Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 18.06.2014, Az.: 6 A 242/13
Gemeingebrauch; Gewohnheitsrecht; Sondernutzung; Überwuchs; Verwirkung
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 18.06.2014
- Aktenzeichen
- 6 A 242/13
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2014, 42512
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 124 BGBEG
- § 11 SOG ND
- § 18 StrG ND
- § 22 S 1 StrG ND
- § 31 StrG ND
- § 32 Abs 1 StVO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Der Überwuchs von Pflanzenteilen in den öffentlichen Verkehrsraum stellt in der Regel keine Sondernutzung i. S. v. § 18 Abs. 1 Satz 1 NStrG dar.
2. Die zuständigen Ordnungsbehörden können den Eigentümer des der Straße benachbarten Grundstücks über § 11 SOG i. V. m. § 32 Abs. 1 Satz 1 und 2 StVO verpflichten, das Lichtraumprofil über einem gemeinsamen Geh- und Radweg bis zu einer Höhe von 2,50 m freizuschneiden.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid, mit dem ihm aufgegeben wurde, von seinem Grundstück auf einen öffentlichen Geh- und Radweg hineinragenden Bewuchs zurückzuschneiden.
Er ist seit 1997 Eigentümer des Grundstücks „F.“ (Gemarkung G., H.) mit einer Gesamtgröße von ca. 27,8 ha. Das Grundstück grenzt auf einer Länge von ca. 560 m an die I. (J.) in Braunschweig. Die J. verbindet die Kernstadt von Braunschweig mit dem Stadtteil K. und weiteren Ortsteilen. Im Bereich des „F“ befinden sich auf beiden Straßenseiten kombinierte Geh- und Radwege. Der Kläger ist darüber hinaus Eigentümer der auf der gegenüberliegenden Seite an die J. grenzenden Grundstücke, auf denen sich vier über die J. zu erreichende Gebäude befinden. Alle Grundstücke werden im Wesentlichen als Waldfläche genutzt und befanden sich zuvor seit den 50er Jahren im Eigentum des Vaters des Klägers.
Aufgrund von Bürgerbeschwerden fand in den Jahren 1984 und 2000 zwischen dem Vater des Klägers bzw. dem Kläger und der Beklagten Schriftverkehr zu der Frage statt, wer verpflichtet ist, von den genannten Grundstücken auf die Geh- und Radwege überhängenden Bewuchs, der den Radverkehr gefährdet, zu beseitigen. Wegen der Einzelheiten dieses Schriftverkehrs wird auf die vorgelegten Unterlagen der Beklagten (vgl. Bl. 19-24 der Gerichtsakte) verwiesen. Zwischen 1984 und 2008 wurden einzelne auf die Geh- und Radwege von den Grundstücken des Klägers überhängende Zweige durch Mitarbeiter der Beklagten zurückgeschnitten. Dafür entstandene Kosten wurden dem Kläger oder seinem Vater nicht in Rechnung gestellt. Auf entsprechende Beschwerden forderte die Beklagte den Kläger sowohl 2011 als auch 2012 auf, für einen verkehrssicheren Zustand auf dem an sein Grundstück angrenzenden Geh- und Radweg zu sorgen und drohte die Ersatzvornahme an. Der Kläger vertrat – wie bereits in der Vergangenheit – die Ansicht, dazu nicht verpflichtet zu sein. Ein Rückschnitt des Bewuchses erfolgte im Jahr 2011 im Zuge einer Radwegesanierung, im Jahr 2012 im Zuge der Neuverlegung einer Strom- und Fernmeldenetzleitung durch die beauftragten Firmen.
Aufgrund mehrerer erneuter Beschwerden wegen in den Radweg hängender Zweige erging am 28.08.2013 der hier angefochtene Bescheid. Damit wurde dem Kläger seitens der Beklagten aufgegeben, den von seinem Grundstück, Gemarkung G., H., in den öffentlichen Straßenraum hineinragenden Bewuchs unverzüglich, spätestens innerhalb von 4 Wochen nach Zustellung der Verfügung, so weit zurückzuschneiden, dass über dem Fahrradweg ein Verkehrsraum von mindestens 2,50 m Höhe frei bleibt. Die sofortige Vollziehung wurde angeordnet und für den Fall der Nichtbefolgung das Zwangsmittel der Ersatzvornahme angedroht. Zur Begründung trug die Beklagte vor, die in den Straßenraum hineinwachsenden Äste und Zweige stellten eine unerlaubte Sondernutzung gemäß § 18 Abs. 1 Niedersächsisches Straßengesetz (NStrG) dar, da zum öffentlichen Straßenraum auch der Luftraum über dem Straßenkörper gehöre (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 NStrG). Als örtlich und sachlich zuständiger Straßenbaulastträger gemäß § 10 NStrG habe sie die Sicherheit und Ordnung des Verkehrs zu gewährleisten. Unter Beachtung der Richtlinien des Bundesministers für Verkehr an die nachgeordneten Straßenbaubehörden (Richtlinie für die Anlage von Straßen - Querschnittsgestaltung) müsse über Geh- und Radwegen ein Verkehrsraum einschließlich Sicherheitsraum von mindestens 2,50 m Höhe frei gehalten werden, um u. a. Beeinträchtigungen der Verkehrsteilnehmer und daraus resultierende Unfallgefahren zu verhindern. Von der unerlaubten Sondernutzung gehe eine Gefahr für die Allgemeinheit aus, da Verkehrsteilnehmer beim Vorbeigehen bzw. Vorbeifahren behindert oder sogar ernsthaft verletzt werden könnten. Bei Abwägung der Interessen sei die Verkehrssicherheit höher zu bewerten als das wirtschaftliche Interesse des Klägers am Fortbestand der Situation. Daher sei es im Rahmen ordnungsgemäßer Ermessensausübung gemäß § 22 NStrG sachgerecht und verhältnismäßig, die Beseitigung des Überwuchses anzuordnen.
