Oberlandesgericht Braunschweig
Urt. v. 28.12.2023, Az.: 9 U 103/22

Anspruch eines Insolvenzverwalters aus einer Insolvenzanfechtung auf Rückzahlung von aufgrund von Bußgeldbescheiden geleisteten Zahlungen; Wirksamkeit eines Vergleichs zwischen dem Luftfahrtbundesamt als Bußgeldstelle und der Luftverkehrsgesellschaft als Betroffene

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
28.12.2023
Aktenzeichen
9 U 103/22
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2023, 52407
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:2023:1228.9U103.22.00

Verfahrensgang

vorgehend
LG Braunschweig - 21.10.2022 - AZ: 6 O 6048/10
nachfolgend
BGH - AZ: IX ZR 13/24

Fundstellen

  • ZIP 2024, 702-708
  • ZInsO 2024, 747-754

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Eine Absprache oder Verständigung zwischen der Bußgeldbehörde (hier: dem Luftfahrtbundesamt) und der Betroffenen (hier: einer Luftverkehrsgesellschaft), die tatsächliche und rechtliche Ungewissheiten über die Berechtigung und Höhe verhängter und drohender Bußgelder (hier: wegen der Verletzung von Fluggastrechten) einem Vergleich entsprechend beseitigt, ist grundsätzlich wirksam, weshalb die daraufhin von der Betroffenen und späteren Insolvenzschuldnerin auf absprachegemäß ergangene Bescheide gezahlten Bußgelder der Insolvenzverwalter nicht als unentgeltliche Leistung im Wege der Insolvenzanfechtung als vom Träger der Bußgeldbehörde (hier: Bundesrepublik Deutschland) zurückzugewähren beanspruchen kann.

  2. 2.

    Soweit in einem solchen Fall die Insolvenzschuldnerin Bußgelder vor Bestandskraft des jeweiligen Bußgeldbescheids gezahlt hat, handelt es sich zwar um Fälle inkronguenter Deckung, weil die Bußgeldbehörde diese Zahlungen "nicht zu der Zeit" i. S. v. § 131 Abs. 1 InsO zu beanspruchen hatte; der Insolvenzverwalter kann nach deren Anfechtung indes nicht die Rückgewähr der gesamten Zahlungen beanspruchen, sondern nur einen vom Insolvenzverwalter als Nutzungsvorteil konkret geltend zu machenden Zwischenzins, sofern dieselben Zahlungen, wären sie erst zum Zeitpunkt der vor Insolvenzantragstellung eingetretenen Bestandskraft geleistet worden, die Masse nicht anfechtbar geschmälert hätten.

In dem Rechtsstreit
Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Luftfahrt-Bundesamt, Braunschweig,
Beklagte und Berufungskläger,
Prozessbevollmächtigte:
gegen
Herrn Rechtsanwalt F. als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Air Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG, Berlin,
Kläger und Berufungsbeklagter,
Prozessbevollmächtigte:
hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Brand, die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Schäfer-Altmann und die Richterin am Amtsgericht Stößel auf die mündliche Verhandlung vom 6. Dezember 2023 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 21.10.2022 - 6 O 6048/10 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 2.424.432,50 € festgesetzt.

Die Revision wird gemäß Ziffer IV der Gründe teilweise zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter der Air Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG von der Beklagten aus Insolvenzanfechtung die Rückzahlung eines Betrages von insgesamt 2.424.432,50 € an die Masse. Diese Summe hat die Schuldnerin in der Zeit vom 05.07.2017 bis zum 01.08.2017 auf 295 einzelne Bußgeldbescheide geleistet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands I. Instanz und der darin gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils (S. 2 - 4 = Bl. 168R -169R d.A.) Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.

Der Kläger habe gegen die Beklagte einen Anspruch auf (Rück-)Zahlung von 2.424.432,50 € gemäß §§ 143 Abs. 1, 134 Abs. 1 InsO.

Der Abschluss der den Zahlungen letztlich zugrundeliegenden Vereinbarung zwischen der Insolvenzschuldnerin und dem Luftfahrt-Bundesamt sei zwischen den Parteien unstreitig und werde auch durch den Umstand belegt, dass sich die Parteien unstreitig an den Inhalt der Vereinbarung gehalten hätten.

Die Zustimmung der Insolvenzschuldnerin zu der Vereinbarung im Juni 2017, die in der als Anlage K5 vorgelegten E-Mail vom 23.06.2017 (Bl. 29 d.A.) beschrieben werde, stelle eine unentgeltliche Leistung i.S.d. § 134 InsO dar. Der Begriff der Leistung sei hierbei weit zu verstehen und umfasse jede Schmälerung des Schuldnervermögens aufgrund eines Verhaltens des Schuldners. Der Leistungsbegriff entspreche dem Begriff der Rechtshandlung in § 129 InsO, sodass auch Vergleiche hiervon erfasst seien. Diese seien jedoch nur dann als entgeltlich zu qualifizieren, wenn sie dem Zweck dienten, bestehende Ungewissheiten durch gegenseitiges Nachgeben auszuräumen; ein solcher Vergleich beinhalte die Vermutung, dass eine ausgewogene Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen stattgefunden habe. Wenn der Vergleichsinhalt jedoch den Bereich des bei objektiver Beurteilung Zweifelhaften verlasse oder zwingendem Recht widerspreche, stelle der Abschluss des Vergleichs eine unentgeltliche und damit anfechtbare Leistung i.S.d. § 134 InsO dar.

Vorliegend habe die Vereinbarung gegen zwingendes Recht verstoßen. Entgegen § 20 OWiG sei ein willkürlich auf einzelne Verfahren verteiltes Gesamtbußgeld gebildet worden, ohne dass die Kriterien der Unterscheidung der geahndeten Verfahren mit unterschiedlichen Bußgeldhöhen einerseits und zwischen den geahndeten Verfahren und den hiermit abgegoltenen Verfahren andererseits offengelegt worden seien. Auch das pauschale Absehen der Ahndung von 403 offenen Anzeigen gegen Rechtsmittelverzicht im Hinblick auf die geahndeten Verfahren finde keine Rechtsgrundlage im Bußgeldrecht.

Bereits durch die Zustimmung zu dem Vergleich durch die Insolvenzschuldnerin sei es damit zu einer Gläubigerbenachteiligung i.S.d. § 134 InsO gekommen, sodass es auf die nachfolgenden Zahlungen auf die Bußgeldbescheide und deren Rechtmäßigkeit nicht ankomme. Zum einen folge die Benachteiligung regelmäßig aus der Unentgeltlichkeit selbst, wenn die Rechtshandlung - wie hier - das den Gläubigern haftende Vermögen betreffe. Zum anderen komme es im Rahmen des § 134 InsO nicht auf die Vermögenslage des Zuwendenden zum Zeitpunkt der Zuwendung an. Eine ebenfalls zur Anfechtung berechtigende mittelbare Gläubigerbenachteiligung liege vielmehr bereits dann vor, wenn die maßgebliche Rechtshandlung die Grundlage für einen weiteren Ablauf geschaffen habe, der - wenn auch durch Umstände begründet, die ihrerseits nicht durch die Rechtshandlung verursacht worden seien - zur Gläubigerschädigung geführt habe. Es genüge, dass die Benachteiligung objektiv zumindest auch durch die angefochtene Rechtshandlung verursacht worden sei. Das sei vorliegend der Fall. Die Zustimmung der Insolvenzschuldnerin zu der Vereinbarung habe die Grundlage für die Zahlung auf die Bußgeldbescheide und die Nichteinlegung von Rechtsmitteln hiergegen gelegt, was letztlich zu einer Schädigung der Masse geführt habe. Auf einen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin komme es insoweit nicht an.

