Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 27.01.1999, Az.: 2 A 772/97

Erteilung der Genehmigung einer Änderung des Flächennutzungsplanes; Flächen für die Errichtung von Windkraftanlagen; Herausnahme räumlicher oder sachlicher Teile des Flächennutzungsplans aus der Genehmigung; Verstoß gegen gemeinschaftsrechtliche Tierschutz-Richtlinien; Bindung an die FFH-Richtlinie trotz fehlender Umsetzung in nationales Recht; Prüfung der Verträglichkeit mit den für dieses Gebiet festgelegten Erhaltungszielen; Anwendbarkeit der FFH-Richtlinie auch auf potentielle Schutzgebiete; Unvereinbarkeit der Windenergienutzung mit ausgewiesenen und potentiellen Schutzgebieten; Anforderungen an die Darlegung von zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses für den Bau der Windkraftanlagen; Abwägungsfehler bei der Aufstellung von Bauleitplänen

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
27.01.1999
Aktenzeichen
2 A 772/97
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1999, 19725
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGSTADE:1999:0127.2A772.97.0A

Fundstelle

  • NuR 1999, 411-414

Verfahrensgegenstand

Genehmigung eines Flächennutzungsplanes

Prozessführer

Samtgemeinde Nordkehdingen,
vertreten durch den Samtgemeindedirektor, Hauptstraße 48, 21729 Freiburg

Prozessgegner

Bezirksregierung Lüneburg, Auf der Hude 2, 21339 Lüneburg

Redaktioneller Leitsatz

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes war schon bisher anerkannt, dass Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaft unter bestimmten Voraussetzungen nach Ablauf der Umsetzungsfrist durch einen Mitgliedsstaat unter Umständen unmittelbare innerstaatliche Geltung beanspruchen dürfen. Im Urteil vom 11. August 1995 hat der EuGH klargestellt, dass die Frage, ob sich der einzelne Bürger nach Ablauf der Umsetzungsfrist für eine Richtlinie auf deren Vorschriften unmittelbar berufen könne, nichts damit zu tun habe, ob eine Richtlinie auch vor ihrer Umsetzung in innerstaatliches Recht für innerstaatliche Behörden bindend sein könne. Eine solche Verpflichtung der innerstaatlichen Behörden bestehe jedenfalls für den Fall, dass die Formulierung einer Richtlinie den Pflichtenkatalog der innerstaatlichen Behörden unmissverständlich festlege. Dies gilt z.B. für die FFH-Richtlinie.

Die Schutzbestimmungen der Vogelschutzrichtlinie und damit auch der FFH-Richtlinie beschränken sich nicht nur auf diejenigen Schutzgebiete, die von den Mitgliedsstaaten entsprechend der Vogelschutzrichtlinie formell notifiziert wurden, sondern auch auf potentielle Schutzgebiete, die qualitativ die Voraussetzungen für eine Unterschutzstellung erfüllen, aber bisher nicht notifiziert wurden.

In der Verwaltungsrechtssache
hat die 2. Kammer des Verwaltungsgerichts Stade
auf die mündliche Verhandlung vom 27. Januar 1999
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Dr. v. Kunowski,
die Richterin am Verwaltungsgericht Schröder und
den Richter am Verwaltungsgericht Klinge,
den ehrenamtlichen Richter ... und
den ehrenamtlichen Richter ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kostenforderung abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Verpflichtung der Beklagten, eine Genehmigung der 17. Änderung des Flächennutzungsplanes der Klägerin auch insoweit zu erteilen, als diese mit Bescheid der Beklagten vom 05. Mai 1997 versagt worden ist.

2

Am 16. April 1996 fasste der Rat der Klägerin einen Entwurfs- und Auslegungsbeschluss für die 17. Änderung ihres Flächennutzungsplanes. Diesem Beschluss lag ein Entwurf zu Grunde, der sich im Wesentlichen mit der Darstellung von Flächen für die Errichtung von Windkraftanlagen im Samtgemeindegebiet der Klägerin befasste. Insgesamt sollten zukünftig 6 Gebiete als Vorrangflächen für die Errichtung von Windkraftanlagen dargestellt werden (Teilpläne A und C bis G). In diesem Verfahren allein streitig sind die Darstellungen von Flächen für die Errichtung von Windkraftanlagen gemäß Teilplan C, nördlich der Ortschaft Krummendeich, südlich des sogenannten Südlichen Sielgrabens und gemäß Teilplan D, nördlich der Ortschaft Freiburg.

3

Der dem 1. Entwurf der 17. Änderung des Flächennutzungsplanes beigefügte Erläuterungsbericht führt unter der Überschrift Teilbereich Windkraftanlagen aus, die Energieversorgung solle auf eine ökologisch und ökonomisch vertretbare, kernenergiefreie Produktion, einen sparsamen Verbrauch und eine rationelle Verwendung von Energie umgestellt werden. Hierbei gebe es insbesondere das Ziel, die Nutzung von Windenergie zu intensivieren und nach landesplanerischen Vorgaben Vorrangstandorte für die Windenergienutzung in den regelnahen Ordnungsprogrammen festzulegen. Nach dem landesweiten Verteilungsschlüssel entfalle danach auf den Landkreis Stade die Pflicht zur Ausweisung von Windenergieflächen zur Erzeugung von 150 Megawatt, d.h. 10 % des Landesanteils. Das Gutachten des Deutschen Windenergieinstituts (DEWI) vom Januar 1993 belege, dass in den 10 untersuchten küstennahen Landkreisen und kreisfreien Städten Flächenpotentiale - nach Abzug der für die Anlage von Windparks nicht in Frage kommenden Flächen - für eine theoretisch installierbare Leistung von über 12.000 MW bzw. fast 15.000 MW bei Einsatz von 1 MW Windenergieanlagen vorhanden seien. Selbst wenn davon ausgegangen werden müsste, dass nur 15 % dieser Flächen tatsächlich genutzt werden könnten, entspreche dies einer installierten Leistung von 1.800 bzw. 2.250 MW. Bei der Festlegung von Vorrangstandorten für die Windenergienutzung seien die Empfehlungen zur Standortsicherung und raumordnerischen Beurteilungen von Windenergieanlagen sowie die Belange des Naturschutzes zu berücksichtigen (Seite 4 des 1. Entwurfs).

4

Unter der Überschrift "Hinweise aus dem Fachprogramm Energie als Teil des RROP '95" ist ausgeführt, die besonders günstigen Potentialflächen für die Nutzung der Windenergie seien in der zeichnerischen Darstellung als Vorrangstandorte für Windenergienutzung festgelegt. Die Windenergieanlagen (WEA) seien in den Vorrangstandorten zu konzentrieren. Auf eine optimale Ausnutzung der Standorte sei hinzuwirken. Die Belange der Landschaftspflege, einschließlich der Sicherung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes und der Ökologie, des Schutzes, der Pflege und der Entwicklung von Vielfalt, Eigenart und Schönheit der Landschaft, der Siedlungsentwicklung, der Erholungsfunktion und des Emissionsschutzes seien dabei besonders zu beachten. Das Fachprogramm ermögliche in den ausgewiesenen Vorrangstandorten eine Gesamtleistung von 400 MW. Zu Grunde gelegt seien dabei die derzeit auf dem Markt befindlichen bzw. die in der Entwicklung befindlichen Windenergieanlagen. Zwei Drittel der Standorte seien weitgehend als konfliktfrei einzustufen, ein Drittel müsse jedoch im Rahmen der Bauleitplanung der Gemeinden detailliert untersucht und im Einzelfall überprüft werden. Schließlich heißt es hierzu weiter, das Fachprogramm (Energie des Landkreises Stade) weise für die Samtgemeinde Nordkehdingen somit auf 666,81 ha Standorte für 151 bis 165 500-KW-Anlagen bzw. 78 bis 86 1,0-MW-Anlagen nach. Daraus ergebe sich eine Leistung von 75,5 bis 86 MW (> = 21,5 % der Leistung des Landkreises Stade bei einem Flächenanteil (der Samtgemeinde) von 17,7 %). Hiervon seien 1/3 der Flächen in der Bauleitplanung intensiv zu überprüfen (Seite 6 des Entwurfes).

5

Unter der Überschrift "Anlass und Ziel der 17. Änderung" heißt es nach einem Hinweis auf die seinerzeit noch bestehende fehlende bauplanungsrechtliche Privilegierung der Windkraftanlagen in § 35 Abs. 1 BauGB alter Fassung (vgl. jetzt § 35 Abs. 1 Ziffer 6 BauGB) unter anderem:

Aus der übergeordneten Planung (LROP und RROP) ergeben sich für die Sicherung von Flächen für Windenergieanlagen neue Anforderungen für die Bauleitplanung der Samtgemeinde, die in der bisherigen Flächennutzungsplanung nicht berücksichtigt wurden. Hinzu kommt das Interesse verschiedener privater Gruppen, Windenergieanlagen im Samtgemeindegebiet aufzustellen. Es ist gemäß den oben angegebenen Hinweisen Pflicht der Samtgemeinde, diese neuen Erfordernisse und privaten Absichten in bauleitplanerisch geordnete Bahnen zu führen.

Dem Interesse privater Investoren, insbesondere aus dem Bereich der Landwirtschaft, auf geeigneten Grundstücken Windenergieanlagen zu betreiben, entspricht aber auch ein nachhaltiges kommunalpolitisches Anliegen. Gerade in strukturschwachen Regionen, wie dem nördlichen Landkreis Stade, die durch stagnierende Bevölkerungsentwicklung und Rückgang der landwirtschaftlichen Arbeitsplätze ohne Ersatz durch neu entstehende Arbeitsplätze in Handel, Gewerbe und Dienstleistung geprägt sind, hat neben der Entwicklung und Förderung des Fremdenverkehrs im beschränkten Rahmen die Schaffung von Standorten für Windenergieanlagen eine ökonomisch stabilisierende Funktion. Mit der Windenergienutzung wird für die Samtgemeinde Nordkehdingen neben der Energieperspektive ein Wirtschaftspotential eröffnet, welches den Abbau wirtschaftlicher Schwächen ermöglichen könnte. Der Betrieb von Windenergieanlagen lässt in nicht unerheblichem Umfang Gewerbesteuern erwarten und stärkt die Wirtschaft der finanzschwachen Mitgliedsgemeinden. Der Samtgemeinderat hat seine Vorstellung zur Lage und Größe von Vorranggebieten für das Aufstellen von Windenergieanlagen dem Landkreis im Zuge der Beteiligung beim Fachprogramm Energie als Teil des RROP Stade mitgeteilt. Diese wurden durch den Kreistag in das Fachprogramm übernommen und stellen somit planerische Vorgabe für die 17. Änderung dar. Eine Abwägung mit anderen Belangen hat - da das RROP Stade noch nicht fertiggestellt und genehmigt ist - noch nicht stattgefunden (Seite 7 des Entwurfs).

