Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 31.08.2011, Az.: 3 A 164/09

amerikanischer Briefkasten; Briefkasten; Zuordnung; Klagefrist; Postzustellung; Zustellung

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
31.08.2011
Aktenzeichen
3 A 164/09
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2011, 45276
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Eine Ersatzzustellung gemäß § 180 Satz 1 ZPO (i. V. m. § 3 Verwaltungszustellungsgesetz) kann durch Einlegen in den Briefkasten auch dann wirksam vorgenommen werden, wenn der Briefkasten mangels Verschließbarkeit zwar objektiv unsicher, dieser Umstand für den Postzusteller allerdings nicht erkennbar ist oder der Postzusteller davon ausgehen durfte, dass mangels auf einen entgegenstehenden Willen des Adressaten hindeutende Umstände eine Ersatzzustellung gemäß § 180 ZPO objektiv statthaft ist (wie OLG Nürnberg, Beschluss vom 26.05.2009 - 1 St OLG Ss 76/09 -, NJW 2009, 2229 f. = Juris, Rn. 14 - 19).

Tatbestand:

Die Klägerin ist Eigentümerin des in der Gemarkung I., Flur 5, gelegenen Flurstücks 374/2 (C. weg 9), das mit seiner Schmalseite westlich an den C. weg angrenzt. Es ist im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 40 der Beklagten „I. /J.“ in der Fassung seiner 1. Änderung von 2003 gelegen, der für das Grundstück der Klägerin allgemeines Wohngebiet bei maximal eingeschossiger Bebauung vorsieht. Das Grundstück ist inzwischen bebaut.

1997 setzte die Beklagte gegenüber der Klägerin eine Vorausleistung auf den Erschließungsbeitrag für die Herstellung der Erschließungsanlage „C. weg“ in Höhe von 4.621,52 Euro fest.

Mit Bescheid vom 2. Dezember 2008, abgesandt am selben Tage, setzte die Beklagte gegenüber der Klägerin für die erstmalige Herstellung der Erschließungsanlage „C. weg“ bzgl. des streitbefangenen Grundstücks einen Erschließungsbeitrag in Höhe von insgesamt 7.128,39 Euro fest. Nach Abzug der bereits geleisteten Vorauszahlung verbleibe ein zu zahlender Restbetrag von 2.506,87 Euro. Der Verteilungssatz betrage 7,603617 Euro je Quadratmeter ansatzfähiger Grundflächen einschließlich der Nutzungsfaktoren. Die Zahl der möglichen Vollgeschosse für das Grundstück der Klägerin betrage 2 und der Nutzungsfaktor somit 1,5, so dass das 625 m² große Grundstück mit 937,50 m² in die Berechnung eingehe.

Die Rechtsbehelfsbelehrung in dem Bescheid lautete:

„Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach Zustellung Klage beim Verwaltungsgericht Göttingen, Berliner Straße, 37073 Göttingen schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erhoben werden. Die Klage ist gegen die Stadt D., F. 1, D. zu richten.“

Das Bescheiddatum der in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Abschrift ist mit einem Namenszeichen versehen. Die Zustellung des Bescheides erfolgte laut bei den Verwaltungsvorgängen (Bl. 41 Beiakte D) befindlichen Postzustellungsurkunde am 3. Dezember 2008 in der Form, dass der Postbedienstete den Bescheid zu übergeben versucht hat. Nach den weiteren Angaben in der Postzustellungsurkunde war die Übergabe des Schriftstücks in der Wohnung, wie sie in der Adresse des Bescheides und auch auf der Zustellungsurkunde ausgewiesen war („K. 1“ in D.), nicht möglich, so dass der Postbedienstete das „Schriftstück in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt“ hat.

Mit Telefax vom 20. April 2009 (Absenderangabe: „K.“) ging bei der Beklagten mit der handschriftlichen Anmerkung „Wird wegen Verjährung nicht bezahlt. 20.04.2009“ zuzüglich Unterschrift der Klägerin die „Erinnerung“ der Stadtkasse der Beklagten vom 17. April 2009 über den Betrag von 2.506,87 Euro („Restzahlung Erschließungsbeitrag J. /C. weg“ zuzüglich Portoauslagen) ein.

