Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 19.11.2009, Az.: 13 A 6085/08
Anforderungen; Behinderter; Diskriminierung; Ernennung; Übergewicht; Verbeamtung; gesundheit
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 19.11.2009
- Aktenzeichen
- 13 A 6085/08
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 44174
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGHANNO:2009:1119.13A6085.08.0A
Rechtsgrundlagen
Fundstelle
- ZBR 2010, 391-393
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckungsschuldnerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Tatbestand
Die 1973 geborene Klägerin, die die 2. Staatsprüfung für das Lehramt für Sonderpädagogik erfolgreich absolviert hat und seit 2006 als Lehrkraft im Angestelltenverhältnis beschäftigt ist, begehrt ihre Übernahme in das Beamtenverhältnis.
Im März 2008 beantragte die Klägerin ihre Verbeamtung. Daraufhin holte die Beklagte ein amtsärztliches Gutachten des Amtsarztes des Landkreises Hameln-Pyrmont ein. Im amtsärztlichen Zeugnis des Dr. med. D. vom 02.05.2008 heißt es u.a.:
"Im Vorgutachten des Landkreises Harburg wurde im Gutachten vom 29.12.2005 wegen eines erhöhten BMI (39) kein beamtentaugliches Zeugnis ausgestellt. Auch bei der heutigen Untersuchung wird erneut Adipositas festgestellt mit einem BMI von 36, gegenüber der Voruntersuchung ist eine Stammvarikosis beider Beine hinzugekommen. Aufgrund der Anamnese, der Laboruntersuchungen und des körperlichen Befundes kann erneut Eignung für den Schuldienst festgestellt werden. Eine uneingeschränkte Beamtentauglichkeit besteht jedoch nicht, da nach den heute erhobenen Untersuchungsbefunden der vorzeitige Eintritt dauernder Dienstunfähigkeit nicht ausgeschlossen werden kann."
Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 08.05.2008 den Antrag der Klägerin ab. Aus gesundheitlichen Gründen sei eine Verbeamtung zum gegebenen Zeitpunkt nicht möglich. Das Schreiben enthielt keine Rechtsbehelfsbelehrung.
Mit Schreiben ihrer jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 08.07.2008 an die Beklagte (dort zugegangen am 10.07.2008) wandte sich die Klägerin gegen diese Ansicht und forderte, im Wege des Schadenersatzes besoldungs- und versorgungsrechtlich so gestellt zu werden, wie sie stünde, wenn sie in das Beamtenverhältnis übernommen worden wäre. Mit Schreiben vom 09.10.2008 lehnte die Beklagte auch die Schadenersatzforderung ab.
Die Klägerin hat am 15.12.2008 Klage erhoben.
Sie trägt vor: Aufgrund europarechtlicher Vorschriften relativiere sich eine reine beamtenrechtliche Betrachtungsweise. Nach der Definition der Adipositas-Gesellschaft gelte die Adipositas als chronische Gesundheitsstörung und sie, die Klägerin, sei damit im Sinne der Richtlinie 2000/78/EG und des AGG behindert. Die Ablehnung ihres Antrages auf Verbeamtung stelle eine Diskriminierung wegen ihrer Behinderung dar. Raucher hätten ein viel höheres Risiko, vorzeitig zu erkranken und würden nicht vom Beamtenstatus ausgeschlossen.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung der Bescheide vom 08.05.2008 und 09.10.2008
- 1.)
die Beklagte zu verpflichten, sie, die Klägerin, in das Beamtenverhältnis auf Probe (BesGr. A 13 BBesO) einzustellen und
- 2.)
die Beklagte zu verurteilen, sie bis zu einer Einstellung in das Beamtenverhältnis im Wege des Schadenersatzes besoldungs- und versorgungsrechtlich so zu stellen, wie sie stünde, wenn sie zum 01.08.2008, hilfsweise zu einem späteren Zeitpunkt, in das Beamtenverhältnis eingestellt worden wäre.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen
Sie tritt der Klage entgegen.
