Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 07.08.2018, Az.: 7 A 2623/15

Fehlalarm; Kosten; Polizeieinsatz; Vermisstenanzeige

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
07.08.2018
Aktenzeichen
7 A 2623/15
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2018, 74200
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Gibt ein Angehöriger eine Vermisstenanzeige auf, kommt als rechtliche Grundlage für die Festsetzung von Gebühren für den Polizeieinsatz lediglich § 1 Abs. 1 AllGO iVm der Anlage Nr. 108.1.4 in Betracht. Die Anwendung der Anlage Nr. 108.1.3.1 der AllGO ist ausgeschlossen.

Tatbestand:

Am 10. Mai 2015, einem Sonntag, gegen 21:34 Uhr meldete die Klägerin sich bei der Polizeiinspektion Cloppenburg und teilte mit, dass ihr Sohn, der Zeuge X Y(geb. am 2. März 2000), seit dem 9. Mai 2015 12:00 Uhr unbekannten Aufenthalts sei. Dieser wurde schließlich bei der Zeugin O P.  in C., H.-Str. ..., vorgefunden. Bereits am 21. Februar, 10. und 19. April 2015 hatte die Klägerin ihren Sohn bei der Polizei als vermisst gemeldet.

Mit Bescheid vom 6. Juli 2015 setzte die Beklagte nach Anhörung der Klägerin für den bis zum 11. Mai 2015 0:10 Uhr andauernden Polizeieinsatz Gebühren in Höhe von 341,50 € fest. Diese setzen sich aus 324,- € für sechs angefangene halbe Stunden von zwei Bediensteten sowie 17,50 € für die gefahrenen Kilometer zusammen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden: Die Gebührenpflicht ergebe sich aus Ziff. 108.1.4 der Anlage zur AllGO. Die Klägerin habe gegenüber der Polizei eine Gefahrenlage vorgetäuscht. Denn der Zeuge X Y habe erklärt, dass er ihr per WhatsApp mitgeteilt habe, wo er sich aufhalte. Dies habe er mit seinem Handy belegen können. Dies werde auch durch den nunmehr von der Klägerin vorgelegten Chat-Verlauf bestätigt.  Zudem habe sie nach seinen Angaben auch bei früheren Vermisstenanzeigen Kenntnis über seinen Aufenthaltsort gehabt. Auch die Mutter von O P. , die Zeugin R.  P. , habe dies bestätigt. Zudem habe der Bereitschaftsdienst des Jugendamtes des Landkreises Cloppenburg erklärt, dass die Klägerin bei früheren Vermisstenanzeigen nicht die Wahrheit gesagt habe. Die eingesetzten Polizeibeamten hätten die Klägerin nach dem Polizeieinsatz zu dem Sachverhalt befragen wollen, sie habe jedoch absprachewidrig die Tür nicht geöffnet. Es sei nicht glaubhaft, dass die Türklingel defekt gewesen sei, da sie beim ersten Eintreffen der Polizeibeamten noch funktioniert habe.  Es sei auch nicht nachvollziehbar, dass sich die Klägerin, die angeblich voller Sorge um ihren Sohn gewesen sei, schlafen gelegt habe. Zudem befinde sich das Wohnhaus der Zeugin O P.  auf der Rückseite des von der Klägerin bewohnten Grundstücks. Aus den WhatsApp-Nachrichten von X Ygehe auch nicht hervor, dass er beabsichtigt habe Suizid zu begehen.