Mit Schreiben vom 23. April 2009 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass ihr der Festsetzungsbescheid vom 2. Dezember 2008 am darauffolgenden Tage zugestellt worden sei. Die Klagefrist sei inzwischen abgelaufen. Der Bescheid sei deshalb unanfechtbar und mit dem bekanntgegebenen Inhalt wirksam geworden. Es sei unbeachtlich, ob tatsächlich Festsetzungsverjährung eingetreten sei oder nicht.

Mit Schreiben vom 24. April 2009 führte die Klägerin aus, mit der Erinnerung vom 17. April 2009 erfahre sie erstmals von der gegen sie bestehenden restlichen Forderung. Den Bescheid vom Dezember 2008 habe sie niemals erhalten. Sie bitte, den Zugang nachzuweisen. Da dieser Nachweis nicht zu erbringen sei, bitte sie um eine rechtswirksame Zustellung, damit sie eine ordnungsgemäße Frist erhalte.

Unter dem 27. April 2009 führte die Beklagte in einem Schreiben an die Klägerin aus, anliegend erhalte sie nochmals eine Kopie der Aktenausfertigung des Erschließungsbeitragsbescheides vom 2. Dezember 2008. Der Nachweis der Zustellung des Bescheides am 3. Dezember 2008 könne mittels Zustellungsurkunde gerichtsfest erbracht werden. Insbesondere habe die Klägerin auch während ihrer Abwesenheit dafür Sorge zu tragen, dass sie behördliche Nachrichten erhalte.

Auf weitere Nachfrage der Klägerin vom 29. April 2009 zum Nachweis der Zustellung führte die Beklagte mit Schreiben vom 30. April 2009 aus, die Zustellung sei durch einen Bediensteten der Deutsche Post AG erfolgt. Sie lasse sich durch die Zustellungsurkunde belegen. Ein Nachweis wäre in einem Klageverfahren zu führen. Im Übrigen könne sie Akteneinsicht nehmen.

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 13. Mai 2009 ließ die Klägerin ausführen, eine Bekanntgabe des Verwaltungsaktes an sie sei nicht erfolgt. Die Rechtsbehelfsbelehrung des angefochtenen Bescheides entspreche nicht den gesetzlichen Voraussetzungen. Die Fehlerhaftigkeit ergebe sich daraus, dass die Begriffe Zustellung und Bekanntgabe im rechts- und gesetzestechnischen Sprachgebrauch nicht identisch seien, so dass insgesamt nicht von einer ordnungsgemäßen Belehrung gesprochen werden könne.

