Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 14.06.2006, Az.: 6 A 2549/05

Bedürftigkeit; Bedürftigkeitsnachweis; Befreiung; Härtefall; Rundfunkgebühr; Rundfunkgebührenbefreiung

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
14.06.2006
Aktenzeichen
6 A 2549/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 53189
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

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I. Die Klägerin begehrt die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht.

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Die Klägerin wird bei der Gebühreneinzugszentrale - GEZ - mit einem Fernseh- und einem Radiogerät als Teilnehmerin geführt. Die Klägerin war zuletzt bis einschließlich August 2005 gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 7 der Befreiungsverordnung - BefrVO - von der Gebührenpflicht befreit.

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Mit Formularantrag vom 05. Oktober 2005, bei der GEZ eingegangen am 11. Oktober 2005, beantragte sie die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht gemäß § 6 Abs. 1 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages (der seit dem 01. April 2005 geltenden Fassung). Zur Begründung machte sie geltend, sie gehöre aufgrund eines gültigen Bescheides zum Kreis der nach § 6 Abs. 1 Ziffer 9 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages befreibaren Personen (Empfänger von Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches oder von Hilfe zur Pflege als Leistung der Kriegsopferfürsorge nach dem Bundesversorgungsgesetz oder von Pflegegeld nach den landesgesetzlichen Vorschriften). Die Klägerin fügte ihrem Antrag Kopien ihres Schwerbehindertenausweises und eines Kontoauszuges vom 05. September 2005 bei.

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Mit Bescheid vom 21. Oktober 2005 lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin auf Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht ab: Die Prüfung habe ergeben, dass die Klägerin die Befreiungsvoraussetzungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 9 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages nicht erfülle. Sie gehöre nicht zum begünstigten Personenkreis oder habe dies nicht nachgewiesen. Der vorgelegte Nachweis bestätige nicht die erforderlichen Voraussetzungen.

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Daraufhin hat die Klägerin am 21. November 2005 die vorliegende Klage erhoben.

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Zur Begründung macht sie geltend:

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Sie sei schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 80 v. H.. Ihr sei das Merkzeichen „G“ erteilt worden. Die Notwendigkeit ständiger Begleitung sei mit dem Merkzeichen „B“ nachgewiesen. Das ergebe sich aus dem Schwerbehindertenausweis des Versorgungsamtes C. vom 09. Februar 2004. Außerdem empfange die Klägerin Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel des SGB XII. Das ergebe sich beispielhaft aus dem Schreiben der Pflegekasse bei der AOK - Die Gesundheitskasse für Niedersachsen, Service-Zentrum D. vom 09. Juli 2003. Daher stehe ihr die beantragte Rundfunkgebührenbefreiung zu. Hinzu komme, dass der Beklagte ihr schon seit Jahren Gebührenbefreiung gewährt habe. Ausweislich des Rentenbescheides vom 26. Juni 2003 erhalte die Klägerin ab 01. Dezember 2002 eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen. Außerdem empfange sie Leistungen nach dem Wohngeldgesetz als Mietzuschuss in Höhe von monatlich 89,-- € gemäß Bescheid des Landkreises E. vom 20. Oktober 2005.

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Die Klägerin beantragt,

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den Bescheid des Beklagten vom 21. Oktober 2005 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Klägerin ab Antragstellung von der Rundfunkgebührenpflicht zu befreien.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen,

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und erwidert:

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Die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass sie zu dem Personenkreis gehöre, der gemäß § 6 Abs. 1 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages in der ab 01. April 2005 geltenden Fassung auf Antrag von der Rundfunkgebührenpflicht befreit werde. Der Befreiungsgrund des § 6 Abs. 1 Nr. 8 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages liege nicht vor. Danach werden auf Antrag behinderte Menschen befreit, deren Grad der Behinderung nicht nur vorübergehend wenigstens 80 v. H. beträgt und die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können. Diese Voraussetzungen lägen vor, wenn der Schwerbehindertenausweis das Merkzeichen „RF“ aufweist. Das sei bei der Klägerin nicht der Fall. Auch der Befreiungsgrund des § 6 Abs. 1 Nr. 9 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages sei nicht erfüllt. Danach werden Empfänger von Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel des SGB XII oder von Hilfe zur Pflege als Leistung der Kriegsopferfürsorge nach dem Bundesversorgungsgesetz oder von Pflegegeld nach landesgesetzlichen Vorschriften von der Rundfunkgebührenpflicht auf Antrag befreit. Ein solcher Sachverhalt liege nicht vor. Es handele sich hier nicht um Hilfe zur Pflege nach dem §§ 61 ff. SGB XII, sondern um Leistungen der sozialen Pflegeversicherung, deren Träger die Pflegekassen sind. Dieser Leistungsbezug sei im SGB XI geregelt. Der Bezug von Altersrente für schwerbehinderte Menschen falle nicht unter § 6 Abs. 1 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages, der die Befreiungstatbestände - in den Nummern 1 bis 5 die Fälle, in denen natürlichen Personen aus finanziellen Gründen eine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht zu gewähren ist - abschließend regele. Der Bezug von Wohngeld sei in § 6 Abs. 1 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages ebenfalls nicht aufgeführt.

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Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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II. Die Klage, über die mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann, ist unbegründet.

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Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht.

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Die Befreiung natürlicher Personen im ausschließlich privaten Bereich von der Rundfunkgebührenpflicht ist im Rundfunkgebührenstaatsvertrag - RGebstV - in der ab 1. April 2005 geltenden Neufassung in Anlehnung an die bisherigen Regelungen der Befreiungsverordnungen der Länder unmittelbar in § 6 normiert worden. Die Befreiungsverordnungen der Länder sind entfallen.