Der vorliegend begründete Anfechtungsanspruch stelle auch keinen Bereicherungsanspruch dar, sodass auch § 814 BGB dessen Geltendmachung nicht entgegen stehe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (S. 4 - 6 = Bl. 169R - 170R d.A.) Bezug genommen.

Gegen dieses dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 24.10.2022 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit am 23.11.2022 eingegangener Berufung, welche sie innerhalb der antragsgemäß bis zum 27.01.2023 verlängerten Berufungsbegründungsfrist form- und fristgerecht mit am 27.01.2023 eingegangenem Schriftsatz desselben Tages begründet hat.

Die Beklagte meint, das Landgericht habe rechtsfehlerhaft verkannt, dass die informelle Absprache vom 19.06.2017 bereits keine Leistung im Sinne des § 134 InsO darstelle, jedenfalls aber entgeltlicher Natur sei. Zudem fehle es an der für die Insolvenzanfechtung erforderlichen Zurechenbarkeit zwischen der Vereinbarung und den geleisteten Zahlungen.

Die Absprache sei weder eine Leistung i.S.d. § 134 InsO noch eine Rechtshandlung i.S.v. § 129 InsO. Sie habe schon keine rechtliche Wirkung ausgelöst. Die fehlende Bindungswirkung ergebe sich bereits aus den Formulierungen der Absprache selbst ("ich bitte", "bitte stellen Sie sicher", "vorbehaltlich der vereinbarten Umsetzung"). Die Verwendung des Wortes "Vereinbarung" in der E-Mail vom 23.06.2017 lasse keinen Rückschluss auf deren rechtlichen Charakter zu; es handele sich hierbei vielmehr um eine bloße Beschreibung. Für die Erreichung des Ziels der Absprache seien zudem weitere Schritte erforderlich gewesen.

Jedenfalls stelle die Absprache keine unentgeltliche Leistung i.S.d. § 134 InsO dar. Das Landgericht habe insoweit den Inhalt der höchstrichterlichen Rechtsprechung verkannt, wonach Vergleiche grundsätzlich insolvenzrechtlich privilegiert seien. Ob das auch für "rechtswidrige" Vergleiche gelte, habe der Bundesgerichtshof nicht entschieden. Das könne vorliegend auch dahinstehen, weil mit der streitgegenständlichen - informellen - Absprache vorliegend jedenfalls in rechtmäßiger, für beide Seiten vorteilhafter und damit ausgewogener Weise die Ungewissheit über die 403 offenen Anzeigen beseitigt worden sei.

Derartige informelle Absprachen seien nach § 160b StPO i.V.m § 46 OWiG zulässig und üblich. Es sei kein unzulässiges Gesamtbußgeld gebildet worden; nur das Gesamtvolumen sei als solches bezeichnet worden. Insbesondere seien in der E-Mail vom 23.06.2017 für einzelne Taten jeweils einzelne Bußgelder vorgesehen gewesen. Diese Bußgelder seien auch weder willkürlich noch pauschal verteilt worden. Deren Höhe ergebe sich aus einer internen Verfahrensanweisung und der Schwere der Vorwürfe. Das Landgericht verkenne insoweit, dass das Ordnungswidrigkeitenverfahren gemäß § 47 Abs. 1 OWiG dem Opportunitätsgrundsatz folge. Die Absprache beinhalte schließlich auch keine Verpflichtung zum Rechtsmittelverzicht.

Zwischen der informellen Absprache und den geleisteten Zahlungen bestehe zudem kein - wie erforderlich - zumindest mittelbarer Zurechnungszusammenhang. Die Insolvenzschuldnerin habe auf die Bußgeldbescheide, nicht aber auf die informelle Absprache gezahlt. In der Folge komme es für die Frage des Vorliegens einer mittelbaren Gläubigerbenachteiligung nur auf die Bußgeldbescheide an. Die Leistung auf diese sei jedoch ebenfalls nicht unentgeltlich zu qualifizieren.

Soweit die streitgegenständlichen Zahlungen daher vorliegend lediglich teilweise als vorfällige Zahlungen nach § 131 InsO angefochten werden könnten, unterlägen sie allenfalls im Hinblick auf den "Zwischenzins" der Pflicht zur Rückzahlung.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 21.10.2022 - 6 O 6048/20 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter umfangreicher Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens.

Mit dem Einwand einer lediglich informellen Absprache sei die Beklagte in der Berufung ausgeschlossen. Der Kläger meint, das Zustandekommen einer verbindlichen Vereinbarung sei erstinstanzlich unstreitig gewesen. Deren Verbindlichkeit folge auch aus den vorgelegten Anlagen. Die Zahlung des verlangten Gesamtbußgeldes sei ausdrücklich Voraussetzung für die Einstellung der bereits eingeleiteten Verfahren gewesen, ebenso der vereinbarte Rechtsmittelverzicht. Dass die zu dem rechtswidrig vereinbarten Gesamtbußgeld als "Kunstgriff" ergangenen Einzelbescheide einer internen Verwaltungs- und Verfahrensanweisung entsprochen hätten, sei neu und werde bestritten. Bestritten werde auch, dass die Vergleichsvereinbarung bezüglich der weiteren 403 Anzeigen eine Ungewissheit beseitigt habe. Der Vergleich habe Interessen der Beklagten bedient, für die es keine Rechtsgrundlage gebe und die zudem dem Ordnungswidrigkeitengesetz widersprächen. Die Interessen der rechtmäßig handelnden übrigen Gläubiger hätten daher Vorrang. Es gehe nicht um eine Sanktion. Unzutreffend sei auch die Ansicht, die fehlende Schutzwürdigkeit rechtswidriger Vergleiche ergebe sich nicht aus der Rechtsprechung. Die Entgeltlichkeit könne nicht aus Judikatur zu § 153a StPO hergeleitet werden. Es gehe vorliegend nicht um Geldauflagen. Die mittelbare Gläubigerbenachteiligung habe das Landgericht ebenfalls richtig erkannt. Sie folge daraus, dass die Vereinbarung die Insolvenzschuldnerin entsprechend verpflichtet habe. Ob die Vorwürfe des LBA berechtigt gewesen seien und die Bußgeldbescheide auch ohne die Vereinbarung so hätten ergehen können, sei deshalb unerheblich.

Vorsorglich wiederholt der Kläger die Auffassung, die Zahlung auf Bußgeldbescheide vor deren Rechtskraft stellten jeweils Fälle inkongruenter Deckung dar. Insoweit nimmt er auf seine erstinstanzliche Tabelle Bezug. Die entsprechend verfrühten Zahlungen seien in voller Höhe zu erstatten.

Ebenfalls unzutreffend sei die Rechtsauffassung der Beklagten, wonach im Rahmen der Anfechtung nach § 131 Abs. 1 InsO lediglich der Zwischenzins zu erstatten sei. Vielmehr sei die Summe aller vorfällig geleisteten Zahlungen zurück zu gewähren. Der für die Frage der Vorfälligkeit maßgebliche Zeitpunkt sei dabei der Ablauf der in den Bußgeldbescheiden enthaltenen Zahlungsfrist von 2 Wochen nach Eintritt der Rechtskraft.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Parteien wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 27.01.2023 (Bl. 204 - 229 d.A.) sowie vom 03.05.2023 (Bl. 258 - 267 d.A.) und den Schriftsatz des Klägers vom 31.05.2023 (Bl. 239 - 253 d.A.) Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf - ggfs. teilweise - Rückzahlung der Leistungen auf die Bußgeldbescheide.