6

Im Folgenden befasst sich der Erläuterungsbericht mit den Kriterien für die Auswahl der Flächen zur Errichtung von Windenergieanlagen entsprechend dem Gutachten des Deutschen Windenergie-Institutes, wobei darauf hingewiesen wird, dass die Vorgaben des DEWI-Gutachtens nicht rechtlich verbindlich seien. Die Kategorisierung des DEWI-Gutachtens sei lediglich eine Orientierungshilfe im Rahmen der Konkretisierung der städtebaulichen Ordnung. Auf Seite 11 ff. befasst sich der Erläuterungsbericht mit dem Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege, wobei er insbesondere auf die landschaftsplanerische Stellungnahme des Instituts EGL, Lüneburg, Bezug nimmt, die drei Untersuchungsgebiete (Biotoptypen, Avifauna (Vogelwelt) und Landschaftsbild) aufweise. Diese landschaftsplanerische Stellungnahme sei zwar nicht rechtlich verbindlich, als wesentlicher öffentlicher Belang jedoch der Planung zu Grunde zu legen und in die Abwägung einzubeziehen.

7

Aus diesem Grunde seien die Standorte für Windkraftanlagen in Abständen von nicht weniger als 5 km festgelegt worden, um die Lebensmöglichkeiten der Vogelwelt nicht über Gebühr einzuschränken. Schließlich heißt es zur Avifauna:

Zur Avifauna ist eine Bewertung zur Zeit lediglich der Standorte nördlich des alten Winterdeiches und südlich von Hörne möglich. Die für das übrige Gebiet der Samtgemeinde Nordkehdingen maßgeblichen Erhebungen standen bei der Beschlussfassung über die 17. Änderung des Flächennutzungsplanes nicht zur Verfügung. Hierauf konnte indessen verzichtet werden, weil sie nicht für die Windkraftnutzung ausgewählte Flächen betreffen. Die hierfür erforderlichen Erhebungen sind in die Beurteilung bei der Einzelflächenprüfung einbezogen worden (Seite 12 des Entwurfes).

8

Für den Teilplan C heißt es bei der Abwägung unter C Landschaft/Natur:

Gesamtbewertungsstufe I.

Hohe Empfindlichkeit der weiten Landschaft und Bedeutung für Brutvögel (zumindest ideal) und Gastvögel (international). Die Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes im Sinne des niedersächsischen Naturschutzgesetzes sind erheblich.

9

Diese Belange wurden schließlich mit der folgenden Formulierung abgewogen:

Eine Anordnung von maximal 5 Windenergieanlagen bei gleichzeitiger Sicherung und Entwicklung des verbleibenden Landschaftsraumes ist im Hinblick auf die übrigen Belange vertretbar. Der Südliche Sielgraben wird nach Norden geringfügig überschritten.

10

Für den Teilplan D wird unter C Landschaft/Natur festgestellt:

Gesamtbewertungsstufe I.

Hohe Empfindlichkeit der weiten Landschaft und Bedeutung für Brutvögel (zumindest lokal) und Gastvögel (international). Die Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes im Sinne des niedersächsischen Naturschutzgesetzes sind erheblich.

11

Zur Abwägung heißt es hier:

Eine Anordnung von maximal 5 Windenergieanlagen (max. 3,0 MW Leistung) bei gleichzeitiger Sicherung und Entwicklung des verbleibenden Landschaftsraumes ist im Hinblick auf die übrigen Belange vertretbar. Das Landschaftsbild ist hier im Übrigen vorgeprägt durch vorhandene vertikale technische Bauwerke und die Stadtsilhouette von Freiburg.

12

Dem Entwurf beigefügt war die vom Institut EGL, Lüneburg, erstellte landschaftsplanerische Stellungnahme zur Ausweisung von Flächen für die Windenergie vom April 1996. Diese landschaftsplanerische Stellungnahme definiert auf Seite 32 die Empfindlichkeitsstufe I als:

Hohe Empfindlichkeit der Biotoptypen, Windenergieanlagen sollten grundsätzlich nicht errichtet werden

13

Zum Gebiet des Krummendeicher Außendeiches (Teilplan C) heißt es auf Seite 72 des Gutachtens:

"Der ehemalige Krummendeicher Außendeich wird in der Gesamtbewertung als nicht geeignet bewertet, da das Gebiet eine internationale Bedeutung für Gastvögel hat. Für Brutvögel hat das Gebiet ebenfalls eine hohe Bedeutung, nördlich des Südlichen Sielgrabens national und südlich regional. Das Gebiet erfüllt die Voraussetzungen, um nach der EU-Vogelschutzrichtlinie als "Important Bird Area" und in der Umsetzung der FFH-Richtlinie als Besonderes Schutzgebiet ausgewiesen zu werden. Die Installation von Windenergieanlagen würde voraussichtlich erhebliche Auswirkungen auf die Avifauna verursachen, insbesondere bei Nonnengänsen und den Goldregenpfeifern, die in hoher Anzahl in diesem Bereich rasten. Ebenso wie in Gebiet 18 entfiele bei 4 Anlagen eine Fläche von 580 ha als Lebensraum für diese Tierarten.

Das hoch empfindliche Landschaftsbild würde in dieser weiten, nur geringfügig vertikal strukturierten Landschaft in erheblichem Umfang beeinträchtigt werden. Die Anlagen wären weithin sichtbar und würden dem Raum eine neue Orientierung technischer Art geben. Der naturbetonte Erlebniswert dieser Landschaft würde eingeschränkt werden. Die Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes wären im Sinne des Niedersächsischen Naturschutzgesetzes nicht auszugleichen und nicht zu ersetzen."

14

Ebenso heißt es für das Gebiet des Teilplanes D (Freiburger Außendeich), dass diese Flächen in der Gesamtbewertung als nicht geeignet für die Errichtung von Windenergieanlagen eingestuft würden. Auch hier wird auf die Einhaltung der Bestimmung der EU-Vogelschutzrichtlinie und der sogenannten FFH-Richtlinie der Europäischen Union hingewiesen. Schließlich kommt die Gesamtbewertung zu dem Ergebnis, dass auf bei Errichtung von insgesamt 12 Windenergieanlagen im Gebiet der Teilpläne C und D und im Gebiet des Teilplanes Baljer Außendeich insgesamt 1.740 ha als Lebensraum für störungsempfindliche Vogelarten erheblich beeinträchtigt würden. Dies seien etwa 30 % der gesamten, ca. 6.000 ha großen Fläche des ehemaligen Nordkehdinger Außendeichs.

15

Mit entsprechendem Schreiben vom 29. April 1996 wurden die Träger öffentlicher Belange an dem Aufstellungsverfahren beteiligt. Der Entwurf der 17. Änderung des Flächennutzungsplanes lag vom 06. Mai bis 07. Juni 1996 öffentlich aus. Bereits mit Schreiben vom 05. Juni 1996 nahm der Landkreis Stade als Untere Naturschutzbehörde kritisch zu den Plänen, die Teilpläne C und D als Vorrangstandorte für Windenergieanlagen darzustellen, Stellung. Bezugnehmend auf parallele Baugenehmigungsverfahren, in denen die Bezirksregierung Lüneburg die Widersprüche wegen naturschutzrechtlicher Bedenken zurückgewiesen hatte, führte die Naturschutzbehörde unter anderem aus, die betroffenen Flächen lägen in einem als besonderes Schutzgebiet (BSG) gem. Art. 4 der EU-Vogelschutzrichtlinie vom 02. April 1979 (79/409/EWG) zu schützenden Brutvogel- und Rastvogellebensraum. Die Außendeichsflächen hätten somit internationale Bedeutung für Rastvögel und seien als Feuchtgebiete von internationaler Bedeutung (FIB) nach dem Übereinkommen für Feuchtgebiete, insbesondere als Lebensraum für Wasser- und Watvögel, vom 02.02.1971 (Bundesgesetzblatt II, Nr. 40/1976, Ramsar - Konvention) einzustufen. Der betroffene Bereich habe damit eine hohe avifaunistische Bedeutung und in Folge dessen eine extrem hohe Empfindlichkeit gegenüber der Zulassung von Windkraftanlagen. Die Zulassung durch die Ausweisung von Flächen für WEA würde die Funktion des Gebietes als Brut- und Rastgebiet erheblich beeinträchtigen. Außerdem wird darauf hingewiesen, dass die DEWI-Studie lediglich Potential auf Flächen aufzeige und eine Abwägung mit anderen Belangen nicht stattgefunden habe. Nur die Effektivität der Windenergienutzung könne nicht ausschlaggebend für die Eignung einer Fläche sein. Es sei nicht nachvollziehbar, warum von dem Fachprogramm Energie abgewichen wurde und warum avifaunistische Bereiche weniger konfliktträchtig sein sollten. Der Naturschutzbeauftragte des Landkreises Stade nahm im Schreiben vom 28. Mai 1996 ebenfalls Stellung und wies darauf hin, dass die Ausweisung von Vorrangflächen für Windenergieanlagen im Bereich der Teilpläne C und D im Widerspruch zur landschaftsplanerischen Stellungnahme des Instituts EGL stehe und dieser Ausweisung daher widersprochen werden müsse. Mit Schreiben vom 03. Juni 1996 erhob schließlich auch die Beklagte als Träger öffentlicher Belange Einwände gegen die Darstellungen der Teilpläne C und D unter Hinweis auf die bereits vom Landkreis Stade dargelegten schweren Beeinträchtigungen öffentlicher Belange insbesondere der Schutzzwecke der EU-Vogelschutzrichtlinie und der FFH-Richtlinie sowie der Ramsar-Konvention. Der ehemalige Nordkehdinger Außendeich habe eine außerordentlich hohe avifaunistische Bedeutung und in Folge dessen eine extrem hohe Empfindlichkeit gegenüber der Anlage von Windkraftanlagen. Der Bau von Windkraftanlagen würde die Funktion des Gebietes als Brut- und Rastgebiet erheblich beeinträchtigen. Die Errichtung von Windkraftanlagen hätte auf den angrenzenden Flächen den Verlust bzw. die erhebliche Beeinträchtigung von Brut-, Rast- und Nahrungshabitaten von zum Teil in der "Roten Liste" als gefährdet oder vom Aussterben bedrohten Arten zur Folge. Darüber hinaus würde insbesondere das Vogelzuggeschehen der aus der Arktis bzw. aus Eurasien kommenden Vogelarten massiv beeinträchtigt werden. Der gesamte ehemalige Nordkehdinger Außendeich sei daher auch als avifaunistischer wertvoller Bereich im Sinne von Ziffer 6.2 der Leitlinie zur Anwendung der Eingriffsregelung des Niedersächsischen Naturschutzgesetzes bei der Errichtung von Windkraftanlagen eingestuft worden. In diesem Gebiet überwögen grundsätzlich die Belange des Naturschutzes (Vogelschutz) gegenüber den Belangen des Vorhabenträgers.

