Arbeitsgericht Verden
Beschl. v. 25.04.1990, Az.: 1 BV 1/90

Anspruch des Betriebsrates gegen den Arbeitgeber, es zu unterlassen, die durch die Arbeit des Betriebsrates entstehenden Kosten in Betriebsversammlungen bekannt zu machen.; Beeinträchtigung des Arbeitsablaufs und des Betriebsfriedens; Herabsetzung des Ansehens des Betriebsrates vor der gesamten Belegschaft; In Aussicht Stellen von mehr Weihnachtsgeld durch die Abschaffung des Betriebsrates; Zulässige Beschränkung der Meinungsfreiheit in Betrieben

Bibliographie

Gericht
ArbG Verden
Datum
25.04.1990
Aktenzeichen
1 BV 1/90
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1990, 15307
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:ARBGVER:1990:0425.1BV1.90.0A

Fundstellen

  • AuR 1990, 389 (amtl. Leitsatz)
  • BB 1990, 1626 (red. Leitsatz)

In dem Beschlußverfahren
hat das Arbeitsgericht in Verden/Aller
auf die mündliche Verhandlung vom 25. April 1290
durch
den Direktor des Arbeitsgerichts Dr. Fischer als Vorsitzenden und
die ehrenamtlichen Richter Nürnberg und
Bruns als Beisitzer
für Recht erkannt:

Tenor:

Der Antragsgegnerin wird untersagt, die ihr durch die Arbeit des Betriebsrates entstehenden Kosten durch Erklärungen in Betriebsversammlungen bekanntzumachen.

Gründe

1

Der Antragsteller begehrt von der Antragsgegnerin die Unterlassung, die ihr durch die Arbeit des Betriebsrates, also des Antragstellers, entstehenden Kosten durch Erklärungen in Betriebsversammlungen bekanntzumachen.

2

Die Antragsgegnerin hat in ihrem Betrieb den Aushang vom 08.06.1988 (Bl. 25 d. A. 1 BV 5/89 des Arbeitsgerichts Verden) gemacht, in dem es unter anderem heißt:

"Krankenstand

MonatBetriebBR
1/887,61 %30,40 % derBR-Mitglieder
2/8811,07 %32,49 % dto.
3/8810,37 %30,51 % dto.
4/889,08 %40,90 % dto.
5/886,78 %20,83 % dto.

...

Betriebsrat

Gesamtkosten BR bisher im Jahre 1988 ca. 35.000,00 DM

z. B. Hat Herr W. im Januar das letzte Mal in der Fertigung ca. 41 Arbeitsstunden geleistet."

3

Der Antragsteller forderte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 20.06.1988 auf, solche Veröffentlichungen nicht zu wiederholen, denn in der Bekanntgabe des Krankenstandes und der Kosten des Betriebsrates liege ein grober Verstoß gegen § 73 BetrVG, dies verletze grob das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit, auch liege darin eine massive Behinderung der Betriebsratstätigkeit. Mit Antwortschreiben von 23.06.1988 teilte die Antragsgegnerin mit, sie bleibe bei ihrer Vorgehensweise, denn sie halte es für ihre Pflicht, die Belegschaft über alle wesentlichen Vorgänge zu informieren, wozu die außerordentlich hohe Krankheitsquote des Betriebsrates gehöre.

4

Am 09.01.1989 machte die Antragsgegnerin am Schwarzen Brett den Aushang über "Fehlzeiten des Betriebsrates in der Fertigung" für das Kalenderjahr 1988 (Bl. 7 d. A. 1 BV 5/89), in dem getrennt für jedes einzelne Betriebsratsmitglied die Zahl der gesamten Fehlstunden genannt ist, diese aufgeschlüsselt mit der konkreten Stundenzahl der Fehlzeiten infolge Krankheiten und sonstige Fehlzeiten, Betriebsratstätigkeiten und -sitzungen, Lehrgänge, ferner ist die Prozentzahl der tatsächlichen Arbeitszeit für jedes einzelne Betriebsratsmitglied genannt. Weiterhin heißt es in diesem Aushang:

"KOSTEN DES BETRIEBSRATES

Die Kosten des Betriebsrates betrugen vom 01.01.85-30.11.88

DM 48.979,00;

wobei davon ausgegangen werden muß, daß die Kosten wesentlich höher sind, da die ersten 3 Monate des Jahres 1988 noch nicht richtig erfaßt wurden. Geschätzte Kosten für das Kalenderjahr 1988 ca. DM 70.000.00. Das wären zum Beispiel rund DM 450,00 mehr Weihnachtsgeld für jeden Mitarbeiter."