Ob zwischen den Parteien bereits unter dem 19.06.2017 ein rechtlich bindender Vergleich geschlossen worden ist - was zwischen den Parteien im Streit steht -, kann im Rahmen des § 134 InsO dahinstehen: Soweit die Vereinbarung keinen bindenden Charakter hätte, läge keine Rechtshandlung i.S.d. § 129 InsO vor (nachfolgend 1. a ). Soweit der Vertrag bindend, aber rechtswidrigen Inhalts wäre, stellten weder die angefochtene Zustimmung hierzu noch die darauf geleisteten Zahlungen eine unentgeltliche Leistung im Sinne des § 134 InsO dar (nachfolgend 1. b ).

Inkongruente "Druckzahlungen" i.S.d. § 131 Abs. 1 InsO sind nicht hinreichend substantiiert vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich (nachfolgend 2.). Es liegen jedoch anfechtbare Zahlungen aus dem kritischen Zeitraum des § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO vor, die die Beklagte nicht zu dieser Zeit fordern konnte. In welcher Höhe der auf die Anfechtung gestützte Zahlungsanspruch in Konstellationen wie der vorliegenden besteht, ist höchstrichterlich bislang nicht geklärt. Der Senat entscheidet die Rechtsfrage dahingehend, dass Inhalt des Rückzahlungsanspruchs die Erstattung der hierdurch der Masse entzogenen Nutzungsvorteile ist. Hierzu hat der Kläger indes keinen Vortrag gehalten (nachfolgend 3.).

Ansprüche aus §§ 143, 129, 130, 133 InsO sind ebenfalls nicht hinreichend substantiiert vorgetragen (nachfolgend 4.). Der Kläger kann seinen Anspruch auch weder auf § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB noch auf § 817 BGB stützen (nachfolgend 5.).

Im Einzelnen:

1. Ob zwischen den Parteien unter dem 19.06.2017 ein rechtlich bindender Vergleich geschlossen worden ist, kann im Rahmen des § 134 InsO dahinstehen.

§ 134 InsO setzt eine unentgeltliche Leistung des Schuldners voraus. Eine solche liegt vor, wenn der Schuldner eine vermögensmindernde Rechtshandlung vornimmt, der keine die Minderung kompensierende Leistung des Empfängers gegenübersteht (BGH, Urteil vom 9. November 2006 - IX ZR 285/03, Rn. 15, juris). Für - wie vorliegend angefochten (vgl. Klageschrift vom 14.12.2020, S. 7, Rn. 24 = Bl. 8 d.A.; Berufungserwiderung vom 31.03.2023, S. 11, Rn. 44 = Bl. 249 d.A.) - Vergleiche kommt es dabei nicht auf den objektiven Wert einer auszutauschenden Leistung an; bereits das einem Vergleich immanente gegenseitige Nachgeben kann einen Verzicht des Gläubigers und damit eine Gegenleistung im vorgenannten Sinn darstellen. Dabei gilt allgemein: "Wird ein Vergleich abgeschlossen, um die bei verständiger Würdigung des Sachverhalts oder der Rechtslage bestehende Ungewissheit durch gegenseitiges Nachgeben zu beseitigen, so lässt dies vermuten, dass die vereinbarte Regelung die gegenseitigen Interessen ausgewogen berücksichtigt hat" (BGH a.a.O., Rn. 16).

a) Wäre die Vereinbarung vom 19.06.2017 für die Insolvenzschuldnerin und die Beklagte nicht bindend gewesen (so die Beklagte in der Berufungsbegründung vom 27.01.2023, S. 6, 2. Absatz - S. 8, 1. Absatz = Bl. 209 - 211 d.A.), wären die angefochtene Zustimmung hierzu keine Rechtshandlung i.S.d. § 129 Abs. 1 InsO (nachfolgend aa ) und die Zahlungen auf die nachfolgend ergangenen Bußgeldbescheide nicht unentgeltlich i.S.d. § 134 InsO (nachfolgend bb ).

aa) Der Begriff der Rechtshandlung ist weit auszulegen. Rechtshandlung ist danach jedes willensgetragene Handeln, das eine rechtliche Wirkung auslöst und das Vermögen des Schuldners zum Nachteil der Insolvenzgläubiger verändern kann (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2004 - IX ZR 98/03, Rn. 12, juris; vgl. Überblick bei Uhlenbruck/Borries/Hirte, 15. Aufl. 2019, § 129 InsO, Rn. 86).

Soweit die Absprachen vom 19.06.2017 nicht bindend wären, könnte die angefochtene Zustimmung zu der Vereinbarung keine rechtlichen Wirkungen auslösen und in der Folge nicht das Schuldnervermögen mindern. Zwar schließt die Unwirksamkeit oder Nichtigkeit vertraglicher Vereinbarungen die insolvenzrechtliche Anfechtung nicht bereits im Grundsatz aus (vgl. BGH, Urteil vom 7. September 2017 - IX ZR 224/16, Rn. 10, juris). Ein unwirksames Grundgeschäft stellt jedoch dann keine Rechtshandlung i.S.d. § 129 InsO dar, wenn - dem Abstraktionsprinzip folgend - aus ihm keinerlei rechtliche oder tatsächliche Folgen entstanden sind. Insolvenzrechtlich maßgeblich sind dann (erst) die tatsächlich vermögensmindernden Zahlungen (vgl. BGH, Urteil vom 6. Oktober 1994 - III ZR 165/93, Rn. 20, juris; BGH, Urteil vom 27. Juni 2019 - IX ZR 167/18, BGHZ 222, 283-323, Rn. 94 f.; vgl. auch Uhlenbruck/Borries/Hirte, a.a.O., Rn. 103). So läge der Fall, soweit die Vereinbarung keinen bindenden Charakter hätte: Die angefochtene Zustimmung als solche hätte im Fall ihrer fehlenden Bindungswirkung keine vermögensmindernden Folgen gezeitigt; diese wären erst durch die Zahlungen auf die Bußgeldbescheide eingetreten.

bb) Diese Zahlungen stellten keine "unentgeltliche" Leistung i.S.d. § 134 InsO dar. Der darlegungs- und beweisbelastete Kläger hat nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, weshalb die Höhe der einzelnen festgesetzten Bußgelder von 4.000 € bzw. 8.000 € (Klageschrift S. 4, Rn. 12 = Bl. 5 d.A.) nicht ordnungsgemäß festgesetzt worden sei (vgl. Schriftsatz vom 18.06.2021, S. 6, Rn. 20 a.E. = Bl. 136 d.A.). Die Begründetheit der Bußgeldbescheide hat der Kläger lediglich pauschal bestritten und nicht konkret in Abrede genommen (Schriftsatz vom 18.06.2021 a.a.O.). Darauf hat die Beklagte zuletzt in der Berufungsbegründung (dort S. 15, 2. Absatz = Bl. 218 d.A.) zutreffend hingewiesen.