Dagegen hat der Kläger am 10.09.2013 Klage erhoben und einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt (6 B 243/13). Am 12.10.2013 hat er die erforderlichen Arbeiten selbst durchgeführt. Daraufhin ist das einstweilige Rechtsschutzverfahren mit Beschluss des erkennenden Gerichts vom 04.11.2013 eingestellt worden. Nachdem die Beklagte mitgeteilt hat, dem Kläger bei einer vergleichbaren Sachlage in den nächsten Jahren erneut den Rückschnitt des von seinem Grundstück in den öffentlichen Straßenraum hineinragenden Bewuchses aufzugeben, verfolgt dieser sein Begehren im Wege einer Fortsetzungsfeststellungsklage weiter. Er verneint weiterhin seine Verantwortlichkeit und trägt dazu Folgendes vor:
Er sei nicht aus dem von der Beklagten in der Vergangenheit angeführten § 31 Abs. 2 NStrG verpflichtet, die Äste bzw. die gesamte Anpflanzung entlang der J. zu beseitigen. Bereits damals habe er darauf hingewiesen, dass die Beklagte jedenfalls gemäß § 31 Abs. 3 Satz 2 NStrG die Kostenpflicht treffe, weil die J. nachträglich, ungefähr zwischen 1920 und 1930, durch das seit Jahrhunderten bestehende und unverändert gebliebene Waldgebiet verlegt worden sei. Darüber hinaus stelle der Überwuchs auch keine Sondernutzung im Sinne des NStrG dar. Der Gesetzgeber habe dieses Problem erkannt und daher die Beseitigung von Anpflanzungen und die damit verbundenen Kostentragungspflichten extra in § 31 Abs. 2 NStrG abschließend geregelt. Außerdem sei die angefochtene Verfügung auch unverhältnismäßig, da die Errichtung der J. allein den Bedürfnissen der Beklagten diene. Für den Anschluss der Bebauung auf seinem Grundstück sei die J. nie erforderlich gewesen. Die Grundstücke hätten bereits damals durch andere Zuwegungen erreicht werden können. Auch sei die J. zu einer Zeit gebaut worden, als es den Standteil L. noch nicht gegeben habe. Welche verkehrsplanerischen Überlegungen seinerzeit maßgeblich gewesen seien, könne er nicht beurteilen. Mittlerweile sei die J. allerdings eine Straße geworden, die von dem fließenden Verkehr im Bereich L., M. und ehemalige N. sowie für die Bereiche O., P. und Q. erheblich genutzt werde. Daher sei für ihn eine Beseitigungspflicht für mehrere 100 m nicht zumutbar. In diesem Sinne habe wohl auch die Beklagte in den vergangen Jahrzehnten die Rechtslage eingeschätzt und selbst für einen Rückschnitt der Äste gesorgt. Daher sei seit den 80er Jahren ein Rechtschein dahingehend gesetzt worden, dass er als Grundstückseigentümer auch in Zukunft nicht in Anspruch genommen werde.
