Finanzgericht Niedersachsen
v. 02.03.2020, Az.: 5 K 256/17
Befreiung der Umsätze aus dem Betrieb eines Krankenhauses von der Umsatzsteuer; Vergleichbarkeit der Krankenhausbehandlungen durch Krankenhäuser des privaten Rechts mit Krankenhausbehandlungen von Einrichtungen des öffentlichen Rechts in sozialer Hinsicht
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 02.03.2020
- Aktenzeichen
- 5 K 256/17
- Entscheidungsform
- Entscheidung
- Referenz
- WKRS 2020, 63901
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 4 Nr. 14 Buchst. b Doppelbuchst. aa), cc) UStG
- Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL
Tenor:
- I.
Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
- 1.
Ist § 4 Nr. 14 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) vereinbar mit Art. 132 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (im Folgenden: MwStSystRL), soweit die Steuerbefreiung für Krankenhäuser, die keine Einrichtungen des öffentlichen Rechts sind, daran geknüpft wird, dass die Krankenhäuser nach § 108 Sozialgesetzbuch (SGB) V zugelassen sind?
- 2.
Wenn Frage 1. zu verneinen ist: Unter welchen Voraussetzungen sind Krankenhausbehandlungen durch Krankenhäuser des privaten Rechts mit Krankenhausbehandlungen von Einrichtungen des öffentlichen Rechts "in sozialer Hinsicht vergleichbar" im Sinne des Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL?
- II.
Das Verfahren wird bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union ausgesetzt.
Tatbestand
I. Streitig ist die Frage, ob Umsätze aus dem Betrieb eines Krankenhauses nach § 4 Nr. 14 UStG bzw. Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL von der Umsatzsteuer befreit sind.
Die Klägerin, eine Kapitalgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH, wurde im Jahre ... gegründet. Der Gründungsgesellschafter und ärztliche Direktor Prof. Dr. ..., der zunächst mit einem Gesellschaftsanteil von 51% beteiligt war, ist seit einer Kapitalerhöhung seit ... (und damit in den Streitjahren 2009 bis 2012) noch mit einem Anteil von 13,33 % an der Klägerin beteiligt. Weitere Gesellschafter waren in den Streitjahren die K GmbH, die B GmbH, die Beteiligungskapital H GmbH & Co. KG und zunächst die ... AG, deren Gesellschaftsanteil die K GmbH übernahm. Die Geschäftsführung ist der K GmbH übertragen.
Gegenstand des Unternehmens ist nach § 2 des Gesellschaftsvertrages die Planung, Errichtung und der Betrieb eines ... in ..., in dem alle Bereiche der ... Neurologie ... vertreten sind. Die Klägerin erbringt Krankenhausleistungen im Sinne von § 2 Bundespflegesatzverordnung (BPflV) bzw. § 2 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG). Ihr Betrieb ist gemäß § 30 Gewerbeordnung (GewO) staatlich genehmigt. Die Klägerin ist jedoch - mangels Aufnahme in den Krankenhausbedarfsplan des Landes Niedersachsen - kein Plankrankenhaus im Sinne von § 108 Nr. 2 SGB V. Darauf gerichtete Anträge der Klägerin vom 8. April 1999 und 11. Juli 2008 seien bislang nicht beschieden worden. Die Klägerin ist auch kein Vertragskrankenhaus im Sinne von § 108 Nr. 3 SGB V und gehört nicht zu den nach dem KHG geförderten Einrichtungen. Daher bestehen keine Versorgungsverträge mit den gesetzlichen Kranken- oder Ersatzkassen.
Bei den Patienten der Klägerin handelt es sich um Selbstzahler, die für die Behandlung Vorauszahlungen leisten (sog. Depositpatienten), Privatversicherte und/oder Beihilfeberechtigte, sog. Botschaftspatienten, bei denen die Botschaft eines ausländischen Staates eine Kostenzusage erteilt, Angehörige der Bundeswehr, Patienten der Berufsgenossenschaften und Patienten der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Patienten der privaten oder gesetzlichen Krankenversicherungen wurden im Einzelfall nach Zusage der Kostenübernahme durch die Beihilfestellen, Krankenkassen, Ersatzkassen oder privaten Versicherungen behandelt. Bei den Botschaftspatienten wurden die Kosten über die betreffenden Botschaften von ausländischen sozialen Einrichtungen getragen.