16

In seiner Sitzung am 12. September 1996 beschloss der Rat der Klägerin die 17. Änderung ihres Flächennutzungsplanes und den Erläuterungsbericht sowie über die gegen den Entwurf erhobenen Einwendungen. Den Einwendungen aus Sicht des Naturschutzes hinsichtlich der Teilpläne C und D sollte dadurch Rechnung getragen werden, dass im Bereich des Teilplanes C die Fläche verkleinert und nur noch Flächen südlich des Südlichen Sielgrabens ausgewiesen wurden. Außerdem wurde die Zahl zulässigen Windkraftanlagen auf max. 4 WEA (je Anlage max. 1 MW) beschränkt. Eine zahlenmäßige Beschränkung auf 4 Anlagen erfolgte auch für den Teilplan D, dessen Fläche ebenfalls verkleinert wurde. In dem Erläuterungsschreiben an die Bezirksregierung Lüneburg vom 18. September 1996 ist dazu ausgeführt, durch die Beschränkung der Ausweisung von Flächen für Windenergieanlagen "Binnendeichs" müssten im begrenzten Umfang auch 2 Teilflächen im ehemaligen Außendeich ausgewiesen werden. Die natürlichen Voraussetzungen für Windenergieanlagen und die für die betroffenen Orte städtebaulich günstige Lage der Flächen führe in der Abwägung zur begrenzten Ausweisung dieser Standorte. Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen müssten dem Eingriff entsprechen. Durch die Beschränkung und Ausweisung von Flächen für Windenergieanlagen "Binnendeichs" aus Gründen der städtebaulichen Ordnung, des Lärmschutzes, der Schonung von wohnlicher und gewerblicher Grundstücksnutzung sowie der Einhaltung von erforderlichen Abstandsflächen müssten in dem oben genannten begrenzten Umfang auch 2 Teilflächen im ehemaligen Außenbereich ausgewiesen werden, um die mit der Änderung der Flächennutzungsplanung angestrebte Zielsetzung zu verwirklichen. Dem Belangen des Naturschutzes sei durch die Begrenzung der Ausweisung Rechnung getragen. Außerdem wird auf die besondere Beschlussfassung des Gesamtgemeinderates zu Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen Bezug genommen.

17

Unter dem 23. September 1996 beantragte die Klägerin (erstmals) die Genehmigung des am 12. September 1996 beschlossenen F-Planes, zog diesen Antrag mit Schreiben vom 29. November 1996 zurück und stellte den Genehmigungsantrag unter dem 2. Dezember 1996 erneut. Da der F-Plan nach der 1. Auslegung zahlreiche Änderungen erfahren hatte, wurde er nebst Entwurfserläuterung mit den Veränderungen in der Zeit vom 16. Dezember 1996 bis zum 17. Januar 1997 erneut öffentlich ausgelegt und der Genehmigungsantrag vom 2. Dezember 1996 durch Schreiben vom 10. Dezember 1996 zurückgezogen.

18

Im Zuge der zweiten Beteiligung der Träger öffentlicher Belange wiederholte der Landkreis Stade als Untere Naturschutzbehörde die bereits in vorherigen Verfahren geltend gemachten Einwendungen gegen die Darstellung von Flächen für Windkraftanlagen in den Teilplänen C und D.

19

Am 07. Februar 1997 beschloss der Rat der Klägerin den Darstellungsbeschluss vom 28. August 1996 aufzuheben, stellte den überarbeiteten Entwurf der 17. Änderung des Flächennutzungsplanes fest und beschloss den Erläuterungsbericht.

20

Mit Schreiben vom 3. März 1997 beantragte die Klägerin zum 3. Mai die Genehmigung der 17. Änderung des Flächennutzungsplanes (2. Entwurf).

21

Mit Bescheid vom 05. Mai 1997 genehmigte die Beklagte die 17. Änderung des Flächennutzungsplanes, nahm von dieser Genehmigung jedoch die Flächen der Teilpläne C (Nördlich alter Winterdeich - Krummendeich) und D (Nördlich alter Winterdeich - Freiburg) aus und versagte gleichzeitig die Genehmigung für diese. Zur Begründung heißt es hierzu, hinsichtlich dieser Gebiete liege ein Abwägungsdefizit vor; die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege seien nicht mit dem ihnen zustehenden Gewicht in die Abwägung eingegangen. Beide Standorte befänden sich im ehemaligen Nordkehdinger Außendeich. Dieser Bereich habe nachweislich eine herausragende internationale Bedeutung für durchziehende, rastende und überwinternde Vogelarten und infolgedessen eine hohe Empfindlichkeit gegenüber der Errichtung von Windkraftanlagen sowie sonstigen baulichen Anlagen. Grundsätzlich sei davon auszugehen, dass die Errichtung einer oder mehrerer Windkraftanlagen im ehemaligen Nordkehdinger Außendeich großräumig erhebliche Beeinträchtigung von Brut-, Rast- und Nahrungshabitaten von zum Teil vom Aussterben bedrohten Vogelarten zur Folge hätte. Zur internationalen Schutzkategorie heißt es, der gesamte Nordkehdinger Außendeich sei nach der EU-Vogelschutzrichtlinie vom 02.04.1979 (79/409/EWG) und nach der sogenannten Ramsar-Konvention zu schützendes Brut- und Rastgebiet. Teile des ehemaligen Nordkehdinger Außendeichs seien außerdem bereits als "besonderes Schutzgebiet" gemäß Art. 4 der EU-Vogelschutzrichtlinie und als Feuchtgebiet nach der Ramsar-Konvention notifiziert. Auch die über die bisher notifizierten Flächen hinausgehenden Bereiche des ehemaligen Nordkehdinger Außendeichs erfüllten aufgrund der internationalen Bedeutung als Rast- und Nahrungslebensraum für nordische Wat- und Wasservögel die Kriterien für eine Notifizierung. Nach Hinweisen auf die Leitlinie des Niedersächsischen Umweltministeriums zur Anwendung der Eingriffsregelung des NNatG und das vom Land Niedersachsen betriebene Programm zur naturschutzgerechten Grünlandnutzung heißt es, dass die von der Klägerin selbst in Auftrag gegebene landesplanerische Stellungnahme zur Ausweisung von Flächen für die Windenergie zu dem Ergebnis gekommen sei, die Flächen der Teilpläne C und D lägen innerhalb von Ausschlussflächen für die Windenergie. Der Landschaftsplan komme zu dem Ergebnis, dass das Gebiet eine besonders hohe Empfindlichkeit gegenüber der Errichtung von Windkraftanlagen besitze. Der Landschaftsplan weise außerdem darauf hin, dass bereits mit der Errichtung von jeweils 4 Anlagen auf den Standorten C und D eine Fläche von insgesamt 1.160 ha ihre Funktion als Brut-, Rast- und Überwinterungsgebiete der Avifauna verlieren würde. Dies seien ca. 20 % des avifaunistisch international bedeutsamen Gebietes.

22

Gegen die teilweise Versagung der Genehmigung der Änderung des Flächennutzungsplanes erhob die Klägerin mit Schreiben vom 16. Mai 1997, eingegangen am 20. Mai 1997, Klage. Zur Begründung trägt sie vor, die Verweigerung der Gesamtgenehmigung der 17. Änderung des Flächennutzungsplanes sei bereits insoweit rechtswidrig, als die Beklagte nicht befugt gewesen sei, von sich aus ohne Weiteres räumliche Teile der 17. Änderung aus der Genehmigung herauszunehmen. Hierdurch habe sie, ohne dass insoweit eine hinreichende gesetzliche Ermächtigung vorliege, gegen die Planungshoheit der Klägerin verstoßen, deren Planungswille dahin gegangen sei, bezüglich der Ausweisung von Flächen für Windenergie eine Gesamtentscheidung für den Verwaltungsraum der Samtgemeinde zu treffen. Dies ergebe sich unmissverständlich aus dem Abwägungsmaterial. Hiernach liege ein eindeutiges planerisches Konzept zu Grunde, nämlich unter Berücksichtigung der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, insbesondere mögliche avifaunistischer Belange im ehemaligen Außendeichsbereich nach erfolgter Abwägung nicht 4, sondern nur 2 Standorte auszuweisen, an diesen jedoch unbedingt festzuhalten, weil anderenfalls unter Berücksichtigung der Wohn- und Siedlungsanforderungen, insbesondere städtebaulicher Aspekte sowie des Lärmschutzes der kommunalpolitisch gewünschte, rechtlich legitime Gesamtumfang alternativer Energiegewinnung durch Windkraft nicht zu erreichen gewesen sei. Eine entsprechende Befugnis der Beklagten zur Herausnahme von Teilflächen aus der Gesamtgenehmigung sei auch nicht durch § 6 Abs. 3 BauGB gedeckt. Im Übrigen sei die Genehmigungsversagung auch insoweit rechtswidrig, als entgegen § 28 VwVfG die erforderliche Anhörung der Klägerin unterblieben sei. Die materielle Rechtswidrigkeit der Herausnahme der Teilflächen aus der Genehmigung ergebe sich daraus, dass die Befugnis der Beklagten sich auf eine reine Rechtmäßigkeitskontrolle beschränke, d.h., die Nichtgenehmigung der in den Teilflächen C und D ausgewiesenen Standorte für Windkraftnutzung hätte nur dann ergehen dürfen, wenn und soweit die planerischen Festsetzungen der 17. Änderung des Flächennutzungsplanes diesbezüglich rechtswidrig seien. Die vorgetragenen Gründe der Beklagten hielten einer Überprüfung nicht stand, insbesondere sei eine Verletzung des Planungsermessens der Klägerin nicht feststellbar. Insbesondere sei das Abwägungsgebot des § 1 Abs. 6 BauGB nicht verletzt. Die Versagung der Genehmigung könne auch nicht auf der von der Klägerin in Auftrag gegebene landesplanerische Stellungnahme gestützt werden, denn ein von der Klägerin beschlossener Landschaftsplan in naturschutzrechtlich relevanter Form liege bislang nicht vor. Das vorgelegte Gutachten diene nur der Vorbereitung des erforderlichen kommunalen Entscheidungsprozesses, wobei die Stellungnahme in der Vertretungskörperschaft der Klägerin keine Mehrheit gefunden habe. Die Zusammenarbeit mit dem Planungsbüro sei daher nicht fortgesetzt worden. Das unterdessen beauftragte Planungsbüro Prof. Dr. Schaller sei aufgrund einer parallel verlaufenden naturschutzfachlichen Vorrecherche zu deutlich anderen Ergebnissen gelangt als das Büro EGL. Es stelle einen Ermittlungsfehler des Beklagten dar, die landschaftsplanerische Stellungnahme als verbindlichen Landschaftsplan zu behandeln. Es habe darüber hinaus weder Einstellungsfehler noch Gewichtungsfehler bei der Abwägung gegeben. Denn weder die internationalen Schutzkategorien noch die Leitlinie des Niedersächsischen Umweltministeriums zur Anwendung der Eingriffsregelung und die landesweiten Schutzprogramme für Wat- und Wasservögel seien letztlich bei der Abwägung als unüberwindbare Kriterien zu behandeln. Zudem habe das Gutachten des Professors Schaller ergeben, dass eine Aussparung der Flächen des ehemaligen Außendeichs für die Windkraftnutzung aus naturschutzfachlicher Sicht nicht zwingend sei. Die durch die Klägerin vorgenommene inhaltliche und räumliche Differenzierung der Schutzkategorien widerspreche weder dem Programm Natura 2000 noch der EU-Vogelschutzrichtlinie kombiniert mit der FFH-Richtlinie, da die aus naturschutzfachlicher Sicht wirklich wertvollen Flächen von der Klägerin gerade nicht überplant worden seien. Ob und in welcher Weise eine europarechtliche Unterschutzstellung weiterer Flächen erfolge, sei völlig offen. Schließlich sei auch die Herausnahme der Teilflächen C und D aus der Genehmigung ermessensfehlerhaft, da die Beklagte ihr Ermessen ersichtlich überhaupt nicht betätigt habe.