Der Kläger beantragt
festzustellen, dass der Bescheid der Beklagten vom 28.08.2013 rechtswidrig war.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung trägt sie vor, bei dem Überwuchs handele es sich um eine unerlaubte Sondernutzung gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 NStrG. Nach dieser Vorschrift sei die Benutzung der Straße über den Gemeingebrauch hinaus Sondernutzung. Unter Berücksichtigung des betroffenen Schutzgutes, nämlich der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, gehörten alle Benutzungen zum öffentlichen Recht der Sondernutzung, die sich auf den Verkehrsraum beziehen. Der Überwuchs vom Grundstück des Klägers beziehe sich in diesem Sinne auf den Verkehrsraum und beeinträchtige den Gemeingebrauch des öffentlichen Straßenraumes. Außerdem stelle er eine erhebliche Unfallgefahr für die Verkehrsteilnehmer dar. Da der Kläger über keine Erlaubnis verfüge, habe sie gemäß § 22 NStrG die erforderlichen Maßnahmen zur Beendigung der Benutzung anordnen können. Selbst wenn es sich nicht um eine unerlaubte Sondernutzung handele, habe sie dem Kläger die Beseitigung gemäß § 11 Nds. SOG aufgeben können. Eine vom Grundstück des Klägers ausgehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit sei darin zu sehen, dass insbesondere Radfahrer durch herabhängende Zweige am Vorbeifahren gehindert bzw. ernsthaft verletzt werden könnten. Zwar treffe es zu, dass sie in den vergangenen Jahrzehnten den Rückschnitt selbst veranlasst habe. Aus dem vorliegenden Schriftverkehr ergebe sich jedoch, dass die Rechtslage zwischen den Beteiligten bereits seit den 80er Jahren umstritten gewesen sei. Eine abschießende Klärung sei seinerzeit nicht herbeigeführt worden und werde nunmehr nachgeholt. Dem Kläger sei auch zumutbar, den von seinem Grundstück ausgehenden Überwuchs auf eigene Kosten zurückzuschneiden. Aus welchem Grund die Allgemeinheit für diese Maßnahme weiter aufkommen solle, sei weder ersichtlich, noch vom Kläger vorgetragen. Sie habe die angefochtene Verfügung nicht auf § 31 Abs. 2 NStrG gestützt. Dem Kläger sei gerade nicht aufgegeben worden, Anpflanzungen zu beseitigen, sondern lediglich den Überwuchs zurückzuschneiden. Daher komme es nicht darauf an, ob die J. neu angelegt oder ausgebaut worden sei. Im Übrigen sei der Eigentümer auch nach § 31 Abs. 2 NStrG zur Beseitigung von Anlagen verpflichtet. § 31 Abs. 3 NStrG regele nur die Frage, in welchen Fällen der Träger der Straßenbaulast den Betroffenen Aufwendungen und Schäden in Geld zu ersetzen habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte im vorliegenden Verfahren sowie den Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig. Der Kläger hat den von seinem Grundstück in den öffentlichen Straßenraum hineinragenden Bewuchs nach Klageerhebung selbst entfernt. Damit hat sich die ursprünglich angefochtene Verfügung vom 28.08.2013 erledigt. Da die Beklagte den Erlass einer inhaltsgleichen Verfügung in der Zukunft angekündigt hat, besteht ein berechtigtes Interesse des Klägers an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 28.08.2013.
Die Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 28.08.2014 zu. Die Beklagte hat ihn im Ergebnis rechtsfehlerfrei aufgefordert, den von seinem Grundstück, Gemarkung G., H. in den öffentlichen Straßenraum hineinragenden Bewuchs so weit zurückzuschneiden, dass über dem angrenzenden Geh- und Radweg ein Verkehrsraum von mindestens 2,50 m Höhe frei bleibt. Zwar hat die Beklagte den Bescheid zu Unrecht auf § 22 Satz 1 NStrG gestützt (1.). Die Anordnung ist jedoch über § 11 SOG i. V. m. § 32 StVO gerechtfertigt (2.). Die Beklagte hat ihr Recht, den Kläger zur Beseitigung des Überwuchses aufzufordern, nicht verwirkt (3.). Einer Verpflichtung des Klägers zur Beseitigung des Überwuchses steht auch § 31 Abs. 3 Satz 2 NStrG nicht entgegen (4.).
1. Gemäß § 22 Satz 1 NStrG kann die zuständige Behörde dann, wenn eine Straße ohne die erforderliche Sondernutzungserlaubnis benutzt wird, die erforderlichen Maßnahmen zur Beendigung der Benutzung anordnen. Voraussetzung ist, dass eine Sondernutzung i. S. v. § 18 Abs. 1 Satz 1 NStrG vorliegt. Der Überwuchs der Zweige von auf dem Grundstück des Klägers gepflanzten Bäumen und Sträuchern in den Luftraum über dem gemeinsamen Geh- und Radweg auf der J. stellt bei Auslegung der maßgeblichen Vorschriften nach dem Wortlaut sowie ihrem Sinn und Zweck keine Sondernutzung in diesem Sinne dar.