Das genügt den Anforderungen an die Darlegungslast des Klägers nicht. Angesichts der 295 bebußten Ordnungswidrigkeitenverstöße sowie der Bußgeldbewehrung für die vorliegend verletzten Bußgeldtatbestände des § 58 Abs. 1 Nr. 13 LuftVG i.V.m. § 108 Abs. 2 LuftVZO von bis zu 30.000 € (§ 58 Abs. 3, 2. Alt. LuftVG) bestehen hinsichtlich der Angemessenheit der festgesetzten Bußgeldhöhe keine durchgreifenden Bedenken. Dann jedoch stellt die Zahlung der Bußgelder keine unentgeltliche Leistung dar (vgl. entsprechend zur Ausgewogenheit von Geldauflagen BGH, Urteil vom 5. Juni 2008 - IX ZR 17/07, Rn. 15, juris; zur grundsätzlich insolvenzrechtlichen Gleichbehandlung von Geldauflagen und Geldbußen BGH a.a.O., Rn. 21).

b) Wäre der Vergleich vom 19.06.2017 für die Parteien bindend, aber inhaltlich rechtswidrig (so der Kläger in der Berufungserwiderung, S. 5, Rn. 17 f. = Bl. 243 d.A. sowie S. 11, Rn. 45 - S. 13, Rn. 49 = Bl. 249 - 251 d.A.), stellte zwar (auch) der Vertragsschluss eine Rechtshandlung i.S.d. § 129 InsO dar. Die angefochtene Zustimmung und die geleisteten Zahlungen wären gleichwohl nicht als unentgeltlich i.S.d. § 134 Abs. 1 InsO zu qualifizieren.

aa) Zum einen stünde die von dem Kläger vorgetragene inhaltliche Rechtswidrigkeit der Vereinbarung - im Hinblick auf die Verknüpfung der Zahlung eines "Gesamtbußgeldes" auf 295 Bußgeldbescheide mit der Einstellung weiterer 422 (von insgesamt unstreitig 717) Bußgeldverfahren sowie im Hinblick auf den behauptet vereinbarten Rechtsmittelverzicht - der Wirksamkeit der Vereinbarung nicht entgegen. Diese begründete dann durch den mit der Leistung der Insolvenzschuldnerin verknüpften Verzicht der Beklagten auf die weitere Bußgeldverfolgung deren kompensierende Leistung, mithin die Entgeltlichkeit des Vergleichs.

Öffentlich-rechtliche Vergleichsverträge - wie vorliegend im Streit stehend - sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch dann wirksam, wenn sie zwar die Vereinbarung gesetzwidriger Leistungen enthalten, sich das gesetzwidrige Leistungsversprechen jedoch gerade auf die durch den Vergleich beizulegende Ungewissheit bezieht und die Behörde zur Ausführung der von ihr zugesagten Leistung formell befugt ist (BVerwG, Urteil vom 28. März 1962 - V C 100.61, Rn. 21 sowie Urteil vom 14. November 1975 - IV C 84.73, Rn. 27, jeweils juris).

So liegt der Fall hier. Der durch den Kläger vorgetragene Vergleich betraf den Inhalt von insgesamt 717 Bußgeldverfahren. Über deren Begründetheit bestand - soweit der darlegungsbelastete (vgl. BGH, Urteil vom 9. November 2006 - IX ZR 285/03, Rn. 20, juris) Kläger teilweise Vortrag zur Begründetheit der Anzeigen der noch nicht eingeleiteten Bußgeldverfahren gehalten hat - jedenfalls in Teilen Uneinigkeit zwischen der Insolvenzschuldnerin und der Beklagten (vgl. Schriftsatz vom 18.06.2021, S. 5, Rn. 18 - S. 6, 1. Absatz = Bl. 135 f. d.A.). Dann jedoch bestehen in der Vereinbarung dahingehend, dass ein Teil der Bußgeldverfahren durch auch der Höhe nach besprochene Bußgeldbescheide und ein anderer Teil durch Verfahrenseinstellung beendet werden, wechselseitige, auf diese Ungewissheit bezogene Leistungsversprechen. Die Beklagte war unstreitig als Behörde i.S.d. § 63 Nr. 1 LuftVG sowohl zum Erlass der Bußgeldbescheide als auch zur Verfahrenseinstellung formell befugt. Einer gesonderten Ermächtigungsgrundlage zum Abschluss eines Vergleiches bedarf es, anders als der Kläger meint (Berufungserwiderung vom 31.03.2023, S. 9, Rn. 38 a.E. = Bl. 247 d.A.), nach der vorzitierten Rechtsprechung nicht.

bb) Zum anderen sind auch nach der zivil- und insbesondere insolvenzrechtlichen Judikatur Vergleiche, deren Inhalt zwingendem Recht widerspricht, "wirksam, wenn die ernstliche Ungewissheit darüber, was der Gesetzeslage entspricht, durch gegenseitiges Nachgeben beseitigt worden ist. Innerhalb dieser Grenzen ist auch die Vermutung gerechtfertigt, dass das gegenseitige Nachgeben der Beteiligten in der ungewissen Sach- und Rechtslage begründet ist und demzufolge eine unentgeltliche Leistung ausschließt" (BGH, Urteil vom 9. November 2006 - IX ZR 285/03, Rn. 17, juris). Ein solches Nachgeben des Insolvenzschuldners ist (erst dann) "unentgeltlich" i.S.d. § 134 InsO, wenn die Vereinbarung sich nicht auf die vorbeschriebene, dem Vergleich zugrundeliegende Ungewissheit bezieht (BGH a.a.O.). Soweit der Insolvenzschuldner darüber hinaus "in dem Vergleich feststehende oder leicht durchsetzbare Forderungspositionen preisgegeben hätte, nur um in der Krise dringend benötigte Liquidität zu gewinnen, [würde] es von dem objektiven Gewicht des erlangten Vorteils [abhängen], ob das Opfer der Schuldnerin als unentgeltliche Leistung an die Beklagte [zu werten ist]" (BGH, a.a.O., Rn. 20).

(1) Gemessen an den vorstehenden Maßstäben ist nichts dafür ersichtlich, dass der Inhalt des Vergleichs anderes ausgedrückt hat als die Beseitigung der ungewissen Sach- und Rechtslage im Hinblick auf die Begründetheit der 314 bereits eingeleiteten Bußgeldverfahren sowie der weiteren vorliegenden Anzeigen. Gegenstand des Vergleichs war die Aufarbeitung der zwischen der Insolvenzschuldnerin und der Beklagten bestehenden Uneinigkeit über die tatsächliche Verwirklichung der der Insolvenzschuldnerin durch die Beklagte vorgeworfenen Ordnungswidrigkeiten. Der Kläger hat, wie ausgeführt, im Hinblick auf die verwaltungsbehördliche Begründetheit der 314 eingeleiteten Verfahren keinen substantiierten Vortrag gehalten. Hinsichtlich zweier Vorgänge hat er (lediglich) Unterlagen vorgelegt, aus denen sich nicht ohne Weiteres die Unbegründetheit der der Schuldnerin vorgeworfenen Pflichtenverstöße ergibt (Anlage K 6 = Bl. 31 - 59 d.A.; Anlage K 10 = Bl. 76 - 107 d.A.). Hinsichtlich der nach seinem Vortrag weiteren 450 Anzeigen (nach Vortrag der Beklagten 403 Anzeigen, vgl. Schriftsatz vom 13.04.2021, S. 4, 1. Absatz = Bl. 123 d.A.) hat er in Summe die Begründetheit von 130 Verfahren in Abrede genommen (Schriftsatz vom 18.06.2021, S. 5, Rn. 17 - S. 6, 1. Absatz = Bl. 135 f. d.A.), mithin nur für etwa 30 Prozent der noch nicht eingeleiteten Verfahren. Dann jedoch bewegt sich der Vergleichsinhalt in dem Bereich, der bei objektiver Beurteilung ernstlich zweifelhaft war.