Die Patientengruppen setzen sich nach den Angaben der Klägerin wie folgt zusammen:
2009 | Fälle | Belegungstage |
---|---|---|
Depositpatienten | 391 | 5.052 |
PKV-Patienten | 534 | 4.771 |
-davon Beihilfepatienten | 67 | 677 |
GKV-Patienten | 143 | 1.309 |
Bundeswehrpatienten | 9 | 44 |
Berufsgenossenschaftspatienten | 1 | 2 |
Botschaftspatienten | 64 | 1.716 |
insgesamt | 1.132 | 12.838 |
2010 | Fälle | Belegungstage |
---|---|---|
Depositpatienten | 362 | 5.043 |
PKV-Patienten | 456 | 3.755 |
-davon Beihilfepatienten | 68 | 562 |
GKV-Patienten | 150 | 1.312 |
Bundeswehrpatienten | 13 | 83 |
Berufsgenossenschaftspatienten | 0 | 0 |
Botschaftspatienten | 50 | 1.743 |
insgesamt | 1.017 | 11.853 |
2011 | Fälle | Belegungstage |
---|---|---|
Depositpatienten | 420 | 5.784 |
PKV-Patienten | 434 | 3.327 |
-davon Beihilfepatienten | 67 | 430 |
GKV-Patienten | 150 | 1.324 |
Bundeswehrpatienten | 22 | 99 |
Berufsgenossenschaftspatienten | 1 | 22 |
Botschaftspatienten | 57 | 2.708 |
insgesamt | 1.060 | 13.143 |
1. Halbjahr 2012 | Fälle | Belegungstage |
---|---|---|
Depositpatienten | 218 | 2.922 |
PKV-Patienten | 193 | 1.477 |
-davon Beihilfepatienten | 23 | 169 |
GKV-Patienten | 74 | 606 |
Bundeswehrpatienten | 16 | 90 |
Berufsgenossenschaftspatienten | 0 | 0 |
Botschaftspatienten | 34 | 1.647 |
insgesamt | 465 | 6.652 |
Die Klägerin rechnete ihre Krankenhaus- und Heilbehandlungsleistungen und die damit eng verbundenen Umsätze zunächst auf der Grundlage tagesgleicher Pflegesätze gem. § 13 BPflV ab, wie es auch bei Krankenhäusern im Sinne des § 108 SGB V üblich war. Soweit die Patienten in Einzel- oder Zweibettzimmern untergebracht waren, stellte ihnen die Klägerin dafür Zuschläge in Rechnung. Ärztliche Wahlleistungen wurden gesondert nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) abgerechnet. Im Laufe der Zeit hat die Klägerin ihr Abrechnungssystem schrittweise auf die Abrechnung nach Fallpauschalen (sog. Diagnosis Related Group (DRG) - System) umgestellt. Die Klägerin hat sich in der mündlichen Verhandlung vom 13. Februar 2020 dahingehend eingelassen, dass im Jahre 2011 erst 15 bis 20% der Behandlungstage nach dem DRG-System abgerechnet worden seien.
Die Klägerin schloss am 28. Juni 2012 mit der Unfallkasse ... als Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung eine Rahmenvereinbarung im Sinne des § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 cc) UStG mit Wirkung ab 1. Juli 2012.
In ihren Umsatzsteuererklärungen 2009 bis 2012 behandelte die Klägerin ihre auf der Grundlage der Pflegesätze abgerechneten Krankenhausleistungen und die den Belegärzten in Rechnung gestellten Nutzungsentgelte als umsatzsteuerfrei. Der Beklagte stimmte den Umsatzsteuererklärungen zu, so dass diese gemäß § 168 AO Steuerfestsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichstanden.
Im Rahmen einer Umsatzsteuersonderprüfung des Finanzamtes für Großbetriebsprüfung H gelangte die Prüferin zu der Auffassung, dass die Umsätze der Klägerin weit überwiegend nicht von der Umsatzsteuer befreit seien. Gemäß § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 aa) UStG seien nur die Umsätze nach § 108 SGB V zugelassener Krankenhäuser steuerfrei. Die Klägerin sei aber nicht zugelassen.