Straßenrechtliche Sondernutzung liegt vor, wenn eine Straße über den Gemeingebrauch hinaus benutzt wird (vgl. § 18 Abs. 1 Satz 1 NStrG). Gemeingebrauch im Sinne der gesetzlichen Definition des § 14 Abs. 1 Satz 1 NStrG ist der Gebrauch der Straße im Rahmen der Widmung und der Verkehrsvorschriften zum Verkehr. Er zerfällt nach herkömmlicher Unterscheidung in die Kategorien des schlichten Gemeingebrauchs als „Jedermannsgebrauch" im Sinne des Straßenverkehrsrechts sowie als sog. kommunikativer Verkehr und in den gesteigerten Gemeingebrauch der Straßenanlieger (sog. Anliegergebrauch), die in spezifischer Weise auf die Benutzung der Straße für Zufahrt und Zugang zu ihrem Grundstück und für den „Kontakt nach außen" angewiesen sind. Hiervon abzugrenzen ist der Sondergebrauch (Sondernutzung), der insbesondere verkehrsfremde Nutzungen der Straße meint (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 3 NStrG) und nach § 18 NStrG erlaubnispflichtig ist (vgl. Nds. OVG, U. v. 18.07.2012 - 7 LB 29/11 -, juris Rn. 25). Bereits die Begriffe des „Sondergebrauchs“ und der „Benutzung der Straße über den Gemeingebrauch hinaus“ weisen daraufhin, dass eine straßenrechtliche Sondernutzung ein finales, d. h. zielgerichtetes Element voraussetzt. Denn die synonymen Begriffe „gebrauchen“ und „benutzen“ bedeuten vom Wortsinn her, „eine Sache für einen bestimmten Zweck verwenden“ (vgl. Duden, Das Bedeutungswörterbuch, 3. Aufl., zu „nutzen/benutzen“). Das Überwachsen von Pflanzen in den öffentlichen Straßenraum ist jedoch ein bloßes - von einem Nutzungswillen unabhängig verlaufendes - Naturereignis (vgl. VG Koblenz, U. v. 08.08.2008 - 4 K 1831/07.KO – juris Rn. 22 zum insoweit vergleichbaren rheinland-pfälzischen Straßengesetz). Auch mit dem Unterlassen eines Rückschnitts verfolgte der Kläger, als Eigentümer der Bäume und Sträucher, keinen besonderen Zweck im Hinblick auf die J.. In der Kommentarliteratur zum Nds. StrG bzw. zum Straßenrecht allgemein werden die unterschiedlichen Benutzungen der Straße im Rahmen einer Sondernutzung ebenfalls nach den unterschiedlichen Zwecken, denen sie dienen sollen, bzw. den damit verfolgten Interessen differenziert (vgl. Wendrich, Nds. Straßengesetz, 4. Aufl., § 18 Rn. 2; Kodal, Straßenrecht, 7.Aufl., Kapitel 26, 2. a), Rn. 5).
Sinn und Zweck der Regelungen des NStrG sprechen ebenfalls gegen die Einordnung von pflanzlichem Überwuchs als Sondernutzung. Dies ergibt sich insbesondere aus einer Abgrenzung des Straßenrechts zum Straßenverkehrsrecht. Das Straßenrecht befasst sich mit den Rechtsverhältnissen an öffentlichen Straßen in sachenrechtlicher Hinsicht. Es regelt die Benutzung der gewidmeten Straße und ist daher auf die Benutzer und ihre Handlungen hin orientiert. Demgegenüber regelt das Straßenverkehrsrecht den Verkehr auf öffentlichen Straßen unter ordnungsrechtlichen Gerichtspunkten und stellt insoweit sachlich begrenztes Ordnungsrecht dar. Es bestimmt die (polizeilichen) Anforderungen, die an den Verkehr und die Verkehrsteilnehmer gestellt werden, um Gefahren abzuwenden und den optimalen Ablauf des Verkehrs zu gewährleisten (vgl. Kodal, a. a. O. Kapitel 4, 1.), Rn. 4.3). Maßnahmen gegen pflanzlichen Überwuchs in den öffentlichen Straßenraum erfolgen in aller Regel - wie auch im vorliegenden Fall - nicht unter dem Blickwinkel der Straßenbenutzung, sondern zur Gefahrenabwehr. So begründet auch die Beklagte ihre zwar formal auf § 22 Satz 1 NStrG gestützte Beseitigungsanordnung vom 28.08.2013 lediglich mit möglichen Unfallgefahren für Verkehrsteilnehmer und der notwendigen Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung des öffentlichen Straßenverkehrs. Dementsprechend können Maßnahmen zur Abwehr von pflanzlichem Überwuchs in den öffentlichen Straßenraum auf ordnungs- und straßenverkehrsrechtliche Ermächtigungsgrundlagen gestützt werden (s. unten 2.). Einer Ausdehnung des Anwendungsbereiches des § 22 Satz 1 NStrG bedarf es daher nicht (vgl. zu allem Vorstehenden auch VG Koblenz, a. a. O., Rn. 21 ff.).
Zwar kommt es für eine Sondernutzung grundsätzlich nicht auf die subjektiven Vorstellungen des Straßennutzers, sondern allein auf die tatsächliche Benutzung über den Gemeingebrauch hinaus an (vgl. VGH Baden-Württemberg, B. v. 26.06.1996 - 5 S 1456/96 -, juris Rn. 4; s. auch Sauthoff, Öffentliche Straßen, 2. Aufl. Rn. 357). Dies spricht hier aber nicht für die Annahme einer Sondernutzung. Im konkreten Fall liegt eine „Benutzung“ der Straße schon begrifflich und damit unabhängig von den konkreten Vorstellungen des Klägers nicht vor. Soweit andere Gerichte und Literaturmeinungen einen pflanzlichen Überwuchs in öffentlichen Straßenraum allgemein als straßenrechtliche Sondernutzung qualifizieren (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 21.07.2009 - 11 A 701/07 -, juris Rn. 20 und B. v. 10.06.1999 - 23 B 844/99 -; VG Gelsenkirchen, U. v. 02.12.2010 - 16 K 4495/09 -, juris Rn. 41; VG Augsburg, U. v. 21.11.2012 - Au 6 K 12.1168 -, juris Rn. 26; Witting: in Müller/Schulz, FStrG, 2. Aufl., § 11 Rn. 12; Sauthoff, a. a. O., Rn. 351; Stuchlik, GewA 2004, 143, 145/148; Otto, DVP, 2001, 392 [VG Potsdam 31.07.2000 - 4 K 3602/97]; Stollenwerk, LKRZ 2009, 95, 96) ist diesen gemeinsam, dass weder die Anwendbarkeit der straßenrechtlichen Regelungen begründet noch eine Abgrenzung zum Ordnungs- bzw. Verkehrsrecht vorgenommen wird.