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Ausweislich der Begründung zum Achten Rundfunkänderungsvertrag (vgl. Nds. Landtag - 15. Wahlperiode, Drucksache 15/1485, S. 36) wird mit der Neuregelung eine deutliche Erleichterung des Verfahrens erreicht. Sämtliche Befreiungstatbestände knüpfen an bestehende soziale Leistungen an. Dies hat zur Folge, dass insbesondere die bislang umfangreichen und schwierigen Berechnungen der Sozialbehörden und Rundfunkanstalten bei der Befreiung wegen geringen Einkommens nach § 1 Abs. 1 Nrn. 7 und 8 der Befreiungsverordnungen der Länder entfallen.

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Stattdessen sind ab 1. April 2005 auf Antrag von der Rundfunkgebührenpflicht befreit nach

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- Nr. 2: die Empfänger von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Viertes Kapitel des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches),

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- Nr. 3: die Empfänger von Sozialgeld oder Arbeitslosengeld II einschließlich von Leistungen nach § 22 ohne Zuschläge nach § 24 SGB II,

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- Nr. 4: die Empfänger von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz

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und

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- Nr. 5: nicht bei den Eltern lebende Empfänger von Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz.

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Da die Befreiungsmöglichkeit wegen Bezugs von Hilfe zum Lebensunterhalt (Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) erhalten bleibt, wird mit den Regelungen der Nrn. 1 bis 5 künftig diesen als sozial bedürftig anerkannten Personen die Möglichkeit zur Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht eröffnet (Begründung zum Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrag, a.a.O., S. 37). Damit wird neben dem unverändert befreibaren Kreis der behinderten und kranken Menschen (Abs. 1 Satz 1 Nrn. 6 bis 10) vor allem für den einkommensschwachen Personenkreis eine bescheidgebundene Befreiungsmöglichkeit eröffnet (Begründung zum Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrag, a.a.O., S. 37).

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Die Klägerin bezieht von der LVA F. eine Leistung aus der gesetzlichen Rentenversicherung (Altersrente für Schwerbehinderte). Daneben erhält sie Wohngeld (Mietzuschuss). Damit erfüllt sie keinen der in § 6 Abs. 1 Nrn. 1 bis 5 RGebStV geregelten Befreiungstatbestände.

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Auch einer der Befreiungstatbestände nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 6 bis 10 RGebStV liegt bei der Klägerin nicht vor.

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Die Klägerin erfüllt nicht den Befreiungstatbestand des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 RGebStV. Danach werden von der Rundfunkgebührenpflicht auf Antrag behinderte Menschen befreit, deren Grad der Behinderung nicht nur vorübergehend wenigstens 80 v. H. beträgt und die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können. Die zweite Voraussetzung liegt vor, wenn der Schwerbehindertenausweis das Merkzeichen „RF“ aufweist. Das ist bei der Klägerin nicht der Fall. Zwar beträgt der Grad ihrer Behinderung ausweislich des Schwerbehindertenausweises 80 v. H.. Dieser Ausweis enthält jedoch nicht das Merkzeichen „RF“.

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Der Befreiungstatbestand des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 RGebStV liegt ebenfalls nicht vor. Danach werden von der Rundfunkgebührenpflicht auf Antrag Empfänger von Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel des SGB XII oder von Hilfe zur Pflege als Leistung der Kriegsopferfürsorge nach dem Bundesversorgungsgesetz oder von Pflegegeld nach landesgesetzlichen Vorschriften befreit. Zu diesem Personenkreis gehört die Klägerin nicht. Sie empfängt weder Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel des SGB XII noch Hilfe zur Pflege als Leistung der Kriegsopferfürsorge nach dem BVG. Ebenso wenig erhält sie Pflegegeld nach landesrechtlichen Vorschriften. Vielmehr empfängt sie Leistungen der sozialen Pflegeversicherung, deren Träger die Pflegekassen sind. Dieser Leistungsbezug ist im SGB XI geregelt.

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Die Klägerin erfüllt auch keinen weiteren der Befreiungstatbestände nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 6, 7 und 10 RGebStV.

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Die Befreiungstatbestände nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 10 sind abschließend. Die Rundfunkanstalten sind bei ihrer Entscheidung an die entsprechenden Sozialleistungsbescheide gebunden (Begründung zum Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrag, a.a.O., S. 37, siehe auch § 6 Abs. 2 RGebStV).

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Allerdings kann unbeschadet der Gebührenbefreiung nach § 6 Abs. 1 RGebStV die Rundfunkanstalt in besonderen Härtefällen auf Antrag von der Rundfunkgebührenpflicht befreien (§ 6 Abs. 3 RGebStV). Die Klägerin hat einen entsprechenden Antrag bislang nicht gestellt. Abgesehen davon ist ein besonderer Härtefall hier nicht gegeben. Ein besonderer Härtefall liegt insbesondere vor, wenn, ohne dass die Voraussetzungen für eine Rundfunkgebührenbefreiung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 RGebStV vorliegen, eine vergleichbare Bedürftigkeit nachgewiesen werden kann (Begründung zum Achten Rundfunkgebührenstaatsvertrag, a.a.O., S. 37).

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Die Klägerin hat eine vergleichbare Bedürftigkeit nicht dargetan. Der Klägerin wird - nach Abzug der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung - eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen in Höhe von 607,40 € monatlich ausgezahlt. Daneben erhält sie ein monatliches Wohngeld in Höhe von 89,-- € und ein monatliches Pflegegeld von 410,-- €. Aus diesen Einkünften kann die Klägerin auch die monatlichen Rundfunkgebühren in Höhe von derzeit 17,03 € - bestreiten.

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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO. Die Entscheidung über ihre vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis ergibt sich aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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Gründe für eine Zulassung der Berufung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 i. V. m. § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegen nicht vor.