Alle Beteiligten haben sich mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Im Einverständnis der Beteiligten ergeht die Entscheidung weiterhin ohne mündliche Verhandlung, § 101 Abs. 2 VwGO.
Die Klage hat keinen Erfolg. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Übernahme in das Beamtenverhältnis. In der Ablehnung ihres Antrages auf Verbeamtung liegt keine rechtswidrige Diskriminierung von Behinderten.
Sowohl § 8 Abs. 5 NBG in der vor April 2009 geltenden Fassung (der zum Zeitpunkt des Bescheides vom 08.05.2008 noch galt) als auch § 9 Abs. 2 NBG n. F. setzen für die Berufung in das Beamtenverhältnis die gesundheitliche Eignung des Bewerbers voraus, die aufgrund eines amtsärztlichen Gutachtens festzustellen ist.
Die von der Beklagten nach den vorgenannten Vorschriften vorzunehmende Beurteilung der erforderlichen gesundheitlichen Eignung ist ein Akt wertender und prognostischer Erkenntnis. Er ist als solcher vom Gericht nur beschränkt darauf zu überprüfen, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff verkannt, einen unrichtigen Sachverhalt zugrunde gelegt, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachwidrige Erwägungen angestellt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Februar 1993 - 2 C 27.90 -, BVerwGE 92, 147[BVerwG 25.02.1993 - 2 C 27/90]; VG Düsseldorf, Urteil vom 21. Februar 2006 - 2 K 3892/04 -, juris; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 14. März 2007 - 1 K 757/04 - und Urteil vom 25.06.2008 - 1 K 3143/06; siehe auch Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Loseblatt- Komm., § 7 LBG NRW Rn. 87). Derartige Fehler sind im Fall der Klägerin nicht feststellbar.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts fehlt es an der gesundheitlichen Eignung bereits dann, wenn Umstände gesundheitlicher Art festgestellt werden, die geeignet sind, den Beamten für die Übernahme in das Beamtenverhältnis untauglich erscheinen zu lassen; hierfür genügt schon eine körperliche oder psychische Veranlagung der Art, dass die Möglichkeit häufiger Erkrankungen oder des Eintritts dauernder Dienstunfähigkeit schon vor Erreichen der Altersgrenze nicht mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann (VG Gelsenkirchen, Urteil vom 25.06.2008 - 1 K 3143/06 -, zit. n. juris, mit w. N. insbesondere zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts).
Dabei kommt es nicht darauf an, dass hier erst einmal "nur" die Berufung in ein Beamtenverhältnis auf Probe von der Klägerin begehrt wird. Liegen bereits vor Begründung eines Probebeamtenverhältnisses gesundheitliche Risiken vor, bei deren Realisierung der Eintritt vorzeitiger Dienstunfähigkeit nicht mehr mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, kann der Dienstherr von der Berufung des Bewerbers in ein Beamtenverhältnis überhaupt absehen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass dem Beamten diese Umstände bei einer späteren Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit dann nicht mehr entgegengehalten werden können, wenn er in Kenntnis dieser Risikofaktoren in das Beamtenverhältnis auf Probe übernommen wurde und über die Ernennung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zu entscheiden ist, ohne dass es dann anschließend innerhalb der Probezeit zu einer konkreten Erkrankung gekommen ist.
Zu Recht ist die Beklagte nach diesen Grundsätzen aufgrund des eingeholten amtsärztlichen Gutachtens zu dem Ergebnis gekommen, dass bei der Klägerin nicht mit einem für die Übernahme in das Beamtenverhältnis erforderlichen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit der Eintritt einer vorzeitigen Dienstunfähigkeit ausgeschlossen werden kann
Der beauftragte Amtsarzt hatte neben einer Stammvarikosis beider Beine (Krampfadern) bei der Klägerin Adipositas mit einem sogenannten "Body-Maß-Index" - BMI - von 36 festgestellt. Bis zu einem Maß von 25 gilt ein Mensch als normalgewichtig, danach als übergewichtig. Ab einem Maß von 30 beginnt Adipositas 1. Grades. Mit einem BMI von 36 leidet die Klägerin sogar bereits an Adipositas 2. Grades.