(2) Gleichzeitig steht damit nicht mit der erforderlichen Gewissheit fest, dass die Schuldnerin durch die Eingehung des Vergleichs eine "feststehende" oder "leicht durchsetzbare" Position ohne Ungewissheit über die Sach- oder Rechtslage - mithin über die inhaltliche Begründetheit der Bußgeldvorgänge - freigegeben hat, um Liquidität zu gewinnen.

cc) Die durch die Insolvenzschuldnerin auf die Vereinbarung erbrachten Zahlungen stellen ebenfalls keine unentgeltliche Leistung i.S.d. § 134 InsO dar. Nach den vorstehenden Ausführungen ist zugleich die Vermutung begründet, "dass die vereinbarte Regelung die gegenseitigen Interessen ausgewogen berücksichtigt hat" (BGH, Urteil vom 9. November 2006 - IX ZR 285/03, Rn. 16; vgl. auch BGH, Urteil vom 8. März 2012 - IX ZR 51/11, Rn. 35, jeweils juris). Beruht die Zahlung jedoch auf einer entgeltlichen Verpflichtung des Schuldners, ist auch die Zahlung selbst als entgeltlich zu qualifizieren (BGH, Beschluss vom 16. April 2015 - IX ZR 180/13, Rn. 6, juris).

2. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rückgewähr der streitgegenständlichen Zahlungen als vor dem Hintergrund unzulässiger Druckausübung inkongruente Deckung aus § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO.

Eine Befriedigung oder Sicherung ist als inkongruente Deckung anfechtbar, wenn sie unter dem Druck einer eingeleiteten oder drohenden Vollstreckung geleistet wird (stv. BGH, Urteil vom 7. Dezember 2006 - IX ZR 157/05, Rn. 8 m.w.N., juris). Ob eine Leistung unter einem solchen Druck erbracht worden ist, beurteilt sich aus der objektiven Sicht des Schuldners. Sie ist bereits dann inkongruent, wenn der Schuldner annehmen musste, der Gläubiger werde ohne eine entsprechende Zahlung alsbald mit der ohne weiteres zulässigen Zwangsvollstreckung beginnen (Uhlenbruck/Borries/Hirte, 15. Aufl. 2019, § 131 InsO, Rn. 65 m.w.N.). Das gilt auch dann, wenn der Vollstreckungsdruck nicht zivilrechtlicher, sondern hoheitlicher Natur ist, beispielsweise durch eine unmittelbar bevorstehende Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe (BGH, Urteil vom 14. Oktober 2010 - IX ZR 16/10, Rn. 8, juris).

a) Im Hinblick auf die angefochtene Zustimmung vom 19.06.2017 kann das Rückforderungsverlangen des Klägers hiernach keinen Erfolg haben, weil die Zustimmung nicht im letzten Monat vor Eröffnungsantrag am 15.08.2017 erteilt worden ist, § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Im Hinblick auf den in zeitlicher Hinsicht einschlägigen Tatbestand des § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO hat der Kläger keinen Vortrag zum Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzschuldnerin gehalten. Auf die durch den Kläger (einzig konkret) vorgetragene Ankündigung der "Geltendmachung von Verfall" durch die Beklagte (Klageschrift, S. 4, Rn. 10 = Bl. 5 d.A.) - welche gem. §§ 30 Abs. 5, 29a OWiG voraussetzte, dass gerade keine Geldbuße festgesetzt wird und damit eine Drucksituation bezüglich der Zustimmung in Bezug auf die Verhängung von Geldbußen nicht zwingend als naheliegend erscheinen lässt - kommt es damit nicht an.

b) Soweit auf die Vereinbarung Zahlungen im letzten Monat vor Antragstellung geleistet worden sind, sind diese nach den vorgehend dargestellten Grundsätzen nicht unter Druck erbracht worden.

Druck, der nicht durch Drohung mit einer Zwangsvollstreckung oder durch Androhung der Stellung eines Insolvenzantrages ausgeübt wird, macht eine daraufhin geleistete Zahlung des Schuldners grundsätzlich nicht inkongruent (BGH, Beschluss vom 23. April 2009 - IX ZR 82/06, Rn. 2, juris).

Dass die Beklagte die Vollstreckung der Forderungen angekündigt hat, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Soweit der Kläger Druckausübung durch die Beklagte vorgetragen hat, bezieht sich das Vorbringen lediglich auf die Zeit vor dem Abschluss der Vereinbarung, nicht aber auf die Situation im Vorfeld der geleisteten Zahlungen (vgl. Klageschrift S. 4, Rn. 11 = Bl. 5 d.A. sowie S. 6, Rn. 16 = Bl. 7 d.A.).

Die Insolvenzschuldnerin musste im Hinblick auf die im letzten Monat vor Antragstellung geleisteten Zahlungen auch objektiv nicht davon ausgehen, die Beklagte werde ohne eine entsprechende Zahlung auf die Bußgeldbescheide "alsbald" mit einer ohne weiteres zulässigen Zwangsvollstreckung beginnen. Bereits nach dem Vortrag des Klägers hat die Insolvenzschuldnerin auf die diesbezüglichen Bußgeldbescheide mit vier Ausnahmen vor Ablauf der Schonfrist des § 95 Abs. 1 OWiG geleistet. In den vier "Ausnahmefällen" lag lediglich eine geringfügige Überschreitung von maximal vier Tagen vor (Schriftsatz vom 18.06.2021, S. 7, Aufstellung in Rn. 25 = Bl. 137 - 140 d.A.).

Auch die in der E-Mail vom 23.06.2017 (Anlage K5, Bl. 28 - 30 d.A.) geäußerte Bitte der Beklagten, auf die - zu diesem Zeitpunkt noch nicht erlassenen - Bescheide innerhalb von zwei Wochen nach deren Zustellung zu leisten, begründet eine solche Annahme in objektiver Hinsicht nicht. Hierfür ergeben sich Anhaltspunkte weder aus dem Wortlaut noch aus dem Gesamtzusammenhang der E-Mail, welche nach dem Vortrag des Klägers die bloße Zusammenfassung der Vereinbarung vom 19.06.2017 darstellt.

3. Der Kläger kann die von ihm verfolgten Ansprüche nicht - auch nicht teilweise - auf § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO stützen. Die Zahlungen stellen zwar keine "nicht zu beanspruchende" (§ 131 Abs. 1, 2. Hs., 1. Alt. InsO - nachfolgend a ), jedoch teilweise eine unzeitige (§ 131 Abs. 1, 2. Hs., 2. Alt. InsO) und damit inkongruente Befriedigung dar (nachfolgend b ). Hieraus ergibt sich jedoch vorliegend lediglich ein Anspruch auf Zahlung der der Masse entzogenen Nutzungsvorteile ("Zwischenzins"). Hierzu hat der auch insoweit darlegungsbelastete Kläger keinen Vortrag gehalten (nachfolgend c ).

a) Nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist eine Rechtshandlung auch dann als inkongruent anfechtbar, wenn sie einem Insolvenzgläubiger eine Befriedigung gewährt hat, die er - soweit vorliegend maßgeblich - nicht oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte.