5

Daraufhin ist der Antragsgegnerin in dem Beschlußverfahren vor dem Arbeitsgericht Verden 1 BV 5/89 durch Beschluß vom 14.04.1989 untersagt worden, Fehlzeiten des Betriebsrates durch Herausgabe schriftlicher Informationsmitteilung oder durch Aushang am Schwarzen Brett bekanntzumachen.

6

Der Geschäftsführer der Antragsgegnerin hat in der Betriebsversammlung am 12.12.1989 das gesamte, an den im Betrieb gebildeten Wirtschaftsausschuß gerichtete Schreiben der Antragsgegnerin vom 11.12.1989 (Bl. 5-7 d. A.) vorgelesen, in dem es unter anderem heißt:

"Kosten des Betriebsrates:

Die Aktivitäten des BR, ohne Nutzen für die Firma, erzeugten Kosten von ca. DM 100.000,00 im Jahre 1989.

Die Arbeitsbereitschaft einzelner BR-Mitglieder, z. B. des Vorsitzenden Herrn W., ist gleich 0. Die GL war gezwungen, in diesem Fall mittlerweile bereits Lohnkürzung vorzunehmen. Auch Herr Wilde wartet nach eigener Aussage auf seinen Ruhestand und übt ihn schon heute."

7

Zur Begründung seines Unterlassungsbegehrens trägt der Antragsteller vor:

8

Diese Handlungsweise des Geschäftsführers der Antragsgegnerin verstoße gegen § 74 BetrVG, wonach Arbeitgeber und Betriebsrat Betätigungen zu unterlassen haben, durch die der Arbeitsablauf oder der Frieden des Betriebes beeinträchtigt werden. Eine solche Beeinträchtigung sei schon dann zu bejahen, wenn die Störung des Betriebsfriedens mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten sei. Innerhalb der Belegschaft werde aufgrund der Bekanntgabe der Kosten des Betriebsrates in der Betriebsversammlung am 12.12.1989 lebhaft darüber diskutiert. Dies um so mehr, als die Antragsgegnerin bereits am 09.01.1989 am Schwarzen Brett des Betriebes eine Aufstellung über die durch den Betriebsrat entstandenen Kosten ausgehangen habe und hierbei auch auf die Fehlzeiten der einzelnen Betriebsratsmitglieder eingegangen sei.

9

Die Handlungsweise der Antragsgegnerin verstoße auch gegen § 75 BetrVG, wonach ihr jede unterschiedliche Behandlung der in ihrem Betrieb tätigen Personen untersagt sei, und auch gegen § 78 BetrVG, da der Betriebsrat in der Ausübung seiner Tätigkeit gestört bzw. behindert worden sei.

10

Die Antragsgegnerin verfolge nur einen Zweck. Das Ansehen des Betriebsrates in seiner Gesamtheit gegenüber den im Betrieb tätigen Arbeitnehmern herabzusetzen.

11

Es werde mit Nichtwissen bestritten, daß sich die Betriebsratskosten im Jahr 1989 auf 100.000,00 DM beliefen. Die Antragsgegnerin übersähe, daß gerade durch ihre Handlungsweise der Betriebsrat im verstärkten Umfang genötigt sei, Betriebsratsarbeit zu leisten, um die Rechte der Arbeitnehmer zu wahren.

12

Der Antragsteller beantragt,

der Antragsgegnerin zu untersagen, die ihr durch die Arbeit des Betriebsrates entstehenden Kosten durch Erklärungen in Betriebsversammlungen bekanntzumachen.

13

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzuweisen.

14

Sie trägt vor:

15

Es sei nicht ersichtlich, aus welchen Gründen es unbillig sein soll, daß Informationen über die Kosten der Betriebsratstätigkeit der Belegschaft mitgeteilt werden.

16

Der Vorsitzende ... des siebenköpfigen Betriebsrates stelle sich selbst von der Arbeitsleistung frei, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht vorlägen. Er habe 1988 nur 49,25 Arbeitsstunden gearbeitet und 1989 nicht eine einzige Stunde. Er habe gegenüber dem Geschäftsführer geäußert, daß er nun auf seinen Ruhestand warte. Im übrigen halte der gesamte Betriebsrat routinemäßig an jedem Mittwoch eine ganztägige Betriebsratssitzung ab. Dazu kämen von Fall zu Fall weitere erforderliche Sitzungen. Gleichzeitig müßten in erheblichem Umfang Leiharbeitnehmer beschäftigt werden, da die Arbeit anderweitig nicht zu bewältigen sei.

