Landessozialgericht Niedersachsen
Beschl. v. 15.04.1998, Az.: L 5 KA 10/98 ER

Klagebefugnis gegen Beanstandungen der Aufsichtsbehörde

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen
Datum
15.04.1998
Aktenzeichen
L 5 KA 10/98 ER
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1998, 16645
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:1998:0415.L5KA10.98ER.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Hannover - 22.01.1998 - AZ: S 21 KA 886/97 eR

Fundstelle

  • SozSich 1999, 40

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Der Vorsitzende des Landesschiedsamtes ist nicht gesetzlicher Vertreter dieses Gremiums; er ist nicht gem § 71 Abs. 4 SGG i.V.m. § 78 Abs. 4 ZPO legitimiert, für das Landesschiedsamt als Rechtsanwalt vor den Sozialgerichten aufzutreten.

  2. 2.

    Eine Klagebefugnis gegen Beanstandungen der Aufsichtsbehörde gem § 89 Abs. 5 SGG besitzen nur die Vertragspartner, nicht hingegen das Schiedsamt.

Der 5. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen in Celle
hat auf die mündliche Verhandlung vom 15. April 1998
durch
seine Richter Dr. L. - Vorsitzender -,
Dr. G. und S. sowie
die ehrenamtlichen Richter Dr. B. und P.
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I.

Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen eine aufsichtsbehördliche Beanstandung.

2

Mit Beschluß vom 4. Juli 1997 setzte der Antragsteller die Gesamtvergütung für die kassenzahnärztliche Versorgung im Ersatzkassenbereich betreffend das Jahr 1996 auf der Grundlage des Bewertungsmaßstabs nach Einzelleistungen fest. Die Punktwerte der Gebührentarife A, B, E hob er gegenüber den im Vorjahr festgesetzten Punktwerten an. Die Punktwerte der Gebührentarife C und D blieben gegenüber denen im Vorjahr konstant.

3

Gegen die Schiedsamtsentscheidung haben die Beigeladenen zu 1) und 2) am 19. September 1997 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Hannover erhoben - Az.: S 31 Ka 651/97 und am 21. Oktober 1997 beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen. Diesem Antrag hat das SG mit Beschluß vom 8. Dezember 1997 - Az.: S 31 Ka 727/97 eR stattgegeben. Die hiergegen gerichteten Beschwerden des Antragstellers dieses Verfahrens und der Beigeladenen zu 3) hat der erkennende Senat mit Beschluß vom 15. April 1998 - Az.: L 5 KA 4/98 ER - verworfen.

4

Der Antragsgegner dieses Verfahrens beanstandete mit an den Antragsteller gerichteten Bescheid vom 24. November 1997 - Az.: 106.2 - 150 250 - 14.5 - die Schiedsamtsentscheidung vom 4. Juli 1997 gem. § 89 Abs. 5 SGB V und Ordnete gleichzeitig die sofortige Vollziehung der Beanstandung gemäß § 97 Abs. 1 Nr. 6 SGG an.

5

Hiergegen hat die Beigeladene zu 3) am 25. November 1997 Klage vor dem SG Hannover erhoben - Az.: S 21 Ka 885/97 - und gleichzeitig beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen. Das SG hat den Antrag mit Beschluß vom 22. Januar 1998 - Az.: S 21 Ka 875/97 eR - abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat der erkennende Senat mit Beschluß vom 15. April 1998 - Az.:- L 5 KA 17/98 ER - zurückgewiesen.

6

Der Antragsteller dieses Verfahrens hat gegen den oben näher bezeichneten Beanstandungsbescheid des Antragsgegners am 2. Dezember 1997 Klage vor dem SG Hannover erhoben - Az.: S 21 KA 895/97 - und gleichzeitig beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen. Das SG hat den Antrag mit Beschluß vom 22. Januar 1998 ebenfalls abgewiesen. Dem Antragsteller fehle das Rechtsschutzbedürfnis, da das SG dem vorläufigen Rechtsschutzantrag der Beigeladenen zu 1) und 2) auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Schiedsamtsentscheidung vom 4. Juli 1997 stattgegeben habe.

