Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 01.06.2018, Az.: 1 WF 52/18

Beachtlichkeit des Einwand der Verwirkung im Kostenfestsetzungsverfahren

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
01.06.2018
Aktenzeichen
1 WF 52/18
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2018, 26325
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
AG Wolfenbüttel - 13.02.2018 - AZ: 15 F 3082/10

Fundstellen

  • AGS 2018, 429
  • FA 2018, 311
  • FF 2018, 333
  • FamRZ 2019, 63
  • FuR 2018, 558
  • NJW-Spezial 2018, 668

Amtlicher Leitsatz

Der Einwand der Verwirkung ist im Kostenfestsetzungsverfahren nicht zu prüfen.

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Wolfenbüttel vom 13.02.2018 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Der Beschwerdewert wird auf 1.436,65 € festgesetzt.

Gründe

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 13.02.2018 ist zulässig, aber in der Sache nicht begründet.

Zur Begründung wird zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des Rechtspflegers in der Nichtabhilfeentscheidung vom 28.02.2018 Bezug genommen, denen sich der Senat nach eigener Prüfung und Bewertung anschließt.

Das Beschwerdevorbringen führt zu keiner anderen Beurteilung.

1.

Die Kostengrundentscheidung aus dem Scheidungsverbundbeschluss des Amtsgerichts Wolfenbüttel vom 12.09.2013 in der Fassung des Beschlusses des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 24.06.2014 (2 UF 208/13) wurde durch den angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss zutreffend umgesetzt. Der Einwand der Antragsgegnerin, die Abänderung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung betreffe nur den auf die Verbundsache "nachehelicher Unterhalt" entfallenden Teil der erstinstanzlichen Kosten, ist unzutreffend. Hierfür gibt die Beschwerdeentscheidung vom 24.06.2014 nichts her. Das Oberlandesgericht hat vielmehr, so wie es gesetzlich vorgesehen ist, bei der Abänderung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung eine einheitliche Kostenentscheidung für den gesamten Scheidungsverbund getroffen. Einwendungen gegen die Kostengrundentscheidung können im Kostenfestsetzungsverfahren nicht geltend gemacht werden.

2.

Die Höhe der festgesetzten Kosten begegnet ebenfalls keinen Bedenken. Dies gilt auch, soweit der Rechtspfleger des Amtsgerichts Reisekosten des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers von seinem Kanzleisitz in B. zum Amtsgericht W. als erstattungsfähig anerkannt hat. Notwendige Kosten der Rechtswahrnehmung im Sinne des § 91 ZPO sind grundsätzlich die Kosten der Beauftragung eines Anwalts am Gerichtsort oder am Wohnort der Partei. Beauftragt ein Beteiligter einen Rechtsanwalt, der weder am Gerichtsort oder an seinem Wohnort ansässig ist, sind die entstehenden Kosten in der Höhe erstattungsfähig, wie sie als fiktive Kosten bei Beauftragung eines Rechtsanwalts am Gerichtsort oder Wohnort erstattungsfähig wären (vgl. BGH NJW-RR 2004, 843). Die Beauftragung des in Braunschweig ansässigen Antragstellervertreters hat keine höheren Kosten verursacht, als wenn der in E. wohnhafte Antragsteller einen im Amtsgerichtsbezirk W. ansässigen Anwalt beauftragt hätte. Maßgeblich ist insoweit nicht die Entfernung zwischen E. und dem Amtsgericht W., die ebenfalls geringfügig größer ist als die zwischen der Kanzlei des Antragstellervertreters und dem Amtsgericht W.. Zum Vergleich der Entfernungen ist vielmehr der Ort heranzuziehen, der innerhalb des Gerichtsbezirks am weitesten vom Gerichtsort entfernt ist (vgl. OLG München FamRZ 2007, 489; Zöller/Geimer ZPO 32. Auflage § 121, Rd. 13a m.w.N.). Innerhalb des Gerichtsbezirks W. sind Orte wie S. oder M. deutlich weiter von W. entfernt als B..