Zwar hatte - worauf sich die Klägerin beruft - das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen in einer älteren Entscheidung die Entlassung eines Beamten auf Probe wegen gesundheitlicher Nichtbewährung beanstandet, weil es in den damaligen Fall trotz des Übergewichts des Beamten aufgrund eines Sachverständigengutachtens kein erhöhtes Risiko einer vorzeitigen Dienstunfähigkeit sah (Urteil vom 19.04.1991 - 1 K 293/90 -, zit. n. juris). Die Kammer vermag die Gründe des genannten Urteils jedoch nicht auf den Fall der Klägerin übertragen. Das VG Gelsenkirchen selbst hat im Übrigen dann auch in späteren Entscheidungen starkes Übergewicht ebenfalls als ausreichenden Grund angesehen, die Übernahme in ein Beamtenverhältnis abzulehnen (vgl. Urteil vom 25.06.2008, a.a.O.).
Es ist in der medizinischen Wissenschaft anerkannt, dass Übergewicht und Fettleibigkeit (Adipositas) hohe Risikofaktoren für die Entwicklung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind. Adipositas erhöht das Risiko für arterielle Hypertonie (Bluthochdruck), Diabetes mellitus Typ 2 (Altersdiabetes, Zuckerkrankheit), Reflux, Herzinfarkte, Arteriosklerose, Schlaganfälle, Brustkrebs, Arthritis und Arthrose, Gelenkschmerzen, degenerative Wirbelsäulenerkrankungen wie Osteochondrosis intervertebralis, Fußdeformitäten (Stempelfuß), Gallenblasenerkrankungen, Gicht und das Obstruktive Schlafapnoe-Syndrom. Kommen noch Risikofaktoren wie Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit), Stoffwechselstörungen (erhöhtes Cholesterin, bzw. LDL) oder Bluthochdruck hinzu, wird die Gefahr einer Herz-Kreislauf-Erkrankung (kardiometabolischen Risikofaktoren) nochmals deutlich erhöht, ebenso das Risiko eines verfrühten Todes.
In Übereinstimmung damit führt auch das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen in seinem bereits zitierten Urteil vom 25.06.2008 heißt es dazu u.a.:
"Die Kammer ... geht nach wie vor davon aus ..., dass nach dem Stand wissenschaftlicher Erkenntnisse anerkannt ist, dass bereits Adipositas Grad I regelmäßig ein deutlich erhöhtes Risiko für Folge- bzw. Begleiterkrankungen wie z.B. Typ 2 Diabetes, Herz-Kreislauferkrankungen, arterielle Hypertonie sowie Gelenk- und Rückenbeschwerden nach sich zieht. In den von der Kammer in dem unter dem Az. 1 K 6123/01 geführten Verfahren eingeholten und diesem Verfahren beigezogenen Sachverständigengutachten des Ärztlichen Direktors des Deutschen Diabetes-Forschungszentrums an der Universität vom 19. Juli 2005 und des Leitenden Oberarztes der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der I1. -I2. Universität E. vom 24. Oktober 2005 ist übereinstimmend festgehalten: "Oberhalb eines BMI von 30 (deutliches bis extremes Übergewicht) findet sich in allen zur Zeit in der Literatur vorliegenden Arbeiten (Medline Research 1980 - 2005) ein erhöhtes kardiovasculäres Risiko beschrieben."