Die Klägerin hat am 18. Mai 2009 Klage erhoben. Zur Begründung bezieht sie sich auf ihr bisheriges Vorbringen und führt ergänzend aus, der Zustellversuch entspreche nicht den Voraussetzungen des § 3 Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG) i. V. m. § 180 Satz 1 ZPO. Sie habe zum in Rede stehenden Zeitpunkt nicht über einen Briefkasten oder eine ähnliche Einrichtung verfügt, welche den Anforderungen des § 180 ZPO entsprochen habe. Eine Zustellung durch Einlegen in den Briefkasten oder eine ähnliche Einrichtung verlange, dass der Briefkasten zur Zeit der Zustellung erkennbar zu der Wohnung oder zu den Geschäftsräumen des Betroffenen gehöre und dass er in der allgemein üblichen Art für eine sichere Aufbewahrung geeignet sei. Der Briefkasten müsse sich in einem ordnungsgemäßen Zustand befinden, eindeutig beschriftet und dem Zustellungsadressaten unzweifelhaft zuzuordnen sein. Das sei für sie nicht gegeben. Bei ihr habe es sich um einen Gemeinschaftsbriefkasten sämtlicher im Haus befindlicher Wohnungen gehandelt. Es verhalte sich so, dass praktisch jede der im Haus befindlichen bzw. weiteren Personen die Möglichkeit habe, eingeworfene Post problemlos zu entfernen. Deshalb habe eine Zustellung in der vorgenommenen Weise nicht erfolgen dürfen. Zum Nachweis der Anlage reiche sie auch Fotos ein (Bl. 33 Gerichtsakte). Der dort dargestellte Briefkasten entspreche dem, der auch im Dezember 2008 dort befindlich gewesen sei. Unter ihrer Wohnadresse hätten damals insgesamt vier Parteien gewohnt, die insgesamt nur über einen einheitlichen „amerikanischen Briefkasten“ verfügt hätten, der nicht den Anforderungen des § 180 Satz 1 ZPO entspreche. Insoweit fehle es an einer eindeutigen Zuordnung zu den Parteien, da insoweit jede Trennung zwischen ihnen unterblieben sei. Auch sei insoweit keine Möglichkeit des Abschließens gegeben, so dass problemlos auch Dritte die Möglichkeit gehabt hätten, etwaig eingeworfene Post wieder herauszunehmen. Die Voraussetzung der eindeutigen Zuordnungsmöglichkeit sei jedoch Tatbestandsvoraussetzung des § 3 VwZG. Deshalb hätte allenfalls eine Zustellung nach § 181 ZPO erfolgen dürfen, sofern sie im Zeitpunkt der angeblich vorgenommenen Zustellung nicht zuhause gewesen sei. Das sei jedoch offenbar unterblieben. Sie habe den angefochtenen Bescheid auch zu keinem Zeitpunkt erhalten.

Die Fehlerhaftigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung ergebe sich daraus, dass die Begriffe Zustellung und Bekanntgabe im rechts- oder gesetzestechnischen Sprachgebrauch auch nicht identisch seien.

Im Übrigen sei zwar umstritten, ob § 58 Abs. 1 VwGO und das darin vorgesehene Begriffsmerkmal des Sitzes auch die Angabe der postalischen Anschrift mit Straßenname und Hausnummer verlange. Eine solche liege jedenfalls in vollständiger Form nicht vor. Richtigerweise sei dies aber zu fordern, weil § 81 Abs. 1 Satz 2 VwGO dem Betroffenen die Möglichkeit einräumen wolle, seine Klage auch zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erheben. Um insoweit praktische Schwierigkeiten zu vermeiden und einen effektiven Rechtsschutz zu ermöglichen, müsse in der Rechtsbehelfsbelehrung die entsprechende Stelle so genau wie möglich angegeben werden. Im Hinblick auf die L. Straße, die in der Rechtsbehelfsbelehrung erwähnt sei, bestehe eine Verwechslungsgefahr. Neben dem Verwaltungsgericht seien dort auch Amts- und Landgericht sowie das Arbeitsgericht ansässig. Zumindest unter Berücksichtigung der besonderen örtlichen Verhältnisse dürften daher keine Zweifel dahingehend bestehen, dass die Angabe der kompletten postalischen Anschrift seitens der Beklagten zu fordern sei.

Schließlich sei die Klage auch begründet. Insbesondere berufe sie sich auf Verjährung der geltend gemachten Beitragsforderung.

Die Klägerin beantragt,

den Erschließungsbeitragsbescheid der Beklagten vom 2. Dezember 2008 aufzuheben, soweit darin ein zu zahlender Restbetrag in Höhe von 2.506,87 Euro festgesetzt wird.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung macht sie geltend, die Klage sei verfristet. Die Zustellung sei ordnungsgemäß erfolgt. Es werde bestritten, dass die Klägerin über einen amerikanischen Briefkasten im Zustellungszeitpunkt verfügt habe. Mit Rücksicht auf die ausgefüllte Zustellungsurkunde gehe sie davon aus, dass der Zusteller einen zu der Wohnung gehörenden Briefkasten verwandt habe, der für eine sichere Aufbewahrung geeignet gewesen sei.