(Nur) Die Zahlungen im letzten Monat vor dem Antrag vom 15.08.2017 (Zahlungen vom 18.07.2017 bis 01.08.2017, vgl. Schriftsatz vom 18.06.2021, S. 7, Aufstellung Rn. 25 = Bl. 137 - 140 d.A.) könnten hiernach einen Zahlungsanspruch begründen. Die weiteren Zahlungen sowie die Zustimmung vom 19.06.2017 sind nicht im letzten Monat vor Eröffnungsantrag am 15.08.2017 geleistet bzw. erklärt worden; Vortrag zum Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzschuldnerin im Hinblick auf § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO hat der Kläger, wie dargestellt, nicht gehalten.

b) Soweit die Zahlungen im letzten Monat vor dem Antrag geleistet wurden, konnte die Beklagte diese i.S.d. § 131 Abs. 1, 2. Hs., 1. Alt. InsO beanspruchen.

Der Beklagten stand die Befriedigung dem Grunde nach jedenfalls aufgrund der Bußgeldbescheide zu; auch insoweit kommt es auf die zwischen den Parteien streitige Frage der Verbindlichkeit des Inhalts der am 19.06.2017 geführten Gespräche nicht an. Auch eine - hier unterstellte - Rechtswidrigkeit der Vereinbarung schlüge nicht auf die Bestandskraft der Bußgeldbescheide durch, sodass die Beklagte die Befriedigung dem Grunde nach (auch) hieraus fordern konnte.

aa) Bußgeldbescheide, die nicht nichtig sind, sind zwar anfechtbar, jedoch gleichwohl wirksam. Die Nichtigkeit eines Bußgeldbescheides ist lediglich bei besonders schwerwiegenden und offenkundigen Fehlern anzunehmen. Sie ist "nur ausnahmsweise zu bejahen, nämlich dann, wenn der Bußgeldbescheid keinen vollstreckbaren Inhalt hat, wenn die ausgesprochene Rechtsfolge dem Recht der Ordnungswidrigkeiten unbekannt ist und außerhalb der Anordnungskompetenz der Verwaltungsbehörde liegt, oder wenn das Verfahren gegen elementare, nicht verzichtbare Grundsätze unserer Rechtsordnung verstößt und der Bußgeldbescheid deshalb für die Rechtsgemeinschaft nicht mehr hinnehmbar wäre" (KK-OWiG/Kurz, 5. Aufl. 2018, § 66 OWiG, Rn. 77 m.w.N.). Maßgeblich ist zudem, dass ein solcher schwerer Rechtsfehler offenkundig ist (KK-OWiG a.a.O. m.w.N.). Bloße Fehleinschätzungen über die materielle Rechtslage führen demgegenüber nicht zur Nichtigkeit (Krenberger/Krumm, 7. Aufl. 2022, § 66 OWiG, Rn. 40).

Im Falle des Vorliegens der vorgenannten Mängel ist ein Bußgeldbescheid entsprechend § 44 Abs. 1 VwVfG (vgl. OLG Oldenburg, Beschluss vom 28. Januar 1992 - Ss 492/91, Rn. 14, juris) nur "soweit" nichtig, als sein mangelfreier Teil nicht selbst den an einen Bußgeldbescheid zu stellenden Mindestanforderungen genügt (KK-OWiG a.a.O., Rn. 72).

bb) Gemessen hieran sind die streitgegenständlichen Bußgeldbescheide nicht nichtig. Sie enthalten mit der Verhängung von Geldbußen vollstreckbare Inhalte, die dem Ordnungswidrigkeitenrecht immanent sind. Insbesondere enthalten sie keine unzulässige "Gesamtgeldbuße", sondern jeweils für einzelne Verstöße gesondert festgesetzte Geldbußen. Sie sind von der Beklagten als unstreitig zuständiger Ordnungsbehörde erlassen worden. Auch gegen die Höhe der einzelnen Bußgelder bestehen angesichts des vorliegend verletzten Bußgeldtatbestandes des § 58 Abs. 1 Nr. 13 LuftVG i.V.m. § 108 Abs. 2 Nr. LuftVZO, dessen grundsätzlicher Bußgeldbewehrung mit bis zu 30.000 € (§ 58 Abs. 3, 2. Alt. LuftVG) sowie unter Berücksichtigung der Anzahl der Bußgeldverstöße keine durchgreifenden Bedenken.

Die Bußgeldbescheide beinhalten auch nach dem Vorbringen des Klägers keine offensichtlichen Verfahrensverstöße, die die Bescheide als für die Rechtsgemeinschaft nicht mehr hinnehmbar erscheinen ließen. Insbesondere machten weder die durch den Kläger vorgetragene Absprache eines Rechtsmittelverzichts noch ein Verstoß gegen § 47 Abs. 3 OWiG die Bußgeldbescheide nichtig.

Soweit die Insolvenzschuldnerin auf Rechtsmittel gegen die Bußgeldbescheide verzichtet hat, ist dies im Rahmen einer Verständigung im straf- bzw. ordnungswidrigkeitenrechtlichen Sinne - gleich, ob im Rahmen einer Hauptverhandlung oder informell - zwar unzulässig, §§ 46 Abs. 1 OWiG, 302 Abs. 1, S. 2 StPO. Damit ist indes lediglich der erklärte Rechtsmittelverzicht unwirksam, nicht die dem zugrundeliegende Absprache oder deren sonstiges Ergebnis (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10, BVerfGE 133, 168-241, Rn. 78).

Auch ein Verstoß gegen § 47 Abs. 3 OWiG würde eine solche Nichtigkeit nicht begründen. Zum einen wirkte sich ein solcher Verstoß auf die nicht eingestellten Verfahren gerade nicht aus; zum anderen bliebe die Einstellung als solche gleichwohl wirksam (KK-OWiG/Mitsch, 5. Aufl. 2018, § 47 OWiG, Rn. 152). Unabhängig davon beinhaltet die Vereinbarung nach der als Anlage K5 vorgelegten E-Mail vom 23.06.2017 (Bl. 28 ff. d.A.) unter dem dortigen vierten Aufzählungspunkt das Absehen von Ahndung bezüglich der weiteren 403 Verfahren unter der "Bitte", "die Ansprüche in Ansehung der Vorgaben der VO (EG) 261/04 [auszugleichen]" (Bl. 29 d.A.). Damit liegt jedoch eine Verfahrenseinstellung nach §§ 47, 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 153a Abs. 1 S. 2 Ziff. 5 StPO vor, welche zulässig ist (vgl. auch KK-OWiG/Mitsch, 5. Aufl. 2018, § 47 OWiG, Rn. 149 m.w.N.).

c) Der Beklagten stand die Befriedigung - aus den vorgehend dargestellten Gründen bezogen auf die Zahlungen ab dem 18.07.2017 - jedoch nicht sämtlich bereits "zu der Zeit" i.S.d. § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO zu.

aa) Nicht zu der Zeit hat ein Gläubiger Befriedigung zu beanspruchen, wenn eine Forderung nicht fällig, betagt oder aufschiebend bedingt ist (Uhlenbruck/Borries/Hirte, 15. Aufl. 2019, § 131 InsO, Rn. 8). Der spätere Eintritt der Fälligkeit lässt eine einmal eingetretene Inkongruenz nicht wieder entfallen, ist jedoch im Rahmen der Zurechenbarkeit zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 9. Juni 2005 - IX ZR 152/03, Rn. 10, Rn. 16 juris).

bb) Forderungen aus Bußgeldbescheiden sind gem. § 89 OWiG mit Rechtskraft des Bescheides vollstreckbar und damit fällig (BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 2012 - 1 BvL 18/11, BVerfGE 133, 1-33, Rn. 91). Hieran ändert auch die Belehrung in den Bußgeldbescheiden nichts, wonach die Bußgelder zwei Wochen nach Eintritt der Rechtskraft zu zahlen sind (vgl. den in Anlage K6 enthaltenen Bußgeldbescheid S. 3, 4. Absatz = Bl. 55; hierzu Berufungserwiderung vom 31.03.2023, S. 15, Rn. 58 = Bl. 253 d.A.). Sie stellt lediglich die infolge des im Ordnungswidrigkeitenrecht fehlenden Mahnerfordernisses gem. § 66 Abs. 2 Nr. 2 lit. a) OWiG zwingend erforderliche Belehrung des Betroffenen dar, dass hiernach Vollstreckungsmaßnahmen eingeleitet werden können.

