Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 30.06.1997, Az.: 3 B 3279/97

Voraussetzungen des Anspruchs einer alleinerziehenden und geschiedenen Mutter auf Gewährung von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt ohne Eintragung einer Sicherungshypothek

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
30.06.1997
Aktenzeichen
3 B 3279/97
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1997, 25509
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGBRAUN:1997:0630.3B3279.97.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
OVG Niedersachsen - 22.07.1997 - AZ: 12 M 3558/97

Fundstelle

  • NVwZ-RR 1998, 243 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Hilfe zum Lebensunterhalt
Antrag nach §123 VwGO

Das Verwaltungsgericht Braunschweig - 3. Kammer - hat
am 30. Juni 1997
beschlossen:

Tenor:

Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens; Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

1

I.

Die Antragstellerin begehrt die Gewährung von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt.

2

Die Antragstellerin lebt seit 1993 von ihrem Ehemann getrennt mit den beiden 1978 und 1979 geborenen Söhnen. Bis zum Ablauf des Monats April 1997 erhielt sie Trennungsunterhalt. In dieser Zeit wurden rückständige Kosten der Stadtwerke (Strom und Wasser) in Höhe von ca. 6.000,- DM und Hilfe zum Lebensunterhalt für die Zeit vom 10.03. bis 31.03.1997 im Darlehenswege von der Antragsgegnerin übernommen.

3

Nachdem offenbar durch Beschluß des Familiengerichts ab 01.05.1997 kein Trennungsunterhalt mehr gezahlt wird, beantragte die Antragstellerin am 28.04.1997 die Gewährung laufender Hilfe zum Lebensunterhalt. Mit Bescheid vom 27.05.1997 lehnte die Antragsgegnerin die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt ab. Zur Begründung wurde angeführt, daß die Antragstellerin mit dem von ihr bewohnten Haus über verwertbares Vermögen verfüge und dieses grundsätzlich zur Sicherung des Lebensunterhalts einsetzen müsse. Bis zum Verkauf des Hauses könne deshalb Hilfe zum Lebensunterhalt nur darlehensweise gewährt werden. Die Antragstellerin sei aber nicht bereit, auf ihrem Haus eine Sicherungshypothek zur Sicherung der Rückzahlung eintragen zu lassen.

4

Dagegen hat die Antragstellerin am 20.06.1997 Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt und vorgetragen, daß die von der Antragsgegnerin verlangte Sicherungshypothek über 20.000,- DM für vorerst ein Jahr zu hoch sei, da ihr Sozialhilfeanspruch nur mit monatlich 200,- DM, also 2.400,- DM im Jahr, berechnet worden sei. Sie habe keine Einkünfte, wovon sie ihren Lebensunterhalt bestreiten könne.

5

Die Antragstellerin beantragt (sinngemäß),

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin laufende Hilfe zum Lebensunterhalt in gesetzlicher Höhe ohne Eintragung einer Sicherungshypothek zu bewilligen.

6

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

7

Sie führt in Ergänzung ihres Bescheides aus, daß sich die zukünftig zu leistenden Zahlungen in ihrer Höhe nicht abschätzen ließen, da auch die Gewährung einmaliger Beihilfen sowie zukünftiger Rückstände bei den Stadtwerken nicht ausgeschlossen werden könnte. Die von der Antragstellerin im Verlaufe des Verwaltungsverfahrens geltend gemachten rechtlichen Nachteile, die ihr durch die Sicherungshypothek entstehen würden, habe diese nicht konkretisiert.

8

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie die Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.

9

II.

Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung gemäß §123 VwGO ist zulässig, aber nicht begründet.

10

Gemäß §123 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen werden, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder aus anderen Gründen nötig erscheint (Regelungsanordnung). Da nach Sinn und Zweck des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens die vorläufige Regelung grundsätzlich die Entscheidung in der Hauptsache nicht vorwegnehmen darf, kann eine Verpflichtung zur Zahlung und Übernahme von Geldleistungen, wie sie im vorliegenden Fall begehrt wird, im einstweiligen Anordnungsverfahren in der Regel nur ausgesprochen werden, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen für einen entsprechenden Anspruch (Anordnungsanspruch) glaubhaft gemacht sind und weiterhin glaubhaft gemacht wird, daß die begehrte Hilfe aus existenzsichernden Gründen so dringend notwendig ist, daß der Anspruch mit gerichtlicher Hilfe sofort befriedigt werden muß und es deshalb nicht zumutbar ist, den Ausgang eines Hauptsacheverfahrens abzuwarten (Anordnungsgrund).