23

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 05. Mai 1997 aufzuheben, soweit darin die Genehmigung der Darstellungen der Teilpläne C und D versagt wurde, und die Beklagte zu verpflichten, auch für diese Darstellungen die Genehmigung zu erteilen.

24

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

25

Sie ist der Auffassung, die Genehmigung für die Teilflächen C und D habe schon deshalb versagt werden müssen, weil die Planung gegen höherrangiges Recht verstoße. Die Planung stehe im Widerspruch zur Richtlinie über die Haltung der wildlebenden Vogelarten, sogenannte Vogelschutzrichtlinie in der Fassung der sog. FFH-Richtlinie, die für die besonderen Schutzgebiete der Vogelschutzrichtlinie das Vermeidungsgebot begründe und die Durchführung einer Verträglichkeitsprüfung anordne. Die Flächen, in denen die Teilflächen C und D lägen, seien für die Brutvögel von lokaler bzw. regionaler Bedeutung und für die Gastvögel von internationaler Bedeutung. Die einzelnen Erhebungen unter anderem des Niedersächsischen Landesamtes für Ökologie würden ständig auf dem neuesten Stand gehalten. Obwohl die Gebiete der Teilflächen C und D außerhalb des Gebietes lägen, das zur Umsetzung der Vogelschutzrichtlinie gemeldet worden sei, werde das notifizierte Gebiet erheblich beeinträchtigt.

26

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes und des Bundesverwaltungsgerichts sei geklärt, dass die Vogelschutzrichtlinie auch nach deren Änderung durch die FFH-Richtlinie unmittelbar anwendbar sei. Mit der Flächennutzungsplanung, soweit die Genehmigung versagt worden sei, verstoße die Klägerin Art. 6 Abs. 2 und 3 der FFH-Richtlinie. Unter anderem habe die Klägerin versäumt, eine Verträglichkeitsprüfung nach Art. 6 Abs. 3 FFH-Richtlinie durchzuführen. Von der hierzu geeigneten landschaftsplanerischen Stellungnahme des Büros EGL, die Anlage des Erläuterungsberichtes sei, habe sich die Klägerin distanziert. Sie halte Methodik, Inhalt und Ergebnis dieser Stellungnahme für unzutreffend und mache die Stellungnahme nicht zum Gegenstand ihrer Entscheidung. Andere Verträglichkeitsprüfungen hätten der Klägerin zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung nicht vorgelegen. Dies hätte aber der Fall sein müssen, denn der von der Klägerin aufgestellte Flächennutzungsplan sei ein Plan im Sinne des Art. 6 Abs. 3 der FFH-Richtlinie. Die Verträglichkeitsprüfungen hätten nicht auf ein späteres Planungsstadium verschoben werden dürfen. Ein überwiegendes öffentliches Interesse im Sinne des § 6 Abs. 4 FFH-Richtlinie bestehe nicht, denn mit den vorgesehenen und ausgewiesenen Flächen für Windenergieanlagen würden die Vorgaben des Landesraumordnungsprogrammes für den Landkreis Stade um das Doppelte übererfüllt. Da die Klägerin mit dem vorgelegten F-Plan erhebliche Flächen für die Nutzung der Windkraft ausgewiesen habe, bestehe auch insoweit kein zwingender Bedarf für weitere Anlagen. Im Übrigen sei die Genehmigung zu versagen gewesen, weil Abwägungsfehler vorlägen. So habe die Klägerin es versäumt, nachdem sie die landschaftsplanerische Stellungnahme des EGL verworfen habe, diesbezüglich eine neue Entscheidungsgrundlage zu schaffen. Die Vorrecherche des Planungsbüros Prof. Schaller sei nicht dazu geeignet. Im Übrigen datiere diese vom Juli 1997, also einem Zeitpunkt, als die Genehmigung der Flächennutzungsplanänderung schon teilweise versagt gewesen sei. Die Klägerin habe aber selbst deutlich gemacht, dass diese Recherche erforderlich gewesen sei, um die Eignung zu beurteilen. Damit habe sie eingestanden, dass sie das für ihre Entscheidung erforderliche Abwägungsmaterial zum Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht zur Verfügung gehabt habe. Darüber hinaus habe die Klägerin mehrere Belange im Rahmen ihrer Abwägungsentscheidung fehlerhaft gewichtet. Dies gelte vor allem für die Belange des Naturschutzes. Wegen der unmittelbaren Nähe der Flächen für Windenergieanlagen würden die Gebiete für Brutvögel von landesweiter Bedeutung erheblich beeinträchtigt. Dieses und anderes Abwägungsmaterial habe der Klägerin in Form der landesplanerischen Stellungnahme des Instituts EGL vom April 1996, das aufgrund von fundiertem Datenmaterial erstellt worden sei, vorgelegen. Das Gutachten sei dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass die Teilflächen C und D nicht für die Errichtung von Windkraftanlagen geeignet seien. Trotz dieses umfangreichen Abwägungsmaterials, das der Klägerin zur Verfügung gestanden und eindeutig für einen Verzicht auf die Teilflächen gesprochen habe, habe sich die Klägerin mit dem Vermeidungsgebot der Eingriffsregelung nicht oder jedenfalls nicht ausreichend beschäftigt. So führe der Erläuterungsbericht Seite 18 zum Teilplan C lediglich aus, dass dieser in einem Bereich liege mit nicht so hoher Bedeutung für die Avifauna. Dies zeige, dass nach den obigen Ausführungen die Klägerin diese Belange in ihrer Bedeutung verkannt habe. Das Gutachten Dr. Schaller könnte diese Erwägungen nicht erschüttern, zumal es bis zum heutigen Tage (Schriftsatz vom 16. März 1998) nicht vorgelegt worden sei. Die Klägerin sei nicht befugt gewesen, die Belange des Naturschutzes "wegzuwägen", indem sie die Methodik der Datenermittlung, die Auswertung und Gewichtung in der landschaftsplanerischen Stellungnahme in Frage stelle, ohne zu klären, welches Gewicht dem Naturschutz denn tatsächlich zukomme. Des Weiteren seien andere Belange namentlich die Bedeutung der Windkraftenergie für die wirtschaftliche Entwicklung überbewertet worden.

27

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Klägerin und der Beklagten sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 27. Januar 1999 ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

28

I.

Die Klage ist als Verpflichtungsklage gem. § 42 VwGO zulässig. Die Erteilung der Genehmigung des Flächennutzungsplanes ist ebenso wie die Versagung oder die Teilversagung einer solchen Genehmigung ein Verwaltungsakt im Sinne des § 35 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG), der die Gemeinde in ihrem grundgesetzlich abgesicherten Recht auf örtliche Planungshoheit betrifft. Da die Klägerin im vorliegenden Fall ihr Begehren auf uneingeschränkte Genehmigung der 17. Änderung des Flächennutzungsplanes nur durch den Erlass eines entsprechenden Verwaltungsaktes durch die Beklagte erreichen kann, ist die hier erhobene, auf entsprechende Verpflichtung der Beklagten gerichteten Verpflichtungsklage gem. § 42 Abs. 1 VwGO auch die richtige Klageart (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 12.12.1969 - 4 C 105.66 -, BVerwGE 34, 301 = DVBl. 1970, 414).

29

II.

Die Klage ist in der Sache indes unbegründet.

30

1.

Die Beklagte war berechtigt gem. § 6 Abs. 3 BauGB die Teilpläne C und D von der Genehmigung der 17. Änderung des Flächennutzungsplanes auszunehmen.