7

Gegen diesen Beschluß hat der Antragsteller am 10. Februar 1998 Beschwerde vor dem SG Hannover eingelegt, der das SG nicht abgeholfen hat. Der Antragsteller ist der Ansicht, sein vorläufiger Rechtsschutzantrag sei zulässig und begründet.

8

Der Antragsteller beantragt,

den Beschluß des Sozialgerichts Hannover vom 22. Januar 1998 aufzuheben und das Verfahren an das Sozialgericht Hannover zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen,

hilfsweise,

die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 24. November 1997 - Az.: 106.2 - 150 250 - 14.5 - wiederherzustellen.

9

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

10

Er hält den angefochtenen Beschluß für zutreffend.

11

Die Beigeladenen zu 1) und 2) haben sich dem Antrag des Beschwerdegegners angeschlossen.

12

Die Beigeladene zu 3) beantragt,

  1. 1.

    ihre Beiladung aufzuheben,

  2. 2.

    den Beschluß des Sozialgerichts Hannover vom 22. Januar 1998 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die Beanstandung des Schiedsspruchs vom 4. Juli 1997 durch den Antragsgegner vom 24. November 1997 wiederherzustellen.

13

Die Beigeladene zu 3) ist der Ansicht, daß ihre Beiladung unter Berücksichtigung ihres eigenen vorläufigen Rechtsschutzverfahrens unzulässig sei. Den vorläufigen Rechtsschutzantrag des Antragstellers hält sie für zulässig und begründet.

14

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der. Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozeßakte ergänzend Bezug genommen.

15

II.

Die Beigeladene zu 3) war zum Verfahren beizuladen.

16

Es handelt sich um einen Fall notwendiger Beiladung. Gem. § 75 Abs. 2 SGG sind Dritte beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Dies trifft auch auf die Beigeladene zu 3) zu. Die Entscheidung über die Aussetzung der Vollziehung des Beanstandungsbescheids des Antragsgegners betrifft unmittelbar ihre Rechtssphäre. Nach § 85 Abs. 3 S. 1 in Verbindung mit § 83 Abs. 1 S. 1 SGB V obliegt es den Kassenzahnärztlichen Vereinigungen und Krankenkassenverbänden, die Veränderungen der Gesamtvergütungen zu vereinbaren. Auch einem Schiedsspruch hierüber kommt die Rechtswirkung einer von den Gesamtvertragspartnern getroffenen Vereinbarung zu (vgl. Hess in: Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Loseblattsammlung Stand: November 1997, § 89 SGB V Rdnr. 15). Dementsprechend ist ihr Rechtskreis berührt, wenn die Aufsichtsbehörde einen Schiedsspruch über die Veränderung der Gesamtvergütung beanstandet. Daß die Beigeladene zu 3) in einem anderen Verfahren selbst um vorläufigen Rechtsschutz gegenüber dem streitbefangenen Beanstandungsbescheid des Antragsgegners nachgesucht hat, stellt die Zulässigkeit ihrer Beiladung in diesem Rechtsstreit nicht in Frage. Eine Beiladung wäre nur dann nicht in Betracht gekommen, wenn die Beigeladene zu 3) Antragstellerin oder Antragsgegnerin in dem hier vorliegenden Verfahren gewesen wäre. In diesem Fall wäre sie nicht "Dritte" im Sinne des § 75 Abs. 2 SGG gewesen.

17

Die gem. § 172 SGG statthafte Beschwerde ist form- sowie fristgerecht eingelegt worden und auch im übrigen zulässig. Der Zulässigkeit steht insbesondere nicht entgegen, daß der Vorsitzende des Landesschiedsamtes, Ministerialdirigent a. D. J. L. die Beschwerde auf einem Schriftstück mit dem Briefkopf "I. J. L. Rechtsanwalt" eingelegt hat.

