Amtsgericht Celle
Beschl. v. 06.07.2010, Az.: 40 XVI 27/08

Keine Anerkennung einer ausländischen Adoption durch ein deutsches Gericht bei Fehlen eines nachvollziehbaren Adoptionsbedürfnisses; Verstoß gegen die Menschenwürde durch "Verschenken" eines Kindes unter Verwandten

Bibliographie

Gericht
AG Celle
Datum
06.07.2010
Aktenzeichen
40 XVI 27/08
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2010, 36786
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:AGCELLE:2010:0706.40XVI27.08.0A

Verfahrensgegenstand

Anerkennung einer Entscheidung nach dem Adoptionswirkungsgesetz

In dem Verfahren
...
hat das Amtsgericht - Vormundschaftsgericht - Celle
durch
den Richter am Amtsgericht L...
am ...
beschlossen:

Tenor:

Die Anträge auf Anerkennung der durch das Amtsgerichts K..., Kosovo, betreffend das Kind B... getroffene Adoptionsentscheidung sowie auf Feststellung, dass das Eltern-Kind-Verhältnis des Kindes zu seinen bisherigen Eltern durch die Adoption erloschen ist und dass das Annahmeverhältnis einem nach den deutschen Sachvorschriften begründeten Annahmeverhältnis gleichsteht, werden zurückgewiesen.

Gründe

1

Die Antragsteller sind Eheleute.

2

Bxxx wurde am ..... als Sohn der Frau Bxxx-Lxxx und des Herrn Bxxx geboren. Letztgenannter ist der Bruder des Antragstellers.

3

Die Antragsteller waren bis in das Jahr 2010 kinderlos.

4

Durch Beschluss des Amtsgerichts Kxxx vom ..... wurde die Adoption des Kindes Bxxx durch die Antragsteller ausgesprochen. Dieser Beschluss ist seit dem rechtskräftig.

5

Die Antragsteller beantragen,

auszusprechen, dass die am ..... vor dem Amtsgericht in Kxxx getroffene Adoptionsentscheidung anerkannt wird und wirksam ist, festzustellen, dass das Eltern-Kind-Verhältnis des Kindes zu seinen bisherigen Eltern durch die Adoption erloschen ist und festzustellen, dass das Annahmeverhältnis einen nach den deutschen Sachvorschriften begründeten Annahmeverhältnis gleichsteht.

6

Im Rahmen des vor dem Amtsgericht Kxxx geführten Adoptionsverfahrens war eine Adoptionsvermittlungsstelle nicht beteiligt. Eine Elterneignungsprüfung unter Einschaltung deutscher Behören fand nicht statt. Das Gericht in Kxxx hatte eine Fachpsychologin und eine Soziologin angehört.

7

Das Gericht hat die Stellungnahme der Bundeszentralstelle für Auslandsadoption vom (Bl. 48 - 54 d.A.) eingeholt. Auf diese wird Bezug genommen.

8

Die Antragsteller wurden persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf das Protokoll vom Bezug genommen.

9

Der Antrag der Antragsteller, die Adoptionsentscheidung des Amtsgerichts Kxxx vom anzuerkennen, ist zurückzuweisen. Er ist unbegründet.

10

Die Anerkennung ist gemäß § 16a FGG ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift ist die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung u.a. ausgeschlossen, wenn die Anerkennung der Entscheidung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, insbesondere wenn die Anerkennung mit den Grundrechten unvereinbart ist. Letzteres wäre vorliegend der Fall.

11

Der wesentliche Grundsatz des deutschen Adoptionsrechts ist, dass eine Adoption dem Wohl des anzunehmenden Kindes dienen muss. Dies folgt aus der Vorschrift des § 1741 Abs. 1 BGB, die diesen Grundsatz als erstes Tatbestandsmerkmal für die Kindesannahme herausstellt. Das Gesetz trägt damit dem aus Artikel 1 und Artikel 2 GG folgenden Grundrecht des Kindes auf freie und möglichst ungestörte Entfaltung in seiner Persönlichkeit Rechnung. Daraus folgt, dass das Gericht eine umfassende Kindeswohlprüfung vorzunehmen hat. Dabei ist zwischen den Vorteilen abzuwägen, die sich für die weitere Entwicklung des Kindes im Fall der Adoption voraussichtlich ergeben und den Nachteilen, die absehbar dadurch entstehen werden. Diese Abwägung muss dazu führen, dass die Adoption zu einer nachhaltigen Verbesserung der persönlichen Verhältnisse und der Rechtsstellung des Kindes führt (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 11.04.2008 -17 W 3/08 -).

12

In diesem Zusammenhang ist zunächst von Bedeutung, ob ein Adoptionsbedürfnis besteht. Ein nachvollziehbares Adoptionsbedürfnis ist vorliegend nicht erkennbar und ergibt sich auch nicht aus den von den Antragstellern vorgelegten Unterlagen. Bxxx hat leibliche Eltern, bei denen er aufgewachsen ist und lebt. Soweit diese im Rahmen der richterlichen Anhörung vor dem Amtsgericht Kxxx erklärten, Bxxx sei seit seiner Kindheit mit den Antragstellern emotional verbunden, da diese keine Kinder hatten und sie, die leiblichen Eltern, den Antragstellern das Kind nach ihrer Tradition geschenkt hätten, diese sich deswegen um die Gesamtentwicklung, die körperliche Entwicklung, Ausbildung, Bekleidung und Ernährung Bxxxs gekümmert hätten und ihn auch finanziell unterstützt hätten, ergibt sich daraus kein Adoptionsbedürfnis. Das "Schenken" von Kindern, auch wenn die Beteiligten miteinander verwandt sind, ist der deutschen Rechtsordnung und dem deutschen Rechtsempfinden fremd. Es ist mit der durch Artikel 1 GG geschützten Würde des Menschen fremd. Kinder sind keine Ware. Sie können kein Gegenstand sein, den man verschenken kann. Sie haben nicht Wert, sondern Würde. Über sie können auch ihre leiblichen Eltern nicht beliebig verfügen.