Dem schließt sich die erkennende Kammer an. Die allgemeinen Ausführungen zu Adipositas im Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 04.05.2009 sind nicht geeignet, die vorstehenden Gründe zu entkräften. Entscheidend ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, ob künftig mit häufigen Erkrankungen oder sogar mit dem Eintritt dauernder Dienstunfähigkeit zu rechnen ist. Diese Prognose kann im Rahmen des dem Dienstherrn zustehenden Beurteilungsspielraums grundsätzlich auch alleine anhand von Risikofaktoren unter Rückgriff auf wissenschaftliche Erkenntnisse und Erfahrungswerte getroffen werden. Die bei der Klägerin festgestellte Adipositas 2. Grades bietet dafür einen hinreichenden objektiven Anhaltspunkt. Es liegen demgegenüber keine Anhaltspunkte dafür vor, dass bei der Klägerin das mit einem BDI von 36 verbundene Risiko gesundheitlicher Erkrankungen abweichend vom Regelfall ausnahmsweise günstiger zu bewerten sein könnte.
Ob bei Rauchern statistisch ebenfalls ein erhöhtes Risiko einer vorzeitigen Dienstunfähigkeit besteht (diese Auffassung vertritt wohl Summer in seiner Entscheidungsbesprechung zum Urteil des VG Gelsenkirchen vom 19.04.1991 in ZBR 1992, 29 f.) bedarf hier keiner weiteren Klärung. Darauf kommt es jedenfalls hier nicht an. Zum Einen ist eine Adipositas nicht mit dem Rauchen vergleichbar. Und zum Anderen gibt es keine Gleichheit im Unrecht und die Klägerin kann nicht beanspruchen, gegebenenfalls genauso falsch behandelt zu werden wie ein anderer Personenkreis mit aus ihrer Sicht ähnlichen gesundheitlichen Risiken.
Zu einem anderen Ergebnis führt auch nicht § 13 Abs. 1 NLVO in der bis zum 30. März 2009 geltenden Fassung bzw. § 14 Abs. 1 NLVO n. F. Die Niedersächsische Laufbahnverordnung schreibt vor, dass von schwerbehinderten Menschen bei der Einstellung nur das Mindestmaß an körperlicher Eignung für die Wahrnehmung von Laufbahnaufgaben verlangt werden darf.
Unstreitig ist die Klägerin nicht schwerbehindert iSd § 2 Abs. 2 SGB IX und auch nicht einer Schwerbehinderten gleichgestellt. Eine Herabsetzung des Maßstabes auf das Niveau des § 13 bzw. nunmehr § 14 NLVO kommt nach alledem schon deshalb nicht in Betracht.
Die Klägerin kann sich daneben weder auf eine Verletzung des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG bzw. auf einen Verstoß gegen §§ 7, 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) noch auf eine Verletzung der Richtlinie 2000/78/EG (Amtsblatt EG vom 02.12.2000 - L 303/16) berufen.
Nach Art. 3 Abs. 3 GG darf niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Auch § 7 AGG verbietet eine Benachteiligung wegen einer Behinderung. Die Richtlinie 2000/78/EG soll eine Diskriminierung von Arbeitnehmern u.a. wegen einer Behinderung bekämpfen (Art. 1 der Richtlinie).
Die Klägerin ist nicht im Sinn dieser Vorschriften behindert, ohne dass es darauf ankommt, ob der Begriff der Behinderung nach dem SGB IX und dem AGG sich nun unterscheiden oder nicht (für eine unterschiedliche Begriffsbestimmung: LAG Düsseldorf, Urt. vom 14.05.2008 - 12 Sa 256/08 -; a. A. VG Gelsenkirchen, Urt. v. 12.03.2008 - 1 K 6980/03 -, jeweils zit. n. juris).
