Amtsgericht Delmenhorst
Beschl. v. 09.04.2013, Az.: 45 C 5291/12 (VI)
Untergang von Forderungen aus einer Körperverletzung auf Grund einer Restschuldbefreiung im Falle einer unvollständigen Angabe von Schuldtiteln
Bibliographie
- Gericht
- AG Delmenhorst
- Datum
- 09.04.2013
- Aktenzeichen
- 45 C 5291/12 (VI)
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2013, 56226
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:AGDELMH:2013:0409.45C5291.12VI.0A
Rechtsgrundlagen
- § 280 BGB
- § 826 BGB
- § 20 InsO
Fundstellen
- JurBüro 2014, 101-102
- NZI 2014, 319
In dem Rechtsstreit
............................................................................
Kläger,
Prozessbevollmächtigte: ..............................................
gegen
............................................................................
Beklagter,
Prozessbevollmächtigte: ......................................................................
hat das Amtsgericht Delmenhorst auf die mündliche Verhandlung vom 12.03.2013 durch den Richter am Amtsgericht ..........................................
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.527,14 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus jährlich seit dem 18.11.2012 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass der Anspruch des Klägers aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung folgt.
- 2.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
- 3.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
- 4.
Der Streitwert wird festgesetzt auf 4.527,14 Euro.
Tatbestand
Durch Urteil des Amtsgericht Bremen vom 27.09.2011, Aktenzeichen ............, wurde der Beklagte wegen einer Körperverletzung zum Nachteil des Klägers verurteilt. Am 07.05.2012 erging ein Kostenfestsetzungsbeschluss gegen den Beklagten wegen der Kosten der Nebenklage des Klägers im Strafverfahren. Am 04.09.2002 stellte der Beklagte Insolvenzantrag beim Amtsgericht Delmenhorst. Am 23.11.2012 erging ein Versäumnisurteil beim Amtsgericht Bremen zum Aktenzeichen .................... Wegen des Inhalts wird verwiesen auf Blatt 12 der Akte. Am 18.12.2002 erging im Zivilverfahren ein Kostenfestsetzungsbeschluss gegen den Beklagten. Am 07.01.2003 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten eröffnet, das Schuldenbereinigungsverfahren war erfolglos geblieben. Am 12.02.2003 erstellte der Beklagte eine Vermögensübersicht, vgl. Band I, Blatt 94 der Insolvenzakte des Amtsgericht Delmenhorst. Verzeichnet waren 4 Gläubiger.
Am 18.02.2004 wurde das Verfahren zur Restschuldbefreiung eingeleitet. Am 24.02.2009 wurde die Restschuldbefreiung erteilt.
2012 unternahm der Kläger einen Vollstreckungsversuch. Auf diesen Vollstreckungsversuch wurde ihm durch die Bevollmächtigten des Beklagten mitgeteilt, dass eine Restschuldbefreiung ergangen sei, die Forderung sei vom Insolvenzverfahren und daher von der Restschuldbefreiung erfasst, Ansprüche bestünden nicht mehr.
Hierauf teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass er davon ausginge, dass die Forderung im Insolvenzverfahren nicht untergegangen sei. Er setzte den Beklagten mit Schreiben vom 27.05.2012 in Verzug und forderte zur Zahlung auf, letzteres zum Ablauf des 29.06.2012.
Der Kläger behauptet, der Beklagte habe die seinerzeit für ihn festgestellten Forderungen aus der vorsätzlich begangenen Körperverletzung bewusst im Insolvenzverfahren verschwiegen. Er ist der Ansicht, dass begründe einen eigenen Anspruch auf Schadenersatz.
Der Kläger beantragt,
- 1.
den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 4.527,14 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
- 2.
festzustellen, dass der Anspruch aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung folgt.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte behauptet, die Forderung des Klägers sei im Insolvenzverfahren "untergegangen". Er habe die Angabe dieser Forderung im Insolvenzverfahren nicht schuldhaft, insbesondere nicht vorsätzlich, unterlassen.
Die Insolvenzakte lag zur mündlichen Verhandlung vor, wurde zum Gegenstand der Verhandlung gemacht und wurde ausgewertet. Teilweise wurde in der Hauptverhandlung hierauf Bezug genommen. Einzelne Sachverhalte wurden vor Vergleichsschluss erörtert. Der Abgeschlossene Vergleich wurde widerrufen.
Ergänzend wird verwiesen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Dem Kläger steht ein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB in ausgeurteilter Höhe zu, vgl. BGH, Beschluss vom 06.11.2008, IV ZB 34/08 ([...]); BGH, Beschluss vom 16.12.2010, IV ZR 24/10 ([...]).
Der Beklagte wurde rechtskräftig wegen einer Straftat zum Nachteil des Klägers verurteilt. Er wurde darüber hinaus rechtskräftig verurteilt, Schmerzensgeld zu zahlen, immerhin 3.000,00 Euro. Der Kostenfestsetzungsbeschluss für die Kosten der Nebenklage aus dem Strafverfahren ist rechtskräftig. Der Kostenfestsetzungsbeschluss aus dem Zivilverfahren ist ebenfalls rechtskräftig. Alle diese Forderungen tauchen im Gläubigerverzeichnis nicht auf.
