Amtsgericht Osterode am Harz
Urt. v. 29.01.2015, Az.: 2 C 214/14
Bibliographie
- Gericht
- AG Osterode am Harz
- Datum
- 29.01.2015
- Aktenzeichen
- 2 C 214/14
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2015, 44806
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
4. Der Streitwert wird festgesetzt auf 1.500,00 €.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Zahlung von Schmerzensgeld aufgrund von Äußerungen der Beklagten im Rahmen einer Fernsehsendung.
Am 15.07.2011 wurde auf dem Privatsender R die Sendung „Die 10 verrücktesten Deutschen“ ausgestrahlt. In dieser Sendung wurden verschiedene Menschen, darunter auch der Kläger, portraitiert. Die Sendung besteht darüber hinaus aus Stellungnahmen diverser Prominenter zu den jeweiligen Darstellungen. Bei der Vorstellung des Klägers wurde dargestellt, dass der Kläger bereits 20.000 Anzeigen bei der Stadt Osterode am Harz erstattet habe, daraufhin äußerte sich die Beklagte wie folgt:
„Das heißt, er hat 20.000 Menschen geschadet, ja? Ich glaub, das macht ihn geil.“
Wegen dieser Sendung hat der Kläger den Sender R bereits im Jahre 2011 vor dem Amtsgericht Köln unter dem Az. 123 C 260/11 in Anspruch genommen auf eine Zahlung von 4.000 € Schmerzensgeld. Er erhielt 400 €. In den Gründen heißt es u.a.:
„Insbesondere, wenn eine aus Pornofilmen bekannte Darstellerin in reizender Aufmachung den Kläger „geil“ nennt […]“
Der Kläger behauptet, der Mitschnitt sei noch Monate nach der Ausstrahlung im Internet abrufbar gewesen. Er habe in der Folgezeit Drohanrufe erhalten. Außerdem habe er auch aufgrund der lokalen Presse Spott und Hohn ertragen müssen.
Der Kläger beantragt,
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger immateriellen Schadensersatz / Schmerzensgeld wegen Beleidigung, Persönlichkeits- und Menschenrechtsverletzung sowie übler Nachrede in Höhe von 1.500 € zuzüglich 5 % Zinsen über den Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit, sowie 10,25 € außergerichtliche Auslagen (Melderegisterauskunft 7,00 €, 3,25 € für Porto und einen Einschreibbrief) zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie meint, eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung des Klägers liege nicht vor. Die Äußerungen seien bloße Werturteile, welche die Grenzen der Schmähkritik nicht erreichen. Sie meint ferner, der Kläger habe sich bei seiner Tätigkeit bewusst filmen lassen und habe sich daher aktiv in die Öffentlichkeit begeben, daher müsse er auch hinnehmen, dass er entsprechend negativen Kritiken ausgesetzt werde.
Nach der mündlichen Verhandlung vom 22.01.2015 hat sich die Prozessbevollmächtigte des Klägers für diesen erstmalig legitimiert und in einem nicht nachgelassenen Schriftsatz die Auffassung vertreten, das Gericht habe seine Hinweispflichten verletzt und ein Schriftsatznachlass sei in rechtswidriger Weise nicht gewährt worden. Im Übrigen hat sie die bisherigen Argumente des Klägers vertieft. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 22.01.2015 wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
I.
1. Ein klägerischer Anspruch ergibt sich vorliegend nicht aus § 823 Abs. 1 BGB. Hiernach ist derjenige, der vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
a) Ob eine schuldhafte, widerrechtliche Ehrverletzung des Klägers durch die Aussagen „Das heißt, er hat 20.000 Menschen geschadet, ja? Ich glaub, das macht ihn geil.“ vorliegt, kann dahinstehen.
b) Denn jedenfalls fehlt es an den übrigen Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs i.S.v. §§ 249, 253 Abs. 2 BGB. Hiernach kann wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden. Da der Begriff der „Ehre“ in § 253 Abs. 2 BGB nicht ausdrücklich aufgenommen wurde, hat der Bundesgerichtshof bereits mehrfach entschieden, dass ein solcher Eingriff dennoch Schadensersatzansprüche nach sich ziehen könne, „wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden kann. Ob eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, die die Zahlung einer Geldentschädigung erfordert, hängt insbesondere von der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, ferner von Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie von dem Grad seines Verschuldens ab“ (vgl. BGH, Urteil vom 15. Dezember 1987 - VI ZR 35/87 - VersR 1988, 405 m.w.N.; BGH, Urteil vom 15. November 1994 – VI ZR 56/94 –, BGHZ 128, 1-16).