Gemäß § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist zwar der Begriff ‚Behinderung‘ in der Richtlinie 2000/78/EG selbst nicht definiert, jedoch europaweit einheitlich auszulegen. Behinderung im Sinne der Richtlinie 2000/78/EG ist danach so zu verstehen, dass er eine Einschränkung erfasst, die insbesondere auf physische, geistige oder psychische Beeinträchtigungen zurückzuführen ist und die ein Hindernis für die Teilhabe des Betreffenden am Berufsleben bildet. Weder eine erhöhte Krankheitsanfälligkeit (vgl. dazu LAG Düsseldorf, a.a.O. m.w.N.) noch eine Krankheit allein stellt an sich bereits eine Behinderung dar. Denn eine Krankheit ist nicht automatisch mit einer Behinderung - auch nicht im weiten europarechtlichen Sinne - gleichzusetzen. Vielmehr ist mit Verwendung des Begriffes "Behinderung" in Artikel 1 der Richtlinie 2000/78/EG bewusst ein Wort gewählt worden, das sich von dem der "Krankheit" unterscheidet." (EuGH, Urteil vom 11.07.2006, C-13/05 Sonia Chacón Navas, Rdnr. 44; vgl. auch LAG Düsseldorf, a.aO.).
Nach alledem kann allein aufgrund eines überdurchschnittlichen Übergewichts keine Behinderung angenommen werden (so auch VG Gelsenkirchen, Urteile vom 25.06.2008, a.a.O. und Urteil vom 12.03.2008 - 1 K 6980/03 -, zit. n. juris). Ein grundsätzliches Hindernis für die Teilhabe des Betreffenden am Berufsleben bildet die Adipositas der Klägerin nicht, wie auch ihre Beschäftigung als Lehrkraft im Angestelltenverhältnis zeigt. Weder aus dem amtsärztlichen Gutachten noch aus dem Klagvortrag der Klägerin selbst sind Einschränkungen der Klägerin bei der Teilhabe am Berufsleben ersichtlich.
Aber selbst unterstellt, die Klägerin hätte Recht und bei ihr würde eine Behinderung bereits allein infolge ihres Übergewichts vorliegen, kann in der Ablehnung ihres Antrages auf Übernahme in das Beamtenverhältnis keine unzulässige Diskriminierung gesehen werden.
Die Klägerin wurde nicht wegen einer "Behinderung" nicht in das Beamtenverhältnis berufen, sondern ausschließlich deshalb, weil die Beklagte die Gefahr gesehen hat, dass die Klägerin vorzeitig dienstunfähig werden könnte. Es wird nach alledem überhaupt nicht auf die Behinderung an sich abgestellt, sondern allein auf die Frage, wie wahrscheinlich es ist, dass vorzeitige Dienstunfähigkeit eintritt.
Im Übrigen finden jedenfalls die bundesgesetzlichen Regelungen, die ihre Grundlage in Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG haben, ihre verfassungsmäßigen Grenzen in Art. 33 Abs. 2 GG (VG Gelsenkirchen, Urt. v. 12.03.2008, a.a.O.), der eine Differenzierung nach der Eignung - und damit auch nach der gesundheitlichen Eignung - erlaubt. Selbst eine - hier einmal unterstellte - mittelbare Diskriminierung iSd. § 3 Abs. 2 AGG wäre nach dieser Vorschrift nach alledem unschädlich, weil sie durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Denn die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums umfassen auch das Lebenszeitprinzip und die Verpflichtung des Dienstherrn zur lebenslangen Alimentation. Es ist somit gerechtfertigt, bei der Frage der Eignung die gesundheitliche Eignung zu berücksichtigen, die voraussetzt, dass der Beamte voraussichtlich die gesetzliche Altersgrenze im aktiven Dienst erreichen wird (so auch VG Gelsenkirchen, Urt. v. 12.03.2008, a.a.O., m.w.N.). Dies ergibt sich im Übrigen bereits aus der Regelung des § 8 Abs. 1 AGG.
Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat in dem genannten Urteil dazu ausgeführt:
"Speziell für berufliche Anforderungen lässt § 8 Abs. 1 AGG eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes - also auch wegen einer Behinderung - zu, wenn der Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt. Die erste Alternative - Art der auszuübenden Tätigkeit - ist hier nicht einschlägig, wie die nicht selten praktizierte Tätigkeit von Angestellten im öffentlichen Schulwesen deutlich macht. Die zweite Alternative greift hier ein. Da das AGG gemäß § 24 Nr. 1 bei Beamten "unter Berücksichtigung ihrer besonderen Rechtsstellung" anzuwenden ist, gehört auch die Ausgestaltung des Beschäftigungsverhältnisses als grundsätzlich auf Lebenszeit angelegtes Dienst- und Treueverhältnis mit den Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 und 5 GG zu den "Bedingungen ihrer Ausführung" im Sinne des § 8 Abs. 1 AGG. Die Bedingungen der Ausübung einer Tätigkeit werden insbesondere durch das Verhältnis von Arbeitsleistung einerseits und Entgelt andererseits geprägt. Für die Höhe des aktuell zu gewährenden Entgelts kann es maßgeblich sein, ob der Arbeitgeber auch Leistungen für die Zeit nach dem aktiven Berufsleben zusagt, etwa in Form einer betrieblichen Altersversorgung.
In einem privaten Arbeitsverhältnis und in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis steht eine Pensionszusage damit in einer wesentlichen Korrelation zu der aktuellen Dienstleistung durch den Angestellten oder Beamten. Die gesundheitlichen Eignungsanforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG und die aus dem Lebenszeit- und Alimentationsprinzip folgenden Belange des Art. 33 Abs. 5 GG stellen eine zulässige Anforderung im Sinne des § 8 Abs. 1 AGG mit einem rechtmäßigen Zweck dar und sie sind auch verhältnismäßig. Dies folgt aus den vorstehenden Überlegungen zu Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG. Die von der obergerichtlichen Rechtsprechung für die Rechtfertigung des Höchstalters angeführten Belange kommen deshalb auch hier maßgeblich zum Tragen, vgl. OVG NRW, Urteile vom 18. Juli 2007 und 19. Dezember 2007, a.a.O.; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 10. August 2007 - 2 A 10294/07 -, DÖD 2008, 66 [OVG Rheinland-Pfalz 10.08.2007 - 2 A 10294/07/OVG]. Es bleibt allerdings das systematische Bedenken, dass das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz versorgungsrechtliche Belange als Rechtfertigung bei der Altersdifferenzierung gemäß § 10 Nr. 3 und 4 AGG ausdrücklich vorsieht, nicht jedoch bei der Differenzierung nach der Behinderung in § 8 AGG, vgl. Otte, ZBR 2007, 401, 403. Aber der hier zu erwägende Umkehrschluss ist jedenfalls im Beamtenrecht nicht zwingend. Denn das AGG gilt für den Beamtenbereich nur "unter Berücksichtigung der besonderen Rechtsstellung" der Beamten (§ 24 Nr. 1 AGG). Das auf Lebenszeit angelegte Dienst- und Treueverhältnis prägt die besondere Rechtsstellung der Beamten. Dies schließt die Gewährleistung der effizienten staatlichen Verwaltung durch lebenslang wirkende Amtswalter ebenso ein wie die Alimentationsbelange des Dienstherrn."
Dem schließt sich die Kammer an.
