Landgericht Lüneburg
Urt. v. 04.05.2017, Az.: 4 O 180/16

Bibliographie

Gericht
LG Lüneburg
Datum
04.05.2017
Aktenzeichen
4 O 180/16
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 16347
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Fundstelle

  • JurBüro 2017, 491-493

In dem Rechtsstreit
...
hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg auf die mündliche Verhandlung vom 26. Januar 2017 durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Vester als Einzelrichter
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger 26.677,28 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Juli 2016 zu zahlen.

  2. 2.

    Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

  3. 3.

    Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Kläger machen gegen die Beklagte als Drittschuldnerin Zahlungsansprüche geltend.

Die Kläger waren Inhaber der Firma Xxx mit der der Ehemann der Beklagten, Herr Xxx, in Geschäftsbeziehung stand. Gegenüber den Klägern gab der Ehemann der Beklagten (im Folgenden: Schuldner) am 28. September 2000 notarielles Schuldanerkenntnis über einen Betrag in Höhe von 23.940,50 € (46.823,55 DM) zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils geltenden Basiszinssatz seit dem 7. Juli 2000 ab. Zugleich unterwarf er sich der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen.

Wegen der Einzelheiten wird auf das notarielle Schuldanerkenntnis vom 28. September 2000 (Anlage A 1, Bl. 4 ff. d.A.) Bezug genommen.

Auf das Schuldanerkenntnis erfolgten keinerlei Zahlungen und Zwangsvollstreckungmaßnahmen gegen den Schuldner blieben erfolglos. Die Hauptforderung aus dem Schuldanerkenntnis valutiert in Höhe von 23.940,50 €, die Zinsen belaufen sich auf 17.665,44 € und die Vollstreckungskosten betragen 2.065,65 €.

Der Schuldner ist bei der Xxx Seevetal beschäftigt und erzielt dort ein monatliches Einkommen. Das Arbeitseinkommen des Schuldners ging jedenfalls in den Monaten Juni 2014 bis einschließlich Juni 2016 auf dem Konto der Beklagten ein.

Mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Winsen/Luhe vom 11. Juni 2014, in dem als Drittschuldnerin die Beklagte aufgeführt wurde, pfändeten die Kläger u.a. "die gesamten gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche des Schuldners (Rückgabe des Kontoguthabens) gegen den Drittschuldner aufgrund der Führung eines Kontos auf seinen Namen für den Schuldner bzw. Zurverfügungstellung des eigenen Kontos für Geldgeschäfte des Schuldners insbesondere: a) auf Auszahlung aller für den Schuldner auf dem Konto geführten Guthaben ...".

Wegen der Einzelheiten wird auf den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Winsen/Luhe vom 11. Juni 2014 (Anlage A 2, Bl. 10 ff. d.A.) Bezug genommen.

Der Beklagten wurde der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss am 17. Juni 2014 um 13:55 Uhr zugestellt (ZU, Bl. 26.dA).

Auf das Konto der Beklagten wurden im Zeitraum Juni 2014 bis einschließlich Juni 2016 ein Arbeitseinkommen des Klägers in Höhe von insgesamt 26.677,28 € eingezahlt. Wegen der Höhe der monatlichen Zahlungen wird auf die Aufstellung in der Klageschrift (Bl. 2, 3 d.A.) sowie auf die Gehaltsabrechnungen (Anlage A 3, Bl. 30 ff. d.A.) Bezug genommen.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte zu verurteilen, an sie als Gesamtgläubiger 26.677,28 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Juli 2016 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, auf ihrem Konto habe zu keinem Zeitpunkt ein Guthaben zugunsten des Schuldners bestanden, das hätte gepfändet werden können. Insoweit behauptet sie, der Schuldner und die Beklagte seien übereingekommen, die Lebenshaltungskosten, soweit möglich, gemeinsam aufzubringen und dies über das von der Beklagten geführte Girokonto abzuwickeln. Die laufenden monatlichen Lebenshaltungskosten würden sich auf 602,75 € belaufen zuzüglich Kosten für Essen, Trinken, Hygieneartikel und sonstigen Bedarf in Höhe von mindestens 800 €. Ohne Rückstellungen für Anschaffungen wie Möbel, Kleidung oder ähnliches, würden sich die fixen Gesamtkosten der Beklagte und des Schuldners auf monatlich mindestens 1.402,75 € belaufen.

