Sozialgericht Braunschweig
Urt. v. 27.11.2017, Az.: S 29 U 57/15
Bibliographie
- Gericht
- SG Braunschweig
- Datum
- 27.11.2017
- Aktenzeichen
- S 29 U 57/15
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2017, 54461
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGBRAUN:2017:1127.S29U57.15.00
In dem Rechtsstreit
A.
- Klägerin -
Prozessbevollmächtigte:
B.
gegen
Sozialversicherung C.
- Beklagte -
hat die 29. Kammer des Sozialgerichts Braunschweig ohne mündliche Verhandlung am 27. November 2017 durch die Richterin am Sozialgericht D. sowie die ehrenamtlichen Richter E. und F. für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Anerkennung der Berufskrankheit Nr. 2108 und Nr. 2109 nach der Anlage 1 der Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Die am G. 1957 geborene Klägerin hat ab 1979 in der Landwirtschaft des Ehemannes gearbeitet. Von 1980 bis zur Aufgabe des Betriebes 2007 war sie mit allen anfallenden Tätigkeiten beschäftigt. Von 1980 bis 1983 wurde eine Milchwirtschaft betrieben, wo täglich gefüllte Milchkannen mit einem Gewicht von 25 kg getragen werden mussten. Ab 1988 ist ihr Ehemann aus wirtschaftlichen Gründen einer anderen beruflichen Tätigkeit nachgegangen und die Klägerin hat den Betrieb allein fortgeführt.
Nach eigenen Angaben war die Klägerin vom 1. Juli 2009 bis 31. Dezember 2012 in einer Milchwirtschaft angestellt und hat hier erneut schwere Milchkannen tragen müssen.
Circa 1985 erlitt die Klägerin einen Bandscheibenvorfall. Seitdem leidet sie regelmäßig an Lumboischialgien. Seit 1990 befindet sie sich wegen ihrer Wirbelsäulenbeschwerden im Behandlung beim Hausarzt.
Mit Bescheid vom 14. Januar 2014 hat das H. bei der Klägerin einen Grad der Behinderung von 30 ab dem 01. Januar 2014 festgestellt.
Am 10. Juni 2014 bat die Klägerin die Beklagte telefonisch um die Prüfung einer Berufskrankheit aufgrund ihrer Lendenwirbelsäulen- und Halswirbelsäulenbeschwerden. Die Beklagte leitete daraufhin ein entsprechendes Verwaltungsverfahren ein und holte u.a. Unterlagen der die Klägerin behandelnden Ärzte ein.
Am 08. Oktober 2014 erstattete I. eine beratungsfachärztliche Stellungnahme. Die Klägerin leide an einer chronisch wiederkehrenden Lumboischialgie bei Bandscheibendegeneration der LWS. Bei der Klägerin habe eine frühzeitige Krankheitsmanifestation im Alter von 30 Jahren vorgelegen. Eine mindestens 10-jährige exponierende Tätigkeit sei dem nicht vorausgegangen. Das gleichzeitige Auftreten von altersvorauseilenden Umformungen in- und außerhalb des exponierten Bereiches könne allenfalls als Indiz für eine schicksalhafte Neigung zu Degenerationen des Bandscheibengewebes aufgefasst werden, nicht jedoch als Indiz für eine berufliche Verursachung. Eine Mitbeteiligung der oberen HWS bzw. eine Schwerpunktverlagerung nach Schröter und Rademacher könne nicht festgestellt werden, so dass das Schadensbild einer BK 2109 nicht festgestellt werden könne.
Mit Bescheid vom 05. November 2014 hat die Beklagte das Vorliegen der Berufskrankheiten nach den Nr. 2108, 2109 und 2110 der Anlage 1 zur BKV abgelehnt.
Dagegen hat die Klägerin am 27. November 2014 Widerspruch eingelegt. Sie beantrage die Anerkennung der Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV. Sie habe von 1979 bis 2006 permanent in der Landwirtschaft ihres Ehemanns gearbeitet. Hierbei sei sie täglich damit betraut gewesen, landwirtschaftliches Gerät und Futtermittel für die Viehhaltung des Betriebes zu heben und tragen. Da es sich hierbei um erhebliche Lasen gehandelt habe und die Aufgaben tagtäglich angefallen seien, stelle dies eine massive Belastung für die LWS dar. Insofern sei von einem Kausalzusammenhang zwischen den zu hebenden und zu tragenden Lasten und der Schädigung der Lendenwirbelsäule auszugehen.
Die Beklagte wies den Widerspruch vom 18. Februar 2015 zurück. Die Voraussetzungen zur Anerkennung einer Berufskrankheit nach den Nrn. 2108, 2109 und 2110 der Anlage 1 zur BKV seien nicht erfüllt.