Europarechtliche Regelungen stehen dem nicht entgegenhalten. Nach Art. 4 Abs. 1 Richtlinie 2000/78/EG wäre selbst im Fall einer Behinderung insoweit eine Differenzierung zulässig. Denn unter den Begriff der "bestimmten beruflichen Tätigkeit" lässt sich auch das Beamtenverhältnis als ein Beschäftigungsverhältnis ganz besonderer Art einordnen. Die Kammer folgt hier ebenfalls der Ansicht des VG Gelsenkirchen im Urteil vom 12.03.2008 (a.a.O.), in dem es dazu u.a. heißt:
"Auch aus dem Europarecht lässt sich eine Herabsetzung der gesundheitlichen Eignungsanforderungen nicht rechtfertigen. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz stellt unter anderem eine Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. Nr. L 303 Seite 16) dar, so dass das AGG europarechtskonform auszulegen ist, vgl. Summer, PersV 2007, 223, 226: Europarechtskonform sei die Benachteiligung nur, wenn die Dienstleistung als solche eingeschränkt ist, nicht aber wenn die Behinderung nur zur früheren Beendigung der Dienstleistung führt. In dieser Richtlinie ist nicht nur der Behindertenbegriff mit demjenigen des AGG identisch, sondern auch die Rechtfertigung für unterschiedliche Behandlungen. Der für die beruflichen Anforderungen einschlägige Art. 4 RL enthält wie der ihm nachgebildete § 8 AGG die Rechtfertigung der "Bedingungen ihrer Ausübung" in Kombination mit einem rechtmäßigen Zweck und der Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsprinzips. Das letztgenannte Prinzip findet darüber hinaus seinen Niederschlag in Art. 5 RL, der die Vorkehrungen für Behinderte davon abhängig macht, dass der Arbeitgeber dadurch nicht unverhältnismäßig belastet wird.
Außerdem finden Sonderbehandlungen von Behinderten ihre Legitimation in den Erwägungen, die dem Text der Richtlinie vorangestellt sind. In Nr. 17 wird den gesundheitlichen Anforderungen im engeren Sinne Rechnung getragen und in Nr. 23 werden unterschiedliche Behandlungen in Bezug auf die Behinderung als gerechtfertigt angesprochen, wenn eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung dafür vorliegt. Die in Nr. 23 Satz 2 der Erwägungen vorgesehene Berichtspflicht bekräftigt die Zulässigkeit von besonderen Anforderungen, die zu einer unterschiedlichen Behandlung von Behinderten führen. Wenn die Mitgliedsstaaten nach dieser Regelung gehalten sind, derartige besondere Anforderungen der Kommission mitzuteilen, belegt dies, dass die Richtlinie offen ist für differenzierende Anforderungen des nationalen Rechts, wie sie im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz getroffen wurden. Die Richtlinie belässt dem nationalen Gesetzgeber Gestaltungsspielräume insbesondere in Bezug auf die Anforderungen, die die Mitgliedsstaaten als Dienstherrn an ihre Beamtenbewerber stellen; sie zwingt deshalb nicht zu einer anderen Auslegung des AGG."
Entsprechend stehen der Klägerin auch keine Schadensersatzansprüche zu.
Mangels eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot des AGG besteht kein Anspruch auf Entschädigung nach § 15 AGG.
Aus anderen Gründen kann die Klägerin ebenfalls keine Ansprüche au Schadensersatz aus Führsorgepflichtverletzung ableiten.
Es kann deshalb offenbleiben, ob ein derartiger Anspruch grundsätzlich zu verneinen ist und stattdessen vielmehr auf ein Schadensersatzanspruch aus einer "beamtenrechtlichen Sonderverbindung" angenommen werden kann (BVerwG, Urt. v. 25.08.1988 - 2 C 51/86 -; OVG Münster, Urt. v. 06.11.2008 - 6 A 1054/05 -, zit. jew. n. juris) oder ob möglicherweise doch Konstellationen denkbar sind, in denen auch vor Begründung eines Beamtenverhältnisses schon Rückgriff auf die Fürsorgepflicht genommen werden kann. Da die Beklagte, wie oben dargelegt, rechtmäßig gehandelt hat, scheitert bereits daran ein Schadenersatzanspruch sowohl aus Fürsorgepflichtverletzung als auch aus einer angenommenen "Sonderverbindung", die wohl das Äquivalent der quasivertraglicher Haftung nach § 282 BGB analog im öffentlichen Recht darstellen soll.
Über Amtshaftungsansprüche nach Art. 34 GG, § 839 BGB war hier nicht zu entscheiden, § 17 Abs. 2 Satz 2 GKG.
Gründe für die Zulassung der Berufung gem. §§ 124a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO sind nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.