Die Beklagte ist ferner der Ansicht, dass von dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss nur tatsächlich entstandene Guthaben des Schuldners umfasst seien, wobei ein derartiges Guthaben zu keinem Zeitpunkt bestanden habe.

Ferner sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte über keinerlei Vermögen verfüge und ihre Gesamtjahreseinkünfte bei ca. 5000,00 € liegen würden.

Die Beklagte ist ferner der Auffassung, das Arbeitseinkommen des Schuldners habe die Pfändungsfreigrenze nicht überschritten.

Mit der Klage haben die Kläger dem Schuldner gem. § 841 ZPO den Streit verkündet.

Wegen des weitergehenden Sach- und Streitstandes wird auf die zu nackten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg.

Den Klägern steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung in Höhe von 26.677,28 € gemäß § 667 BGB i.V.m. dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zu.

Die Kläger haben mit dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Winsen/Luhe vom 11. Juni 2014 den Anspruch des Schuldners, des Ehemannes der Beklagten, gegen die Beklagte auf Herausgabe der "gesamten gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche des Schuldners (Rückgabe des Kontoguthabens)" gepfändet, die "aufgrund der Zurverfügungstellung des eigenen Kontos für Geldgeschäfte des Schuldners insbesondere: a) auf Auszahlung aller für den Schuldner auf dem Konto geführten Guthaben ..." gepfändet und sich zur Einziehung überweisen lassen. Bei diesem Herausgabeanspruch handelt es sich um den Anspruch des Schuldners gegen die Beklagte gemäß § 667 BGB.

Nach § 667 BGB ist der Beauftragte verpflichtet, dem Auftraggeber alles, was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt, herauszugeben. Vorliegend bestand ein Auftragsverhältnis zwischen dem Schuldner und der Beklagten. Die Beklagte hat nach Absprache mit dem Schuldner diesem ihr Bankkonto zu dem Zweck zur Verfügung gestellt, um dem Schuldner den Bezug seines Arbeitseinkommens zu ermöglichen. Mit der Gutschrift der jeweiligen Zahlungen des Arbeitgebers des Schuldners erlangte jedoch nicht der Schuldner, sondern die Beklagte einen Anspruch gegen die kontoführende Bank auf Auszahlung des jeweiligen Guthabens. Die Zuwendung dieses Guthabens an den Schuldner ist hier der Inhalt des Anspruchs aus § 667 BGB. Eben dieser Anspruch ist von den Klägern gepfändet und zur Einziehung überwiesen worden. Die Überweisung ersetzt alle förmlichen Erklärungen des Schuldners, von denen nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts die Berechtigung zur Einziehung der Forderung abhängig ist, § 836 Abs. 1 ZPO.

Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Winsen/Luhe vom 11. Juni 2014 ist auch wirksam. Insbesondere ist der Beschluss hinreichend bestimmt. Ein Pfändungsbeschluss muss die gepfändete Forderung und ihren Rechtsgrund so genau bezeichnen, dass bei verständiger Auslegung unzweifelhaft feststeht, welche Forderung Gegenstand der Zwangsvollstreckung sein soll (vgl. BGH, NJW-RR 1991, 1197 [BGH 21.02.1991 - IX ZR 64/90]; NJW 1982, 1150, 1151). Ungenauigkeiten sind unschädlich, sofern sie keinen Zweifel begründen, welche bestimmte Forderung gemeint ist (BGH a.a.O.).