2. Die Anordnung der Beseitigung des in den öffentlichen Straßenraum ragenden Bewuchses bis zu einer Höhe von 2,50 m ist jedoch über § 11 SOG i. V. m. § 32 Abs. 1 Satz 1 und 2 StVO gerechtfertigt.
Gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 StVO ist es verboten, die Straße zu beschmutzen oder zu benetzen oder Gegenstände auf Straßen zu bringen oder dort liegen zu lassen, wenn dadurch der Verkehr gefährdet oder erschwert werden kann. Die Ordnungsbehörde ist unter Berufung auf die Generalklausel des § 11 SOG i. V. m. § 32 Abs. 1 StVO berechtigt, von demjenigen, der für verkehrswidrige Zustände verantwortlich ist, die Beseitigung der Verkehrshindernisse zu verlangen (vgl. VG Braunschweig, B. v. 02.09.2009 - 6 B 116/09 -, juris Rn. 8). ). Nach herrschender Meinung können auch Hindernisse im Luftraum über der Straße wie Kabel, Seile, Markisen, Automaten und Werbeträger in diesem Sinne tatbestandsrelevant sein. Denn der räumliche Schutzbereich des § 32 Abs. 1 StVO bezieht sich auf die öffentliche Straße, zu der auch der Luftraum über dem Straßenkörper, der auch Geh- und Radwege umfasst, gehört (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 1 und 2 NStrG; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl., § 32 StVO Rn. 7, 15). Denn auch in den Luftraum hineinragende Gegenstände können - insbesondere durch die Gefahr von Kollisionen mit Verkehrsteilnehmern - die Verkehrssicherheit als Schutzgut des § 32 StVO gefährden. Der im vorliegenden Fall im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 28.08.2013 unstreitig in den Luftraum über dem Geh- und Radweg der J. ragende Bewuchs stellte auch eine konkrete Gefahr i. S. v. § 2 Nr. 1 Buchst. a SOG dar. Denn es bestand eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich in Anbetracht des nicht unerheblichen Radverkehrs auf der J. ein Radfahrer in absehbarer Zeit an den herunterhängenden Zweigen verletzen würde oder deswegen auf die Fahrbahn ausweichen und es ggf. dort zu einem Unfall kommen würde. Die Anordnung, den Luftraum über dem gemeinsamen Fuß- und Radweg der J. in einer Höhe von 2,50 m freizuhalten, ist unter Berücksichtigung der Vorgaben der sog. ERA 2010, den von der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) herausgegebenen „Empfehlungen für Radverkehrsanlagen“, ebenfalls nicht zu beanstanden. In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt (vgl. BVerwG, B. v. 16.04.2012 - 3 B 62/11 -, juris Rn. 20 m. w. N.; VG Braunschweig, U. v. 16.04.2013 - 6 A 64/11 -, juris Rn. 57), dass die dort getroffenen Aussagen bei der gerichtlichen Einschätzung einer Gefährdungslage als aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisquelle herangezogen werden können. Die ERA sehen für Radverkehr in der Höhe einen Verkehrsraum von 2,25 m zuzüglich eines Sicherheitsraumes vor (vgl. 2.2.1 Bild 3). Da nasse oder mit Schnee bedeckte Äste schwerer sind, ist die Forderung eines freizuschneidenden Lichtraumprofils in Höhe von 2,50 m jedenfalls gerechtfertigt. Im Übrigen sahen auch die von der Beklagten in Bezug genommenen, im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides zurückgezogenen Richtlinien für die Anlage von Straßen - Querschnittsgestaltung (RAS-Q) einen freizuhaltenden Lichtraum von 2,50 m vor.
Die Beklagte hat das ihr gemäß § 11 SOG zustehende Ermessen fehlerfrei ausgeübt, auch wenn sie ihre Verfügung dem Wortlaut nach fehlerhaft auf § 22 NStrG statt auf § 11 SOG i. V. m. § 32 StVO gestützt hat. Denn sie hat bei der vorgenommenen Abwägung dem Interesse an der Herstellung der Verkehrssicherheit den Vorzug gegenüber dem persönlichen bzw. wirtschaftlichen Interesse des Klägers gegeben, nicht für die Beseitigung des Überwuchses verantwortlich zu sein. Damit hat sie die Erwägungen angestellt, die auch beim Erlass einer Verfügung gestützt auf die polizeiliche Generalklausel i. V. m. § 32 StVO hätten berücksichtigt werden müssen (vgl. VG Koblenz, a. a. O., Rn. 34). Die Verfügung ist auch nicht im Hinblick auf die Länge des vom Bewuchs freizuhaltenden Straßenabschnittes von mehr als 500 m unverhältnismäßig. Denn der Kläger kommt mit der angeordneten Maßnahme der Verkehrssicherungspflicht für sein Grundstück nach, die aus der Sozialbindung des Eigentums folgt (vgl. Art. 14 Abs. 2 GG). Insofern ist nicht zu beanstanden, wenn derjenige, der ein Grundstück von insgesamt mehr als 27,8 ha besitzt, ggf. entsprechend größere Lasten im Interesse des Gemeinwohls zu tragen hat.