Die Kammer hat den Rechtsstreit nach Anhörung der Beteiligten dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen Ihnen gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der Gerichtsakte im Übrigen sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

Sie ist unzulässig. Die Klägerin hat die Klagefrist gemäß § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO versäumt. Nach dieser Vorschrift muss Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des anzufechtenden Verwaltungsaktes erhoben werden. Daran fehlt es vorliegend.

Die Klägerin hat Klage (erst) am 18. Mai 2009 erhoben, obwohl ihr der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 02. Dezember 2008 bereits am 03. Dezember 2008 wirksam zugestellt worden ist.

Weder die Zustellung als besondere Form der Bekanntgabe im Sinne von § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO noch die den Fristenlauf in Gang setzende Rechtsbehelfsbelehrung der Beklagten in dem angefochtenen Bescheid gemäß § 58 Abs. 1 VwGO sind rechtlich zu beanstanden.

Nach § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO beginnt die Frist für einen Rechtsbehelf nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf und das Gericht, bei dem der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich belehrt worden ist. Entgegen der Auffassung der Klägerin reicht es für die Ordnungsgemäßheit der Rechtsbehelfsbelehrung im Sinne der genannten Vorschrift aus, wenn der Sitz des Gerichtes nur mit der Angabe des Ortes bezeichnet wird. Gegebenenfalls genügt sogar der Name des Gerichts, wenn der Name den Ort des Sitzes enthält und dies zweifelsfrei ist (vgl. zusammenfassend: BVerwG, Urteil vom 30.04.2009 - 3 C 23.08 -, BVerwGE 134, 41 ff. = Juris Rn. 15).

Vorliegend hat die Beklagte die Klägerin ausdrücklich darüber belehrt, dass sie Klage beim „Verwaltungsgericht Göttingen, Berliner Straße, 37073 Göttingen" erheben kann. Damit ist im Sinne der vorgenannten Bestimmung der Sitz des Gerichts hinreichend bezeichnet. Eine Verwechslung von Verwaltungsgericht mit Amts-, Land- oder Arbeitsgericht durch den Adressaten der Rechtsbehelfsbelehrung erscheint aufgrund der unmittelbaren Ortsnähe zwar durchaus möglich, jedoch führt gerade diese Ortsnähe dazu, dass beim Aufsuchen des „falschen" Gerichts nach entsprechender Information das Verwaltungsgericht jedenfalls gleich „um die Ecke" liegt, so dass auch einer Erhebung der Klage zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle allein durch die Bezeichnung des Sitzes (mit Ort und Straße ohne genaue Angabe der Hausnummer) nichts Erhebliches entgegensteht.

Entgegen der Auffassung der Klägerin bestehen auch keine Bedenken gegen die Wortwahl „Zustellung" in der streitbefangenen Rechtsbehelfsbelehrung, denn vorliegend hat die Beklagte die Klägerin zutreffend darüber informiert, dass mit der tatsächlich auch in Angriff genommenen förmlichen Zustellung die Klagefrist zu laufen beginnt. Vorliegend kann deshalb offen bleiben, ob bei einer lediglich formlosen Bekanntgabe des streitbefangenen Bescheides die Wortwahl „Zustellung" den Fristenlauf nach § 58 Abs. 1 VwGO in Gang setzen könnte.

Schließlich ist der angefochtene Bescheid der Klägerin ausweislich der Postzustellungsurkunde bereits am 03. Dezember 2008 wirksam zugestellt worden. Nach der Rechtsprechung kann nämlich eine Ersatzzustellung gemäß § 180 Satz 1 ZPO (i. V. m. § 3 Verwaltungszustellungsgesetz) durch Einlegen in den Briefkasten auch dann wirksam vorgenommen werden, wenn der Briefkasten mangels Verschließbarkeit zwar objektiv unsicher, dieser Umstand für den Postzusteller allerdings nicht erkennbar ist oder der Postzusteller davon ausgehen durfte, dass mangels auf einen entgegenstehenden Willen des Adressaten hindeutende Umstände eine Ersatzzustellung gemäß § 180 ZPO objektiv statthaft ist. Das OLG Nürnberg (Beschluss vom 26.05.2009 - 1 St OLG Ss 76/09 -, NJW 2009, 2229 f. = Juris, Rn. 14 - 19) hat dazu ausgeführt:

