Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 08.09.1988, Az.: 14 A 232/85
Eigentumswohnung; Bezugsfertigkeit; Grundbucheintragung; Eintragung; Grundbuch; Steuerbegünstigung; Wohnflächengrenze; Abgeschlossenheitsbescheinigung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 08.09.1988
- Aktenzeichen
- 14 A 232/85
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1988, 12876
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1988:0908.14A232.85.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Oldenburg (Oldenburg) 05.07.1985 - 2 Os A 193/84
- nachfolgend
- BVerwG - 15.03.1989 - AZ: BVerwG 8 B 14.89
- BVerwG - 05.10.1990 - AZ: BVerwG 8 C 33/89
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 2. Kammer Osnabrück - vom 5. Juli 1985 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger ist seit dem 9. Juni 1983 Eigentümer zweier seit Ende 1982 bezugsfertiger, zusammenhängender Wohnungen im ersten Stock der Wohnanlage ..., ...straße. Die Wohnungen, die ihren Zugang über einen gemeinsamen Flur haben, weisen Wohnflächen von 67,5 qm und 89,40 qm = 156,90 qm auf. Sie sind an fremde Personen vermietet; eine wollte der Kläger ursprünglich seinem Sohn zur Verfügung stellen. Diese Absicht ist jedoch nicht verwirklicht worden. Im Grundbuch war zunächst folgende Eintragung enthalten:
122,989/1000 (122,989 tausendstel) Miteigentumsanteil an dem Grundstück
... Flur 11, Flurstück ... Bauplatz ...straße ... Flur 11 Flurstück ... Hof und Gebäudefläche ...
verbunden mit Sondereigentum an der Wohnung mit Einliegerwohnung im ersten Obergeschoß rot umrandet, Nr. V und VI des Aufteilungsplanes, mit Kellerraum und der Garage Nr. V und Nr. VI des Aufteilungsplanes ....
Aufgrund eines vom Kläger während des Berufungsverfahrens unter dem 1. Oktober 1985 gestellten Berichtigungsantrages in Verbindung mit einer Teilungserklärung hat die Eintragung mit Wirkung vom 27. November 1985 folgenden Wortlaut bekommen:
"122,989/1000 (122,989 tausendstel) Miteigentumsanteil an dem Grundstück
... Flur 11, Flurstück ... Hof und Gebäudefläche, ...straße ...
... Flur 11 Flurstück ... Hof und Gebäudefläche Mozartring
a) dem Sondereigentum an der Wohnung im ersten Obergeschoß rot umrandet Nr. V des als Anlage beigefügten Aufteilungsplanes mit Kellerraum und Garage Nr. V des Aufteilungsplanes
b) dem Sondereigentum an der Wohnung im ersten Obergeschoß blau umrandet Nr. VI des als Anlage beigefügten Aufteilungsplans mit Kellerraum und Garage Nr. VI des Aufteilungsplanes,
c) dem Mitsondereigentum der jeweiligen Eigentümer der Wohnung V und VI am gemeinschaftlichen Zugang zu beiden Eigentumswohnungen, braun umrandet und mit "Z" gekennzeichneten im als Anlage beigefügten Aufteilungsplan ....."
Im Oktober 1983 beantragte der Kläger die Anerkennung "des Wohnungseigentums mit zwei Wohnungen" als steuerbegünstigt. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 26. Juni 1984 ab, weil unabhängig von der bewertungsrechtlichen Regelung nach der Definition des II. WoBauG eine Eigentumswohnung mit Einliegerwohnung nicht anerkennungsfähig sei, und die Wohnfläche für eine "andere Wohnung" überschritten werde. Den Widerspruch wies der Landkreis Osnabrück mit Bescheid vom 26. September 1984 - zugestellt am 2. Oktober 1984 - aus den gleichen Gründen zurück.