Am 7. Juli 2015 hat die Klägerin Klage erhoben und um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht (7 B 2626/15), den die Klägerin jedoch am 9. Juli 2015 wieder zurückgenommen hat. Auf Antrag der Klägerin setzte die Beklagte am 13. Juli 2015 die Vollziehung des Bescheides vom 6. Juli 2015 bis zum Abschluss des Klageverfahrens aus. Mit Bescheid vom 19. August 2015 ermäßigte die Beklagte die Gebühren auf 324,- €. Insoweit haben die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend: Der Bescheid vom 6. Juli 2015 beruhe auf den unzutreffenden Angaben ihres Sohnes X. Am 9. Mai 2015 zwischen 12:00 und 13:00 Uhr habe er sich von ihr verabschiedet und mitgeteilt, dass er mit zwei Freunden spielen gehen wolle. Um 22:30 Uhr habe sie ihn angeschrieben und er daraufhin mitgeteilt, dass er bei einer O schlafe. Dies habe sie ihm verboten. Daraufhin habe X dann erklärt, dass er bei einer H.  übernachtete. Wegen dieser widersprüchlichen Angaben habe sie sich Sorgen gemacht. Sie habe nicht gewusst, wo sich ihr Sohn aufhalte. Die Anschriften der beiden genannten weiblichen Personen seien ihr nicht bekannt gewesen. Sie habe noch am 11. Mai 2015 bei einer Lehrerin angerufen, um die Anschrift von O zu erfahren, die ihr jedoch aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht mitgeteilt worden sei. Sie hätte auch Sorge gehabt, dass er sich selber verletzen wolle. Am 5. Mai 2015 habe sie der 19-jährige Q. Z. zusammen mit dessen Mutter aufgesucht und die Rückzahlung eines X gewährten Darlehens in Höhe von 30 € verlangt. Q. habe zudem offenbart, dass er mit X eine gleichgeschlechtliche Beziehung geführt habe. Q., der die Beziehung zu X beendet habe, habe erklärt, dass dieser ihm gegenüber Suizidgedanken geäußert habe, wenn die Beziehung ihr, der Klägerin, bekannt werde. Sie sei davon ausgegangen, dass X vermutet habe, dass Q. die frühere Beziehung offengelegt habe. Vor diesem Hintergrund sei eine Gefahrenlage nicht von der Hand zu weisen gewesen und verständlich, dass sie die Polizei alarmiert habe. Auch in einer WhatsApp-Nachricht vom 5. Februar 2016 habe X Suizidgedanken geäußert. Zudem habe sich X bei Wohngruppenaufenthalten mehrfach verletzt. Sie habe die Polizeibeamten bei dem zweiten Aufsuchen nicht gehört, da die Türklingel von X sabotiert worden sei. Er habe die Kabel auseinandergerissen. Ihr älterer Sohn, der Zeuge F. B., habe die Klingel erst später repariert. X habe sich auch nach einem Urlaub in der Türkei im August 2015 wieder ohne ihre Erlaubnis von ihr entfernt. Die Polizei habe ihr erklärt, dass sie nichts unternehmen könne. Bei ihrer Vermisstenanzeige am 10. Mai 2015 habe sie 33 ½ Stunden nicht gewusst, wo sich ihr Sohn aufhalte. Soweit X gegenüber der Polizei behauptet habe, dass ihr sein Aufenthalt auch in früheren Fällen bekannt gewesen sei, treffe dies nicht zu. Der Umstand, dass X in der Nähe ihrer Wohnung vorgefunden worden sei, sei kein Indiz dafür, dass ihr der Aufenthaltsort bekannt gewesen sei. Das Jugendamt habe bestätigt, dass der Aufenthalt von X oftmals unklar sei. Sie habe auch befürchtet, dass er Straftaten begehen würde, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. X sei zudem seit Jahren ein Problemkind. Auch Hilfen des Jugendamtes hätten nicht zu einer Verbesserung geführt. Sie habe die Polizeibeamten vollständig über den Vorgang informiert. Sie frage sich auch, warum sie die Polizei zu Herrn Z. hätte