17

Die Betriebsratskosten für Januar bis Oktober 1989 setzten sich wie folgt zusammen:

a)Kosten der Lohnfortzahlung für Sitzungen und sonstige Abwesenheit wegen BetriebsratstätigkeitDM71.550,-
b)Spesen und Reisekosten789,-
c)Drucksachen, Büromaterial67,-
d)Rechtsbeistands- u. Beratungskosten12.300,-
e)Telefongebühren und sonstiges2.520,-
Summe Januar - Oktober 1989DM87.226,-
18

Dieser Betrag sei für das gesamte Jahr 1989 auf 100.000,00 DM hochgerechnet und geschätzt worden.

19

Es werde bestritten, daß durch die Äußerungen des Geschäftsführers der Betriebsfrieden gefährdet sei. Eine rein abstrakte Möglichkeit einer Gefährdung sei nicht ausreichend. Auf der Betriebsversammlung sei auch über die Beschäftigung von Leiharbeitnehmern gesprochen worden. In diesem Zusammenhang seien allein für 1989 Rechtsanwaltskosten von 12.300,00 DM entstanden. Auch dies seien Kosten der Betriebsratstätigkeit.

20

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im einzelnen wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Vortrag der Beteiligten gemäß Sitzungsprotokoll vom 25.04.1990 Bezug genommen.

21

Der im Beschlußverfahren und somit in der richtigen Verfahrensart geltend gemachte Antrag ist zulässig (§ 2 a Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2, 80 ff ArbGG).

22

Für die Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs im Beschlußverfahren ist erforderlich, daß der Antrag auf einzelne, tatbestandlich umschriebene Handlungen als Verfahrensgegenstand bezogen ist (BAG AP Nr. 3 zu § 74 BetrVG 1972). Das ist hier der Fall, denn aus dem Antrag ergibt sich klar, welche konkreten Handlungsweisen die Antragsgegnerin zukünftig unterlassen soll.

23

Der Antrag ist auch begründet. Der Antragsteller kann von der Antragsgegnerin verlangen, daß diese es zukünftig unterläßt, die ihr durch die Arbeit des Betriebsrates entstehenden Kosten durch Erklärungen in Betriebsversammlungen gegenüber der Betriebsöffentlichkeit bekanntzumachen.

24

Der Unterlassungsanspruch des Antragstellers folgt aus § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG, wonach der Betriebsrat bei groben Verstößen des Arbeitgebers gegen seine Verpflichtungen aus diesem Gesetz beim Arbeitsgericht unter anderem beantragen kann, dem Arbeitgeber aufzugeben, eine Handlung zu unterlassen.

25

Die Antragsgegnerin hat in rechtswidriger und grober Weise gegen ihre Verpflichtungen aus § 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG verstoßen, wonach Arbeitgeber und Betriebsrat Betätigungen zu unterlassen haben, durch die der Arbeitsablauf oder der Frieden des Betriebes beeinträchtigt werden. Der Verstoß liegt darin, daß der Geschäftsführer der Antragsgegnerin aus deren an den Wirtschaftsausschuß gerichteten Schreiben über die Unterrichtung in wirtschaftlichen Angelegenheiten gemäß § 106 BetrVG vom 11.12.1989 (Bl. 5-7 d. A.) in der Betriebsversammlung am 12.12.1989 unter anderem folgende Stelle vorgelesen hat: "Die Aktivitäten des BR, ohne Nutzen für die Firma, erzeugten Kosten von ca. DM 100.000,00 im Jahre 1989."

26

Es bedarf im vorliegenden Fall keiner grundsätzlichen Entscheidung der Frage, ob der Arbeitgeber die Betriebsratskosten der Belegschaft mitteilen kann oder nicht. Jedenfalls der Antragsgegnerin ist es angesichts der besonderen Umstände des vorliegenden Falles, die sich aus der Vorgeschichte vor dem hier umstrittenen Vorfall auf der Betriebsversammlung vom 12.12.1989 ergeben, verwehrt, die ihr durch die Arbeit des Betriebsrates entstehenden Kosten durch Erklärungen in Betriebsversammlungen und somit in der Betriebsöffentlichkeit bekanntzumachen, damit nicht der Betriebsfrieden beeinträchtigt wird. Hingegen bleibt es der Antragsgegnerin unbenommen, die Betriebsratskosten dem Betriebsrat oder dem Wirtschaftsausschuß mitzuteilen.