Der Kläger hat am 3. Oktober 1984 Klage erhoben und vorgetragen: Er habe zwei in sich abgeschlossene Wohnungen erworben, die lediglich bis an die beiden Wohnungstüren einen gemeinsamen Zugang hätten. Sie hätten ihre rechtliche Unselbständigkeit gemeinsam mit jeder Mietwohnung in einem Mehrfamilienhaus, die auch als "andere Wohnung" anerkennungsfähig sei; daher müßten seine Wohnungen, die jeweils nur eine Wohnfläche von unter 90 qm hätten, anerkannt werden, zumal sie tatsächlich als Wohnung im Sinne der Rechtsprechung anzusehen seien. Auch das Finanzamt habe beide Wohnungen als Zweifamilienhaus angesehen. Nach dem Grundsatz der Einheit der Verwaltung müsse ihm schon aus diesem Grunde Vertrauensschutz gewährt werden.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26. Juni 1984 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landkreises Osnabrück vom 26. September 1984 zu verpflichten, die im Grundbuch von ... Band 22 Blatt 713 aufgeführte und ihm gehörende Eigentumswohnung mit Einliegerwohnung als zwei steuerbegünstigte Wohnungen im Sinne des II. Wohnungsbaugesetzes anzuerkennen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat entgegnet: Eine Anerkennung der Wohnungen komme nicht in Betracht, da sie rechtlich als Einheit anzusehen seien und die Wohnflächengrenze für eigengenutzte Eigentumswohnungen erheblich überschritten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts seien auch die Vorschriften über ein Familienheim mit Einliegerwohnung nicht anwendbar. Bei einer Verselbständigung beider Wohnungen müsse der Flur einer der beiden Wohnungen zugerechnet werden, so daß eine Wohnung nicht betreten werden könne, ohne die andere zu durchqueren.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 5. Juli 1985 abgewiesen. In den Gründen heißt es: Die Wohnungen des Klägers seien wegen der Absicht, eine der Wohnungen später dem Sohn zur Verfügung zu stellen, als eine eigengenutzte Eigentumswohnung anzusehen, da sie grundbuchmäßig eine Einheit bildeten. Als eigen genutzte Eigentumswohnung überschreite sie die zulässige Wohnfläche erheblich. Da sie einem der im Gesetz geregelten Wohnungstypen entspreche, könne sie auch nicht einem anderen Wohnungstyp zugeordnet werden. Ein Familienheim mit zwei Wohnungen scheide aus, weil in dem Gebäude insgesamt mehr als zwei Wohnungen vorhanden seien. Eigengenutzte Eigentumswohnungen mit Einliegerwohnung gäbe es nach dem Gesetz nicht. Ferner könnten beide Wohnungen nicht als "andere Wohnungen" angesehen werden, da dieser Wohnungstyp nur in Betracht komme, wenn die Wohnung nicht bereits unter eine der anderen im § 39 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 II. WoBauG genannten Typen falle. Sie seien auch keine Mietwohnungen, weil ihre rechtliche Eigenschaft nicht willkürlich durch Vermietung geändert werden dürfe. Soweit im Bewertungsgesetz andersartige Vorschriften bestünden, könnten diese im Rahmen des II. WoBauG nicht angewendet werden.
Gegen dieses dem Kläger am 10. September 1985 zugestellte Urteil richtet sich seine Berufung vom 1. Oktober 1985, mit der er ergänzend vorträgt: Der Argumentation des Verwaltungsgerichts könne schon deshalb nicht gefolgt werden, weil er inzwischen eine Änderung der grundbuchlichen Eintragung erreicht habe. Diese Änderung bringe allerdings rechtlich nichts Neues, sondern berichtige nur die ursprünglich falsche Eintragung, so daß ihm auch nicht entgegengehalten werden könne, es komme auf die Situation im Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit an. Im übrigen seien für die Beurteilung die tatsächlichen Verhältnisse maßgebend. Das ergebe sich aus der Rechtsprechung zum Wohnungsbegriff. Es treffe nicht zu, daß das Wohnungseigentum immer nur aus einer Wohnung bestehen könne. Denn die Beklagte habe im Jahre 1982 bescheinigt, daß sämtliche Wohnungen in dem Hause abgeschlossen seien. Beide Wohnungen seien auch zur dauernden Führung je eines selbständigen Haushalts geeignet und bestimmt; sie fielen daher unter den "Auffangtatbestand" der "anderen Wohnung".
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und nach seinem im ersten Rechtszug gestellten Antrag zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie entgegnet: Mit der Änderung der Grundbucheintragung könne der Kläger nichts erreichen, da es auf die Rechtslage im Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit ankomme. Wenn eine Eigentumswohnung, die bei Bezugsfertigkeit die Voraussetzungen für die Anerkennung wegen Überschreitung der Wohnflächengrenze nicht erfüllt habe, später in zwei rechtlich selbständige Eigentumswohnungen aufgeteilt werde, so bleibe dies für die Frage ihrer Anerkennung als steuerbegünstigt ohne Bedeutung.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im einzelnen wird auf ihre Schriftsätze verwiesen. Die Verwaltungsvorgänge der Beklagten einschließlich der Bauakten haben dem Senat zur Unterrichtung vorgelegen.