schicken sollen, wenn sie gewusst hätte, dass er sich bei O P.  aufhalte. Es fehle insoweit jegliches Motiv. Ihr Sohn habe sich auch mehrfach an unbekannten Orten in Bremen aufgehalten. Es sei auch nicht erwiesen, dass die ermittelnden Beamten sich aufgrund ihrer Aussagen geirrt hätten. Sie hätten sich nicht einmal danach erkundigt, weshalb sie von einer Suizidgefahr ausgehe. Sie habe ihnen auch das Chat-Protokoll gezeigt und die Namen H.  und O mitgeteilt. Auch bei den früheren Vermisstenmeldungen habe sie nicht getäuscht. Sie belegten sogar, dass sie weder zu Übertreibungen neige noch Gefahrenlagen vortäusche. Sie sei auf Grund der Behandlung der früheren Vermisstenmeldungen davon ausgegangen, dass die Polizei schon dann tätig werde, wenn sie nicht wisse, wo sich das Kind aufhalte. Am 11. Januar 2016 habe auch der Leiter einer Wohngruppe, in der sich X zwischenzeitlich aufgehalten habe, die Polizei wegen des unbekannten Aufenthalts informiert. Die Klägerin reichte eine Abschrift der WhatsApp Kommunikation vom 9. - 13. Mai 2015 sowie vom 5. Februar 2016 mit ihrem Sohn X ein. Ferner überreichte sie schriftliche Erklärungen ihres Sohnes X vom 9. Dezember 2015 und 22. Februar 2016.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 6. Juli/19. August 2015 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie erwidert im Wesentlichen: Die Voraussetzungen für eine Gebührenerhebung nach der Nr. 108.1.4 der Anlage zur AllGO seien erfüllt. Aus den Angaben des Zeugen X Y und der Zeugin R.  P.  ergebe sich, dass die Klägerin gewusst habe, wo sich ihr Sohn aufhalte. Zudem habe X wahrheitsgemäß angegeben, dass am Montag nach dem Vorfall kurzfristig über seine Unterbringung in einer Jugendhilfeeinrichtung gesprochen werden sollte. Die Klägerin habe auch nach dem 9. Mai 2015 mit ihrem Sohn im Chat-Kontakt gestanden. Er habe berichtet, dass er bei O oder H.  übernachten werde. Sie habe nicht nachgefragt, wo die Personen wohnten. Die Wohnanschrift der O P.  grenze rückwärtig an das von der Klägerin bewohnte Grundstück an. Es sei daher nicht glaubhaft, dass die Klägerin die Anschriften dieser beiden weiblichen Personen nicht gekannt habe. Sie habe gegenüber den ermittelnden Polizeibeamten, den Zeugen C.  und M., den Chat-Verkehr verschwiegen. Dass sie den Verdacht geäußert habe, er könne sich bei Q. Z. aufhalten, sei aus der Kommunikation mit ihrem Sohn nicht herzuleiten. Aus dem Chat-Protokoll ergebe sich auch kein Hinweis auf einen Suizid. Der Sohn habe sich lediglich geweigert, zu seiner Mutter zurückzukehren. Die Vermisstenmeldungen der Klägerin erfolgten immer nach dem gleichen Muster. Ihr Sohn laufe nach einem Streit weg und suche sich Unterkunft bei Freunden oder Bekannten. Nachdem sie ihn vergeblich aufgefordert habe nach Hause zu kommen, gebe sie eine Vermisstenanzeige auf, obwohl keine Gefahr bestehe. Die Klägerin habe letztlich die Polizei instrumentalisiert, um ihren Sohn zur Heimkehr zu bewegen. Sie habe wider besseres Wissen eine Suizidgefahr angedeutet. Die Beklagte legte eine dienstliche Stellungnahme des Zeugen C.  vom 19. Oktober 2017 vor.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung von X V., A.  V., R.  P. , O P. , R. C. , T. M. und M. P. als Zeugen. Wegen des Beweisthemas und des Beweisergebnisses wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Das Verfahren war in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben.