„2. Auf Grund dieser Feststellungen ist das Landgericht rechtlich zutreffend davon ausgegangen, dass der das Fahrverbot anordnende Bußgeldbescheid vom 8.11.2008 gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 OWiG i.V.m. Art. 2 Abs. 2 Satz 1, 3 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BayVwZVG, § 180 ZPO am 10.11.2006 wirksam zugestellt worden war. Insoweit kann gemäß § 180 Satz 1 ZPO eine Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten auch dann wirksam vorgenommen werden, wenn der Briefkasten mangels Verschließbarkeit zwar objektiv unsicher, dieser Umstand für den Postzusteller allerdings nicht erkennbar ist.

a) Entgegen der (angedeuteten) Auffassung des Berufungsgerichts setzt die Wirksamkeit der Zustellung zwar grundsätzlich eine sichere Postablage voraus. Nach der gesetzlichen Regelung in § 180 Satz 1 ZPO ist die „sichere Aufbewahrung" nämlich auch bei Verwendung einer „ähnlichen Vorrichtung" Wirksamkeitsvoraussetzung. Das Erfordernis der „sicheren Aufbewahrung" bezieht sich zwar sprachlich nur auf die „ähnliche Vorrichtung", soll aber ersichtlich auch für den Briefkasten gelten (Stein/Jonas/Roth, ZPO 22. Aufl. § 180 Rdn. 3). So wird denn auch überwiegend angenommen, dass eine Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten jedenfalls dann nicht in Betracht kommt, wenn eine sichere Aufbewahrung im Briefkasten nicht möglich ist, weil dieser offensteht, aufgebrochen, nicht verschlossen oder sonst in einem nicht ordnungsgemäßen Zustand ist, der einen Zugriff Dritter ermöglicht (vgl. Stein/Jonas/Roth a.a.O.; Häublein in Münchener Kommentar, ZPO 3. Aufl. § 180 Rdn. 5; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 67. Aufl. § 180 Rdn. 5 f.; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO § 180 Rdn. 499). Sofern sich der Briefkasten in einem derartigen Zustand befindet – was der Postzusteller zu prüfen hat – kann nach allgemeiner Auffassung eine Ersatzzustellung regelmäßig nur nach § 181 ZPO bewirkt werden (statt vieler Stein/Jonas/Roth a.a.O.; Häublein in Münchener Kommentar a.a.O.).

b) Entgegen der Auffassung der Revision und der von ihr in Bezug genommenen Entscheidung des LG Darmstadt NStZ 2005, 164 [LG Darmstadt 15.08.2003 - 3 Qs 522/03] ist gleichwohl nicht in allen Fällen, in denen eine Ersatzzustellung durch Einlegen in einen nicht abschließbaren Briefkasten vorgenommen wird, von deren Unwirksamkeit auszugehen. So vertritt Stöber (in Zöller, ZPO 27. Aufl. § 180 Rdn. 3) die Auffassung, dass eine Ersatzzustellung auch durch Einlegen in einen unverschlossenen Briefkasten möglich ist, und nimmt das Gegenteil nur für solche Fälle an, bei denen der Briefkasten bereits auf Grund seines äußeren Zustandes ("wenn er überfüllt ist (überquillt)") vom Wohnungsinhaber erkennbar nicht benutzt wird. Stein/Jonas/Roth (a.a.O) und Häublein (a.a.O.) nehmen eine Ausnahme für den Fall an, dass der Briefkasten bereits seiner Art nach nicht verschlossen werden kann ("amerikanischer Briefkasten") und begründen dies damit, dass eine derartige privatautonome Entscheidung des Adressaten, der die installierte Empfangseinrichtung offenkundig für hinreichend sicher halte, zu beachten sei mit der Folge, dass er auch entsprechende Zustellungen gegen sich gelten lassen müsse.