Das Gericht hat bereits erhebliche Bedenken, ob der erste Satz überhaupt eine Tatsachenbehauptung darstellt. Vielmehr ist diese Äußerung als zusammenfassende Frage, bezogen auf den vorher dargestellten Sendungsverlauf, aufzufassen. Dass diese „Zusammenfassung“ objektiv betrachtet fehlerhaft ist, da 20.000 Anzeigen nicht zwangsläufig 20.000 Menschen betreffen müssen, ist hierbei irrelevant. Denn das in dieser Situation einer Unterhaltungsshow laienhafte Verständnis der juristischen Hintergründe bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Beklagte hiermit die Aussage getroffen hat, er habe tatsächlich 20.000 Menschen geschadet. Auch der Ausdruck des Schadens ist hierbei unter Berücksichtigung des Unterhaltungsformates von einem juristisch durchschnittlich gebildeten Zuschauer eine bloße Wertung, die derjenigen Empfindung Ausdruck verleiht, die jeder Empfänger eines entsprechenden Bußgeldbescheides verspürt. Rein juristisch betrachtet stellt dies natürlich keinen „Schaden“ dar. Das ändert jedoch nichts daran, dass bereits dieser erste Satz lediglich eine hinterfragende, laienhafte Zusammenfassung des bisher Gesehenen darstellt ohne den Charakter einer falschen Tatsachenbehauptung. Eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung ist damit jedoch nicht eingetreten.
Auch der zweite Satz: „Ich glaube, das macht ihn geil“ ist geprägt durch die Voranstellung „ich glaube“. Dies ist der Kernbegriff einer Meinungsäußerung. Die Beklagte hat eben nicht gesagt, dies mache den Kläger geil, sondern, sie glaube das. Sie hat insofern den Kläger zwar durchaus in einem moralisch verwerflichen Tonfall eingeschätzt. Diese Einschätzung ist jedoch nach Auffassung des Gerichts durch das Recht auf freie Meinungsäußerung noch gedeckt. Es erreicht oder überschreitet auch nicht die Grenzen der Schmähkritik. Selbst eine überzogene oder ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Vielmehr muss hinzutreten, dass bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Herabsetzung einer Person im Vordergrund steht (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 28.07.2014, Az.: 1 BvR 482/13). Dies ist nach Auffassung des Gerichts nicht der Fall. Die - wenn auch nicht sehr glückliche - Formulierung der Beklagten ist vielmehr der Versuch, sich einen Grund für die überdurchschnittliche Einsatzbereitschaft des Klägers zu erklären. Dass dies aus dem Mund eines Pornostars mit den Worten „geil“ verknüpft wird, ist - so bereits angedeutet - ein Grenzfall, der jedoch unter Abwägung der konkreten Umstände des Einzelfalls noch als geschützte Meinungsäußerung einzustufen ist. Gerade die Tatsache, dass es sich bei der Beklagten um eine im Pornogeschäft bekannte Darstellerin handelt, stützt die Annahme, dass sie mit den gewählten Worten gerade keine persönliche Herabwürdigung verbunden hat, dies vielmehr ihr „üblicher Tonfall“ im Rahmen der von ihr dargestellten Rolle ist. Auch hier liegt demnach keine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung vor.
2. Auch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 185, 186 StGB ergibt sich kein Anspruch.
a) Dies folgt bereits aus den obigen Erwägungen, welche auch für den Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB gelten, da auch für diese eine Anwendung der §§ 249 ff. BGB erfolgt.
b) Darüber hinaus liegt aber auch keine Verletzung einer drittschützenden Norm vor. So handelt es sich bei den Äußerungen der Beklagten gegenüber dem „Fernsehpublikum“ (mithin nicht gegenüber dem Kläger selbst) lediglich um wertende Äußerungen bzw. eine Frage, welche nicht den Tatbestand einer Beleidigung im Sinne des § 185 BGB erfüllt. Eine Beleidigung ist eine vorsätzliche Kundgabe der Missachtung einer Person (vgl. BGHSt 1, 289; 11, 67; 16, 63). Hierbei sind im Gegensatz zu den §§ 186, 187 StGB Werturteile mit umfasst. Jedoch setzt dies voraus, dass die Äußerung eine Missachtung oder Nichtachtung betreffend den ethischen oder sozialen Wert einer Person enthält. Wie bereits dargelegt, stellen die Äußerungen der Beklagten wertende Äußerungen dar, die jedoch nicht die Miss- oder Nichtachtung der Beklagten zum Ausdruck bringen, sondern vielmehr die Bewertung der „öffentlichen Person K.-H.“, wie sie im Rahmen der vorherigen Berichterstattung präsentiert wurde. Einerseits ist die erste - wenn auch vielleicht rhetorisch gemeinte Frage - eine juristisch fehlerhafte Wertung des Verhaltens des Klägers. Diese Wertung enthält für sich betrachtet keine Missachtungskundgabe. Auch die weitere Äußerung, die Beklagte glaube, dies mache den Kläger geil, ist keine Kundgabe einer Miss- oder Nichtachtung. Denn es steht gerade nicht der Versuch im Vordergrund, den Kläger herabzuwürdigen, sondern eine plakative Erklärung für sein Verhalten zu eruieren. Auch wurde bereits dargelegt, dass bei der Frage des Beleidigungsvorsatzes zu berücksichtigen ist, dass die Beklagte als Erotikfilmdarstellerin mit ihrer Aussage lediglich den in dieser Rolle üblichen und in der heutigen Zeit auch aus gesellschaftlicher Sicht nicht mehr zwingend negativ besetzten Begriff der „Geilheit“ verwendet hat und eine Abwertung hiermit ohne Hinzutreten besonderer Umstände nicht automatisch verbunden ist.