Aus Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL ergäbe sich nichts Anderes. Krankenhausbehandlungen würden nur dann unter Bedingungen durchgeführt, die mit den Bedingungen, unter denen Einrichtungen des öffentlichen Rechts die Behandlungen durchführen, in sozialer Hinsicht vergleichbar seien, wenn ein wesentlicher Teil der Patienten einen Anspruch auf Kostenerstattung nach § 13 SGB V hätte. Im Streitfall würde der Anteil der Belegtage dieser Patientengruppen lediglich 10,2% (2009), 11,1 % (2010), 10,10 % (2011) und 9,1 % (2012 1. Jahreshälfte) betragen und sei damit nicht wesentlich. Damit seien die streitigen Umsätze als steuerpflichtig zu behandeln. Erst mit Inkrafttreten der Vereinbarung mit der Unfallkasse ... zum 1. Juli 2012 seien die streitigen Umsätze nach § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 2 cc) UStG steuerfrei.
Diese Auffassung der Betriebsprüfung machte sich der Beklagte in der Einspruchsentscheidung vom 6. September 2017 sowie im Klageverfahren zu Eigen.
Die Klägerin meint, die streitigen Umsätze seien nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL steuerfrei. Sie betreibe ein nach § 30 GewO anerkanntes Krankenhaus, das Krankenhausleistungen und ärztliche Heilbehandlungen wie eine Einrichtung des öffentlichen Rechts erbringe. An der Tätigkeit der Klägerin bestehe ein Gemeinwohlinteresse, da sie ein vergleichbares Leistungsspektrum wie öffentliche oder in den Krankenhausplan aufgenommene Kliniken anbiete. Das Gemeinwohlinteresse ergebe sich auch daraus, dass sie zu den in der Welt führenden Spezialkliniken für Neurochirurgie gehöre, die ihre Leistungen grundsätzlich an jedermann, gleich, ob gesetzlich, privat oder nicht versichert, erbringe. Die Kosten für die Heilbehandlungen würden in erheblichen Umfang von Einrichtungen der sozialen Sicherheit, zu denen nicht nur die gesetzlichen Krankenkassen, sondern auch die Bundeswehr, Berufsgenossenschaften, Beihilfestellen und Botschaften gehörten. Damit würden 33,08 % (2009), 34,31 % (2010), 38,15 % (2011) und 40,30 % (2012) der Belegungstage auf Patienten entfallen, bei denen Einrichtungen der sozialen Sicherheit die Kosten übernehmen.
Entscheidungsgründe
II. Der Senat legt dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) die im Tenor bezeichneten Fragen zur Auslegung der MwStSystRL vor und setzt das Verfahren bis zur Entscheidung des EuGH aus.
1. Entscheidungserhebliche Rechtsnormen
a) Nationales Recht
§ 4 Nr. 14 Buchst. b UStG:
Gem. § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG in der seit dem 1.1.2009 geltenden Gesetzesfassung sind von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG fallenden Umsätzen steuerfrei: Krankenhausbehandlungen und ärztliche Heilbehandlungen einschließlich der Diagnostik, Befunderhebung, Vorsorge, Rehabilitation, Geburtshilfe und Hospizleistungen sowie damit eng verbundene Umsätze, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts erbracht werden. Die gem. § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG bezeichneten Leistungen sind auch steuerfrei, wenn sie von
aa) zugelassenen Krankenhäusern nach § 108 SGB V
(...)
cc) Einrichtungen, die von den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 34 SGB VII an der Versorgung beteiligt worden sind.
§ 108 SGB V Zugelassene Krankenhäuser
Die Krankenkassen dürfen Krankenhausbehandlung nur durch folgende Krankenhäuser (zugelassene Krankenhäuser) erbringen lassen:
1. Hochschulkliniken im Sinne des Hochschulbauförderungsgesetzes,
2. Krankenhäuser, die in den Krankenhausplan eines Landes aufgenommen sind (Plankrankenhäuser), oder
3. Krankenhäuser, die einen Versorgungsvertrag mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen abgeschlossen haben.
§ 109 SGB V Abschluss von Versorgungsverträgen mit Krankenhäusern
(...)
(2) Ein Anspruch auf Abschluss eines Versorgungsvertrags nach § 108 Nr. 3 SGB V besteht nicht
(3) Ein Versorgungsvertrag nach § 108 Nr. 3 SGB V darf nicht abgeschlossen werden, wenn das Krankenhaus
1. nicht die Gewähr für eine leistungsfähige und wirtschaftliche Krankenhausbehandlung bietet,
2. bei den maßgeblichen planungsrelevanten Qualitätsindikatoren nach § 6 Absatz 1a des Krankenhausfinanzierungsgesetzes auf der Grundlage der vom Gemeinsamen Bundesausschuss nach § 136c Absatz 2 übermittelten Maßstäbe und Bewertungskriterien nicht nur vorübergehend eine in einem erheblichen Maß unzureichende Qualität aufweist, die im jeweiligen Landesrecht vorgesehenen Qualitätsanforderungen nicht nur vorübergehend und in einem erheblichen Maß nicht erfüllt, höchstens drei Jahre in Folge Qualitätsabschlägen nach § 5 Absatz 3a des Krankenhausentgeltgesetzes unterliegt oder
3. für eine bedarfsgerechte Krankenhausbehandlung der Versicherten nicht erforderlich ist.
