Landgericht Aurich
Urt. v. 20.03.2024, Az.: 3 O 762/23

Anspruch des Ewerbers einer trächtigen Stute auf Herausgabe des geborenen Hengstfohlens; Fruchtziehung aus einer Sache

Bibliographie

Gericht
LG Aurich
Datum
20.03.2024
Aktenzeichen
3 O 762/23
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2024, 23762
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGAURIC:2024:0320.3O762.23.00

Verfahrensgang

nachfolgend
OLG Oldenburg - 11.09.2024 - AZ: 8 U 36/24

In dem Rechtsstreit
F.-G. O., M. 50, S.
- Kläger -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Dr. K. & Kollegen, An den S. 6, M.
Geschäftszeichen: 208/23-PH / MR
gegen
T. E., Alte D. 9, D.
- Beklagte -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen Dr. S.-W., M. & Partner, H. 12, A.
Geschäftszeichen: 00953/23
1. Tierärzte K. C. und Dr. J. S. als Inhaber der P. am H., W. 3, S.
- Nebenintervenientin -
2. P. Am H. GbR v.d.d. GF K. C. u. Dr. med. vet. J. S., W. 3, S.
- Streitverkündete -
Prozessbevollmächtigte zu 1.:
Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen O. Rechtsanwälte, R. Straße 7, L.
Geschäftszeichen: 50.Dr. S.u. a. /O..sb
hat das Landgericht Aurich - 3. Zivilkammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht G. als Einzelrichter auf die mündliche Verhandlung vom 12.02.2024 für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Die Klage wird abgewiesen.

  2. 2.

    Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der durch die Nebenintervention entstandenen Kosten zu tragen.

  3. 3.

    Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

  4. 4.

    Der Streitwert wird auf 25.000 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Herausgabe eines Hengstfohlens.

Die Beklagte erwarb am 29.07.2022 die Stute "Farianna" von der "G. D. GbR". Der Verkauf erfolgte unter Ausschluss der gesetzlichen Gewährleistung. Die Stute war tragend, als die Beklagte sie erwarb. Am 2.06.2023 gebar sie bei der Beklagten ein Hengstfohlen.

Der Kläger meint, er sei Eigentümer des Hengstfohlens bzw. des Pferdeembryos, aus dem das Hengstfohlen hervorgegangen ist, gewesen. Er habe am 15.06.2022 die in seinem Eigentum stehend Stute "Baronesse Bibi", abstammend von dem Hengst "St. Emilion" vom Gestüt Klosterhof Medingen, besamen lassen. Am 23.06.2022 sei die befruchtete Eizelle aus der genetischen Mutterstute herausgespült und im Wege eines Embryotransfers in eine sog. "Leihstute" eingesetzt worden. Bei dieser Leihstute habe es sich um die im Jahre 2004 geborene Rappstute "Farinna" gehandelt. Diese Stute habe seinerzeit im Eigentum der "G. D. GbR" gestanden, die dem Kläger die Stute zur Verfügung gestellt habe.

Zur Kontrolle eines erfolgreichen Embryotransfers habe der Kläger die Streitverkündeten mit einer dementsprechenden tierärztlichen Trächtigkeitsuntersuchung bauftragt. Im Rahmen dieser Untersuchungen vom 28.06.2022 und zusätzlich vom 30.06.2022 hätten die Streitverkündeten ausgeführt, dass die Stute nicht tragend, mithin der Embryotransfer gescheitert sei. In der Annahme, dass der durchgeführte Embryotransfer gescheitert sei, habe der Kläger die Leihstute sodann der Eigentümerin, der "G. D. GbR", zurückgegeben, welche die Stute sodann an die Beklagte veräußert habe.

Der Kläger meint, er sei Eigentümer des aus seiner Stute herausgespülten Embryos gewesen und daher auch Eigentümer des daraus hervorgegangenen Hengstfohlens, welches einen Wert von ca. 25.000 € habe.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn das am 2.06.2023 geborene braune Hengstfohlen abstammend von dem Vaterhengst "St. Emilion" aus einer "Benicio" Mutter herauszugeben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Ihr sei anlässlich des Ankauf der Stute von der Verkäuferin versichert worden, dass die Stute nicht tragend sei. Sie meint, das in ihrer Obhut geborene Hengstfohlen stehe ich ihrem Eigentum, da sie Eigentümerin der gebärenden Stute gewesen sei. Etwaige vertragliche Absprachen zwischen dem Kläger und der "G. D. GbR" kenne sie nicht und beträfen sie auch nicht. Zudem seien ihr mit der Geburt und der Aufzucht des Fohlens Ausgaben entstanden, die im Falle einer Herausgabe zu erstatten seien.

Mit der Klage hat der Kläger den mit der Trächtigkeitsuntersuchung beauftragten Tierärzten den Streit verkündet. Diese sind dem Rechtsstreit mit Schriftsatz vom 6.10.2023 auf Klägerseite beigetreten. In der mündlichen Verhandlung vom 12.02.2024 haben die Streitverkündeten von dieser Erklärung Abstand genommen und sind nunmehr der Beklagtenseite beigetreten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlage sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12.02.2024 (Bl. 80 d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte schon nach seinem eigenen Sachvortrag kein Anspruch auf Herausgabe des streitgegenständlichen Hengstfohlens zu.