3. Entgegen der Ansicht des Klägers steht seiner Pflicht zur Beseitigung des Überwuchses nicht entgegen, dass die Beklagte ihn unstreitig über Jahre nicht als für den Überwuchs Verantwortlichen in Anspruch genommen hat. Die Beklagte hat die Befugnis zum Erlass der Beseitigungsverfügung gegenüber dem Kläger insbesondere nicht verwirkt.
Das Rechtsinstitut der Verwirkung ist weder im öffentlichen noch im privaten Recht gesetzlich geregelt. Rechtsgrundlage ist vor allem das Verbot des treuwidrigen widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium) als allgemeiner Gedanke des § 242 BGB. Die Rechtsfolge der Verwirkung besteht darin, dass das verwirkte Recht nicht mehr ausgeübt werden kann. Die Verwirkung ist - anders als Einreden, wie z. B. die Verjährung - unabhängig davon zu beachten, ob sich der von der Rechtsausübung Betroffene darauf beruft. Daher ist sie gleichbedeutend mit dem dauerhaften Erlöschen des verwirkten Rechts. Voraussetzung ist das Verstreichen eines längeren Zeitraums (sog. Zeitelement). Außerdem müssen besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung des Rechts als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (sog. Umstandselement). Die Treuwidrigkeit der Rechtsausübung ergibt sich vor allem aus einer Verletzung des Vertrauensschutzes. Sie ist gegeben, wenn der von der Rechtsausübung Betroffene infolge eines Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen wird (Vertrauensgrundlage), der Betroffene tatsächlich darauf vertraut hat (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (Vertrauensbetätigung). Eine entsprechende Vertrauensgrundlage kann nicht nur durch Erklärungen, sondern auch durch ein bestimmtes sonstiges Verhalten erweckt werden. Bloßes Untätigbleiben des Inhabers des Rechts reicht, selbst über einen langen Zeitraum, nicht aus. Anderes kann ausnahmsweise gelten, wenn aufgrund des besonderen Rechtsverhältnisses (z. B. im Nachbarschaftsverhältnis) eine Rechtspflicht zum Handeln besteht oder der Berechtigte unter Verhältnissen untätig bleibt, unter denen der Betroffene erwarten kann, dass Schritte zur Rechtswahrung unternommen werden (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, U. v. 26.05.2014 - 11 A 2754/12 -, juris Rn. 26; Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl., § 53 Rn. 21 ff.).
Es kann dahinstehen, ob die Beklagte das Recht, den Kläger als für den Überwuchs Verantwortlichen in Anspruch zu nehmen, überhaupt verwirken kann, obwohl ein Vorgehen über § 11 SOG i. V. m. § 32 StVO im öffentlichen Interesse, hier insbesondere der Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer auf der J. liegt (vgl. zum Problem der Verwirkbarkeit von ordnungsrechtlichen Eingriffsbefugnissen Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, a. a. O., Rn. 23 m. w. N.). Denn jedenfalls liegen nicht alle für die Annahme einer Verwirkung erforderlichen Umstände vor.
Der insoweit darlegungspflichtige Kläger hat nicht nachgewiesen, dass das Verhalten der Beklagten im oben dargestellten Sinn rechtsmissbräuchlich war. Er durfte aufgrund des von der Beklagten gezeigten Verhaltens unter Berücksichtigung der Gesamtumstände nach Treu und Glauben nicht die berechtigte Erwartung hegen, dass von dem Recht, ihn zur Beseitigung in Anspruch zu nehmen, kein Gebrauch mehr gemacht werden würde (sog. Umstandselement). Wie bereits ausgeführt reicht das reine Nichtstun über eine längere Zeit in der Regel nicht aus. Die für den Zeitraum seit Anfang der 80er Jahre durch vorgelegte Verwaltungsunterlagen und weitere Recherchen der Beteiligten rekonstruierten Gesamtumstände rechtfertigen ein solches Vertrauen des Klägers nicht. Aus den das Jahr 1984 betreffenden Unterlagen ergibt sich, dass der Vater des Klägers als damaliger Eigentümer seinerzeit aufgrund von Beschwerden betroffener Radfahrer sowohl persönlich als auch telefonisch von Bediensteten der Beklagten aufgefordert worden war, überhängende Zweige zu entfernen. Dies soll auch in den Jahren zuvor geschehen sein. Weiterhin ergibt sich daraus, dass der Vater des Klägers daraufhin jedenfalls im Jahr 1984 den Geh- und Radweg eigenhändig freigeschnitten hat und sich seinerzeit selbst für verantwortlich hielt. Es ist nicht ausgeschlossen, dass dieser auch in den Jahren zuvor Rückschnittmaßnahmen vorgenommen oder veranlasst hat. In einem Schreiben vom 09.07.1984 bat die Beklagte den Vater des Klägers dann nochmals ausdrücklich, die Wege ständig frei von überhängenden Zweigen zu halten. Außerdem machte sie darauf aufmerksam, als