Im Übrigen ist die Klage begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 6. Juli/19. August 2015 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Rechtliche Grundlage ist allein § 1 Abs. 1 AllGO in Verbindung mit der Anlage Nr. 108.1.4. Danach sind für Amtshandlungen der Polizei in Folge des Vortäuschens einer Gefahrenlage oder Straftat je angefangene halbe Stunde einer oder eines jeden eingesetzten Bediensteten Gebühren in Höhe von 27,- €, höchstens 10.000,- €, festzusetzen.

Die Gebührenerhebung lässt sich schon aus Rechtsgründen nicht auf § 1 Abs. 1 AllGO in Verbindung mit der Anlage Nr. 108.1.3.1 stützen. Die Regelung erfasst das ungerechtfertigte Alarmieren der Polizei durch eine Person. Dabei ist nach der Anmerkung zu dieser Gebührenstelle eine Alarmierung bereits dann ungerechtfertigt, wenn die für die Alarmierung verantwortliche Person hätte erkennen können, dass keine Gründe für ein polizeiliches Einschreiten vorlagen. Ausreichend ist hierbei mithin bereits jegliches Verschulden, also auch fahrlässiges Handeln (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 27. November 2012 - 11 PA 299/12 - juris, Rn. 2). Die Vorschrift ist in Abgrenzung zu der Nr. 108.1.4 der Anlage zur AllGO eng auszulegen. Denn anderenfalls hätte die Bestimmung der Nr. 108.1.4, die ein vorsätzliches Handeln verlangt, keinen eigenen Anwendungsbereich, weil stets auch die Voraussetzungen der Nr. 108.1.3.1 erfüllt wären. Hierfür spricht auch, dass bei letzterer Regelung sogar noch zusätzlich Gebühren für die von den Beamten zurückgelegten Kilometer verlangt werden können. Eine weite Auslegung der Nr. 108.1.3.1 würde auch dazu führen, dass der Bürger schon bei leicht fahrlässiger Alarmierung der Polizei befürchten müsste, die Kosten des Einsatzes tragen zu müssen. Dies kann zur Folge haben, dass die Polizei bei Gefahrenlagen nur noch zögerlich informiert würde. Erfasst ist deshalb von der Nr. 108.1.3.1 nur eine Alarmierung, die mit der im systematischen Zusammenhang stehenden Nr. 108.1.3.2 der Anlage zur AllGO vergleichbar ist. Danach zieht der Fehlalarm durch eine Überfall-     oder Einbruchmeldeanlage eine Gebührenpflicht nach sich (so wohl auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 16. April 2015 – 11 LA 138/14 – juris, Rn. 7). Dementsprechend hat sich die Beklagte insoweit zutreffend auch in den angefochtenen Bescheiden vom 6. Juli und 19. August 2015 nur auf die Nr. 108.1.4 der Anlage zur AllGO berufen und in dem zweiten Bescheid folgerichtig die Festsetzung der Gebühren für die mit einem Kraftfahrzeug gefahrenen Kilometer aufgehoben.

Die insoweit materiell beweisbelastete Beklagte hat nicht zur Überzeugung des Gerichts bringen können, dass die Klägerin am 10. Mai 2015 gegenüber den tätig gewordenen Zeugen M. und C.  eine Gefahrenlage vorgetäuscht hat, sie also bewusst wahrheitswidrige Angaben gemacht und die Polizisten so zu einer Amtshandlung veranlasst hat, die sie andernfalls unterlassen hätten.

Nach der schriftlichen Stellungnahme des Zeugen C.  vom 19. Oktober 2017 und seinen Angaben bei der Zeugenvernehmung sowie den Aussagen des Zeugen M. in der mündlichen Verhandlung, wird eine Gefahr für Leib und Leben bereits angenommen, wenn ein Kind zur Nachtzeit unbekannten Aufenthalts ist. Dies sei auch bei einem Jugendlichen so zu bewerten. Dann könne eine Kindeswohlgefährdung bereits nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden.

Nach diesen Angaben war es für das Tätigwerden der Polizei hier mithin nicht von maßgeblicher Bedeutung, ob die Klägerin in Bezug auf ihren Sohn X wider besseres Wissen von einer Suizidgefahr gesprochen hat. Der Zeuge C.  hat insoweit in der mündlichen Verhandlung zwar allgemein auch angegeben, dass Vermisstenanzeigen intensiver nachgegangen werde, wenn von einer Selbstmordgefahr berichtet wird. Insgesamt hat sich für das Gericht aber hierdurch nicht der Eindruck ergeben, dass der Polizeieinsatz sich am 10. Mai 2015 wesentlich anders gestaltet hätte, wenn die Klägerin einen möglichen Suizid nicht erwähnt hätte.

Maßgeblich ist deshalb allein, ob die Klägerin bei der Vermisstenanzeige genau wusste, dass sich ihr Sohn X bei der Zeugin O P.  aufgehalten hat. Hiervon ist das Gericht nicht in dem erforderlichen Maße überzeugt.

Zwar hat X Y am 10. Mai 2015 gegenüber den Zeugen C.  und M. angegeben, dass die Klägerin doch genau wisse, wo er sich befinde und dies insoweit durch einen WhatsApp-Verlauf zu belegen versucht.

Indes hat der Zeuge X Y in den schriftlichen Stellungnahmen vom 9. Dezember 2015 und 22. Februar 2016 und in seiner Zeugenaussage in der mündlichen Verhandlung seine Angaben glaubhaft revidiert. So räumte er einerseits seine Erklärung gegenüber den Polizeibeamten ein. Er hat jedoch andererseits nachvollziehbar angegeben, dass es sich hierbei um einen Irrtum gehandelt habe. Er habe nicht daran gedacht, dass er gegenüber der Klägerin in dem WhatsApp-Chat zwar eine H.  und eine O erwähnt habe, diese Personen ihr aber gar nicht bekannt gewesen seien. Das Gericht hat angesichts der Spannungen zwischen der Klägerin und ihrem Sohn auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass er mit Rücksicht auf seine Mutter nunmehr unzutreffende Angaben macht. Im Gegenteil spricht sogar einiges dafür, dass er bei seiner Aussage gegenüber den Polizisten wegen der andauernden Streitigkeiten mit seiner Mutter diese im schlechten Licht erscheinen lassen wollte.