11

Die Antragstellerin konnte nicht glaubhaft machen, daß sie einen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt ohne Eintragung der Sicherungshypothek hat.

12

Das von der Antragstellerin bewohnte Einfamilienhaus mit Einliegerwohnung, das von der Antragstellerin auf einer Verhandlungsbasis in Höhe von 650.000,- DM zum Kauf angeboten wird und im von der Antragstellerin mit ihren beiden Kindern bewohnten Erdgeschoß eine Wohnfläche von 130 m2 und in der Dachgeschoßwohnung eine Wohnfläche von 86 m2 hat, ist nach der im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes angebrachten summarischen Überprüfung kein Schonvermögen im Sinne von §88 Abs. 2 Ziff. 7 BSHG. Die Antragstellerin ist deshalb grundsätzlich gemäß §2 Abs. 1 i.V.m. §88 BSHG verpflichtet, es zu verwerten, bevor Sozialhilfeleistungen in Anspruch genommen werden können. Da offenbar der Verkauf des Hauses nicht ohne weiteres zeitnah möglich ist, liegt ein Fall des §89 BSHG vor, wonach Sozialhilfe als Darlehen gewährt werden soll, soweit nach §88 BSHG für den Bedarf des Hilfesuchenden Vermögen einzusetzen ist, jedoch der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung des Vermögens nicht möglich ist oder für den, der es einzusetzen hat, eine Härte bedeuten würde. §89 Satz 2 BSHG sieht ausdrücklich vor, die Gewährung eines solchen Darlehens davon abhängig zu machen, daß der Anspruch auf Rückzahlung dinglich oder in anderer Weise gesichert wird.

13

Soweit die Antragstellerin dagegen im Verlaufe des Verwaltungsverfahrens geltend gemacht hat, durch die Eintragung der Sicherungshypothek würden ihr rechtliche Nachteile entstehen, hat sie diese Nachteile nicht konkretisiert. Nach Auffassung der erkennenden Kammer dürften diese rechtlichen Nachteile auch nicht entstehen, da mit einem Verkauf des Hauses und der Rückzahlung der Sozialhilfemittel aus dem Kaufpreis die Sicherungshypothek gelöscht werden kann. Soweit die Antragstellerin im Verlaufe des Verwaltungsverfahrens ausweislich eines Vermerks im Verwaltungsvorgang vorgetragen hat, sie könne keine Hypothek eintragen lassen, da sie kein regelmäßiges Einkommen habe, kann sich diese Auskunft nicht auf die Eintragung einer Sicherungshypothek beziehen, sondern nur auf die Eintragung einer Hypothek zur Gewährung eines privaten Darlehens, dessen Rückzahlung der Antragstellerin nicht möglich ist.

14

Der Vortrag im vorliegenden vorläufigen Rechtsschutzverfahren, daß die Antragsgegnerin mit dem Verlangen nach einer Sicherungshypothek über 20.000,- DM eine unverhältnismäßige Forderung stelle, da der Sozialhilfeanspruch nur 2.400,- DM im Jahr betrage, greift nicht durch.

15

Zunächst ist hier zu berücksichtigen, daß sich die Antragsgegnerin aus der Sicherungshypothek selbstverständlich nur in Höhe der von ihr geleisteten Mittel befriedigen kann. Im übrigen ist bei der Höhe der Sicherungshypothek entsprechend dem Vortrag der Antragsgegnerin zu berücksichtigen, daß derzeit nicht abzuschätzen ist, wie hoch die zu bewilligende Sozialhilfe tatsächlich sein wird. Hier fällt nach Auffassung der erkennenden Kammer auch ins Gewicht, daß ausweislich eines Vermerkes im Verwaltungsvorgang die Antragstellerin offenbar gesagt hat, sie werde auf das Sorgerecht für die Kinder verzichten. Damit entfiele auch der Kindesunterhalt. Im übrigen ist hier zu berücksichtigen, daß der Antragstellerin bereits vorher mehrere Sozialhilfedarlehen in Höhe von etwa 7.000,- DM gewährt worden sind, die auch mit dieser Sicherungshypothek gesichert werden können. Mithin ist die Forderung nach Eintragung einer Sicherungshypothek über 20.000,- DM nicht unverhältnismäßig.

16

Nach alledem ist der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung mit der Kostenfolge aus §§154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO abzulehnen.

17

Rechtsmittelbelehrung

18

Gegen diesen Beschluß steht den Beteiligten die Beschwerde nur zu, wenn sie von dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg zugelassen worden ist.

19

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Zschachlitz
Dr. Baumgarten
Schlingmann-Wendenburg