere hätte es nahe gelegen, den Kläger mit der Einleitung des Widerrufsverfahrens zu konfrontieren und ihm Gelegenheit zu geben, vorzutragen, was dafür spricht, die Aufenthaltserlaubnis ungeachtet des schwebenden Widerrufsverfahrens zu verlängern. Denn ohne eine solche Anhörung konnte der Beklagte sein diesbezüglich gegebenes Ermessen schwerlich korrekt ausüben. Aus objektiver Sicht hätte es überdies nahe gelegen, das Ermessen hier dahingehend auszuüben, die Aufenthaltserlaubnis trotz des schwebenden Widerrufsverfahrens zu verlängern. Denn das Widerrufsverfahren war erst nach Stellung des Verlängerungsantrags auf die Initiative des Beklagten hin eingeleitet worden, so dass mit einem bestandskräftigen Widerruf in absehbarer Zeit ohnehin nicht zu rechnen war. Jedenfalls hätte der Beklagte aber - ob positiv oder negativ - ungeachtet des Widerrufsverfahrens nach Ermessen über die Verlängerung entscheiden können und müssen.