Die Richtigkeit der jetzigen Erklärungen wird auch dadurch bestätigt, dass die Angaben, die X der Klägerin über WhatsApp gemacht hatte, so wenig nachvollziehbar waren, dass sie den Aufenthalt ihres Sohnes jedenfalls nicht eindeutig ergeben. So gab er, zudem bereits am Vortage, dem 9. Mai 2015, zwischen 22:47 Uhr und 22:52 Uhr zunächst an, dass er bei O übernachtete. Kurze Zeit darauf schrieb er, nunmehr ersichtlich wahrheitswidrig, dass er doch bei H.  schlafe. Der weitere Chat-Verlauf bis zum Abend des 10. Mai 2015 ergibt dann keinen Hinweis auf den Aufenthaltsort von X mehr. Nach dem Eindruck, den das Gericht in der mündlichen Verhandlung gewonnen hat, hat der Zeuge C.  das Chatprotokoll auch nur oberflächlich zu Kenntnis genommen und sich in erster Linie auf die mündlichen Angaben von X Y verlassen. Der Zeuge M. hat sich die WhatsApp-Korrespondenz gar nicht angesehen.

Auch der Zeuge A.  Y hat bei seiner Zeugenvernehmung berichtet, dass ihm und der Klägerin der Aufenthalt seines Bruders nicht bekannt gewesen sei. Er habe sogar noch an mehreren Orten nach X gesucht. Weder er noch seine Mutter hätten O P.  gekannt. Er hat dies nachvollziehbar gemacht, in dem er ergänzend anführte, dass X seine Freunde niemals mit nach Hause gebracht habe, sondern sich immer bei diesen aufgehalten habe. Dies leuchtet angesichts des gespannten Verhältnisses zwischen der Klägerin und ihrem Sohn X ein. Auch bei dem Zeugen A.  Y hat das Gericht keine Anhaltspunkte dafür gewinnen können, dass er die Klägerin wegen der verwandtschaftlichen Nähe ungerechtfertigt zu entlasten versuchte. Seine Angaben wirkten lebensnah. Seine Aussage hat besonderes Gewicht, weil er unmittelbar miterlebt hat, wie die Klägerin sich in der Zeit vor der Vermisstenmeldung verhalten hat.

Die Zeugin O Z. konnte sicher lediglich über die Tatsache berichten, dass X den Polizeibeamten gegenüber angegeben hat, seine Mutter wisse, wo er sich aufhalte. Mit X habe sie anschließend hierüber aber nicht mehr gesprochen. Sie sei allerdings, auch auf Grund von Äußerungen von X, damals davon ausgegangen, dass die Klägerin sie kenne und schon bei Angabe ihres Vornamens wisse, wer sie sei und wo sie wohne. Sie hat dies allerdings im Folgenden relativiert und ausgeführt, dass sie nicht wisse, ob die Angaben von X zutreffend gewesen seien. Möglicherweise habe X auch kein Interesse daran gehabt, seiner Mutter seinen Aufenthaltsort zu offenbaren. Sie habe die Klägerin und auch A.  Y nicht persönlich, sondern nur vom Sehen gekannt. Der erste persönliche Kontakt sei am Tag nach dem Erscheinen der Polizeibeamten gewesen als die Klägerin Kleidung für X vorbeigebracht habe.

Die Zeugin R.  P.  hat ebenfalls davon berichtet, dass sie mit der Klägerin bis zum 11. Mai 2015 nicht persönlich bekannt gewesen sei. Sie sei allerdings davon ausgegangen, dass sie wisse, wo sich X aufhalte. Ob die Klägerin ihre Tochter O gekannt habe, vermochte sie aber nicht abschließend anzugeben. Sie wusste auch nicht mehr sicher, ob sie gegenüber den Polizisten bemerkt hat, dass die Klägerin doch wissen müsse, wo sich X befindet. Es könne auch sein, dass sie eine Kenntnis der Klägerin nur auf Grund der Umstände angenommen habe, ohne es tatsächlich genau zu wissen. Die Aussage der Zeugin R.  P.  gegenüber der Polizei scheint zudem auch von den Zeugen C.  und M. nicht als gewichtig bewertet worden zu sein. Denn sie konnten sich hieran bei ihren Zeugenvernehmungen nicht mehr erinnern.