31

Gem. § 6 Abs. 1 BauGB bedarf der Flächennutzungsplan der Genehmigung der höheren Verwaltungsbehörde, d. h, in Niedersachsen der Bezirksregierung. Gem. Abs. 2 der Vorschrift darf die Genehmigung nur versagt werden, wenn der Flächennutzungsplan nicht ordnungsgemäß zu Stande gekommen ist oder Vorschriften des Baugesetzbuchs, den aufgrund des Baugesetzbuches erlassenen oder sonstigen Rechtsvorschriften widerspricht. Des Weiteren bestimmt § 6 Abs. 3 BauGB, dass für den Fall, dass Versagungsgründe nicht ausgeräumt werden können, die höhere Verwaltungsbehörde räumliche oder sachliche Teile des Flächennutzungsplans von der Genehmigung ausnehmen kann. Ein solches Herausnehmen ist nur unter der weiteren einschränkenden Bedingung zulässig, dass die im Flächennutzungsplan für das ganze Gemeindegebiet die sich aus beabsichtigten städtebaulichen Entwicklung ergebende Art der Bodennutzung nach den voraussehbaren Bedürfnissen der Gemeinde in den Grundzügen nicht berührt werden (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 2 BauGB). Dies bedeutet, dass der Flächennutzungsplan auch ohne die von der Genehmigung ausgenommenen Teile für das ganze Gemeindegebiet die sich aus der beabsichtigten städtebaulichen Entwicklung ergebende Art der Bodenordnung nach den voraussichtlichen Bedürfnissen der Gemeinde in den Grundzügen darstellen muss. Die Genehmigungsfähigkeit muss sich auf den wesentlichen Teil des Gemeindegebietes erstrecken, und insoweit muss es sich auch inhaltlich um die substantiellen Aussagen für die städtebauliche Entwicklung des Gemeindegebietes handeln. Dem genehmigten Teil muss mit ausreichender Vollständigkeit, Deutlichkeit und Sicherheit entnommen werden können, dass die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Satz 1 BauGB im Grunde für das ganze Gemeindegebiet zu bejahen sind. Bei den Teilen, die ausgenommen werden dürfen, kann es sich im Regelfall nur um einzelne Problemfälle handeln, wobei auszuschließen ist, dass sich die ausgenommenen Teile auf den übrigen Inhalt des Flächennutzungsplanes auswirken können (vgl. Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB, lose Blatt, Oktober 1991, § 6, Rdnr. 26 m.w.N.).

32

Diese Einschränkungen hat die Beklagte bei ihrer Teilversagungsentscheidung beachtet. Es ist nicht ersichtlich, dass die Teilversagung der Genehmigung für die Teilpläne C und D sich dergestalt auf den gesamten Flächennutzungsplan in der Fassung der 17. Änderung auswirken könnte, dass dieser nunmehr die aus den Bedürfnissen der Klägerin entwickelte und beabsichtigte städtebauliche Entwicklung nicht mehr darstellt. Gemäß Seite 9 des Erläuterungsberichtes in der dem Beschluss des Rates der Klägerin vom 7. Februar 1997 zugrunde liegenden Fassung waren Anlass und Ziel der 17. Änderung des Flächennutzungsplanes durch die Klägerin, dem nach ihrer Auffassung bestehenden Bedürfnis nach Ausweisung von Vorrangstandorten für die Errichtung von Windkraftanlagen nachzukommen und damit die bauplanungsrechtliche Voraussetzung für die Errichtung solcher Anlagen im Außenbereich zu schaffen. Zu diesem Zweck wurden von der Klägerin unter Berücksichtigung überörtlicher Planungsvorgaben und eigener bzw. angeforderter Begutachtungen in den verschiedenen Mitgliedsgemeinden der Klägerin Flächen ausgewählt, auf denen die Darstellung als Vorranggebiet für Windenergienutzung mit den benachbarten Darstellungen vereinbar erschien. Aus den Materialien lässt sich nicht entnehmen, dass die Darstellung der verschiedenen Standorte in irgendeiner Weise miteinander verknüpft sein sollte. Vielmehr ergibt sich, dass jeder Standort für sich beurteilt und unter Berücksichtigung der benachbarten Darstellungen und der übergeordneten Planungen sowie eigener Schwerpunktsetzungen begutachtet wurde. Eine Verknüpfung der unterschiedlichen Standorte ergibt sich nur insoweit, als ein Abstand zwischen diesen Standorten von mindestens 5 km eingehalten werden sollte. Durch die Herausnahme der Standorte des Teilplanes C und des Teilplanes D wurde mithin kein zusammenhängendes Planungsgeflecht zerstört, sondern es wurde die Planung der Klägerin lediglich in zwei Punkten korrigiert, ohne dass dies die Gesamtplanung zu Fall gebracht oder einen bruchstückhaften, in sich unstimmigen Torso hinterlassen hätte. In dem genehmigten Umfang stellt die 17. Änderung des Flächennutzungsplanes die Planungsabsichten der Samtgemeinde in konstruktiver Weise für das gesamte Gebiet dar.

33

Bezogen auf die jeweils lokal benachbarten Darstellungen des bisherigen Flächennutzungsplanes für jedes dieser Teilgebiete gilt nichts anderes, da Ziel der Änderung des Flächennutzungsplanes lediglich die Überplanung von Flächen für die Landwirtschaft als Vorranggebiet für Windenergie bei gleichzeitiger Erhaltung der landwirtschaftlichen Nutzungsmöglichkeit war. Der Wegfall der Darstellung Windenergie führt daher ebenfalls nicht zu einer Zerstörung des Planungssystems und läßt keine "weißen Flecken" entstehen, da der F-Plan in der Fassung der 16. Änderung von der Herausnahme der Darstellungen gemäß den Teilplänen C und D unberührt bleibt.

34

2.

Die Beklagte hat die Genehmigung der Teilpläne C und D zu Recht wegen Verstoßes gegen höherrangiges, namentlich Europäisches Recht, versagt. Die Klägerin hat die sich für sie unmittelbar aus Art. 7 i.V.m. Art. 6 Absätze 3 und 4 der Richtlinie des Rates der EU vom 21. Mai 1992 (92/43/EWG - FFH-Richtlinie) i.V.m. den Vorschriften über die Festsetzung von besonderen Schutzgebieten gem. der Richtlinie des Rates vom 02. April 1979 (79/409/EWG-Vogelschutzrichtlinie) und insbesondere das sich daraus ergebende Gebot der Vermeidung einer Verschlechterung der Lebensbedingungen der geschützten Tierarten missachtet und damit gegen höherrangiges für sie bindendes Recht verstoßen.

35

Dieser Auffassung steht nicht entgegen, dass die sogenannte FFH-Richtlinie zum Zeitpunkt der Beschlussfassung des Rates der Beklagten über den geänderten Flächennutzungsplan am 07. Februar 1997 noch nicht durch entsprechendes Bundesgesetz in innerstaatliches Recht umgesetzt war (§ 1 a BauGB, der die FFH-Richtlinie für den Bereich des Bauplanungsrecht umsetzt, trat erst am 01. Januar 1998 in Kraft). Gleichwohl war die Klägerin bereits zum Zeitpunkt ihrer Beschlussfassung unmittelbar an diese europäischen Rechtsvorschrift gebunden, obwohl die Bundesrepublik Deutschland ihrer Pflicht zur Umsetzung nicht innerhalb der von der FFH-Richtlinie vorgegebenen Frist bis zum 05. Juni 1994 nachgekommen war.

36

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes war schon bisher anerkannt, dass Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaft unter bestimmten Voraussetzungen nach Ablauf der Umsetzungsfrist durch einen Mitgliedsstaat unter Umständen unmittelbare innerstaatliche Geltung beanspruchen dürfen. Im Urteil vom 11. August 1995 (Rs. C-431/92 - Großkrotzenburg-Urteil, NUR, 1996, Seite 102 ff.) hat der EuGH klargestellt, dass die Frage, ob sich der einzelne Bürger nach Ablauf der Umsetzungsfrist für eine Richtlinie auf deren Vorschriften unmittelbar berufen könne, nichts damit zu tun habe, ob eine Richtlinie auch vor ihrer Umsetzung in innerstaatliches Recht für innerstaatliche Behörden bindend sein könne (a.a.O. Seite 104, Ziffer 26). Eine solche Verpflichtung der innerstaatlichen Behörden bestehe jedenfalls für den Fall, dass die Formulierung einer Richtlinie den Pflichtenkatalog der innerstaatlichen Behörden unmissverständlich festlege (a.a.O. Seite 104, Ziffer 39 und 40). Wegen der Formulierung ihres Art. 2 wurde die unmittelbare Anwendbarkeit der Umweltverträglichkeitsrichtlinie deshalb bejaht. Für die Frage, ob Richtlinienbestimmungen vor ihrer Umsetzung in innerstaatliches Recht unmittelbar anwendbar sind oder nicht, kommt es danach nicht mehr darauf an, ob sich (auch) Einzelne auf diese Richtlinienbestimmungen berufen könnten (vgl. hierzu Erbgut, Stollmann, DVBl. 1997, Seite 453, 455/56). Eine unmissverständliche Verpflichtung der Behörden zur Beachtung einer Richtlinienbestimmung ist dann zu bejahen, wenn die Bestimmung eindeutig diese Verpflichtung begründet und darüber hinaus weder an eine Bedingung geknüpft ist noch zu ihrer Erfüllung und Wirksamkeit besonderer Maßnahmen der Gemeinschaftsorgane oder der Mitgliedsstaaten bedarf (vgl. Erbgut a.a.O., Seite 456).

37

Gem. Art. 7 der FFH-Richtlinie treten die sich aus den aus Art. 6 Absätze 2 bis 4 FFH-RL ab der Geltung der FFH-RL für die nach Art. 4 Abs. 1 der Vogelschutzrichtlinie (79/409/EWG) formell zu besonderen Schutzgebieten erklärten oder nach Art. 4 Abs. 2 Vogelschutzrichtlinie als solche anzuerkennenden Gebiete an die Stelle der Pflichten, die sich aus Art. 4 Abs. 4 Satz 1 der Vogelschutzrichtlinie ergeben. Art. 6 Abs. 2 der FFH-RL stellt sodann die Verpflichtung für die Mitgliedsstaaten auf, die Verschlechterung und die Störung von Schutzgebieten zu vermeiden, wenn solche Störungen sich im Hinblick auf die Ziele der Richtlinie erheblich auswirken könnten. Art. 6 Abs. 3 FFH-RL bestimmt darüber hinaus, dass Pläne oder Projekte, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung des Gebietes in Verbindung stehen oder hierfür nicht notwendig sind, die ein solches Gebiet jedoch einzeln oder in Zusammenwirkung mit anderen Plänen und Projekten erheblich beeinträchtigen können, eine Prüfung der Verträglichkeit mit den für dieses Gebiet festgelegten Erhaltungszielen erfordern. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Verträglichkeitsprüfung und vorbehaltlich des Absatzes 4 dürfen die zuständigen einzelstaatlichen Behörden dem Plan bzw. Projekt nur zustimmen, wenn sie festgestellt haben, dass das Gebiet als solches nicht beeinträchtigt wird und nachdem sie gegebenenfalls die Öffentlichkeit angehört haben. Abs. 4 der Vorschrift sieht ein Abweichen von dieser strikten Bindung nur im Interesse zwingender Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses und unter dem Vorbehalt, dass die globale Kohärenz von Natura 2000 nicht gefährdet ist, sowie der Verpflichtung die Europäische Kommission zu unterrichten, vor.