Mit der am 17. März 2015 erhobenen Klage beschränkt die Klägerin ihr Begehren auf die Anerkennung der Berufskrankheiten nach den Nrn. 2108 und 2109 der Anlage 1 der BKV.
Die Klägerin beantragt,
- 1.
den Bescheid vom 05.11.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.02.2015 aufzuheben;
- 2.
die Beklagte zu verurteilen, bei der Klägerin das Vorliegen der Berufskrankheiten Nr. 2108 und Nr. 2109 der Anlage 1 zur BKV anzuerkennen und der Höhe nach noch zu beziffernde Entschädigungsleistungen zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Einholung eines Gutachtens von J., das der Facharzt für Unfallchirurgie am 10. Juni 2016 erstattet hat. Dieser kommt zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass die BK 2109 schon mangels Exposition nicht vorliegt, die BK 2108 bei unterstellter Exposition dennoch nach den medizinischen Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule nicht vorliegt.
Neben der Gerichtsakte lag die die Klägerin betreffende Verwaltungsakte der Beklagten vor und war Gegenstand der Entscheidungsfindung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Akten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten durch ihre Erklärungen vom 22. November 2016 und 30. März 2017 damit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin ist nicht beschwert (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG), weil der angefochtene Bescheid rechtmäßig ist. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, eine BK 2108 und BK 2109 anzuerkennen.
Die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 SGB VII iVm. Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV liegen nicht vor. Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats als Berufskrankheiten bezeichnet (sog. Listen-BK) und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 Abs. 1 SGB VII). Der Verordnungsgeber hat in der Anlage 1 zur BKV die hier streitbefangene BK 2108 wie folgt bezeichnet: "Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können".
Aus diesen Vorgaben lassen sich bei einer Listen-BK im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten, die ggf. bei einzelnen Berufskrankheiten einer Modifikation bedürfen: Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt (Einwirkungskausalität) und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Dabei müssen die "versicherte Tätigkeit", die "Verrichtung", die "Einwirkungen" und die "Krankheit" im Sinne des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt deren hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit. Wird die erste Stufe der objektiven (Mit-)Verursachung bejaht, ist auf der zweiten Stufe rechtlich zu prüfen, ob die Mitverursachung der Gesundheitsstörung durch die Einwirkungen während der versicherten Tätigkeit unfallversicherungsrechtlich rechtserheblich also "wesentlich" war. Nur wenn beide Zurechnungskriterien bejaht werden, erweist sich das versicherte Ereignis als wesentliche Ursache. Insgesamt hat die Kausalitätsbeurteilung auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstands zu erfolgen. Maßgeblich sind demnach die Erkenntnisse, die von der Mehrheit der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Fachwissenschaftler anerkannt werden (zum Vorstehenden: BSG, Urteile vom 2. November 1999 - B 2 U 47/98 R -, vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R -, vom 2. April 2009 - B 2 U 33/07 R -, 24. Juli 2012 - B 2 U 9/11 R - und 23. April 2015 - B 2 U 10/14 R -).
Weiterhin bestehen für die BK 2108 sog. Konsensempfehlungen aus dem Jahre 2005 für die medizinische Beurteilung der Voraussetzungen der BK 2108 (Bolm-Audorff ua., Medizinische Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule in Trauma und Berufskrankheit 2005, Seite 211 ff.). Diese Empfehlungen geben grundsätzlich weiterhin den aktuellen medizinischen Erkenntnisstand im Sinne des Unfallversicherungsrechts wieder (ausführlich: BSG, Urteil vom 23. April 2015 - B 2 U 10/14 R - Rn. 20 ff.). Daraus folgt, dass die Überzeugungskraft eines Gutachten erheblich erschüttert wird, wenn dieses die Maßgaben der Konsensempfehlungen nicht beachtet, ohne ausführlich und nachvollziehbar darzulegen, dass mittlerweile ein abweichender medizinischer Erfahrungssatz existiert, der nunmehr den aktuellen medizinischen Erkenntnisstand repräsentiert (BSG, aaO., Rn. 28 ff.).
Gemessen an diesen Vorgaben ist die Kammer nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens, insbesondere nach Auswertung des vorliegenden Gutachtens und der beratungsärztlichen Stellungnahme, nicht davon überzeugt, dass die Voraussetzungen der BK 2108 im Fall der Klägerin erfüllt sind. Das ergibt sich insbesondere aus dem schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten des Sachverständigen J., dem die Kammer folgt. Der Facharzt für Chirurgie ist als erfahrener Arzt aufgrund eingehender Untersuchungen und sorgfältiger Befunderhebung unter Berücksichtigung der übrigen im Untersuchungszeitpunkt vorliegenden medizinischen Unterlagen zu der von ihm vorgenommenen Beurteilung des Gesundheitszustandes und der Einordung dieses in die Fallkonstellationen der Konsensempfehlungen gelangt. Die Ausführungen sind schlüssig, in sich widerspruchsfrei und überzeugend begründet. Sie haben insbesondere die von der Klägerin beklagten Beschwerden und den dargestellten beruflichen Werdegang mit Tätigkeitsbeschreibung berücksichtigt und bewertet.