Die Zeugin P. hat bei ihrer Vernehmung angegeben, dass ihr auf Grund eines Kontakts mit X im Rahmen des Bereitschaftsdienstes des Jugendamtes am Nachmittag des 10. Mai 2015 bekannt gewesen sei, wo sich der Sohn der Klägerin aufhält. Sie habe dies der Klägerin aber nicht mitgeteilt. Ihr sei auch nicht bekannt, ob die Klägerin die Zeugin O P.  gekannt habe und wisse wo sie wohne. In dem Vermerk vom 12. Mai 2015 hat die Zeugin P. zu dem Gespräch mit dem Zeugen C.  lediglich festgehalten, dass dieser ihr berichtet habe, dass die Klägerin X als vermisst gemeldet habe, obwohl sie gewusst habe, wo er sich aufhält.

Gegen eine positive Kenntnis der Klägerin vom Aufenthaltsort ihres Sohnes X spricht auch, dass die Klägerin der Polizei den Hinweis auf Q. Z. gegeben hat. Hätte sie genau gewusst, dass er sich bei O P.  aufhält, hätte sie die Beamten zielgerichtet dorthin zu lenken versuchen können.

Allein der Umstand, dass sich X auf einem nahegelegenen Grundstück aufgehalten hat, spricht nicht zwingend gegen die Richtigkeit der Angaben der Klägerin. Es kommt vor, dass auch zu Personen, die in der Nachbarschaft leben, keine Beziehung besteht. Angesichts des Umstandes, dass sich das Verhältnis zwischen X und der Klägerin als äußerst schwierig darstellt, erscheint es auch sonst nicht völlig lebensfremd, dass der Klägerin selbst engere Bezugspersonen ihres Sohnes nicht bekannt waren.

Anders als die Beklagte meint, ergeben sich auch aus den früheren Vermisstenanzeigen vom 21. Februar, 10. und 19. April 2015 keine durchgreifenden Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin jeweils genau wusste, wo sich X befindet. Dieser selbst hat dies in seiner Zeugenvernehmung ausdrücklich verneint. Soweit die Vertreterinnen der Beklagten in der mündlichen Verhandlung berichteten, die Klägerin habe in einem späteren Fall von der Polizei verlangt, X an seinem ihr bekannten Aufenthaltsort abzuholen, hat die Klägerin zwar ein ungemessenes Ansinnen an die Polizei gestellt, aber nicht darüber getäuscht, wo sich X befindet.

Auch kann nicht völlig unberücksichtigt bleiben, dass der damals 15-jährige X am Abend des 10. Mai 2015 bereits seit deutlich mehr als 24 Stunden nicht mehr zu Hause gewesen ist. Zudem bestand zwischen der Klägerin und ihrem Sohn bereits seit längerem ein äußerst gespanntes Verhältnis, so dass dieser auch schon mehrfach in Jugendhilfeeinrichtungen untergebracht war.

Das Gericht verkennt nicht, dass auch das Verhalten der Klägerin nicht in jeder Hinsicht widerspruchsfrei gewesen ist und sie möglicherweise gegenüber der Polizei eine zu große Anspruchshaltung entwickelt hatte. Insbesondere ist nicht recht nachvollziehbar, weshalb sie trotz des WhatsApp-Chats nicht auf die Namen O und P hingewiesen oder X über den genannten Massengerdienst nach deren Aufenthaltsorten befragt hat. Auch verwundert es, dass sie sich nach der Aufgabe der Vermisstenanzeige offenbar recht beruhigt schlafen legen konnte. Diese Indizien allein können unter Berücksichtigung der übrigen Umstände aber nicht mit ausreichender Sicherheit belegen, dass sie genau wusste, wo sich X aufhält.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Die Beklagte hat nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes auch die Kosten des erledigten Teils des Rechtsstreits zu tragen, weil sie die Gebührenforderung reduziert und damit insoweit dem Begehren der Klägerin entsprochen hat. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.