38

Die Schutzbestimmungen der Vogelschutzrichtlinie und damit auch der FFH-Richtlinie beschränken sich nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes nicht nur auf diejenigen Schutzgebiete, die von den Mitgliedsstaaten entsprechend der Vogelschutzrichtlinie formell notifiziert wurden, sondern auch auf potentielle Schutzgebiete, die qualitativ die Voraussetzungen für eine Unterschutzstellung erfüllen, aber bisher nicht notifiziert wurden. Der EuGH hat dieses damit begründet, dass die in den Begründungserwägungen aufgeführten Ziele der Richtlinie nicht erfüllt werden könnten, wenn die Mitgliedsstaaten die Verpflichtungen aus Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie nur dann zu beachten hätten, wenn zuvor ein besonderes Schutzgebiet ausgewiesen worden wäre (Urteil vom 02. August 1983 - Rs. C 355/90; Santona-Urteil, Absatz 22). In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof ebenfalls eindeutig klargestellt, dass die nach der Vogelschutzrichtlinie aufgestellten ökologischen Erfordernisse sozialen oder wirtschaftlichen Interessen grundsätzlich nicht unterzuordnen sind (Santona-Urteil, Abs. 17 und 18, I-4276/77). Im Lappel Bank-Urteil (Urt. vom 11. Juli 1996 - C 44/95 - Abs. 25 ff, I-3852/53) wurde diese Rechtsprechung bestätigt und festgestellt, dass wirtschaftliche Erfordernisse keine Gründe des Allgemeinwohls sind. Dieser Rechtsprechung ist auch das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 21. Januar 1998 (4 VR 3.97 - Seite 32) und in seinem Urteil vom 19. Mai 1998 (4 A 9.97 - NuR 1998, 544 ff) zur sogenannten Ostseeautobahn eindeutig beigetreten und hat in seinem 3. Leitsatz ausgeführt, dass ein mögliches rechtliches Hindernis der Planverwirklichung auch die Vogelschutzrichtlinie und die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) seien. Außerdem heißt es unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des EuGH, namentlich das Santona-Urteil und die oben bereits zitierte Großkrotzenburg-Entscheidung, zur innerstaatlichen Geltung dieser europarechtlichen Normen, dass die VogelschutzRL gegenüber staatlichen Behörden - auch ohne Umsetzung in innerstaatliches Recht - unmittelbar rechtliche Verpflichtungen begründe. An dieser Rechtslage habe sich durch den Erlass der FFH-Richtlinie nichts geändert, auch wenn diese zum Zeitpunkt des im dortigen Verfahren zu überprüfenden Planfeststellungsbeschlusses noch nicht in innerstaatliches Recht umgesetzt worden sei (vgl. Urt. v. 19. Mai 1998 - 4 A 9.97 - NuR 1998, S. 548). In einem Verfahren vor dem EuGH wegen nicht fristgerechter Umsetzung der FFH-RL und Vertragsverletzung hat sich im Übrigen die Bundesrepublik Deutschland (vergeblich) damit zu verteidigen versucht, die Vorschriften der Richtlinie würden von den innerstaatlichen Behörden ohnehin bereits angewendet (EuGH, Urt. vom 11.12.1997 - Rs. C-83/87 = NuR 1998, 194 ff).

39

Bei der Aufstellung der 17. Änderung des Flächennutzungsplanes hat die Klägerin gegen höherrangiges, für sie bindendes Recht verstoßen.

40

Aus den der Kammer vorliegenden Karten ergibt sich, dass die für die Windenergienutzung vorgesehenen Flächen der Teilpläne C und D nicht nur in relativ geringem Abstand zu den nach der Vogelschutzrichtlinie bzw. der Ramsar-Konvention als besondere Schutzgebiete notifizierten Flächen liegen, sondern selbst Flächen umfassen, die die fachlichen Voraussetzungen für die Anerkennung als Schutzgebiet erfüllen. Dies wird nicht nur durch die sich aus den Akten ergebenden Darlegungen der Beklagten, sondern auch durch die von der Klägerin selbst in Auftrag gegebene landschaftsplanerische Stellungnahme der EGL Lüneburg vom April 1996 bestätigt. In der Stellungnahme wurden die Flächen des Teilplanes C und des Teilplanes D wegen der durch die Windkraftanlagen zu erwartenden erheblichen Beeinträchtigung des Schutzes der Avifauna in der Gesamtbewertung als für Windenergienutzung nicht geeignet eingestuft hat (Seite 72 des Gutachtens). Die besondere naturschutzrechtliche Sensibilität des überplanten Bereiches mit der Folge des Eingreifens der Vorschriften der Vogelschutz- und der FFH-RL ergibt sich damit aus zwei Gesichtspunkten. Zum einen aus seiner Nähe zu einem bereits förmlich nach den Vorschriften der VogelschutzRL unter Schutz gestellten Bereich und zum anderen aus seiner eigenen potentiellen Schutzwürdigkeit gemäß Art. 4 Abs. 2 der Vogelschutzrichtlinie. Das BVerwG hat im Urteil vom 19. Mai 1998 (Ostseeautobahn - a.a.O.) ausdrücklich die Rechtsprechung des EuGH bestätigt, wonach das Schutzregime des Art. 4 Abs. 4 der VogelschutzRL auch solche erheblichen Auswirkungen erfaßt, die ihre Ursache außerhalb des förmlich festgesetzten Schutzgebietes haben. Darüber hinaus komme die rechtliche Möglichkeit eines potentiellen FFH-Gebietes in Betracht, wenn für das Gebiet die sachlichen Kriterien nach Art. 4 Abs. 1 FFH-RL vorlägen, sich die Aufnahme des Gebietes in ein kohärentes Netz mit anderen Gebieten aufdränge und der Mitgliedstaat die FFH-RL noch nicht umgesetzt habe. Dabei hat das Bundesverwaltungsgericht der fachlichen Qualifizierung eines Gebietes als Schutzgebiet den Vorrang vor politischen Erwägungen eingeräumt, indem es höchste Zweifel daran geäußert hat, ob einem Mitgliedstaat bei der Auswahl der zu meldenden Gebiete überhaupt ein politisches Ermessen zustehen könne. Dies finde in Art. 4 FFH-RL und den anderen Vorschriften keinen Anhalt (BVerwG - Urteil zur Ostseeautobahn, a.a.O.)

41

Ausgehend von der unmittelbaren Verbindlichkeit der VogelschutzRL und der FFH-RL hat die Klägerin insbesondere ihre aus Art. 7 i.V.m. Art. 6 Absätze 2 bis 4 FFH-RL i.V.m. den Bestimmungen der Vogelschutzrichtlinie über Vogelschutzgebiete und aus Art. 6 Abs. 3 FFH-RL folgende Pflicht zur Durchführung einer Verträglichkeitsprüfung für den Fall, dass Pläne oder Projekte, die nicht unmittelbar mit der Verwaltung eines besonderen Schutzgebietes in Verbindung stehen, die ein solches Gebiet jedoch einzeln oder im Zusammenhang oder im Zusammenwirken mit anderen Plänen und Projekten erheblich beeinträchtigen könnten, verletzt. Aus der von der Klägerin selbst in Auftrag gegebenen landschaftsplanerischen Stellungnahme des Instituts EGL, Lüneburg, vom April 1996, die dem ersten Entwurf der 17. Änderung des Flächennutzungsplanes noch beigefügt war, war der Klägerin bekannt, dass nicht nur die Flächen der Teilpläne C und D selbst aus der Sicht des Vogelschutzes eine besondere Sensibilität aufweisen. Darüber hinaus haben die seinerzeitigen Gutachter festgestellt, dass die Zulassung von Windkraftanlagen auf den Flächen der Teilpläne C und D zu einer weiträumigen schwerwiegenden Beeinträchtigung der gesamten Avifauna, und zwar sowohl für die Brut- wie auch für die Rastvögel führen kann. Die Gutachter haben deswegen die Errichtung von Windkraftanlagen auf diesen Standorten für mit den Zielen des Naturschutzes im Allgemeinen und des Vogelschutzes im Besonderen nicht vereinbar erachtet (vgl. Schlussfolgerung auf Seite 73 des Gutachtens). In der Darstellung der öffentlichen Belange zu den Teilplänen C und D (Seite 18 und 19 des Entwurfes, Stand Februar 1997) hat dann zwar auch die Klägerin die hohe Empfindlichkeit und Bedeutung der direkt betroffenen Flächen für die Avifauna zur Kenntnis genommen, eine Verträglichkeitsprüfung wie § 6 Abs. 3 Satz 2 FFH-Richtlinie sie zwingend vorschreibt indes nicht durchgeführt, sondern die naturschutzrechtlichen Belange und deren befürchtete Beeinträchtigung durch die zu errichtenden Windkraftanlagen in der Abwägung lediglich für weniger schwerwiegend erachtet als die entgegenstehenden übrigen in die Abwägung einzustellenden Belange und Maßnahmen zur Vermeidung von Beeinträchtigungen ausdrücklich (4.5 d. Erl.) vom Ergebnis noch durchzuführender Untersuchungen abhängig gemacht. Nach dem eindeutigen Wortlaut des Art. 6 Abs. 3 Satz 2 FFH-RL ist es jedoch Ziel der Verträglichkeitsprüfung, Pläne bzw. Projekte so zu gestalten, dass eine Beeinträchtigung der geschützten Gebiete ausgeschlossen wird. Für den Fall, dass die Verträglichkeitsprüfung ergibt, dass eine Beeinträchtigung zu erwarten ist, dürfen die zuständigen einzelstaatlichen Behörden nicht zustimmen, d.h., auch nicht im Wege der Abwägung die durch diese europarechtlichen Vorschriften geschützten Belange gegenüber anderen Belangen zurückstellen.