II.
Die Berufung bleibt erfolglos.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil dem Kläger kein Anspruch auf Anerkennung seines Wohnungseigentums als steuerbegünstigt zusteht. Nachdem der Kläger im Berufungsverfahren erklärt hat, daß die ursprüngliche Absicht, einen Wohnungsteil seinem Sohn zur Verfügung zu stellen, nicht verwirklicht wurde, und somit beide Wohnungsteile an fremde Personen vermietet sind, kommt als Wohnungstyp weder eine eigengenutzte Eigentumswohnung noch eine Kaufeigentumswohnung (§ 12 Abs. 2 II. WoBauG) in Betracht. Eine Eigentumswohnung mit Einliegerwohnung, wie sie sich der Kläger ursprünglich im Grundbuch hat eintragen lassen, gibt es förderungsrechtlich ohnehin nicht. Folglich bleibt als Wohnungstyp nur die Eigentumswohnung in der Nutzungsform der "anderen Wohnung" im Sinne von §§ 39 Abs. 1 Nr. 4 II. WoBauG mit einer Wohnflächenhöchstgrenze von 108 qm übrig. Der Kläger irrt jedoch, wenn er meint, diese Wohnflächengrenze für jeden der beiden Wohnungsteile in Anspruch nehmen zu können.
Das Bundesverwaltungsgericht hat zwar im Urteil vom 13. Januar 1988 - 8 C 82.85 - ausgesprochen, daß die "andere Wohnung" eine Art Auffangtatbestand für die Fälle bilde, in denen die Voraussetzungen für die Anerkennung nach §§ 39 Abs. 1 Nr. 1 - 3 II. WoBauG nicht vorliegen (nach dem Sachverhalt scheiterte die Anerkennung als Eigentumswohnung an der fehlenden Eintragung im Grundbuch bzw. der entsprechenden Antragstellung beim Grundbuchamt). Diese Entscheidung läßt sich aber nicht entsprechend anwenden, wenn eine Eigentumswohnung wie hier bereits rechtlich existent ist, weil dann nichts "aufzufangen" ist. Im übrigen hat der erkennende Senat bereits im Urteil vom 19. Mai 1988 - 14 OVG A 120/84 - n.v. entschieden und hält hieran fest, daß selbst eine Eigentumswohnung im Gründungsstadium nicht mit der Folge in zwei Wohnbereiche aufgeteilt werden kann, daß damit insgesamt die Wohnflächengrenze von 108 qm überschritten werden kann. Bei dem gemeinsamen Flur der Wohnbereiche des Klägers wäre es auch ohne bauliche Veränderungen jederzeit möglich, beide Wohnungsteile gemeinsam zu nutzen. Unstreitig wird aber die Wohnflächengrenze von 108 qm von der Gesamtwohnung nicht eingehalten, so daß eine Anerkennung nicht in Betracht kommt.
Soweit der Kläger auf die - für das Gebäude insgesamt erteilte - Abgeschlossenheitsbescheinigung vom 6. August 1982 hinweist, ist zu bemerken, daß diese vor Erteilung der Änderungsbaugenehmigung vom 10. August 1982, die gerade Änderungen an dem Eigentum des Klägers zum Inhalt hatte, ausgestellt wurde. Es wäre dem Kläger unbenommen geblieben, entsprechend der ursprünglichen Bauzeichnung das Eigentum an zwei verschiedenen - dann anerkennungsfähigen - Wohnungen zu erwerben. Wenn er hiervon möglicherweise aus steuerlichen Gründen absieht, muß er die förderungsrechtlichen Nachteile in Kauf nehmen. Das Steuerrecht folgt anderen Grundsätzen, so daß Entscheidungen des Finanzamtes für Anerkennungsbehörden nicht bindend sind. Der Nachteil läßt sich auch nicht durch die während des Verfahrens vorgenommene Änderung des Grundbuchs vermeiden. Diese aufgrund einer Teilungserklärung vorgenommene Änderung enthält nicht eine bloße Berichtigung, wie sich schon daraus ergibt, daß an dem gemeinsamen Flur der beiden Wohnungen ein besonderes Mitsondereigentum begründet wurde. Die Änderung wirkt auch aus Gründen des öffentlichen Glaubens des Grundbuchs erst vom Zeitpunkt ihrer Eintragung, also ab 27. November 1985. Maßgeblich für die Beurteilung ist aber der Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit.
Daher muß die Berufung zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, ihre vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.
Figge
Winzer
Schmidt