Da der durch die Insolvenzschuldnerin zuvor erklärte Rechtsmittelverzicht - wie dargestellt - unwirksam war, trat die Rechtskraft der Bußgeldbescheide vorliegend gem. § 67 Abs. 1 OWiG zwei Wochen nach deren Zustellung ein.

Die Fristberechnung bestimmt sich nach §§ 46 Abs. 1 OWiG, 43 Abs. 1 StPO.

Ist also - stellvertretend für die Bußgeldbescheide, auf welche ab dem 18.07.2017 gezahlt wurde und bezugnehmend auf die Aufstellung in dem Schriftsatz vom 18.06.2021 (dort S. 7 - S. 10 = Bl. 137 - 140 d.A.): - der Bußgeldbescheid am Donnerstag, den 06.07.2017 zugestellt worden, endete die Frist zur Einspruchseinlegung am Donnerstag, den 20.07.2017 um 24 Uhr (vgl. Münchener Kommentar zur StPO/Valerius, 2. Aufl. 2023, § 43 StPO, Rn. 5 m.w.N.). Fälligkeit trat hiernach am 21.07.2017 ein.

Zahlungen im bargeldlosen Zahlungsverkehr sind dabei dann (noch) kongruent, "wenn die Zeitspanne der Verfrühung die voraussichtliche Dauer des Zahlungsvorgangs nicht nennenswert überschreitet" (BGH, Urteil vom 9. Juni 2005 - IX ZR 152/03, Rn. 12, juris). Anhaltspunkt für eine derartige Überschreitung sind die gesetzlichen Ausführungsfristen für Kreditinstitute. Unter der Geltung des § 676a Abs. 2 Nr. 2 BGB a.F., wonach Kreditinstitute im inländischen Zahlungsverkehr Banküberweisungen binnen drei Tagen auszuführen hatten, hat der Bundesgerichtshof Zahlungen im Zeitraum von fünf Tagen vor Fälligkeit als im Sinne des § 131 InsO "unverdächtig" angesehen (BGH a.a.O.). Nachdem die Ausführungsfrist für Zahlungsdienstleister mit der Einführung des § 675s Abs. 1 BGB auf einen (vollen) Tag verkürzt ist, erscheint es angemessen, den nach der Verkehrssitte "unverdächtigen" Zeitraum für Zahlungen vor Fälligkeit auf drei Tage zu beschränken (so auch Münchener Kommentar zur InsO/Kayser/Freudenberg, 4. Aufl. 2019, § 131 InsO, Rn. 11).

Nach dem Berechnungsmodus des Klägers (Schriftsatz vom 18.06.2021, S. 7, Rn. 25 = Bl. 137 ff. d.A.) sind hiernach diejenigen Zahlungen vorzeitig geleistet, die am 18.07.2017 (§ 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO) und später geleistet worden sind und deren "Wert 1" größer oder gleich 18 ist. Das betrifft 51 Verfahren mit einer Zahlungsaufforderung - Bußgeld, Gebühren und Auslagen - von jeweils 8.403,50 € (in Summe 428.578,50 €).

cc) Nach § 143 Abs. 1 S. 1 InsO muss im Falle erfolgreicher Anfechtung dasjenige zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden, was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist.

(1) Für den Fall, dass - wie hier - die Fälligkeit kurz nach Zahlung eingetreten ist, hat der Bundesgerichtshof entschieden, es sei eine im Rahmen der Zurechenbarkeit zu klärende Frage, "ob die wenige Tage nach Zahlung eingetretene Fälligkeit einer Anfechtung in voller Höhe des Zahlungsbetrages entgegensteht" (BGH, Urteil vom 9. Juni 2005 - IX ZR 152/03, Rn. 16, m.w.N. juris). Für die Anfechtung nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 GesO, die eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung voraussetzt, hat er entschieden, dass eine vorfällige Zahlung nur im Hinblick auf die entgangenen Nutzungsvorteile der Anfechtung unterliegt, wenn der fälligkeitsbegründende Moment noch vor Insolvenzeröffnung hätte eintreten können (BGH, Urteil vom 13. März 1997 - IX ZR 93/96, Rn. 13, juris). Ob diese Rechtsprechung auf § 131 InsO uneingeschränkt übertragbar ist, für welchen eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung ausreicht, hat er bislang offengelassen (BGH, Urteil vom 9. Juni 2005 - IX ZR 152/03, Rn. 17, juris).

Für, wie hier, (nur) vorzeitige Zahlungen ist in der Kommentarliteratur umstritten, ob die Zahlungen als Ganzes (so MüKoInsO/Kayser/Freudenberg, 4. Aufl. 2019, § 131 InsO, Rn. 42 a.E.; Uhlenbruck/Borries/Hirte, 15. Aufl. 2019, § 131 InsO, Rn. 10; BeckOK InsR/Raupach, 32. Ed. 15.7.2023, § 131 InsO, Rn. 23) oder nur hinsichtlich eines Zwischenzinses (so Jaeger/Henckel, Kommentar zur Insolvenzordnung, 1. Aufl. 2008, § 131 InsO, Rn. 27 ausdrücklich nur für den Fall des - wie hier - nachträglichen Eintritts der Fälligkeit vor Insolvenzantragsstellung) der Anfechtung unterliegen. Die in diesem Zusammenhang ergangene Rechtsprechung folgt - indes ohne nähere Begründung - der letztgenannten Auffassung (OLG Dresden, Urteil vom 9. Oktober 2019 - 13 U 368/18, Rn. 62, juris).

Nach der Rechtsprechung des BGH ist jedenfalls "[im] Wege wertender Betrachtung [...] einzuschätzen, ob dieselbe Masseschmälerung durch eine gesetzlich nicht mißbilligte Rechtshandlung der Schuldnerin wirksam hätte herbeigeführt werden können und ob die Dauerhaftigkeit der mit der angefochtenen Rechtshandlung erzielten Wirkung mit dem Zweck der Anfechtungsvorschriften vereinbart werden kann" (BGH a.a.O., Rn. 16).

(2) Für die Zuerkennung eines Rückgewähranspruchs in Höhe der vollständigen Zahlung spricht zwar, dass die Insolvenzordnung im Grundsatz die Gläubiger vor Masseschmälerungen möglichst weitgehend schützen will (Nerlich/Römermann/Nerlich, 47. EL März 2023, § 131 InsO, Rn. 53). Dafür spricht vorliegend auch, dass die Insolvenzordnung die Nachrangigkeit der Vollstreckung von Bußgeldern regelt (§ 39 Abs. 1 Nr. 3, 2. Alt. InsO) und die Beklagte hiernach im Vergleich zu weiteren Insolvenzgläubigern nicht herausgehoben schutzwürdig ist.

Allerdings sprechen die gewichtigeren Gründe im vorliegenden Fall für die grundsätzliche Zuerkennung nur eines Nutzungsersatzanspruchs.