Im übrigen sind Fehler bei der Berechnung des Erstattungsbetrages nicht vorgetragen und nicht ersichtlich.

3.

Dem von der Antragsgegnerin erhobenen Einwand, der Kostenerstattungsanspruch sei verwirkt, weil der Antragsteller seit der Rechtskraft der Kostengrundentscheidung mit der Einreichung seines Kostenfestsetzungsantrages gut dreieinhalb Jahre zugewartet habe, ist der Rechtspfleger bei der Kostenfestsetzung zu Recht nicht gefolgt.

Mit der ganz herrschenden Meinung vertritt der Senat die Auffassung, dass eine etwaige Verwirkung des Kostenerstattungsanspruchs - ebenso wie andere materiell-rechtliche Einwendungen - im Kostenfestsetzungsverfahren regelmäßig nicht zu prüfen ist (vgl. KG Rpfleger 1994, 385 Rn. 5 m.w.N.; OLG Karlsruhe FamRZ 1993, 1228 Rn. 7; OLG Frankfurt, Beschluss vom 17.05.2004, 14 W 51/04 Rn. 5 f. - über juris). Das Kostenfestsetzungsverfahren dient vom Ansatz her nur dazu, den in der vollstreckbaren Entscheidung enthaltenen Kostenausspruch der Höhe nach zu beziffern. Deswegen sind materiell-rechtliche Einwendungen gegen den Erstattungsanspruch grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Eine Ausnahme hiervon kommt nur dann in Betracht, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen einer Einwendung unstreitig sind oder zweifelsfrei feststehen (OLG Karlsruhe a.a.O.; OLG Frankfurt a.a.O.; Zöller/Herget, ZPO, 32. Aufl., § 104, Rn. 21, Stichwort: materiell-rechtliche Einwendung m.w.N.). Solche Ausnahmen kommen jedoch gerade für den Einwand der Verwirkung nicht in Betracht. Einerseits ist die Frage der Verwirkung regelmäßig - wie auch hier - nicht unstreitig, da eine Partei, die einen Kostenfestsetzungsantrag mit zeitlicher Verzögerung stellt, hiervon absehen würde, wenn sie den Antrag selbst für verwirkt hielte. Andererseits erfordert die Prüfung der Verwirkung als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben in einem hohen Ausmaß Wertungen und kann deswegen grundsätzlich nicht zweifelsfrei feststehen. Während andere materiell-rechtliche Einwände, etwa der Erfüllung, mitunter leicht und zweifelsfrei festzustellen sind, ist dies für den Einwand der Verwirkung regelmäßig nicht der Fall. Eine Prüfung des Verwirkungseinwandes würde dem Kostenfestsetzungsverfahren Elemente eines Erkenntnisverfahrens verleihen, was seinem Wesen widerspricht. Der Einwand der Verwirkung kann daher grundsätzlich nicht im Kostenfestsetzungsverfahren geprüft werden, sondern muss ggfs. mit einem Vollstreckungsabwehrantrag geltend gemacht werden.

Die Gegenmeinung, die ohne nähere Begründung den Einwand der Verwirkung im Kostenfestsetzungsverfahren für generell beachtlich hält (Zöller/Herget, ZPO, 32. Aufl., § 104, Rn. 21, Stichwort: Verwirkung; OLG Koblenz NJW-RR 2016, 1216 [OLG Koblenz 08.03.2016 - 14 W 102/16]) überzeugt schon deshalb nicht, weil sie dem allgemein anerkannten Grundsatz der mangelnden Berücksichtigungsfähigkeit materiell-rechtlicher Einwendungen im Kostenfestsetzungsverfahren widerspricht.

Im Ergebnis ist die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Kostenfestsetzungsantrag des Amtsgerichts W. zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 Abs. 1 FamFG.

Die Wertfestsetzung richtet sich nach den festzusetzenden Kosten.