Diesen Anforderungen wird der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gerecht. Gepfändet ist der Anspruch auf Auszahlung/Herausgabe aller für den Schuldner auf dem Konto der Drittschuldnerin geführten Guthaben. Eine Beschränkung auf bestimmte Zahlungen bestimmter Dritter ist nicht erfolgt und musste auch nicht erfolgen. Erfasst sind sämtliche Auszahlungsansprüche/Herausgabeansprüche des Schuldners aus der Abrede mit der Beklagten hinsichtlich der Nutzung von deren Konto für alle Leistungen, die an den Schuldner als Gläubiger gerichtet sind. Nicht angegeben werden musste im Pfändungs- und Überweisungsbeschluss der Entstehungsgrund der Forderung, zu dem die Kläger ohnehin schwerlich nähere Angaben machen könnten. Jedenfalls konnte weder für die Beklagte noch für Dritte aufgrund der Angaben im Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zweifelhaft sein, welche Forderungen gemeint und erfasst waren. Unerheblich ist, dass der Rechtsgrund für den Auszahlungsanspruch, nämlich § 667 BGB, nicht genannt worden ist. Es genügt, wenn der Rechtsgrund - wie hier: Auszahlung - in allgemeinen Umrissen angegeben wird (BGH, NJW 1988, 2543 [BGH 28.04.1988 - IX ZR 151/87]).

Es ist ferner unerheblich, ob zum Zeitpunkt der Pfändung bereits Ansprüche des Schuldners auf Auszahlung von Kontoguthaben gegenüber der Beklagten bestanden. Denn in dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wurden auch künftige Ansprüche des Schuldners aus dem gleichen Rechtsgrund gepfändet.

Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Winsen/Luhe vom 11. Juni 2014 wurde der Beklagten als Drittschuldnerin auch zugestellt. Dem Schuldner wurde gemäß § 841 ZPO der Streit verkündet.

Die Kläger können von der Beklagten Zahlung in Höhe von 26.677,28 € verlangen. In diesem Umfang bestand ein Herausgabeanspruch des Schuldners gegen die Beklagte " gemäß § 667 BGB. Unstreitig ist in dem Zeitraum Juni 2014 bis einschließlich Juni 2016 ein Arbeitseinkommen des Schuldners auf dem Konto der Beklagten in Höhe von insgesamt 26.677,28 € eingegangen. In dieser Höhe bestand jeweils ein Auszahlungsanspruch des Schuldners gegenüber der Beklagten gemäß § 667 BGB, den die Kläger gepfändet haben. Anhaltspunkte dafür, dass zum Zeitpunkt der Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschluss am 17. Juni 2014 das Arbeitseinkommen des Schuldners für den Monat Juni 2014 bereits auf dem Girokonto der Beklagten eingegangen war, sind nicht vorhanden und werden von der Beklagten auch nicht vorgetragen.

Soweit die Beklagte die Auffassung vertritt, es habe zu keinem Zeitpunkt ein Guthaben zugunsten des Schuldners auf ihrem Girokonto bestanden, ist dies unzutreffend. Selbstverständlich bestand zu dem Zeitpunkt des Eingangs des Arbeitseinkommens des Schuldners auf dem Girokonto der Beklagten ein "Guthaben" für den Schuldner und zwar in Höhe des eingezahlten Arbeitseinkommens. Auch nach dem Vortrag der Beklagten wurden die Lebenshaltungskosten u.a. von dem Arbeitseinkommen des Schuldners gezahlt, sodass jedenfalls zum Zeitpunkt des Eingangs des Arbeitseinkommens auf dem Konto der Schuldnerin ein Auszahlungsanspruch des Schuldners in Höhe des jeweiligen Arbeitseinkommens bestand.

Die Beklagte kann den Klägern auch nicht mit Erfolg behauptete Ansprüche gegenüber dem Schuldner entgegenhalten.