Für die Richtigkeit dieser Auffassung spricht bereits die Überlegung, dass sich derjenige, der einen Sicherheitsmangel seines Briefkastens kennt, ihn aber gleichwohl nutzt, in Widerspruch zu seinem eigenen Verhalten setzt, wenn er sich zur Begründung einer nicht erfolgten Zustellung auf eben diesen Sicherheitsmangel beruft. Derselbe Rechtsgedanke liegt im Ansatz der Regelung in § 179 ZPO zu Grunde: Wer unberechtigt die Annahme eines zuzustellenden Schriftstücks verweigert, kann sich nachfolgend gleichfalls nicht auf die unterbliebene Zustellung berufen. Nach § 179 Satz 3 ZPO wird in diesem Fall dabei ebenso eine Zustellung fingiert wie im Fall der Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten gemäß § 180 Satz 2 ZPO, ohne dass es in beiden Fällen noch darauf ankommt, ob der Zustellungsadressat vom Inhalt des zuzustellenden Schriftstücks tatsächlich Kenntnis nimmt. Bei beiden Tatbeständen räumt das Gesetz dabei erkennbar der Sicherheit im Rechtsverkehr den Vorrang gegenüber dem Anspruch des Adressaten auf rechtliches Gehör ein.

c) Unabhängig davon stehen die unter a) und b) genannten Auffassungen auch nicht in Widerspruch zueinander. Dass sich der Adressat i.S.d. § 180 ZPO eine Zustellung zurechnen lassen muss, hat ihren Grund in dem Umstand, dass er äußerlich erkennbar einen seiner Wohnung bzw. seinem Geschäftsraum zuzuordnenden Briefkasten oder eine ähnliche Vorrichtung für den Postempfang eingerichtet hat. Aus diesem „Einrichten" kann regelmäßig auf einen entsprechenden Nutzungswillen des Adressaten und dessen Bewertung geschlossen werden, dass er den Briefkasten bzw. die „ähnliche Vorrichtung" für eine sichere Aufbewahrung für geeignet hält. Diese Vermutung greift jedoch dann nicht mehr, wenn auf Grund bestimmter Umstände – der überfüllte oder aufgebrochene Briefkasten – begründete Zweifel bestehen, dass der Briefkasten noch mit Willen des Adressaten eine entsprechende Verwendung findet bzw. weiterhin als sicher bewertet wird; in einem derartigen Fall ist mit der herrschenden Meinung im Interesse der Rechtssicherheit eine Ersatzzustellung nach § 181 ZPO vorzunehmen, eine gleichwohl erfolgte Zustellung ist unwirksam. Damit ist aber auch klar, dass nur solche auf einen entgegenstehenden Willen des Adressaten hindeutenden Umstände eine Ersatzzustellung gemäß § 180 ZPO ausschließen können, die für den jeweiligen Postzusteller bei der gebotenen Prüfung auch erkennbar sind. Walz (NStZ 2005, 66) hat in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hingewiesen, dass bei der Regelung in § 180 Satz 1 ZPO das Tatbestandsmerkmal „für eine sichere Aufbewahrung geeignet" maßgeblich durch das weitere Tatbestandsmerkmal „in der allgemein üblichen Art" in dem Sinne eingeschränkt wird, dass allgemein üblich nur das sein kann, was auch ein unbeteiligter Dritter wahrnehmen kann.

Soweit sich daher ein Briefkasten oder eine ähnliche Vorrichtung in einem für den Zusteller äußerlich nicht erkennbaren defekten Zustand befindet, kann dort bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen des § 180 ZPO in jedem Fall eine wirksame Zustellung bewirkt werden. Dieses Ergebnis erweist sich auch dann als sachgerecht, wenn das derart zugestellte Schriftstück nachfolgend von einem Dritten weggenommen wird, bevor es der Adressat zur Kenntnis genommen hat. War dem Adressaten der defekte Zustand des Briefkastens nämlich vorab bekannt, darf er sich – nach Maßgabe der oben unter b) aufgezeigten Erwägungen – hierauf ohnehin nicht berufen. War ihm der unsichere Zustand dagegen ebenfalls unbekannt, kann diesem Umstand im Rahmen einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Rechnung getragen werden.“