1. Dass die versicherte Tätigkeit zu Einwirkungen von Belastungen auf den Körper der Klägerin geführt hat (Einwirkungskausalität) wurde für die Prüfung der BK 2108 von der Beklagten und der Kammer unterstellt. Ermittlungen waren insoweit nicht erforderlich, weil die Voraussetzungen für die Anerkennung der BK bereits aus anderen Gründen nicht erfüllt sind.
2. Weitere Voraussetzung ist das Vorliegen einer bandscheibenbedingten Erkrankung. Ob eine solche vorliegt, ist eine Tatsachenfrage. Das Vorliegen einer entsprechenden Erkrankung im Sinne eines belastungskonformen Schadensbildes muss mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen. Nach den Konsensempfehlungen müssen zunächst anhand bildgebender Verfahren bestimmte (altersuntypische) Befunde vorliegen, die einen Bandscheibenschaden, also eine Höhenminderung einer oder mehrerer Bandscheiben oder einen Bandscheibenvorfall, belegen. Darüber hinaus muss eine damit korrelierende klinische Symptomatik festgestellt werden. Als mögliche sekundäre Folge des Bandscheibenschadens können bildgebend darstellbare Veränderungen wie die Spondylose, die Sklerose der Wirbelkörperabschlussplatten, die Retrospondylose, die Spondylarthrose, die degenerative Spondylolisthetis und eine knöcherne Enge des Spinalkanals auftreten. Schließlich sind als klinische Krankheitsbilder das lokale Lumbalsyndrom und das lumbale Wurzelsyndrom, zu unterscheiden. Für die Feststellung einer klinischen Symptomatik sind die Befundkriterien erhöhter Muskeltonus, Entfaltungsstörung der LWS, provozierbarer Segment- und/oder Bewegungsschmerz bzw. das Bestehen einer Nervenwurzelreizung/Schädigung im entsprechenden Segment zu prüfen (zum Vorstehenden ausführlich: Konsensempfehlungen, Seite 214 ff.).
Nach den Ausführungen des Sachverständigen J. liegt bei der Klägerin ein chronisches Zervikalsyndrom, aktuell mit leichter bis mäßiger Krankheitsaktivität bei bandscheibenbedingter Erkrankung der Halswirbelsäule mit Bandscheibenvorfall im Segment HWK 4/5 und multisegmentaler Osteochondrosis intervertebralis und Bandscheibenprotusion der mittleren bis unteren Halswirbelsäule bei relativer Spinalkanalstenose und Neuroforamenstenose vor. Ferner leidet die Klägerin unter einem chronischen Lumbalsyndrom, gegenwärtig klinisch stumm nach bandscheibenbedingter Erkrankung der Lendenwirbelsäule mit älterem abgeheilten Bandscheibenvorfall im Segment LWK 4/5 und älterem abgeheilten Bandscheibenvorfall im Segment LWK5/SWK1. Es liegen zudem eine mäßiggradige Osteochondrosis interverebralis der gesamten Lendenwirbelsäule und eine leichte Skoliose der Lendenwirbelsäule vor.
Ein Bandscheibenschaden im Sinne der Konsensempfehlungen liegt damit vor.
3. Allerdings fehlt es am Ursachenzusammenhang zwischen den (unterstellten) gefährdenden Einwirkungen und der Bandscheibenerkrankung der Klägerin.
Nach den Konsensempfehlungen ist von einer Konstellation der Gruppe B auszugehen, denn nach den schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des erfahrenen Gutachters J. liegt folgendes Schadensbild bei der Klägerin vor:
Bandscheibenvorfall im Segment LWK4/5 1985 (1987),
Bandscheibenvorfall im Segment LWK5/SWK1 (Diagnose 2003, zum Diagnosezeitpunkt bereits als älter eingestuft,
Begleitspondylose in der Definition der Konsensempfehlungen, allerdings erst nach 2007 aufgetreten.
Die Konstellation B8 kommt nicht in Betracht. Diese setzt eine nachgewiesene bandscheibenbedingte Erkrankung der Halswirbelsäule, deren Ausprägung stärker ist als die der bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule voraus. Dies lag zwar zum Zeitpunkt der Untersuchung vor, nicht aber bis zur Aufgabe der Tätigkeit 2007. Da zu diesem Zeitpunkt auch keine Begleitspondylose feststellbar ist, kommt auch die Konstellation B1 nicht in Betracht.