Auch die §§ 186, 187 StGB sind nach Auffassung des Gerichts nicht einschlägig, da es sich vorliegend um bloße Meinungsäußerungen handelt und damit der Anwendungsbereich der Vorschriften nicht eröffnet ist. Zudem wäre aber auch der Tatbestand nicht erfüllt, da die bloße abwegige Bewertung eines unverfänglichen Geschehens nicht ausreicht (Fischer, StGB, § 186, Rn. 4).
3. Selbst wenn man einen juristisch relevanten Eingriff annehmen wollte, so wäre dessen Rechtsfolge bereits von dem durch das Amtsgericht Köln zugesprochene Schmerzensgeld von 400 € mit umfasst.
Zwar hatte dieses Verfahren die gesamte Sendung zum Gegenstand. Dennoch geht es bei dem Sinn und Zweck des Schmerzensgeldes wegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung darum, die erlittenen immateriellen Nachteile zu ersetzen. Dadurch, dass die hier streitgegenständliche Passage bereits ihren Niederschlag in der Entscheidung des AG Köln dem Grunde und der Höhe nach gefunden hat, ist nicht ersichtlich, dass der Kläger weitere als die in dem dortigen Prozess angeführten Beeinträchtigungen erlitten hat. Auch wenn es sich, so die Auffassung des Klägers, um verschiedene Anspruchsgegner handelt, so ist doch das Ziel des Schmerzensgeldes - die Kompensation des erlittenen immateriellen Schadens - durch die Zahlung von R erreicht. Dadurch, dass das Gericht den immateriellen Schaden im Rahmen seines Ermessens schätzt, findet hierbei die bereits erfolgte „Abgeltung“ durch das AG Köln Berücksichtigung, sodass eine weitere Zahlung nicht in Betracht kommt.
4. Das Gericht folgt nicht der klägerischen Argumentation, ihm habe ein Schriftsatznachlassrecht zugestanden. Bezüglich des Beklagtenschriftsatzes ist darauf hinzuweisen, dass dieser nur rechtliche, bereits seit geraumer Zeit streitgegenständliche Ausführungen wiederholt und eine Stellungnahme hierauf nicht angezeigt ist. Es wurde dem Kläger mitgeteilt, er könne hierzu noch etwas schriftlich ausführen. Da aber kein neuer Tatsachenvortrag ersichtlich war, ist eine formale Stellungnahmefrist mit einer weiteren Verzögerung des Verfahrens nicht angezeigt.
Darüber hinaus ist auch eine Stellungnahmefrist zu den Hinweisen des Gerichts einerseits nicht beantragt worden, andererseits aber auch entbehrlich, da es sich hierbei nur um Rechtsausführungen handelte. Einen Hinweis, der Kläger habe seiner Darlegungslast besser genügen können, hat das Gericht nach eigener Erinnerung bestenfalls in Bezug auf die Höhe des Schmerzensgeldanspruches angedeutet, wobei es hierauf für die Entscheidung nicht ankommt. Der zu Grunde liegende anspruchsbegründende Sachverhalt ist als solcher zwischen den Parteien unstreitig geblieben. Zur Höhe des Anspruchs bedarf es nach Auffassung des Gerichts keiner weiteren Darlegung. Darüber hinaus sind die vom Gericht getätigten Ausführungen bereits lange vor der mündlichen Verhandlung durch die Beklagte vorgetragen worden. Der Kläger hatte demnach die Möglichkeit, hierzu rechtzeitig Stellung zu nehmen.
II.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
III.
Der Streitwert ist entsprechend des klägerischen Interesses auf 1.500,00 € festzusetzen.