18

Zwar konnte der Vorsitzende des Landesschiedsamtes für dieses als Rechtsanwalt keine Prozeßhandlungen vornehmen.

19

Eine entsprechende Legitimation läßt sich entgegen seiner Ansicht nicht aus § 71 Abs. 4 SGG in Verbindung mit § 78 Abs. 4 ZPO ableiten.

20

Nach letzterer Vorschrift kann sich der Anwalt selbst vertreten in einer eigenen Angelegenheit, in Angelegenheiten, in denen er Partei kraft Amtes ist oder wenn er den Rechtsstreit als gesetzlicher Vertreter (§ 51 ZPO) führt (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 56. Aufl. 1998, § 78 Rdnr. 56). Um eine eigene Angelegenheit des Ministerialdirigenten a. D. Jung Lundberg handelt es sich nicht. Des weiteren ist er nicht Partei kraft Amtes; Partei bzw. Beteiligter ist vielmehr das Landesschiedsamt. Der Ministerialdirigent a. D. JungLundberg ist schließlich auch nicht gesetzlicher Vertreter des Landesschiedsamtes im Sinne des § 51 ZPO.

21

Gesetzlicher Vertreter im Sinne der Norm ist derjenige, der nach dem sachlichen Recht als gesetzlicher Vertreter einer Person bestimmt ist (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, a. a. O., § 51 Rdnr. 6). Weder § 89 SGB V noch die Schiedsamtsverordnung bestimmen, daß der Vorsitzende des Landesschiedsamtes gesetzlicher Vertreter dieses Gremiums ist. Dem Vorsitzenden des Schiedsamtes wird lediglich durch eine Vorschrift des Prozeßrechts, nämlich § 71 Abs. 4 SGG, eine Handlungsbefugnis für das Schiedsamt im sozialgerichtlichen Verfahren eingeräumt.

22

In dieser Funktion war der Ministerialdirigent a.D. J. ... mithin befugt, Beschwerde für das Landesschiedsamt einzulegen. Daß dies unter dem Briefkopf "I. J. L. Rechtsanwalt" geschehen ist, ist unschädlich.

23

Die Beschwerde ist nicht begründet.

24

Das SG hat im Ergebnis zu Recht den Antrag des Antragstellers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt. Dem Antragsteller fehlt die Antragsbefugnis.

25

Gem. § 89 Abs. 5 S. 6 SGB V gelten für Klagen der Vertragspartner gegen die Beanstandung die Vorschriften über die Anfechtungsklage entsprechend. Aus dieser Regelung ergibt sich, daß nur die Vertragspartner, nicht aber das Schiedsamt, eine Klagebefugnis gegen Beanstandungen der Aufsichtsbehörde besitzen (wie hier Hess a. a. O., § 89 SGB V Rdnr. 29). Dementsprechend steht auch nur den Vertragspartnern und nicht dem Schiedsamt die Antragsbefugnis für ein vorläufiges Rechtsschutzverfahren zu.

26

Für eine Auslegung der Norm in diesem Sinne spricht auch, daß der beanstandete Beschluß Kompetenzen und wirtschaftliche Interessen der Vertragspartner betrifft. Die Vereinbarung der Veränderung von Gesamtvergütungen ist gem. § 85 Abs. 3 S 1 SGB V Aufgabe der Vertragsparteien des Gesamtvertrages. Allein sie haben die wirtschaftlichen Folgen der Vergütungsvereinbarungen zu tragen. Aufgrunddessen ist es konsequent, auch nur den Vertragspartnern das Recht zuzugestehen, Beanstandungen der Aufsichtsbehörde betreffend den Inhalt von Vergütungsvereinbarungen anzufechten. Bei anderer Auslegung der Norm könnte das Schiedsamt, selbst wenn die Vertragspartner als Betroffene die aufsichtsbehördliche Beanstandung akzeptieren, diese anfechten. Ein schutzwürdiges Interesse hierfür ist nicht zu erkennen.

27

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG entsprechend.

28

Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).