Dieser Auffassung schließt sich das erkennende Gericht nach nochmaliger Überprüfung in vollem Umfang an. Daraus folgt, dass sich die Klägerin den von ihr gewählten (und nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung bis auf den streitbefangenen Fall reibungslos funktionierenden) Weg der postalischen Erreichbarkeit zurechnen lassen muss. Dabei unterstellt das Gericht die Behauptung der Klägerin als wahr, dass sie auch im Zeitpunkt der Zustellung des streitbefangenen Bescheides einen „amerikanischen Briefkasten" an der auf ihr Grundstück führenden Pforte angebracht hatte, wie er in der Anlage zum Schriftsatz der Klägerin vom 03. August 2009 (Bl. 33 GA) abgebildet ist. In bewusster Inkaufnahme der örtlichen Gegebenheiten (Zugänglichkeit für Hausbewohner und auch Passenten) hatte sich eine Praxis herausgebildet, in die auch die örtlichen Zusteller einbezogen waren, so dass diese davon ausgehen konnten, dass dieser Ort der Postablage „für eine sichere Aufbewahrung“ i. S. v. § 180 S. 1 ZPO geeignet ist. Irgendwelche Anhaltspunkte, die auf einen entgegenstehenden Willen der Klägerin als Adressatin hätten hindeuten und eine Ersatzzustellung nach § 180 ZPO ausschließen können, gab es nicht.

Entgegen der Auffassung der Klägerin steht der wirksamen Zustellung auch nicht entgegen, dass der vorhandene Briefkasten lediglich als allgemeine Ablage für sämtliche in dem Wohnhaus lebenden Personen diente und (wohl) weiterhin dient. Denn im Sinne der vorzitierten Auslegung von § 180 ZPO muss sich derjenige eine solche, sicher optimierungsfähige Ablagemöglichkeit für Postsendungen sämtlicher Art auch dann zurechnen lassen, wenn er durch die Nutzung dieser Übergabemöglichkeit bewusst in Kauf nimmt, dass für ihn bestimmte Briefsendungen von anderen in Empfang genommen und möglicherweise nicht oder nicht rechtzeitig ihm als tatsächlichem Adressaten zugeleitet werden. Dies gilt unabhängig davon, ob der Kreis der „bestimmungsgemäßen Nutzer" dieses Briefkastens untereinander familiär bzw. freundschaftlich verbunden oder einander eher fremd ist. Denn in beiden genannten Fällen geht der Nutzer (hier die Klägerin) durch die Wahl einer einheitlichen, für die gesamte Wohnanlage bzw. Mehrheit von Wohnungen bestimmten Postsammelstelle bewusst das Risiko ein, nicht oder nicht rechtzeitig von wichtigen, möglicherweise auch fristgebundenen, z. B. behördlichen, Nachrichten zu erfahren. Solange eine solche einheitliche Nutzung vom Zusteller und von den Adressaten - offenbar bis zum streitbefangenen Zeitpunkt ohne jegliche Probleme - gepflegt wird, ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass von Zustellerseite im Sinne des § 180 ZPO der bei der Klägerin vorhandene amerikanische Briefkasten jedenfalls als eine ähnliche Vorrichtung angesehen wird, die zur Wohnung der Klägerin gehört und damit auch in dieser Hinsicht geeignete Stelle zur Einlegung des Schriftstücks wegen der nicht möglichen Übergabe an die Klägerin persönlich oder einen Vertretungsberechtigten i. S. v. § 180 S. 1 ZPO war. Im Übrigen hätte die Klägerin z. B. durch einen an ihrem Briefkasten anzubringenden Hinweis darauf, dass dieser (allgemein oder nur sie betreffend) kein geeigneter Ort zur Einlegung dieser Schriftstücke ist, diese bestehende Praxis beenden können.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.