Auch wenn die Zahlung des Bußgeldes nicht - wie die Beklagte meint - einen konkludenten Rechtsmittelverzicht beinhaltet (stv. OLG Stuttgart, Beschluss vom 16.10.1997 - 1 Ss 505/97, Ls. 2 und Rn. 9, juris; OLG Rostock, Beschluss vom 16.08. 2001 - 2 Ss (OWi) 158/01 I 110/01, Rn. 17, juris), ist die vorzeitige Zahlung von Bußgeldern weder unüblich noch - jedenfalls im Allgemeinen - im Hinblick auf die kurzen Vollstreckungsfristen des Ordnungswidrigkeitengesetzes per se missbilligenswert.

Auch die Kontrollüberlegung im Hinblick auf den insolvenzrechtlichen Zustand für den Fall der Zahlung (erst) mit oder nach Fälligkeit - als hypothetischer Kausalverlauf im Rahmen der Zurechenbarkeit zu berücksichtigen - ergibt einen rechtlich missbilligenswerten Zustand im Hinblick auf die gesamte Höhe der Zahlungen nicht: Vorliegend sind die letzten Bußgeldbescheide aus dem kritischen "1-Monats-Zahlzeitraum" unter dem 21.07.2017 zugestellt und damit am 04.08.2017 rechtskräftig geworden. Hätte die Insolvenzschuldnerin die Bußgelder (erst) zu diesem Zeitpunkt gezahlt, wären die Zahlungen der Masse ebenfalls entzogen, dann aber in insolvenzrechtlich nicht zu beanstandender Weise.

Der Gläubigerschutz der Insolvenzordnung reicht jedoch nicht so weit, die Gläubiger durch eine rechtlich zu beanstandende Handlung des Schuldners (verfrühte Zahlung) besser zu stellen, als sie im Falle einer nicht zu beanstandenden Leistung (rechtzeitige Zahlung) stünden. Die Gläubiger sind in derartigen Fällen "nicht um den gezahlten Betrag benachteiligt, weil sie auch bei pünktlicher Zahlung diesen Nachteil hätten unangreifbar hinnehmen müssen" (Jaeger/Henckel a.a.O., Rn. 27). Vielmehr ist die Masse nur im Hinblick auf den ihr entzogenen "Zwischenzins" - die aus den verfrühten Zahlungen folgenden entgangenen Nutzungsvorteile - in missbilligenswerter Weise zulasten der Insolvenzgläubiger geschmälert.

(3) Vorliegend hat der Kläger den Ersatz von Nutzungsvorteilen schon nicht geltend gemacht (vgl. BGH, Urteil vom 13. März 1997 - IX ZR 93/96, Rn. 13, juris). Aufgrund der zutreffenden und hinreichend deutlichen Hinweise der Beklagten hierauf (Schriftsatz vom 20.09.2022, S. 3, 3. und 4. Absatz = Bl. 165 d.A. sowie Berufungsbegründung S. 24, 3. Absatz - S. 25, drittletzter Absatz = Bl. 227 f. d.A.). war ein weiterer gerichtlicher Hinweis - auch in der Berufungsinstanz - nicht veranlasst (vgl. BGH, Urteil vom 22. November 2006 - VIII ZR 72/06, BGHZ 170, 67-77, Rn. 19; BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2007 - IX ZR 207/05, Rn. 2, juris; OLG Braunschweig, Urteil vom 23. Februar 2023 - 9 U 3/22, BeckRS 2023, 2622, beck-online). Der Kläger ist dem Hinweis der Beklagten lediglich mit Ausführungen zu seiner entgegenstehenden Rechtsauffassung entgegengetreten (Berufungserwiderung S. 15, Rn. 57 und 58 = Bl. 253 d.A.), ohne den Ersatz von Nutzungsvorteilen zum Streitgegenstand zu erheben.

Unabhängig davon hat der Kläger auch Vortrag zur Höhe des Nutzungsvorteils nicht gehalten, obwohl die Beklagte ebenfalls bereits in I. Instanz auf diesen Punkt hingewiesen hat (Schriftsatz vom 20.09.2022, a.a.O.).

4. Der Kläger hat gegen die Beklagte keine Ansprüche aus §§ 143 Abs. 1 S. 1, 130, 131 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 3, 132, 133 InsO. Zu den anspruchsbegründenden Umständen des Zeitpunktes der Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzschuldnerin, der Kenntnis der Gläubigerin hiervon bzw. von einem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Insolvenzschuldnerin hat der darlegungsbelastete Kläger keinen Vortrag gehalten. Darauf hat die Beklagte bereits im Schriftsatz vom 20.09.2022 (dort S. 3, dritter und vierter Absatz = Bl. 165 d.A.) sowie in der Berufungsbegründung (dort S. 21 - 23 = Bl. 224 - 226 d.A.) hingewiesen.

5. Der Kläger hat gegen die Beklagte auch keinen - auch ohne gesonderten Vortrag zu würdigenden (BGH, Urteil vom 7. September 2017 - IX ZR 224/16, Rn. 32, juris) - Anspruch auf Rückzahlung nach § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB. Die bestandskräftigen Bußgeldbescheide sind der Rückforderung entgegenstehender Rechtsgrund der Zahlungen.

Die Zahlungen können auch nicht nach § 817 S. 1 BGB zurückgefordert werden. Wie dargestellt, sind weder die Vereinbarung selbst noch die hierauf ergangenen Bußgeldbescheide rechtswidrig, sodass der hierdurch bestimmte Zweck der Leistung nicht gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten verstößt.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Streitwert war entsprechend dem geltend gemachten Interesse an der Abänderung der angefochtenen Entscheidung festzusetzen (§§ 3 ZPO, 47 Abs. 1, 48 Abs.1 GKG).

IV.

Die Revision war zuzulassen, soweit es die vorliegend entscheidungserhebliche Frage der Anspruchshöhe des Rückgewähranspruchs aus einer Insolvenzanfechtung nach § 131 Abs. 1 InsO im Falle verfrühter Zahlungen betrifft, wenn deren Anspruchsgrund noch vor Insolvenzantragsstellung fällig geworden wäre. Insoweit hat die Sache grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) und - davon unabhängig - erfordert die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

Die Sache hat insoweit grundsätzliche Bedeutung, weil sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. BGH, Beschluss vom 28. April 2004 - IV ZR 144/03 = VersR 2005, 140f.; Beschluss vom 27. März 2003 - V ZR 291/02 = NJW 2003, 1943, 1944; Beschluss vom 1. Oktober 2002 - XI ZR 71/02 = NJW 2003, 65, 67).

Hinsichtlich der vorstehenden Frage besteht auch Veranlassung zur Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts, weil es insoweit für die rechtliche Beurteilung des vorliegenden, verallgemeinerungsfähigen Lebenssachverhaltes an einer richtungsweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise fehlt und er deshalb Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen (BGH, Beschluss vom 27. März 2003 - V ZR 291/02 = NJW 2003, 1943, 1945; Beschluss vom 4. Juli 2002 - V ZB 16/02, betr. die Zulassung der Rechtsbeschwerde). Eine obergerichtliche oder höchstrichterliche Entscheidung als richtungsweisende Orientierungshilfe für die rechtliche Beurteilung eines derartigen Lebenssachverhaltes liegt bislang nicht vor.

Im Übrigen besteht kein Anlass zur Zulassung der Revision, § 543 Abs. 2 ZPO, da die Entscheidung auf den Umständen des Einzelfalls sowie gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung beruht.

Brand
Dr. Schäfer-Altmann
Stößel