Der Drittschuldner kann dem Gläubiger analog §§ 412, 404 BGB alle Einreden und Einwendungen entgegenhalten, die ihm zur Zeit der Pfändung gegenüber dem Schuldner zustehen (BGH, NJW 1985, 863, 834 [BGH 29.11.1984 - IX ZR 44/84], unter III. 3.). An sich kann die Beklagte damit zwar geltend machen, dass die Forderung des Schuldners ihr gegenüber durch Aufrechnung erloschen ist. Aufrechnen kann der Drittschuldner mit einer Forderung, die er gegen den Schuldner hat, allerdings nur unter den Voraussetzungen des § 392 BGB (BGH, NJW 1972, 428 [BGH 22.12.1971 - VIII ZR 162/70]). Eine Aufrechnung unter Verstoß gegen diese Vorschrift ist dem Pfandgläubiger gegenüber unwirksam (§§ 135, 136 BGB). Die Beklagte kann daher nur mit derartigen Forderungen aufrechnen, die ihr gegen den Schuldner zustehen, wenn die Voraussetzungen der Aufrechnung schon zur Zeit der Pfändung vorlagen, auch wenn die Aufrechnungserklärung erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt ist. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben.

Mit den von der Beklagten behaupteten Forderungen kann die Beklagte nicht aufrechnen, da diese Forderungen zum Zeitpunkt der Pfändung noch nicht fällig waren und somit zum Zeitpunkt der Pfändung noch keine Aufrechnungslage bestand. Dies wäre nur dann anders zu beurteilen gewesen, wenn zum Zeitpunkt des Eingangs des monatlichen Arbeitseinkommens bereits fällige Forderungen der Beklagten gegenüber dem Schuldner bestanden hätten. Hierzu fehlt von der anwaltlich vertretenen Beklagten jedoch jeglicher Sachvortrag. Da es bereits an einem entsprechenden Sachvortrag der Beklagten fehlte, hatte die Kammer auch keine Veranlassung, den Schuldner als Zeugen zu vernehmen. Die Beklagte war daher nicht berechtigt, diese Beträge einzubehalten bzw. an Dritte für den gemeinsamen Lebensunterhalt weiterzuleiten.

Soweit die Beklagte geltend macht, es handelt sich bei dem auf ihrem Konto eingehenden Arbeitsbezüge des Schuldners um Einkünfte, "die sich allerdings in einem Bereich bewegten, der nicht einmal die pfändfreie Grenze erreichte", ist dies unbeachtlich. Denn ein Drittschuldner kann sich im Rahmen der Drittschuldnerklage grundsätzlich nicht auf Pfändungsverbote oder -beschränkungen berufen. Eine Unpfändbarkeit der Forderung könnte zudem nicht im vorliegenden Verfahren geltend gemacht werden. Die Prüfung müsste vielmehr durch das - hierzu besonders sachverständige - Vollstreckungsgericht (s.a. BAG, NJW 1977, 76) erfolgen. Ein entsprechender Antrag wurde jedoch weder von den Schuldner noch der Drittschuldnerin an das Amtsgericht Winsen/Luhe - Vollstreckungsgericht - gerichtet.

Unabhängig davon hat der Gesetzgeber mit der Einführung des Pfändungsschutzkontos klargestellt, dass Pfändungsschutz nur noch auf eigenen Konten des Schuldners gewährt werden kann und ein Pfändungsschutz für Gutschriften auf Konten Dritter nicht gegeben ist. Der Schuldner entzieht sich dem ihm in Gestalt des Pfändungsschutzkontos (§ 850k ZPO) gewährten Schutz dadurch selbst, indem er es unterlässt, dafür Sorge zu tragen, dass die Zahlungen auf einem geeigneten Pfändungsschutzkonto eingehen. Der Schuldner hat nach dem Willen des Gesetzgebers selbst für den Schutz der an ihn gerichteten Zahlungen Sorge zu tragen, in dem er alles dahingehend veranlasst, dass seine Zahlungen auf einem eigenen Pfändungsschutzkonto statt auf dem Konto eines Dritten eingehen (vgl. BVerfG, 1 BvR 163/15, Beschluss vom 29. Mai 2015). Vor diesem Hintergrund es auch für die Anwendung von § 765a ZPO, einer eng auszulegen Ausnahmevorschrift, von vornherein kein Raum. Außerdem gilt diese Vorschrift im Erkenntnisverfahren ohnehin nicht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

Vester