Straßenbaulastträger für die Verkehrssicherheit auf den Wegen verantwortlich und deshalb verpflichtet zu sein, die erforderlichen Arbeiten notfalls auf dem Weg der Ersatzvornahme zu seinen Lasten ausführen zu lassen. Im Weiteren ist auch nicht ersichtlich, dass die Beklagte von der damit bereits seinerzeit gegenüber dem Vater des Klägers geäußerten Rechtsansicht, der Verantwortlichkeit des Waldeigentümers für den Überwuchs, abgerückt wäre. Die nachgewiesenen weiteren Vorgänge waren nicht geeignet, beim Kläger als Eigentümer der Waldflächen seit 1997 diesen Eindruck zu erwecken. Zum einen ist nicht bekannt, ob der Vater des Klägers bis zu seiner seitens des Klägers in der mündlichen Verhandlung mitgeteilten schweren Erkrankung Ende 1988 den Überwuchs weiterhin selbst entfernt oder durch Dritte hat entfernen lassen. Ausschließen konnte der Kläger dies in der mündlichen Verhandlung jedenfalls nicht. Außerdem ergibt sich aus den nur unvollständig vorliegenden Unterlagen, dass jedenfalls in den Jahren 1999 und 2000 Bescheide gegenüber dem Kläger ergangen sind, mit denen er zur Beseitigung des Überwuchses aufgefordert wurde. Auch wenn die vom Kläger dagegen erhobenen Widersprüche anscheinend - trotz seiner Bitte um einen rechtsmittelfähigen Bescheid - nicht beschieden und letztlich der Überwuchs durch die Beklagte entfernt wurde, konnte der Kläger bei dieser Sachlage nicht davon ausgehen, dass die Beklagte nunmehr ihre eigene alleinige Verantwortlichkeit anerkannt hatte. Denn insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass die Beklagte als Straßenbaulastträgerin für die J. verkehrssicherungspflichtig war und ist. Daher kam sie mit der Beseitigung des Überwuchses auch einer eigenen Verpflichtung nach. Vor diesem Hintergrund kann die Nichtheranziehung des Klägers allein nicht als dauerhafte Übernahme seiner Verpflichtung gedeutet werden. Darüber hinaus sind die von Mitarbeitern der Beklagten von 1984 bis 2008 durchgeführten Maßnahmen nach den in der mündlichen Verhandlung mitgeteilten Recherchen „pragmatisch gehandhabt“ worden. Das heißt, es wurden lediglich besonders auffällig hineinragende einzelne Äste entfernt, wobei die im zuständigen Tiefbauamt verantwortlichen Personen wohl jedenfalls teilweise fälschlich davon ausgingen, dass es sich um einen Staatsforst und nicht um private Waldflächen handelte. Im Übrigen spricht auch die Tatsache, dass der durch einen Überwuchs geschaffene Zustand nicht statisch ist, sondern exponentiell voranschreitet, dagegen, ein Unterlassen der Inanspruchnahme eines Verantwortlichen als dauerhaften Verzicht auf ein Recht anzusehen (vgl. OLG Celle, U. v. 02.02.205 – 4 U 237/04 -, juris, Rn. 23). Dementsprechend konnte der Kläger das eigene Tätigwerden der Beklagten nicht so interpretieren, dass diese endgültig auf seine Heranziehung zur Beseitigung des Überwuchses oder zur Erstattung der bei ihr angefallenen Kosten verzichten würde. In dem Schriftverkehr der Jahre 2011 und 2012 und letztlich mit dem Bescheid vom 28.08.2013 hat die Beklagte wiederum gegenüber dem Kläger deutlich gemacht, ihn für die Beseitigung des Überwuchses verantwortlich zu halten. So teilte die Beklage dem Kläger mit einem Schreiben vom 05.10.2011 zwar mit, dass sie den Überwuchs aus Gründen der Verkehrssicherheit auf ihre Kosten selbst beseitigt habe. Allerdings wurde dort gleichzeitig für die Zukunft darauf verwiesen, dass den Kläger als Besitzer des Waldes eine Verkehrssicherungspflicht für die angrenzenden Bäume treffe und er über §§ 910, 1004 BGB zur Beseitigung störender Äste aufgefordert werden könne. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger tatsächlich darauf vertraut hat, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden und sich darauf eingerichtet hat, so dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde. Allein das Interesse, mit den Kosten für Rückschnittmaßnahmen entlang des eigenen Grundstücks nicht belastet zu werden oder entsprechende Maßnahmen nicht selbst durchführen zu müssen, führt hier nicht zu einem unzumutbaren Nachteil in diesem Sinne. Auch insoweit ist auf den Gesichtspunkt der Sozialbindung des Eigentums aus Art. 14 Abs. 2 GG zu verweisen (s. o.). Nach alledem konnte der Kläger nach den konkreten Gesamtumständen nicht darauf vertrauen, dass er für die Beseitigung von Gefahren für die Allgemeinheit, die ihren Ursprung auf seinem Grundstück haben, zu Lasten des Haushaltes der Beklagten auf Dauer und mit Wirkung für weitere Rechtsnachfolger verschont bleiben wird.
