Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 17.05.1999, Az.: 211 Ss (OWi) 202/98
Urteilsgründe; Rechtsmittelverzicht; Rechtsbeschwerde; Ergänzung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 17.05.1999
- Aktenzeichen
- 211 Ss (OWi) 202/98
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1999, 14688
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1999:0517.211SS.OWI202.98.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- StA Bückeburg - 509 Js 7946/97
Rechtsgrundlage
- § 77b OWiG
Amtlicher Leitsatz
Ein Urteil ohne Gründe, das der Richter unterschrieben und der StA mit der Anfrage, ob auf Rechtsmittel verzichtet werde, zur Zustellung übersandt hat, kann nicht nach Einlegung der Rechtsbeschwerde seitens des Betroffenen gem. § 77 b OWiG ergänzt werden.
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts Rinteln zurückverwiesen.
Gründe
Das Amtsgericht hat den Betroffenen durch das angefochtene Urteil wegen fahrlässigen Anordnens bzw. Zulassens der Inbetriebnahme eines überladenen Fahrzeugs zu einer Geldbuße von 800 DM verurteilt. Es hat mit Verfügung vom 29. September 1998 das unterschriebene Urteil ohne die Zufügung von Gründen der Staatsanwaltschaft zur Zustellung übersandt und angefragt, ob auf Rechtsmittel verzichtet werde. Die Staatsanwaltschaft hat die Akten mit entsprechender Zustimmung zurückgesandt. Am 2. Oktober 1998 hat der Betroffene Rechtsbeschwerde eingelegt. Daraufhin hat das Amtsgericht ein neues Urteil mit Gründen verfasst, dieses erneut der Staatsanwaltschaft zum Zwecke der Zustellung übersandt und es der Verteidigerin zugestellt.
Die ordnungsgemäß eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
Für die Überprüfung des Senats auf die Rechtsbeschwerde hin ist nicht das spätere, mit Gründen versehene Urteil maßgeblich sondern das Urteil, das der Staatsanwaltschaft mit der Verfügung vom 29. September 1998 zugestellt worden ist. Dieses vom Richter unterschriebene Urteil konnte nicht mehr dadurch ergänzt werden, dass ihm Urteilsgründe hinzugefügt wurden. Es entspricht gefestigter Rechtsprechung und verbreiteter Meinung in der Literatur, dass die nachträgliche Ergänzung eines Urteils im Straf- und im Bußgeldverfahren grundsätzlich nicht zulässig ist, und zwar auch nicht innerhalb der Urteilsabsetzungsfrist des § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO, wenn es aus dem inneren Dienstbereich des Gerichts herausgegeben worden ist (vgl. BGH NZV 1997, 315; OLG Köln VRS 56, 149; BayObLG NStZ 1991, 342). Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts liegt auch nicht ein Fall der zulässigen Ergänzung des Urteils nach § 77 b OWiG vor. Denn es hatten nicht alle zur Anfechtung Berechtigten auf die Einlegung der Rechtsbeschwerde verzichtet; auch war die Frist zur Rechtsbeschwerdeeinlegung noch nicht abgelaufen. Das Amtsgericht durfte daher nicht ein Urteil ohne Gründe im obigen Sinne wirksam werden lassen. Der Zweck der Vorgehensweise des Amtsgerichts, eine Verfahrensbeschleunigung herbeizuführen für den Fall, dass sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Betroffene auf ein Rechtsmittel verzichten sollten, konnte auf diese Weise nicht erreicht werden. Unschädlich wäre allerdings gewesen, wenn das Amtsgericht der Staatsanwaltschaft die Akten mit dem Hauptverhandlungsprotokoll oder einem noch nicht wirksamen, z. B. nicht unterschriebenen Urteil übersandt hätte, um deren Entscheidung über einen Rechtsmittelverzicht herbeizuführen.
Da die nachträgliche Ergänzung des Urteils unzulässig war, muss sie bei der Entscheidung über - die Rechtsbeschwerde unberücksichtigt bleiben (vgl. BayObLG VRS 78, 464; Meyer OWiG, § 77 b Rn. 3). Anhand des abgekürzten Urteils lässt sich aber nicht feststellen, ob das Urteil Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen aufweist. Anders als in Zulassungssachen, bei denen für die Prüfung der Voraussetzungen des § 80 Abs. 1 und 2 OWiG auch andere, aus den Akten ersichtliche Umstände berücksichtigt werden können, z. B. der Bußgeldbescheid, der Zulassungsantrag und gegebenenfalls das in unzulässiger Weise mit Gründen ergänzte Urteil (vgl. BGHSt 42, 187 [BGH 16.07.1996 - 5 StR 230/95] = NJW 1996, 3157) sind für die rechtsbeschwerderechtliche Überprüfung - jedenfalls auf die Sachrüge - die Akten nicht verwertbar.
Einer Übertragung der Sache an den Senat in der Besetzung mit drei Richtern gemäß § 80 a Abs. 3 OWiG bedarf es nicht. Es gilt nicht, das Recht fortzubilden. Nachdem der erkennende Richter den Senat um klärende Mitteilung über die Zulässigkeit des von ihm bisher angewendeten Verfahrens gebeten hat, ist auch mit dessen Wiederholung nicht zu rechnen.