27

Bei der Beurteilung des vorliegenden Falles ist folgende Vorgeschichte zu berücksichtigen:

28

Die Antragsgegnerin hat mit ihrem Aushang im Betrieb vom 08.06.1988 (Bl. 25 d. A. 1 BV 5/89 des Arbeitsgerichts Verden) die Gesamtkosten des Betriebsrates bisher im Jahr 1988 mit ca. 35.000,00 DM beziffert. Der Antragsteller forderte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 20.06.1988 auf, solche Veröffentlichungen des Krankenstandes und der Kosten des Betriebsrates nicht zu wiederholen. Mit Antwortschreiben vom 23.06.1988 teilte die Antragsgegnerin mit, sie bleibe bei ihrer Vorgehensweise. Die Antragsgegnerin hat dann mit ihrem am 09.01.1989 am Schwarzen Brett gemachten Aushang über "Fehlzeiten des Betriebsrates in der Fertigung" (Bl. 7 d. A. 1 BV 5/89 des Arbeitsgerichts Verden) für jedes einzelne Betriebsratsmitglied für das Kalenderjahr 1988 die Fehlzeiten konkret aufgeschlüsselt und ausgeführt, die geschätzten Kosten des Betriebsrates für das Jahr 1988 betrügen 70.000,00 DM, was z. B. rund 450,00 DM mehr Weihnachtsgeld für jeden Mitarbeiter wären. Der gesamte Inhalt der beiden Aushänge vom 08.06.1988 und 09.01.1989 macht deutlich, daß die Antragsgegnerin hauptsächlich das Ziel verfolgt, das Ansehen des gesamten Betriebsrates gegenüber der Belegschaft herabzusetzen. Insbesondere der Aushang vom 09.01.1989 stellt eine besonders grobe Desavouierung des Antragstellers im Betrieb dar, denn er ist seinem gesamten Inhalt nach auf die Abschaffung des Betriebsrates gerichtet, indem für diesen Fall jedem einzelnen Mitarbeiter. D. die Zahlung von zusätzlichem Weihnachtsgeld in Aussicht gestellt wird. Beide Aushänge unterstreichen die von der Antragsgegnerin verfolgte Tendenz zur ständigen Konfrontation mit dem Antragsteller. Das hat das Arbeitsgericht Verden auch bereits im Beschluß vom 14.04.1989 - 1 B V 5/89 - ausgeführt. So ist es nicht verwunderlich, daß die beiden Beteiligten aufgrund ihrer ständigen Querelen bei dem Arbeitsgericht Verden der allerbeste "Stammkunde" sind. Allein im Jahr 1989 sind zwischen den Beteiligten folgende Beschlußverfahren anhängig gemacht worden:

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1 BV 1/89, 1 BV 5/89 = 3 TaBV 38/89 LAG Niedersachsen,

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2 BV 6/89, 1 BV 7/89, 1 BV 9/89, 1 BV 17/89, 2 BV 18/89,

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2 BV 24/89 = 8 TaBV 81/89 LAG Niedersachsen, 2 BV 26/89 =

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10 TaBV 82/89 LAG Niedersachsen, 1 BV 29/89, 2 BV 32/89.

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Wenn der Geschäftsführer der Antragsgegnerin in der Betriebsversammlung am 12.12.1989 die durch die Aktivitäten des Betriebsrates erzeugten Kosten im Jahr 1989 mit ca. 100.000,00 DM angegeben hat, so mußte diese Nennung der Betriebratskosten aufgrund der geschilderten Vorgeschichte und insbesondere aufgrund des vorangegangenen Aushanges im Betrieb vom 09.01.1989 für jeden einzelnen Mitarbeiter den Schluß nahelegen, daß er bei einer Abschaffung des Betriebsrates mehr Weihnachtsgeld erhalten würde, und zwar noch deutlich mehr Weihnachtsgeld als lediglich rund 450,00 DM, die bei Betriebsratskosten von ca. 70.000,00 DM für das Kalenderjahr 1988 im Aushang vom 09.01.1989 genannt worden waren.

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Die Störung des Betriebsfriedens nach § 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG muß nicht bereits eingetreten sein, vielmehr reicht es aus, daß sie aufgrund objektiver Anhaltspunkte mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (Fitting-Auffarth-Kaiser-Heither, BetrVG, 16. Aufl. 1990, § 74 Rz 7; Kreutz, GK-BetrVG, 4. Aufl. 1990, § 74 Rz 119 m.w.N).