42

Zwar hat sich die Klägerin in dem weiteren Verfahren über diese fachliche Stellungnahme des Instituts EGL und letztlich auch den bereits im Verfahren zur Beteiligung der Träger öffentlicher Belange u.a. auch von der Beklagten und dem LK Stade unter Hinweis auf die Beurteilungen des NLÖ und die Absicht, weitere Flächen des ehemaligen Nordkehdinger Außendeichs als förmliche Schutzgebiete zu notifizieren, hinweggesetzt, es dabei aber versäumt, ihre Entscheidung durch die Inanspruchnahme fachlicher Kompetenz von anderer Seite zu untermauern. Dies wäre aber dringend geboten gewesen, wenn, wie die Klägerin selbst vorgetragen hat, die Stellungnahme der EGL noch eine Vielzahl von Fragen offengelassen hat. Dies hätte sie erst recht dazu veranlassen müssen, ergänzende sachverständige Ermittlungen anzustellen. Die Beklagte hat insoweit zu Recht in ihrer Klageerwiderung darauf hingewiesen, dass die Stellungnahme des Planungsbüros Dr. Schaller vom 19. August 1997 nicht nur nicht vollständig vorliegt, sondern auch der Entwurf erst nach der Beschlussfassung des Rates der Klägerin verfasst wurde und damit nicht Gegenstand der Planungsentscheidung gewesen sein kann (Zur Frage eines möglichen Abwägungsfehlers vgl. unten).

43

Diese stringente Auslegung des Art. 6 Abs. 3 Satz 2 FFH-RL wird bestätigt durch den Vergleich mit Art. 6 Abs. 4 der Richtlinie, der ein Abweichen von dem Verschlechterungsverbot nur aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses gestattet, was im Umkehrschluss bedeutet, dass eine Beeinträchtigung der geschützten Gebiete durch die genannten Pläne und Projekte in allen anderen Fällen unzulässig ist.

44

Auf die Regelung des Art. 6 Abs. 4 FFH-RL kann sich die Klägerin, wie die Beklagte zu Recht ausgeführt hat, nicht berufen. Es ist nicht dargetan, dass zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art es erfordern, Windkraftanlagen gerade auf den Flächen der Teilpläne C und D zu errichten (vgl. insoweit die Rspr des EuGH, wonach wirtschaftliche Erfordernisse keine Gründe des Allgemeinwohls sind, die Vorrang vor den durch die Richtlinie verfolgten Umweltbelangen haben können - Lappel Bank-Urteil, Abs. 25 ff; vgl. auch BVerwG, Ostseeautobahn, Urt. v. 19. Mai 1998, a.a.O. S. 549). Da im Gebiet der Klägerin ausreichend andere Flächen zur Verfügung stehen, wie die übrigen Planungen im Rahmen der 17. Änderung ihres Flächennutzungsplanes beweisen, bleibt es ihr möglich, die ihr nach dem Windenergieprogramm des Landes Niedersachsen obliegende "Quote" für die Erzeugung von Strom aus Windenergie zu erfüllen. Es ist auch nicht im Entferntesten erkennbar, dass ein Verzicht auf die Errichtung von Windkraftanlagen auf den vorgesehenen Flächen zu Energieengpässen oder schwerwiegenden sonstigen Beeinträchtigungen im Gebiet der Klägerin führen würde. Die wirtschaftlichen Interessen der Investoren sind keine zwingenden Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses im Sinne dieser Vorschrift. Darüber hinaus hat die Klägerin durch die Ausweisung weiterer Flächen für Windkraftanlagen in avifaunistisch und naturschutzrechtlich weniger sensiblen Bereichen, die von der Beklagten auch nicht beanstandet wurden, bereits nachgewiesen, dass eine Alternativlösung im Sinne dieser Vorschrift durchaus vorhanden ist.

45

3.

Die Entscheidung der Klägerin auf den Flächen der Teilpläne C und D Vorranggebiete für Windkraftanlagen darzustellen, leidet auch an Abwägungsfehlern im Sinne des § 1 Abs. 6 BauGB.

46

Gem. § 1 Abs. 6 BauGB sind bei der Aufstellung von Bauleitplänen die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Zu den in diesem Rahmen insbesondere zu berücksichtigenden öffentlichen Belangen gehören die Belange des Umweltschutzes, des Naturschutzes und der Landschaftspflege, insbesondere des Naturhaushalts, des Wassers, der Luft und des Bodens einschließlich seiner Rohstoffvorkommen, sowie das Klima sowie andererseits auch die Belange der Wirtschaft, der Versorgung, insbesondere mit Energie und Wasser sowie die Sicherung von Rohstoffvorkommen und die Erhaltung, Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen (§ 1 Abs. 5 Satz 2 Ziffern 7 u. 8 BauGB). Dabei bestimmt Satz 1 dieser Vorschrift ergänzend, dass die Bauleitpläne eine geordnete städtebauliche Entwicklung und eine sozialgerechte Bodennutzung gewährleisten und dazu beitragen sollen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern und die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln. Weiterhin soll mit Grund und Boden sparsam und schonend umgegangen werden (§ 1 Abs. 5 Satz 1 und 3 BauGB - Bodenschutzklausel). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist das Gebot der gerechten Abwägung verletzt, wenn 1. eine sachgerechte Abwägung überhaupt nicht stattfindet, 2. in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, 3. die Bedeutung der betroffenen privaten Belange verkannt oder 4. der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht (U. v. 12.12.1969 - 4 C 105.66 - BVerwGE 34, 301 - DÖV 1970, 277). In einer ergänzenden Entscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht klargestellt, dass der Grundsatz, die Bedeutung der betroffenen Belange richtig zu würdigen, auch für die öffentlichen Belange gilt und die Pflicht zum Ausgleich auch für das Verhältnis der öffentlichen und privaten Belange untereinander zu beachten ist (U. v. 14.02.1975 - 4 C 21.74 - BVerwGE 48, 56 - Baurecht 1975, 191). Dem Abwägungsgebot als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips liegt der Rechtsgedanke zu Grunde, dass öffentliche und private Belange, soweit sie überhaupt abwägungsbeachtlich sind, grundsätzlich als gleichgewichtig zu betrachten sind (BVerwG, U. v. 01.11.1974 - 4 C 38.71 - BVerwGE 47, 144[BVerwG 01.11.1974 - IV C 38/71] = DÖV 1975, 101 [BVerwG 01.11.1974 - BVerwG IV C 38.71]). Die grundsätzliche Gleichgewichtigkeit widerstreitender öffentlicher Belange hat Ausnahmen dort, wo durch gesetzgeberische Wertentscheidung bestimmten Belangen ein erhöhtes Gewicht beigemessen wird. Im Verhältnis öffentlicher und privater Belange untereinander gilt, dass öffentliche Belange nicht von vorn herein Vorrang gegenüber kollidierenden privaten Belangen einzuräumen ist. Im Fall des Widerstreits öffentlicher mit privaten Belangen ist vielmehr, nicht anders als im Falle des Widerstreits öffentlicher und privater Belange untereinander im Sinne der von § 1 Abs. 4 Satz 2 BBauG (jetzt Abs. 5 Satz 1 BauGB) geforderten gerechten Abwägung zu prüfen, ob sachgerechte, d.h., an den Planungsleitsätzen orientierte und hinreichend gewichtige Gründe es rechtfertigen, den einen Belang hinter den anderen zurücktreten zu lassen (BVerwG, U. v. 01.11.1974 - 4 C 38.71 - a.a.O.). Eine höhere Gewichtung bestimmter öffentlicher Belange gegenüber anderen öffentlichen Belangen oder widerstreitenden privaten Belangen kann sich dann ergeben, wenn Vorschriften des Naturschutzrechts Regelungen treffen, die den Planungsabsichten der Gemeinde entgegenstehen und damit unüberwindliche Planungsschranken aufrichten. Da das Baugesetzbuch weder in der alten noch in der neuen Fassung eine Bestimmung darüber enthält, dass sich die Bauplanungsbehörde über derartige naturschutzrechtliche Vorgaben bei der Planung durch einfache Abwägung hinwegsetzen darf, bleibt es bei dem Grundsatz, dass bauplanerische Festsetzungen, die gegen andere Rechtsnormen verstoßen, unzulässig sind (vgl. Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB, § 1, Rdrn. 287 ff.).

47

Diese Abwägungsgrundsätze, die von der Klägerin auch im Rahmen der Änderung des Flächennutzungsplanes (vgl. § 2 Abs. 4 BauGB) zu beachten waren, sind in zweifacher Hinsicht verletzt und führen jeder für sich zur Rechtswidrigkeit der Abwägung hinsichtlich der Darstellungen für die Gebiete der Teilpläne C und D.

48

Die Klägerin hat unter Ziffer 1.6.1.5.5 des Erläuterungsberichts zwar die FFH-RL als Abwägungsgesichtspunkt erwähnt und auch erkannt, dass diese nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes auch dann Anwendung findet, wenn Gebiete betroffen sind, die die Schutzkriterien der Richtlinie erfüllen, nach den Bestimmungen des nationalen Rechts aber noch nicht unter Schutz gestellt worden sind (vgl. die oben zitierte Rechtsprechung des EuGH - Santona- und Großkrotzendorf-Urteil). Gleichermaßen erwähnt sind auch die sogenannte Ramsar-Konvention und die EU-Vogelschutzrichtlinie aus dem Jahre 1979. Bei der Abwägung der ermittelten widerstreitenden öffentlichen Belange untereinander (Umwelt- und Naturschutz auf der einen und Wirtschaft auf der anderen) sowie mit entgegenstehenden privaten Belange (Interessen der Investoren an der Windenergienutzung) hat die Klägerin die rechtliche Wirkung der europarechtlichen Vorschriften für ihre Planungsentscheidung jedoch verkannt.