Grundsätzlich sind alle Forderungen gegen den Schuldner von der Restschuldbefreiung erfasst, das bedeutet, dass sowohl angemeldete Forderungen, unangemeldete Forderungen und unverschuldet unangemeldete Forderungen für den Fall der Erteilung der Restschuldbefreiung untergehen. Letzteres gilt auch für Forderungen aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung, wenn diese im Insolvenzverfahren nicht angemeldet wurden. Diese stellen dann sogenannte unverkommene Verbindlichkeiten (Naturalobligationen) dar und sind durch den jeweiligen Gläubiger nicht mehr beizutreiben, vgl. BGH, Beschluss vom 25.09.2008, IV ZR 205/06 ([...]).
Von der Restschuldbefreiung werden nur Forderungen nicht berührt, die aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung resultieren, § 302 Nummer 1 Insolvenzordnung, und unter Angabe eben dieses Rechtsgrundes zum Insolvenzverfahren angemeldet wurden. Geschieht dies nicht, geht die Forderung - wie ausgeführt - unter. Selbst dann, wenn dem Gläubiger das Insolvenzverfahren selbst unbekannt geblieben ist, vgl. BGH, Beschluss vom 16.12.2010, IV ZR 24/10 ([...]). Ansprüche können sich dann (nur) noch aus § 826 BGB ergeben.
Es besteht die Verpflichtung des gesetzliche Insolvenzschuldners zur vollständigen Angabe über alle das Verfahren betreffende Angelegenheiten sowie über alle Gläubiger seitens des Schuldners, §§ 20, 97, 98, 101 Insolvenzordnung. Die Erteilung dieser Angaben kann im Insolvenzverfahren notfalls erzwungen werden.
Gegen diese Pflicht zur vollständigen Angabe aller Gläubigerforderungen hat der Beklagte ersichtlich verstoßen. Sinn und Zweck des Privatinsolvenzverfahrens waren ihm bekannt, Sinn und Zweck seiner Mitwirkungspflicht waren ihm ebenfalls bekannt. Die Restschuldbefreiung hat er bewusst beantragt.
Erst am 27.09.2001 war der Beklagte durch das Urteil des Amtsgerichts Bremen wegen Körperverletzung verurteilt worden. Am 07.05.2002 folgte der Kostenfestsetzungsbeschluss hinsichtlich der Kosten der Nebenklage. 4 Monate später stellte er dann am 04.09.2012 den Insolvenzantrag beim Amtsgericht Delmenhorst, nur 7 Wochen später erging das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Bremen vom 23.10.2012. Hieran schloss sich relativ zeitnah am 18.12.2002 der Kostenfestsetzungsbeschluss im Zivilverfahren an. Nur 3 Wochen später wurde das Insolvenzverfahren durch Beschluss vom 07.01.2003 eröffnet. 5 Wochen später übersandte der Schuldner dann eine Vermögensübersicht, vgl. Blatt I/94 der Insolvenzakte, in der nur 4 Gläubiger verzeichnet waren. Hierbei, und davon ist das Gericht überzeugt, muss dem Beklagten bewusst gewesen sein, dass die kürzlich ergangenen 4 Schuldtitel gegen ihn bestanden und aufzunehmen gewesen wären! Insgesamt waren nur 4 Gläubiger bezeichnet, bei der nichtbenannten Forderung handelt es sich um die einzig erkennbare Forderung aus unerlaubter Handlung, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit konnte der Beklagte davon ausgehen, dass der Kläger diese Forderung auch im Insolvenzverfahren angemeldet hätte, hatte er doch kurz zuvor vollumfänglich und nachdrücklich seine Rechte wahrgenommen.
Das Verschweigen dieser 4 Forderungen, jeweils auf Grundlage eines eigenen Vollstreckungstitels, verstößt gegen die guten Sitten im Sinne der Rechtsprechung, vgl. BGH a.a.O.. Die Tathandlung in Form des Verschweigens steht dem aktiven Tun gleich. Es bestand eine gesetzliche Pflicht zur vollständigen Auskunft.
Der Beklagte handelte auch vorsätzlich. Dies ergibt sich aus der Chronologie der Ereignisse sowie der Kürze der jeweiligen Zeitabstände. Der Beklagte hat alle Urteile und Kostenfestsetzungsbeschlüsse erhalten, weil das Urteil des Amtsgerichts Bremen vom 27.09.2011 einen Rechtskraftvermerk trägt, im Übrigen Kopien von vollstreckbaren Ausfertigungen überreicht wurden, was ebenfalls auf jeweils gerichtlich geprüfte Zustellungen schließen lässt. Den Erhalt der Vollstreckungstitel hat der Beklagte nicht in Abrede gestellt.
Der Schaden des Klägers liegt in den untergegangenen Forderungen. Das sind alle Forderungen und Ersatzansprüche aus Anlass der Körperverletzung, d.h. Schmerzensgeld, Kosten der Rechtsverfolgung, festgestellte Zinsen und Vollstreckungskosten. Diese sind zutreffend berechnet, im Übrigen inhaltlich nicht detailliert bestritten.
Zinsen werden aus Verzug geschuldet, §§ 280, 286, 288 BGB. Die Kostenentscheidung und die weiteren Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 3, 91, 711 ZPO.