Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 13.07.2020, Az.: 3 Ws 164/20

Keine Anrechenbarkeit der besonderen Verfahrensgebühren des Adhäsionsverfahrens auf andere Gebühren

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
13.07.2020
Aktenzeichen
3 Ws 164/20
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2020, 44258
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2020:0713.3WS164.20.00

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hildesheim - 31.03.2020 - AZ: 22 KLs 6 Js 19683/18

Fundstellen

  • AGS 2020, 568-569
  • JurBüro 2020, 584-585
  • Rpfleger 2021, 64-65
  • StRR 2020, 4
  • StraFo 2021, 41-42
  • VRR 2020, 3
  • VRR 2020, 25-26

Amtlicher Leitsatz

Die besonderen Gebühren für das Adhäsionsverfahren erhält der Vertreter eines Verfahrensbeteiligten zusätzlich zu den ihm im Übrigen zustehenden Gebühren; sie werden auf diese nicht angerechnet.

Tenor:

  1. 1.

    Auf die sofortige Beschwerde der Neben- und Adhäsionsklägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Hildesheim vom 31. März 2020 dahin abgeändert, dass

a) die der Neben- und Adhäsionsklägerin von dem Verurteilten zu erstattenden Auslagen auf insgesamt 2.216,38 Euro festgesetzt werden und

b) der festgestellte Übergang des Erstattungsanspruchs in Höhe von 609,28 Euro auf die Staatskasse entfällt.

  1. 2.

    Die Kosten des Rechtsmittels und die der Beschwerdeführerin hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen hat der Verurteilte zu tragen.

  2. 3.

    Der Beschwerdewert beträgt 609,28 Euro.

Gründe

I.

Das Landgericht Hildesheim hat am 3. Juli 2019 wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen gegen den Verurteilten eine Freiheitsstrafe verhängt und ihn dazu verurteilt, der Nebenklägerin 4000 € Schmerzensgeld nebst Zinsen zu zahlen. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Nebenklägerin hat das Landgericht dem Verurteilten auferlegt. Ferner hat es angeordnet, dass der Verurteilte auch die besonderen Kosten des Adhäsionsverfahrens und die der Nebenklägerin hierdurch erwachsenen notwendigen Auslagen bis zu einem Streitwert von 7000 € zu tragen hat. Die weitergehenden notwendigen Auslagen der Beteiligten im Adhäsionsverfahren hat es der Nebenklägerin auferlegt. Das Urteil ist seit dem 10. Dezember 2019 rechtskräftig.

Mit Schriftsatz vom 30. Januar 2020 beantragte der Beistand der Neben- und Adhäsionsklägerin die ihr vom Verurteilten zu erstattenden Auslagen im Adhäsionsverfahren auf 2.216,38 € festzusetzen. Mit Schriftsatz vom gleichen Tag beantragte er ferner, die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen gegenüber der Staatskasse in Höhe von 609,28 € festzusetzen.

Mit Verfügung vom 6. März 2020 hat die Kostenbeamtin des Landgerichts die dem Beistand der Nebenklägerin aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf 609,28 € festgesetzt. Mit Beschluss vom 31. März 2020 hat das Landgericht - Rechtspflegerin - die der Neben- und Adhäsionsklägerin vom Verurteilten zu erstattenden notwendigen Auslagen auf 1607,10 € festgesetzt und daneben einen Übergang des Erstattungsanspruchs in Höhe von 609,28 € auf die Staatskasse festgestellt.

Gegen den - ihrem Beistand am 28. April 2020 zugestellten - Beschluss vom 31. März 2020 wendet sich die Neben- und Adhäsionsklägerin mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 11. Mai 2020, soweit ein Betrag in Höhe von 609,28 € nicht zu ihren Gunsten festgesetzt, sondern festgestellt worden ist, dass dieser Betrag auf die Staatskasse übergegangen sei.

Die Vertreterin der Landeskasse hält das Rechtsmittel für begründet. Der Verurteilte hat von der über seinen Verteidiger gewährten Möglichkeit zur Stellungnahme keinen Gebrauch gemacht.

II.

Die sofortige Beschwerde der Neben- und Adhäsionsklägerin hat Erfolg.

1. Das Rechtsmittel ist nach §§ 464b Satz 3 StPO, 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO, 11 Abs. 3 RpflG zulässig. Die Zweiwochenfrist des § 464b Satz 4 StPO ist gewahrt. Der in Kostensachen geltende Beschwerdegrenzwert des § 304 Abs. 3 StPO wird überschritten. Über das Rechtsmittel hat der Senat in der für Strafsachen vorgeschriebenen Dreierbesetzung zu entscheiden (vgl. Senatsbeschluss vom 6. Mai 2019 - 3 Ws 136/19 - mwN).

2. Das Rechtsmittel ist auch begründet.

Die Bezirksrevisoren bei dem Oberlandesgericht als Vertreterin der Landeskasse hat dazu in ihrer Stellungnahme vom 19. Juni 2020 ausgeführt:

"Die Gebühren Nr. 4143 sowie Nr. 4144 VV RVG entstehen als zusätzliche Verfahrensgebühren für das erstinstanzliche bzw. das Berufungs- bzw. Revisionsverfahren im Adhäsionsverfahren. Laut Urteil der 2. großen Jugendkammer - 22 KLs 6 Js 19683/18 - ist der Angeklagte rechtskräftig u. a. zu den besonderen Kosten des Adhäsionsverfahrens verurteilt worden und hat die Auslagen der Nebenklägerin zu tragen. Eine Beiordnung des Vertreters der Nebenklage ist für das Strafverfahren (Bl. 365, 367 Bd. II), jedoch nicht für das Adhäsionsverfahren erfolgt (S. auch Bl. 372 Bd. II. d.A.). Daher sind die Kosten auf Antrag des Beistandes der Nebenklägerin gegen den Verurteilten festgesetzt worden.

Die dem beigeordneten Beistand der Nebenklägerin aus der Staatskasse ausgezahlte Verfahrensgebühr für die Revision des Strafverfahrens Nr. 4130 KV RVG ist jedoch nicht auf die Gebühren des Adhäsionsverfahrens anrechenbar (...). Die Anrechnung entbehrt der Grundlage."

Dem tritt der Senat bei.

Das Vergütungsverzeichnis zum RVG sieht in Nrn. 4143 und 4144 besondere Verfahrensgebühren für das Adhäsionsverfahren vor. Diese Gebühren erhält der Vertreter eines Verfahrensbeteiligten zusätzlich zu den ihm im Übrigen zustehenden Gebühren; sie werden auf diese nicht angerechnet (vgl. Burhoff in Gerold/Schmidt, RVG 20. Aufl. VV 4143, 4144 RVG Rn. 2). Anderenfalls würde der mit diesen Gebührentatbeständen verfolgte Zweck, einen Anreiz zum Betreiben des Adhäsionsverfahrens zu schaffen, unterlaufen. Einzige, indes hier nicht einschlägige Ausnahme ist die in Anmerkung 2 zu Nr. 4143 VV RVG vorgesehene Anrechnung zu einem Drittel auf die Verfahrensgebühr für einen bürgerlichen Rechtsstreit wegen desselben Anspruchs.

Die Höhe der Gebühren nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer ist ausgehend von dem festgesetzten Streitwert zutreffend ermittelt worden.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 472, 472a StPO analog.