49

Die Klägerin ist bei der Abwägung dieser widerstreitenden Interessen gegeneinander und untereinander davon ausgegangen, dass die Naturschutzziele für diesen Bereich einer normalen Abwägung mit widerstreitenden Interessen zugänglich sind, d.h., im Ergebnis mit ausreichender Begründung gegebenenfalls auch gegenüber anderen ebenso gleichwertigen Interessen zurücktreten können. Hierbei hat die Klägerin das Interesse an der wirtschaftlichen Entwicklung ihres Raumes und das Interesse der Investoren an der Errichtung der Windkraftanlagen in den Vordergrund gerückt und ist deshalb bei ihrer Abwägung zu dem Ergebnis gekommen, dass die naturschutzrechtlichen Ziele der FFH-RL und der VogelschutzRL auch hinter den anderen, insbesondere wirtschaftlichen, Belangen zurückzutreten haben. Dabei hat die Klägerin übersehen, dass Art. 7 i.V.m. Art. 6 Abs. 2 bis 4 FFH-RL i.V.m. der EU-Vogelschutzrichtlinie nicht nur ein Vermeidungsgebot, sondern auch ein zwingendes Verbot erheblicher Beeinträchtigungen der unter Schutz gestellten Gebiet bzw. der ihnen gleichzustellenden Gebiete enthält und hiervon nur nach Durchführung einer entsprechenden Verträglichkeitsprüfung und falls diese zu dem Ergebnis kommt, dass eine erhebliche Beeinträchtigung zu erwarten ist, aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses der Schutz der Gebiete ausnahmsweise gegenüber anderen Belangen zurücktreten kann. Das Bundesverwaltungsgericht hat hierzu im Urteil vom 19. Mai 1998 (Ostseeautobahn - a.a.O.) ergänzend in einem Leitsatz und unter Berufung auf die Lappel Bank-Entscheidung des EuGH (Vorabentscheidungsersuchen des House of Lords, Urt. v. 11. Juli 1996 - Rs. C - 44/95) festgestellt, dass es einem Mitgliedstaat versagt sei, bereits während der Phase der Gebietsauswahl nach Art. 4 Abs. 2 FFH-RL seinen Interessen der wirtschaftlichen und infrastrukturellen Entwicklung den Vorrang vor dem Lebensraum- und Artenschutz einzuräumen. Die von den zitierten europäischen Richtlinien verfolgten Naturschutzziele verbieten prinzipiell jegliche zu ihrem Nachteil durchgeführte Abwägung, insbesondere zu Gunsten wirtschaftlicher Interessen, und zwar auch im Vorfeld einer formellen Schutzgebietsausweisung.

50

Da die Klägerin diese durch den europäischen Gesetzgeber getroffene Wertentscheidung zu Gunsten des Naturschutzes, insbesondere des Vogelschutzes, in ihrer Reichweite verkannt hat, hat sie einen Abwägungsfehler nicht nur dahingehend begangen, dass sie annahm, zwingende europarechtliche Vorschriften könnten im Wege der Abwägung "hinweg gewogen" werden, sie hat gleichzeitig durch die Annahme, die durch die europarechtlichen Vorschriften geschützten Ziele des Naturschutzes seien auch ohne das Vorliegen des Ausnahmetatbestandes des Art. 6 Abs. 4 FFH-RL überhaupt einer Abwägung zugänglich, diesen Zielen ein falsches Gewicht beigemessen (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.12.1969 - 4 C 105.66 - BVerwGE 34, 301). Dieser Abwägungsfehler führt zur Rechtswidrigkeit der für die Flächen der Teilpläne C und D gewählten Darstellung als Vorrangstandorte für Windenergie.

51

Darüber hinaus hat sie bei ihrer Abwägungsentscheidung nicht alle Belange in die Abwägung eingestellt, die sie nach ihrer eigenen Auffassung in die Abwägung hätte einstellen müssen. Zwar hat die Klägerin die Ergebnisse der Stellungnahme des Instituts EGL "hinweggewogen" und hierzu im gerichtlichen Verfahren vorgetragen, die Stellungnahme habe viele Fragen offen gelassen und man habe deshalb ein ergänzendes Gutachten bei Prof. ... angefordert. Dieses Gutachten lag jedoch zum für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Planungsentscheidung maßgeblichen Zeitpunkt, dem Tag des Ratsbeschlusses (7. Februar 1997), gar nicht vor und kann deshalb in diese Abwägungsentscheidung auch nicht eingeflossen sein. Im übrigen kommt der in den Verwaltungsvorgängen befindliche Gutachtenentwurf vom August 1997 (6 Monate nach dem Ratsbeschluss) keinesfalls zu dem Ergebnis, dass die Errichtung von Windkraftanlagen in dem von der Planung betroffenen Gebiet aus naturschutzrechtlicher Sicht im Sinne der Klägerin unbedenklich sei. Es heißt dort lediglich, dass die Beklagte von zum Teil veraltetem Material hinsichtlich der naturschutzfachlichen Beurteilung ausgegangen und Zonierungen in der Bedeutung des Gebietes für den Vogelschutz zu beachten seien. Diese Angaben werden aber nicht konkretisiert und es werden keine konkreten Feststellungen zu den Flächen der Teilpläne C und D getroffen. Hinsichtlich der Abwägungsrelevanz naturschutzfachlicher Belange unter der Geltung der FFH- und der Vogelschutzrichtlinie geht der Gutachter Prof. ... auf S. 2 seiner Stellungnahme zudem von einer unzutreffenden Rechtsauffassung hinsichtlich der Gewichtigkeit der unter Schutz stehenden Belange aus (vgl dazu oben S. 22 ff))

52

4.

Die Entscheidung der Beklagten, die Genehmigung der 17. Änderung des Flächennutzungsplanes der Klägerin nur teilweise, d.h., nur hinsichtlich der Darstellung der Teilpläne C und D nicht zu erteilen, ist auch nicht ermessensfehlerhaft.

53

Gem. § 6 Abs. 3 BauGB kann die höhere Verwaltungsbehörde räumlich oder sachliche Teile des Flächennutzungsplanes von der Genehmigung ausnehmen, wenn Versagungsgründe nicht ausgeräumt werden können. Wie bereits oben unter I. dargestellt, lagen die Voraussetzungen für eine teilweise räumliche Herausnahme der Teilpläne C und D aus der Genehmigung im Hinblick auf § 5 Abs. 1 Satz 2 BauGB vor. Darüber hinaus konnten auch die Versagungsgründe nicht ausgeräumt werden. Sowohl die Beklagte wie auch der Landkreis Stade als Untere Naturschutzbehörde hatten bereits im Verfahren der Beteiligung der Träger öffentlicher Belange gegen die Darstellungen der Teilpläne C und D die Einwendungen erhoben, die letztlich in dem angefochtenen Bescheid auch zur Teilversagung der Genehmigung führten. Im Rahmen der Erörterung des ersten Entwurfs der 17. Änderung, für den die Klägerin schließlich den Genehmigungsantrag zurückzog, wie auch im Rahmen der zwischen den Beteiligten geführten Gespräche im Zuge des Verfahrens hinsichtlich des zweiten Änderungsentwurfes hat die Klägerin auf die erhobenen Einwendungen nicht reagiert, sondern an ihren Planungsabsichten mit Ausnahme der teilweisen Reduzierung der Zahl der zulässigen Windkraftanlagen und einer leichten Veränderung der Gebietszuschnitte festgehalten.

54

Aus den oben dargelegten Erwägung ergibt sich, dass ein Ausgleich der hier widerstreitenden Interessen (Windenergienutzung und Naturschutz bzw. Vogelschutz) durch die von der Klägerin vorgenommenen leichten Veränderungen der Planung nicht möglich war, da es sich um Gebiete handelt, in denen der Vogelschutz aufgrund europarechtlicher Vorgaben einen im Wege der Abwägung prinzipiell nicht zu beseitigenden Vorrang gegenüber den Planungszielen der Klägerin hat. Da die Klägerin weder in der Lage war, durch entsprechende fachliche Beurteilungen die Möglichkeit der erheblichen Beeinträchtigungen des bereits gem. der Vogelschutzrichtlinie als besonderes Schutzgebiet notifizierten Bereichs des Nordkehdinger Außendeichs auszuschließen noch entgegen den Feststellungen der landschaftsplanerischen Stellungnahme zu widerlegen, dass auch die Flächen des ehemaligen Nordkehdinger Außendeichs, die bisher nicht förmlich als Schutzgebiete notifiziert sind und in denen sich die Flächen der Teilpläne C und D befinden aufgrund ihrer naturschutzrechtlichen Qualität ebenfalls dem strengen Schutz der Vogelschutzrichtlinie in Verbindung mit der FFH-RL unterliegen, konnte dieser prinzipielle Konflikt letztlich nicht im Sinne der Ziele der Klägerin gelöst werden. Eine solche die landschaftsplanerische Stellungnahme von 1996 substantiiert widerlegende Beurteilung ist auch bis heute nicht vorgelegt worden. Im Übrigen ist zu beachten, dass die Beklagte wegen der Frist des § 6 Abs. 4 BauGB gehindert war, unbegrenzt lange auf eine entsprechende Korrektur der Planungsabsichten der Klägerin zu warten.

55

Im Hinblick auf den im Rahmen von Ermessensentscheidungen immer zu beachtenden verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit stellt sich die teilweise Herausnahme der Genehmigung für die Flächen der Teilpläne C und D als geeignet und erforderlich dar, das Inkrafttreten eines zumindest teilweise rechtswidrigen Flächennutzungsplanes zu verhindern. Die Teilherausnahme der Genehmigung ist darüber hinaus auch verhältnismäßig im engeren Sinne, da sie im Verhältnis zur Klägerin das mildeste Mittel darstellt und ihr nur für einen geringen Teilbereich ihres Gemeindegebietes auf dem Flächennutzungsplan aufbauende weitere bauplanungsrechtliche Entscheidung untersagt, ihr aber im Übrigen die Planungshoheit über das übrige Gemeindegebiet und die Verwirklichung ihrer Pläne zur Ansiedlung von Windenergieanlagen zu einem weit überwiegenden Teil beläßt.

56

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

57

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

58

Gegen dieses Urteil ist die Berufung nur zulässig, wenn sie von dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg zugelassen worden ist.

Streitwertbeschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 60.000,- DM festgesetzt.

Bei der Streitwertfestsetzung legt die Kammer den Streitwertkatalog des Nds. OVG (NdsVBl 1995, S. 80) zu Grunde. Danach besteht bei Klagen auf Genehmigung eines Bauleitplanes, ein Streitwertrahmen von 10.000,- DM bis 300.000,- DM. Angesichts der Tatsache, dass im vorliegenden Fall lediglich die Teilversagung der Genehmigung einer Änderung des Flächennutzungsplanes im Streit war, hält es die Kammer für angemessen, den Rahmen nur zu einem Fünftel auszuschöpfen und den Streitwert daher auf 60.000,- DM festzusetzen.

Dr. von Kunowski
Schröder
Klinge

Dr. von Kunowski
Schröder
Klinge