Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 09.11.2000, Az.: 2 W 132/00

Anfechtung; Vollstreckungshaftbefehl; Vollstreckungszwang; Erinnerung; Rechtsmittel; Rechtsbehelf; Anhörung; Vollstreckungsschuldner

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
09.11.2000
Aktenzeichen
2 W 132/00
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2000, 21332
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:2000:1109.2W132.00.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Aurich
AG Aurich

Fundstellen

  • InVo 2001, 458-459
  • OLGReport Gerichtsort 2001, 46

Amtlicher Leitsatz

Ein greifbar gesetzwidrig und zudem ohne Anhörung des Vollstreckungsschuldners zustandegekommener Vollstreckungshaftbefehl ist als Maßnahme des Vollstreckungszwangs mit der Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO anzufechten.

Tenor:

Auf die sofortige weitere Beschwerde des Schuldners werden der Beschluß 4. Zivilkammer des Landgerichts Aurich vom 15. August 2000 und der Haftbefehl des Amtsgerichts Aurich vom 11. Mai 2000 auf Kosten des Gläubigers aufgehoben.

Beschwerdewert: 1. 771, 60 DM.

Gründe

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1. Das Rechtsmittel ist nach § 793 Abs. 2 ZPO statthaft. Es ist zudem rechtzeitig eingelegt und nach § 568 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässig, weil in der angefochtenen Entscheidung für den Schuldner ein neuer selbständiger Beschwerdegrund enthalten ist. Dieser liegt darin, daß das Landgericht durch die Verwerfung der sofortigen Beschwerde als unzulässig ein sachliches Eingehen auf den Verfahrensgegenstand abgelehnt hat.

2

2. Das Rechtsmittel ist auch begründet.

3

Das Landgericht war für eine Entscheidung über den an das Amtsgericht gerichteten, freilich als "Beschwerde" bezeichneten Rechtsbehelf nicht zuständig. Der ohne Anhörung des Schuldners ohne jegliche rechtliche Grundlage ergangene Haftbefehl war jedenfalls unter den hier gegebenen Umständen als Maßnahme des Vollstreckungszwangs nach § 766 ZPO mit der Erinnerung anzufechten, erst gegen eine im Erinnerungsverfahren ergangene Entscheidung des Amtsgerichts kam eine sofortige Beschwerde nach § 793 ZPO in Betracht. Dabei muß nicht grundsätzlich entschieden werden, ob ein derartiger Haftbefehl immer erst mit der Erinnerung nach § 766 ZPO anzugreifen ist oder ob im Regelfall sogleich (nur) die sofortige Beschwerde gegeben ist (vergl. zum Meinungsstand Zöller/Stöber, ZPO, 21. Auflage, § 901 Rdn 13 einerseits sowie Baumbach/Lauterbach, ZPO, 58. Auflage, § 901 Rdn 13 und Musielak, ZPO, § 901 Rdn 10 andererseits). Jedenfalls unter den hier vorliegenden Umständen war der Rechtsbehelf des Schuldners schon vom Amtsgericht als - zulässige - Erinnerung nach § 766 ZPO zu behandeln:

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Der Haftbefehl wäre kurzerhand aufzuheben gewesen. Er war - greifbar - unrechtmäßig ergangen. Weder waren die Voraussetzungen für den Erlaß eines Haftbefehls nach § 901 ZPO gegeben, noch war die Vorlage der Vollstreckungsunterlagen durch den Gerichtsvollzieher an das Vollstreckungsgericht zur Entscheidung über den Erlaß eines solchen Haftbefehls erfolgt. Vielmehr hatte der in dem Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung am 01. 03. 2000 vor dem Gerichtsvollzieher erschienene Schuldner zu Protokoll Einwendungen erhoben und hierdurch seine Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung bestritten, so daß der Gerichtsvollzieher laut Protokoll vom 01. 03. 2000 verfügt hatte:

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Der Vorgang w. d. Vollstreckungsgericht zur Entscheidung vorgelegt (§ 900 Abs. 4 ZPO).

6

Auch in dem Übersendungsschreiben an das Vollstreckungsgericht vom 03. 05. 2000 war dies noch einmal ausdrücklich wiederholt worden. Auf die Vorlage hin hätte mithin das Vollstreckungsgericht über den Widerspruch des Schuldners nach § 900 Abs. 4 Satz 1 ZPO zu entscheiden gehabt. Diese Entscheidung steht bis heute aus und ist nachzuholen. Erst nach dem Eintritt der Rechtskraft dieser Entscheidung erfolgt gemäß § 900 Abs. 4 Satz 2 ZPO die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung.

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3. Im übrigen wäre, wie angemerkt werden soll, der Rechtsbehelf des Schuldners auch als sofortige Beschwerde, wenn (nur) dieses Rechtsmittel gegeben gewesen wäre, nicht unzulässig gewesen. Das Landgericht hat insoweit ausgeführt: Die zweiwöchige Frist zur Einlegung sei nicht eingehalten. Sie habe mit der Bekanntgabe des Haftbefehls an den Schuldner durch den Gerichtsvollzieher am 10. 07. 2000 begonnen. Das trifft jedoch nicht zu. Die Bekanntmachung erfolgt mit Übergabe des Haftbefehls in beglaubigter Abschrift an den Schuldner gem. § 909 Abs. 1 Satz 2 ZPO (Zöller/Stöber a. a. O. , § 901 Rdn. 9). Wenn der Haftbefehl weder verkündet noch zugestellt ist, so beginnt die Beschwerdefrist mit der Übergabe einer beglaubigten Abschrift nach § 909 Abs. 1 Satz 2 ZPO (Baumbach/Lauterbach a. a. O. , § 901 Rdn. 13; Musielak a. a. O. , § 901 Rdn. 10). Hier hat der Gerichtsvollzieher laut Protokoll vom 10. 07. 2000 - lediglich - die Zwangsvollstreckung vorläufig eingestellt, nachdem der Schuldner an ihn eine Teilzahlung in Höhe von 300, DM entrichtet hatte. Eine Bekanntgabe des Haftbefehls oder gar die Übergabe einer beglaubigten Abschrift ergibt sich aus dem Vollstreckungsprotokoll nicht. Nach den Vollstreckungsakten des Gerichtsvollziehers ist der Haftbefehl dem Schuldner vielmehr erst am 31. 07. 2000 vom Gerichtsvollzieher durch Zustellung übergeben worden. Die am selben Tage zu Protokoll des Gerichtsvollziehers und durch Einreichung eines Anwaltschreibens vom 28. 07. 2000 eingelegte "Beschwerde" wäre mithin auch als sofortige Beschwerde fristgerecht gewesen.

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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

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