13

Auch wenn zwischen Bxxx und den Antragstellern eine tragfähige emotionale Beziehung besteht, führt dies noch nicht zu einem Adoptionsbedürfnis.

14

Auch sonst liegen keine Umstände vor, die eine Adoption notwendig erscheinen ließen. Die Soziologin Prof. Zxxx hat im Rahmen des vor dem Amtsgericht Kxxx geführten Verfahrens ausgeführt, Bxxx sei für sein Alter psychosozial stabil und bei der Unterhaltung sehr transparent. Er zeige ein sehr gutes Verhalten. Die Psychologin Prof. Zxxx führte aus, bei Bxxx bestehe eine normale physische Entwicklung. Es seien keine Gesundheitsprobleme vorhanden. Die intellektuelle und mentale Entwicklung entspreche seinem Alter. Bxxx habe den Eindruck eines stabilen Kindes hinterlassen, das ein reales Bild für sich und sein Leben habe. Er sei kommunikativ und sich vollständig der Entwicklung seiner Persönlichkeit bewusst.

15

Eine dem deutschen ordre public genügende Kindeswohlprüfung setzt ferner voraus, dass der Adoptionsentscheidung auch eine fachliche Begutachtung der Adoptionsbewerber vorausgegangen ist, die deren Lebensumstände annähernd vollständig erfasst und deshalb in der Regel nur durch eine deutsche Fachstelle gewährleistet werden kann (BT-Drucksache 14/6011, Seite 29). Die Eignung, der Charakter, die Wohn- und Vermögensverhältnisse, die berufliche und gesellschaftliche Stellung, die Erziehungsfähigkeit und Erziehungswilligkeit des Annehmenden sowie das Interesse weiterer Kinder des Anzunehmenden sind Kriterien, die im Rahmen der Abwägung zur Frage einer nachhaltigen Verbesserung der persönlichen Verhältnisse des Anzunehmenden durch die Annahme im Rahmen der Kindeswohlprüfung Berücksichtigung finden müssen (Palandt/Diederichsen, BGB, 69. Aufl., § 1741 BGB Rd. Ziff. 2, 3). Da die Antragsteller ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland haben, hätte eine deutsche Fachstelle beteiligt werden müssen. Das ist nicht geschehen. Eine Adoptionsvermittlungsstelle wurde nicht beteiligt.

16

Eine Elterneignungsprüfung fand lediglich im Rahmen des vor dem Amtsgericht Kxxx geführten Adoptionsverfahrens statt. Diese vermochte die vorstehend dargestellten Anforderungen nicht zu erfüllen. Weder aus den vorgelegten Unterlagen noch aus den schriftsätzlich und im Rahmen der Anhörung erfolgten Darstellungen der Antragsteller ist ersichtlich, dass und in welcher Weise Ermittlungen zu den Lebensumständen der Antragsteller in Deutschland durchgeführt wurden.

17

Die Elterneignungsprüfung kann durch das erkennende Gericht nicht im Rahmen des vorliegenden Anerkennungsverfahrens nachträglich unter Beteiligung inländischer Fachbehörden nachgeholt werden. Dies würde dazu führen, dass das Gericht, das ausschließlich über die Anerkennung der ausländischen Adoption zu entscheiden hat, eine neue, eigene Adoptionsentscheidung treffen würde. Die erstmalige Durchführung einer vollständigen Kindeswohlprüfung entspricht nicht dem Sinn und Zweck des Anerkennungsverfahrens, das eine vereinfachte Anerkennung ausländischer Entscheidungen ermöglichen soll (vgl. BT-Drucksache 14/6011, S. 32). Maßgebend ist allein, ob diese Entscheidung zur Zeit der Anerkennung mit der unverzichtbaren verfahrensrechtlichen und materiellen Bestimmungen des deutschen Rechts vereinbar ist. Das Anerkennungsverfahren gibt keine Veranlassung, dass das zur Entscheidung über die Anerkennung berufene Gericht eine dem ordre public orientierte eigene Adoptionsentscheidung an die Stelle der ordre public widrigen ausländischen Entscheidung setzt (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.08.2008 - I - 25 Wx 114/07 - mit weiteren Nachweisen; LG Potsdamm, FamRZ 2008, 1108).

18

Nach alldem kann dem Antrag auf Anerkennung und den von der Anerkennung abhängigen Feststellungsbegehren der Antragsteller, dass das Eltern-Kind-Verhältnis Bxxxs zu seinen bisherigen Eltern durch die Adoption erloschen ist und das Annahmeverhältnis einen nach den deutschen Sachvorschriften begründeten Annahmeverhältnis gleich steht, nicht entsprochen werden.

XXX Richter am Amtsgericht