(...)
§ 1 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG), Grundsatz
(1) Zweck dieses Gesetzes ist die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser, um eine qualitativ hochwertige, patienten- und bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit leistungsfähigen, qualitativ hochwertig und eigenverantwortlich wirtschaftenden Krankenhäusern zu gewährleisten und zu sozial tragbaren Pflegesätzen beizutragen.
§ 6 Krankenhausplanung und Investitionsprogramme
(1) Die Länder stellen zur Verwirklichung der in § 1 genannten Ziele Krankenhauspläne und Investitionsprogramme auf; Folgekosten, insbesondere die Auswirkungen auf die Pflegesätze, sind zu berücksichtigen.
b) Unionsrecht
Art. 132 Abs. 1 Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL)
Gem. Art. 132 Abs. 1 MwStSystRL befreien die Mitgliedstaaten folgende Umsätze von der Steuer:
b) Krankenhausbehandlungen und ärztliche Heilbehandlungen sowie damit eng verbundene Umsätze, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder unter Bedingungen, welche mit den Bedingungen für diese Einrichtungen in sozialer Hinsicht vergleichbar sind, von Krankenanstalten, Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik und anderen ordnungsgemäß anerkannten Einrichtungen gleicher Art durchgeführt beziehungsweise bewirkt werden.
2. Zur Rechtslage nach nationalem Recht; Vorlagefrage (1.)
Die Klägerin ist keine Einrichtung des öffentlichen Rechts, so dass ihre Umsätze nicht nach § 4 Nr. 14 Buchst. b Satz 1 UStG umsatzsteuerfrei sind. Die Klägerin hat zudem weder einen Versorgungsvertrag mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen abgeschlossen, noch ist sie (bislang) in den Krankenhausplan des Landes Niedersachsen aufgenommen worden. Damit liegen auch die Voraussetzungen für eine Steuerfreiheit der Umsätze nach § 4 Nr. 14 Buchst. b aa) UStG nicht vor. Da die Klägerin mit der Unfallkasse ... erst mit Wirkung zum 1. Juli 2012 eine Rahmenvereinbarung abgeschlossen hat, kann sie sich erst ab diesem Zeitpunkt auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst. b cc) UStG berufen.
Sowohl der V. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH), als auch der XI. Senat des BFH gehen davon aus, dass § 4 Nr. 14 Buchst. b aa) UStG nicht den unionsrechtlichen Vorgaben des Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL entspricht, weil er die Steuerfreiheit der Leistungserbringung in Krankenhäusern, die von Unternehmern betrieben werden, die keine Einrichtungen des öffentlichen Rechts sind, unter einen sozialversicherungsrechtlichen Bedarfsvorbehalt stellt (BFH Urteile vom 23. Oktober 2014 V R 20/14, BStBl. II 2016, 785; vom 18. März 2015 XI R 38/13, BStBl. II 2016, 793; vom 23. Januar 2019 XI R 15/16, BFH/NV 2019, 656).