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Wenn die Antragsgegnerin die durch die Arbeit des Betriebsrates entstehenden Kosten in der Betriebsöffentlichkeit bekannt gibt, so verfolgt sie hiermit - wie auch die geschilderte Vorgeschichte verdeutlicht - hauptsächlich das Ziel, das Ansehen des Betriebsrates in der Belegschaft herabzusetzen und auf eine Abschaffung des Betriebsrates hinzuwirken. Diese Verhaltensweise der Antragsgegnerin und ihre beiden Aushänge vom 08.06.1988 und 09.01.1989; verdeutlichen, daß hier jedenfalls aufgrund objektiver Anhaltspunkte eine Störung des Betriebsfriedens mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten war. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob eine Störung des Betriebsfriedens bereits eingetreten ist. Die zumindest mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwartende Störung des Betriebsfriedens aufgrund der vorstehend beanstandeten Verhaltensweisen der Antragsgegnerin und insbesondere aufgrund der Kennung der Betriebsratskosten in der Betriebsöffentlichkeit wird auch daraus deutlich, daß gemäß dem unwidersprochen geblichenen und somit gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als unstreitig zu qualifizierenden Vortrag des Antragstellers auf den Toiletten des Betriebes Sprüche zu finden sind wie z. B.: "unser Betriebsrat ist faul und lebt auf unsere Kosten".

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Das Grundrecht der Meinungsfreiheit gemäß Artikel 5 Grundgesetz findet auch in den Betrieben seine Schranke in den Vorschrifter, der allgemeinen Gesetze. Zu den Gesetzen, die die Meinungsfreiheit im Betrieb begrenzen, gehört auch die Bestimmung des § 74 Abs. 2 BetrVG. Zwar setzt die Norm des § 74 Abs. 2 BetrVG der Freiheit der Meinungsäußerung Schranken, jedoch muß die Norm ihrerseits aus der Erkenntnis der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts ausgelegt und so in ihrer das Grundrecht begrenzenden Wirkung selbst wieder eingeschränkt werden (Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 28.04.1976, DB 1976, 1485 f [BVerfG 28.04.1976 - 1 BvR 71/73]). Wenn es der Antragsgegnerin im Interesse der Wahrung des Betriebsfriedens verwehrt ist, die Kosten des Betriebsrates in der Betriebsöffentlichkeit bekanntzumachen, so muß die Antragsgegnerin auch unter gebührender Berücksichtigung des besonderen Wertgehaltes des Art. 5 GG diese relativ geringfügige Beschränkung ihrer Meinungsäußerungsfreiheit hinnehmen.

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Die Antragsgegnerin will auch in Zukunft die Küsten des Betriebsrates in der Betriebsöffentlichkeit bekannt machen. Das verdeutlicht das bereits im Vorverfahren der Beteiligten vor dem Arbeitsgericht Verden 1 BV 5/89 abgehandelte Antwortschreiben der Antragsgegnerin vom 23.06.1988, mit dem sie das vom Antragsteller mit Schreiben vom 20.06.1988 geltend gemachte Begehren, solche Veröffentlichungen nicht zu wiederholen, abgelehnt hat. Das ergibt sich weiterhin daraus, daß die Antragsgegnerin trotz des Begehrens des Antragstellers mit Schreiben vom 20.06.1988 auch im Aushang vom 09.01.1989 wiederum die Kosten des Betriebsrates beziffert hat. Schließlich unterstreicht auch der gesamte Vortrag der Antragsgegnerin in diesem Verfähren, daß sie sich weiterhin für berechtigt halt, die Betriebsratskosten auch in der Betriebsöffentlichkeit bekanntzumachen.

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Selbst wenn man einmal unterstellt, daß in der hier gerügten rechtswidrigen Verhaltensweise der Antragsgegnerin (Bekanntmachung der ihr durch die Arbeit des Betriebsrates entstehenden Kosten in der Betriebsöffentlichkeit) kein grober Verstoß gegen ihre Pflichten aus dem Betriebsverfassungsgesetz im Sinne des § 23 Abs. 3 BetrVG vorliegt, so ist der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gleichwohl gerechtfertigt. Der Unterlassungspflicht des § 74 Abs. 2 Satz 2 BetrVG entspricht nämlich ein im Beschlußverfahren geltend zu machender Unterlassungsanspruch, der eigenständig und unabhängig neben § 23 Abs. 3 BetrVG besteht (BAG AP Nr. 3 zu § 74 BetrVG 1972).

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Einer Kostenentscheidung bedurfte es für das vorliegende Beschlußverfahren nicht (§ 12 Abs. 5 ArbGG).