Der Kläger kann sich auch nicht auf eine alleinige Pflicht der Beklagten zur Beseitigung des Überwuchses aus Gewohnheitsrecht berufen. Denn ein Gewohnheitsrecht mit örtlich begrenztem Geltungsbereich (sog. Observanz) setzt eine langdauernde, allgemeine Übung voraus, die durch Rechtsüberzeugung getragen sein muss (vgl. Hess. VGH, U. v. 06.09.1988 - 2 UE 1126/86 -, juris, Rn. 24). Nach den oben skizzierten Umständen, geprägt durch immer wieder geführten Schriftverkehr, eine auch eigene Beseitigungspflicht der Beklagten als Straßenbaulastträgerin und teilweisen Irrtum der Beklagten in Bezug auf den Eigentümer der Waldfläche, konnte ein solches Gewohnheitsrecht nicht entstehen.
4. Einer Verpflichtung des Klägers zur Beseitigung des Überwuchses steht auch § 31 Abs. 3 Satz 2 NStrG nicht entgegen. Die Regelungen des § 31 Abs. 2 und 3 NStrG sind auf den vorliegenden Fall, d. h. einen Überwuchs von auf privatem Grund angepflanzten Bäumen und Sträuchern in den öffentlichen Straßenraum, nicht anwendbar.
Zum einen bezieht sich § 31 Abs. 2 NStrG bereits seinem Wortlaut nach lediglich auf die Pflicht zur Beseitigung von Anpflanzungen, nicht auf das Zurückschneiden eines Bewuchses. Zum anderen ergibt sich bei einer Gesamtbetrachtung der Vorschrift unter Berücksichtigung ihrer Zweckbestimmung die Unanwendbarkeit auf den vorliegenden Fall.
Rechtliche Grundlage der Vorschrift ist nämlich Art. 124 EGBGB, wonach das Eigentum an Grundstücken zugunsten des Nachbarn noch anderen als im BGB bestimmten Beschränkungen unterworfen werden kann. Davon hat der niedersächsische Gesetzgeber Gebrauch gemacht, weil die Rechtsprechung zur Verkehrssicherungspflicht den Straßenbaulastträger verpflichtet, (auch) Gefahren zu begegnen, die sich aus der Lage der Straße im Gelände ergeben. Der Straßenbaulastträger hat danach auf den der Straße benachbarten Grundstücken Vorkehrungen zu treffen, die seitlich oder oberhalb der Straße gegen schädliche Natureinwirkungen erforderlich sind. Dem trägt die den Eigentümern und Besitzern benachbarter Grundstücke in § 31 Abs. 1 NStrG auferlegte Duldungspflicht Rechnung. Diese müssen die notwendigen Vorkehrungen zum Schutz der Straße vor nachteiligen Einwirkungen der Natur auf ihren Grundstücken hinnehmen (vgl. Wendrich, a. a. O., § 31 Rn. 1). Auf dieser Grundlage ist der hier vom Kläger in Bezug genommene Abs. 2 der Vorschrift dahingehend auszulegen, dass sich die dort geregelte Pflicht zur Beseitigung von Anpflanzungen, nur auf solche Anpflanzungen bezieht, die sich unmittelbar auf dem Grundstück des (Straßen)-Nachbarn befinden. Auf in das Lichtraumprofil über dem Straßenkörper hineinwachsende Zweige bezieht sich die Vorschrift demgegenüber nicht. Denn zur Regelung eines Überwuchses wäre die Vorschrift des § 31 Abs. 2 NStrG nicht erforderlich gewesen, da der Straßenbaulastträger bereits auf der Grundlage der §§ 910, 1004 BGB den Überwuchs selbst beseitigen bzw. dessen Beseitigung verlangen dürfte (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, B. v. 21.07.2009, a. a. O., juris Rn. 22 und U. v. 24.01.1972 - IX 167/71 -, OVGE MüLü 27, 248, 249; BGH, U. v. 08.06.1979 - V ZR 46/78 -, juris Rn. 7; VG Koblenz, a. a. O., Rn. 20; Wendrich, a. a. O., § 31 Rn. 5). Da damit auch die Regelung in § 31 Abs. 3 NStrG nicht anwendbar ist, ist nicht von Belang, dass die Waldflächen des Klägers schon vor dem Bau der J. existierten. Dies gilt ebenso für die Frage, ob die J. bei ihrem Bau (auch) der Erschließung der Grundstücke des Klägers diente. Jedenfalls heute wird das auch mit Gebäuden bebaute, auf der gegenüberliegenden Seite der J. gelegene Grundstück von dieser erschlossen.
Die Androhung der Ersatzvornahme entsprach den Vorgaben der §§ 70, 64, 65 und 66 SOG i. V. m. § 70 Abs. 1 NVwVG.