Die Konstellation B2, die nur zur Anwendung kommen kann, wenn keine Begleitspondylose vorliegt, setzt u.a. eine Höhenminderung und/oder Prolaps an mehreren Bandscheiben - bei monosegmentaler Chondrose Vorfall in L5/S1 oder L4/L5 "black disc" im Magnetresonanztomogramm in mindestens 2 angrenzenden Segmenten voraus. Die sogenannte "black disc", also der Wasserverlust der Bandscheibe mit gleichzeitiger Höhenminderung des Zwischenwirbelraums, war im Vollbeweis nicht zu sichern. Allerdings wird hier die besonders intensive Belastung, die ein weiteres Kriterium für die Konstellation B2 ist, mangels Ermittlung unterstellt. Dann kommt die Konstellation B6 zur Anwendung, da zusätzlich zu den Voraussetzungen der B2 die bandscheibenbedingte Erkrankung der HWS mindestens gleich stark wie die der LWS ist.
Nach den Konsensempfehlungen liegt für diese Konstellation kein Konsens vor. Soweit K. an dieser Stelle wohl annimmt, dass vor dem Hintergrund der formalen Kriterien der Konsensempfehlungen eine berufsbedingte Ursache für den Bandscheibenschaden bzw. für die bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS bei der Klägerin nicht begründet werden kann, ist die Formulierung jedenfalls insoweit ungenau, als nach den Konsensempfehlungen in den Fällen, in denen kein Konsens besteht, eine Einzelfallabwägung vorzunehmen ist. Dies hat der Sachverständige J. im Anschluss getan, sodass er im Ergebnis die Konsensempfehlungen umfassend angewendet hat.
Die Klägerin hat bereits 1985 (nach anderen Angaben 1987) einen Bandscheibenvorfall im Segment LWK4/5 erlitten. Die berufliche Tätigkeit hatte sie erst 1979 aufgenommen. Es bestand daher zum Zeitpunkt des ersten Bandscheibenschadens nur eine 6-8jährige Exposition in der angeschuldigten Tätigkeit. Dies stützt die formal entsprechend der Konsensempfehlungen ermittelte schicksalhafte Entstehung der Erkrankung. Die gleich stark (oder stärker) ausgeprägten Bandscheibenschäden an der HWS sind zudem ein weiteres Indiz gegen eine beruflich bedingte Lendenwirbelsäulenerkrankung.
Vorliegend liegt weder eine Betonung der Bandscheibenschäden der LWS noch eine Begleitspondylose vor. Es bietet sich daher das typische Bild einer eigenständigen Bandscheibenerkrankung innerer Ursache, welche sich sowohl an der HWS als auch an der LWS manifestiert.
Eine berufliche Verursachung der Bandscheibenerkrankung an der LWS ist daher vorliegend nicht wahrscheinlich.
Nach allem liegen die Voraussetzungen zur Anerkennung der BK 2108 nicht vor.
Auch die Voraussetzungen zur Anerkennung der BK 2109 liegen nicht vor. Die schädigenden Einwirkungen im Sinne der BK 2109 sind in diesem Fall nicht im Vollbeweis gesichert. Nach dem Merkblatt zur BK 2109 (dort Abschnitt IV) ist für den begründeten Verdacht auf das Vorliegen einer bandscheibenbedingten Berufskrankheit der Halswirbelsäule zunächst eine langjährige, außergewöhnlich intensive mechanische Belastung der HWS erforderlich. Ein typisches Beispiel ist das Tragen auf der Schulter. Ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung der genannten Erkrankung ist anzunehmen, wenn Lastgewichte von 50 kg und mehr regelmäßig auf der Schulter getragen werden. Langjährig bedeutet, dass 10 Berufsjahre als die im Durchschnitt untere Grenze der belastenden Tätigkeit zu fordern sind. Eine kürzere Belastung kann in begründeten Einzelfällen genügen, wenn diese sehr intensiv ist. Das genannte Lastgewicht muss mit einer gewissen Regelmäßigkeit und Häufigkeit in der überwiegenden Zahl der Arbeitsschichten getragen werden. Solchen Einwirkungen war die Klägerin schon nach ihrem eigenen Vortrag nicht ausgesetzt. Das geschilderte Tätigkeitsprofil wird vom Anwendungsbereich der BK 2109 schon nicht erfasst.
Damit liegen auch die Voraussetzungen zur Anerkennung der BK 2109 nicht vor.
Da weder die BK 2108 noch die BK 2109 anzuerkennen ist, hat die Klägerin auch keine im Antrag zu 2) geltend gemachten Leistungsansprüche.
Nach allem war die Klage vollumfassend abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.