Der vorlegende Senat neigt dazu, sich der Rechtsauffassung des V. und XI. Senats des BFH anzuschließen. Da die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen mit einem Krankenhaus nur dann einen Versorgungsvertrag abschließen dürfen, wenn dies für eine bedarfsgerechte Behandlung der Versicherten erforderlich ist (§ 108 Nr. 3 SGB V i.V.m. § 109 Abs. 3 Nr. 3 SGB V) und auch bei der Aufnahme eines Krankenhauses in den Krankenhausplan gem. § 1 KHG Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkte ("zu sozial tragbaren Pflegesätzen beizutragen") eine Rolle spielen, gilt faktisch ein "closed shop"-Prinzip; danach hat ein (weiteres) Krankenhaus keine Aussicht auf Aufnahme in den Krankenhausplan seines Bundeslandes und damit auf Abschluss von Versorgungsverträgen mit den gesetzlichen Krankenkassen, wenn innerhalb dieses Bundeslandes bereits genügend Krankenhausbetten für einen bestimmten Fachbereich zur Verfügung stehen. Dies hätte zur Folge, dass gleichartige Leistungen verschiedener Krankenhäuser umsatzsteuerlich unterschiedlich behandelt werden, wobei die Begünstigung einiger Krankenhäuser gegenüber den anderen Krankenanstalten allein darauf beruhen würde, dass diese früher gegründet wurden und als erste die Aufnahme in den Krankenhausplan bzw. als erste den Abschluss von Versorgungsverträgen erreicht hätten. Nach der Rechtsprechung des EuGH muss die Auslegung der Tatbestandsmerkmale der MwStSystRL durch den nationalen Gesetzgeber mit den Zielen in Einklang stehen, die mit den Befreiungen verfolgt werden, und den Erfordernissen des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität entsprechen, auf dem das gemeinsame Mehrwertsteuersystem beruht (EuGH Urteil vom 10. Juni 2010 - C-262/08 "CopyGene" Slg 2010, I-5053). Eine Regelung wie die des § 4 Nr. 14 Buchst. b aa) UStG, die faktisch eine Kontingentierung der Steuerbefreiung bewirkt und diese den zuerst in den Krankenhausplan aufgenommenen Krankenhäusern vorbehält, hält der vorlegende Senat mit dem Grundsatz der Wettbewerbsneutralität der Umsatzsteuer nicht für vereinbar.
Aus diesem Grunde bittet der erkennende Senat mit der Frage zu (1.) den EuGH um Auskunft, ob die Regelung des § 4 Nr. 14 Buchst. b aa) UStG mit Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL vereinbar ist. Die Frage ist auch entscheidungserheblich, weil die Klage im Falle der Vereinbarkeit der nationalen Rechtsnorm mit dem Gemeinschaftsrecht abzuweisen wäre und es auf die Frage, ob die von der Klägerin erbrachten Krankenhausleistungen mit denen, die Einrichtungen des öffentlichen Rechts erbringen, in sozialer Hinsicht vergleichbar sind, nicht ankäme.
3. Rechtslage nach Gemeinschaftsrecht; Vorlagefrage (2.)
Wenn die Frage 1. zu verneinen ist, könnte sich die Klägerin unmittelbar auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL berufen. Es käme entscheidungserheblich darauf an, ob die von der Klägerin erbrachten Krankenhausbehandlungen und die damit eng verbundenen Umsätze unter Bedingungen bewirkt wurden, die in sozialer Hinsicht mit den Bedingungen, unter denen Einrichtungen des öffentlichen Rechts diese Dienstleistungen erbringen, vergleichbar waren.
Der XI. Senat des BFH, der im Ausgangspunkt ebenfalls davon ausgeht, dass § 4 Nr. 14 Buchst. b aa) UStG das Gemeinschaftsrecht nicht zutreffend auslegt, verweist auf den Einleitungssatz des Art. 132 MwStSystRL und betont, dass es Sache jedes Mitgliedstaats sei, im Rahmen seines Ermessensspielraums die Regeln aufzustellen, nach denen die erforderliche Anerkennung gewährt wird (BFH Urteil vom 23. Januar 2019 XI R 15/16, BFH/NV 2019, 656 [BFH 23.01.2019 - XI R 15/16]). Der deutsche Gesetzgeber habe sein Ermessen nur insoweit überschritten, als er für die Zuerkennung der Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 14 Buchst. b aa) UStG durch die Verweisung auf § 108 SGB V die Aufnahme des Krankenhauses in einen Krankenhausplan oder den Abschluss eines Versorgungsvertrages unter einen Bedarfsvorbehalt gestellt und damit den Neutralitätsgrundsatz verletzt habe. Für unbedenklich hält es der XI. Senat des BFH hingegen, wenn über die Kettenverweisung von § 4 Nr. 14 Buchst. b aa) UStG über § 108 Nr. 2 und 3 SGB V auf §§ 1 und 6 KHG bzw. § 109 SGB V die Leistungsfähigkeit des Krankenhauses in personeller, räumlicher und sächlicher Hinsicht und die Wirtschaftlichkeit der Betriebsführung Bedingung für die Zuerkennung der Steuerbegünstigung nach § 4 Nr. 14 Buchst. b aa) UStG sind; ein gänzliches Außerachtlassen der vom nationalen Gesetzgeber postulierten Voraussetzungen würde den Mitgliedstaaten das ihnen verliehene Ermessen nehmen (BFH Urteil vom 23. Januar 2019 XI R 15/16, BFH/NV 2019, 656, Rz. 85 und 86).