Vertragliche Ansprüche scheiden insoweit aus, da der Kläger nicht Verkäufer der "Leihstute" war.

Ein Anspruch des Klägers auf Herausgabe des Fohlens folgt auch nicht aus § 985 BGB. Der Kläger ist nicht Eigentümer des am 2.06.2023 geborenen Hengstfohlens. Eigentümerin ist die Beklagte.

Die Beklagte ist unstreitig Eigentümerin der Leihstute "Farianna" aufgrund Einigung und Übergabe durch die bisherige Eigentümerin, die "G. D. GbR" geworden. Gemäß § 953 BGB setzt sich dieses Eigentum auch an Erzeugnissen der Sache bzw. des Tieres (§ 90a BGB) fort. Erzeugnisse der Sache sind gem. § 99 Abs. 1 BGB Früchte der Sache. Hierzu zählen alle natürlichen Tierprodukte, wie z.B. Kälber (Grüneberg, BGB, 83. Auflage 2024, § 99 Rn 2) und damit auch Fohlen. Somit setzt sich das Eigentum an der Stute "Farianna" an dessen Hengstfohlen fort. Ein Ausnahmetatbestand der §§ 954 bis 957 BGB liegt nicht vor. Insbesondere greift die Regelung des § 956 BGB nicht durch. Mag in der ursprünglichen Überlassung der Leihstute durch die "G. D. GbR" an den Kläger auch eine Erwerbsgestattung an dem ausgetragenen Fohlen durch den Kläger gesehen werden, so war die Beklagte nach Erwerb des Eigentums an der Leihstute nicht an diese Gestattung gebunden; sie wäre dies nur, wenn sie die Gestattung genehmigt hätte (Grüneberg a.a.O., § 956 Rn. 6). Dies ist unstreitig nicht der Fall.

Für die Rechtsansicht des Klägers, er sei als Eigentümer des ausgespülten Embryos auch Eigentümer des durch die Leihstute ausgetragenen Fohlens, sieht das Gericht keine Grundlage. Dafür müsste das Fohlen seine Eigenschaft als Frucht der Leihstute verloren bzw. nie erlangt haben. Maßgeblich für die Qualifizierung einer Sache als organisches Erzeugnis ist aber die Verkehrsauffassung; Erzeugnisse sind demnach zunächst die Tierprodukte, wie Tierjunge, die Eier eines Huhns, die Milch einer Kuh oder die Wolle eines Schafs, ebenso natürlicher Dünger (Staudinger/Stieper, 2021, BGB § 99 Rn 7 m.w.N.). Ferner sind Erzeugnisse die organischen Bodenprodukte wie Bäume und Sträucher sowie deren Erträgnisse, unabhängig davon, ob sie gesät wurden oder die Pflanze ausgesetzt war; eingepflanzte Bäume werden nach der Verkehrsauffassung Erzeugnisse des Bodens, sobald sie Wurzeln geschlagen haben (Staudinger/Stieper a.a.O. m.w.N.). Entsprechung dieser Grundsätze wird nach Auffassung des Gerichts der eingesetzte Embryo spätestens mit der Einnistung zum Erzeugnis der Leihstute, mag er vorher auch in fremden Eigentum gestanden haben. Jedwede abweichende Regelung mag im Rahmen der modernen Tierzucht vertraglich möglich und zulässig sein; indes ist die Beklagte in keiner Weise an einer derartigen vertraglichen Regelung beteiligt gewesen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91, 101 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

Diese Entscheidung kann mit der Berufung angefochten werden. Sie ist einzulegen innerhalb einer Notfrist von einem Monat bei dem Oberlandesgericht Oldenburg, 26135 Oldenburg (Oldb), Richard-Wagner-Platz 1.

Die Frist beginnt mit der Zustellung der in vollständiger Form abgefassten Entscheidung. Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Beschwerdegegenstand 600,00 € übersteigt oder das Gericht die Berufung in diesem Urteil zugelassen hat. Zur Einlegung der Berufung ist berechtigt, wer durch diese Entscheidung in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Die Berufung wird durch Einreichung einer Berufungsschrift eingelegt. Die Berufung kann nur durch einen Rechtsanwalt eingelegt werden.

Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwertes kann mit der Beschwerde angefochten werden. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache rechtskräftig geworden ist oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Landgericht Aurich, 26603 Aurich, Schlossplatz 3 eingeht.

Wird der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt, kann die Beschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung der Festsetzung bei dem Gericht eingelegt werden. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 € übersteigt oder das Gericht die Beschwerde in diesem Beschluss zugelassen hat.

Beschwerdeberechtigt ist, wer durch diese Entscheidung in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Die Beschwerde wird durch Einreichung einer Beschwerdeschrift oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle des genannten Gerichts eingelegt. Sie kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichts erklärt werden, wobei es für die Einhaltung der Frist auf den Eingang bei dem genannten Gericht ankommt. Sie ist von dem Beschwerdeführer oder seinem Bevollmächtigten zu unterzeichnen. Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Soll die Entscheidung nur zum Teil angefochten werden, so ist der Umfang der Anfechtung zu bezeichnen.