Der erkennende Senat hat Zweifel, ob in einem Fall, in dem die nationale steuerliche Norm auf ein komplexes System außersteuerlicher Normen verweist und die Anwendung der Gesamtheit der außersteuerlichen Normen eine mit dem Gemeinschaftsrecht nicht vereinbare Auslegung der Steuerbefreiungsvorschrift bewirkt, der dem nationalen Gesetzgeber eingeräumte Ermessensspielraum dadurch gewahrt werden kann, dass nur jene tatbestandlichen Voraussetzungen der außersteuerlichen Normen nicht zur Anwendung kommen, die unmittelbar die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der nationalen Steuerbefreiungsvorschrift bewirken, wohingegen die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen weiterhin anwendbar bleiben. Denn es ist nach Ansicht des erkennenden Senats fraglich, ob es tatsächlich dem Willen des nationalen Gesetzgebers entspricht und der Wahrung seines Ermessensspielraums bei der Umsetzung der MwStSystRL in nationales Recht dient, wenn die Zuerkennung der Steuerbegünstigung nicht von einer - mit Gemeinschaftsrecht nicht zu vereinbaren - Bedürfnisprüfung für das Krankenhaus abhängig gemacht wird; sondern von weiteren Entscheidungskriterien, auf die der nationale Gesetzgeber -hätte er die Gemeinschaftswidrigkeit im Übrigen erkannt- möglicherweise gar nicht abgestellt hätte.
Der Senat hat Zweifel, ob bei der Auslegung der "Vergleichbarkeit der Bedingungen in sozialer Hinsicht" i.S.d. Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL eine Wirtschaftlichkeitsprüfung des Krankenhauses anzustellen ist (BFH Urteil vom 23. Januar 2019 XI R 15/16, BFH/NV 2019, 656, Rz. 87). In diesem Zusammenhang bleibt auch darauf hinzuweisen, dass ein Spezialklinikum wie die Klägerin, die besonders komplizierte und schwierige neurochirurgische Behandlungen durchführt, ihre Leistungen notwendig zu höheren Kosten anbieten muss als ein Krankenhaus, welches zu großen Teilen auch einfache medizinische Behandlungen ausführt, die keine teuren medizinischen Geräte erfordern. Der Senat hält deshalb die Höhe der Selbstkosten eines Krankenhauses für keinen geeigneten Prüfungsmaßstab, ob das Klinikum seine Leistungen zu in sozialer Hinsicht vergleichbaren Bedingungen anbietet wie ein öffentliches Krankenhaus. Schließlich überfordert es auch sowohl die Finanzverwaltung als auch die Finanzgerichte, wenn diese in jedem Falle eine umfassende Wirtschaftlichkeits- und Leistungsfähigkeitsprüfung durchführen müssten um über die Steuerfreiheit der Umsätze entscheiden zu können.
Der erkennende Senat hält es deshalb in einem Fall, in dem der nationale Gesetzgeber die Vorgaben des Gemeinschaftsrechts nicht zutreffend in nationales Recht umgesetzt hat, für angezeigt, die unmittelbare Berufung auf das Gemeinschaftsrecht zuzulassen und die einschlägige Bestimmung des Gemeinschaftsrechts autonom aus sich heraus auszulegen. Im konkreten Fall hält es der erkennende Senat deshalb für entscheidungserheblich, ob die Klägerin ihre Krankenhausleistungen unter sozial vergleichbaren Bedingungen anbietet wie ein öffentlich-rechtliches Krankenhaus; der Senat neigt dazu, für die Beantwortung der Frage der Vergleichbarkeit der Bedingungen in sozialer Hinsicht nicht auf die Betriebsabläufe und Kostenstrukturen des Krankenhauses abzustellen, sondern diese aus Patientensicht zu beantworten; sozial vergleichbar wären danach die Bedingungen, wenn die Kosten des überwiegenden Anteils der Patienten von Einrichtungen der sozialen Sicherheit übernommen werden.
Die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage zu (2.) ergibt sich aus dem Umstand, dass der erkennende Senat bei der Auslegung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL andere Auslegungskriterien zugrunde legen möchte als der BFH als Berufungsinstanz.
III.
Rechtsgrundlage für die Anrufung des EuGH ist Art. 267 Abs. 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union.
IV.
Prozessuales ...