Oberlandesgericht Braunschweig
Urt. v. 02.02.1998, Az.: 3 U 124/97

Berufen auf die inhaltliche Begrenzung einer Bürgschaft bei erstem Anfordern; Begrenzung einer Bürgschaft auf bestimmte Forderungen; Verknüpfung einer Bürgschaft mit bestimmten Zahlungsverpflichtungen; Bestimmtheitserfordernisse einer Bürgschaft

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
02.02.1998
Aktenzeichen
3 U 124/97
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1998, 19496
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:1998:0202.3U124.97.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG ... - 29.05.1997 - AZ: 21 O 347/96

Fundstellen

  • BauR 1999, 72 (amtl. Leitsatz)
  • IBR 1998, 371 (Volltext mit red. LS u. Anm.)

Der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig hat
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ...
den Richter am Oberlandesgericht ... und
die Richterin am Oberlandesgericht ...
auf die mündliche Verhandlung vom 12. Januar 1998
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Streitverkündeten gegen das Urteil des Landgerichts ... vom 29.05.1997 wird zurückgewiesen.

Der Streitverkündete trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Streitverkündete kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 6.500,00 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Streitverkündete ist mit 202.000,00 DM beschwert.

Tatbestand

1

Der Kläger -Konkursverwalter der Firma ... & Co.- nimmt die Beklagte aus einer Bürgschaft auf erstes Anfordern in Anspruch. Die Gemeinschuldnerin hatte sich durch Generalunternehmervertrag vom 23.07.1993 gegenüber der Firma ... (im folgenden: Firma ...) zur schlüsselfertigen Herstellung eines Hotels zum pauschalen Werkpreis von 17.491.400,00 DM verpflichtet (Bl. 16 ff). Zur Absicherung ihrer Ansprüche erhielt sie vereinbarungsgemäß eine bis zum 31.01.1996 befristete "Zahlungsbürgschaft" der Beklagten bis zu einem Höchstbetrag von 3.000.000,00 DM. Auf die Bürgschaftsurkunde vom 02.06.1994 wird Bezug genommen (Bl. 39). Darin heißt es:

(Die Vertragsparteien) haben am 23.07.1993 einen Generalunternehmervertrag für die schlüsselfertige. Herstellung eines Hotel (...) mit Außenanlage zum Festpreis und mit Spätesttermin auf dem Grundstück ... OT ..., geschlossen. Als Vertragsergänzung zum Generalunternehmervertrag vom 23.07.1993 wurden ferner noch die Nachträge Nr. 1 mit Nr. 4 beauftragt sowie Anpassungen zu den Ziffern 3.01, 3.03, 5.01 und der Anlage 1 des Generalunternehmervertrages vereinbart.

Der pauschale Werkpreis beträgt DM 18.517.400,- zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer.

Der Auftraggeber hat gegenüber dem Auftragnehmer für die vertragsgemäße Erfüllung seiner sich aus dem in Rede stehenden Generalunternehmervertrag ergebenden Zahlungsverpflichtungen eine Bankbürgschaft in Höhe von DM 3.000.000,- zu stellen.

Dies vorausgeschickt, übernehmen wir, das unterzeichnende Bankhaus ... & Co., ... im Auftrag der Firma ... Stuttgart, gegenüber dem Auftragnehmer bis zu einem Höchstbetrag von

DM 3.000.000,-

(i.W. Deutsche Mark: Dreimillionen)

einschließlich sämtlicher Nebenforderungen die selbstschuldnerische Bürgschaft für die Erfüllung der sich aus dem oben genannten Generalunternehmervertrag ergebenden Zahlungsverpflichtungen.

2

Nach Beibringung der Bürgschaft wurden weitere Nachträge im Gesamtvolumen von 1.650.522,70 DM in Auftrag gegeben.

3

Mit Schreiben vom 20.12.1995 (Bl. 72, 73), auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, wandte sich die Gemeinschuldnerin an die Beklagte mit der Aufforderung, den verbürgten Betrag von 3.000.000,00 DM zu zahlen. Darin bezifferte sie ihre fällige Forderung auf 1.700.393,79 DM aus Nachträgen und aus 1.448.218,58 DM aus dem in der Bürgschaftsurkunde beschriebenen Vertragsvolumen. Die Beklagte zahlte lediglich den letztgenannten Betrag und lehnte weitere Zahlungen ab, weil diese aus späteren Nachträgen -nach Nr. 4- stammten und deshalb nicht von der Bürgschaft abgedeckt seien. Die Gemeinschuldnerin erneuerte ihr Zahlungsbegehren mit Schreiben vom 10.01.1996 (Bl. 76) und setzte schließlich durch Schreiben des Streitverkündeten vom 18.01.1996 eine letzte Zahlungsfrist (Bl. 79).

4

Aus der Schlußrechnung der Gemeinschuldnerin sind insgesamt noch 2.963.969,43 DM offen. Davon entfällt ein Restbetrag von 1.694.547,11 DM auf das ursprüngliche Auftragsvolumen (bis Nachtrag Nr. 4).

5

Unter Berücksichtigung der von der Beklagten geleisteten Zahlungen in Höhe von 1.448.218,58 DM ergibt sich zur Bürgschaftssumme von 3.000.000,00 DM eine Differenz in Höhe von 1.551.781,42 DM. Hiervon macht der Kläger, einen Teilbetrag von 101.000,00 DM geltend, der hilfsweise allein aus dem o.g. Restbetrag von 1.694.557,11 DM hergeleitet wird.

6

Mit Schriftsatz vom 10.01.1997 hat der Kläger dem seinerzeit wegen der Bürgschaft von der Gemeinschuldnerin mandatierten Rechtsanwalt ... in ... den Streit verkündet.

7

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zur Zahlung von 101.000,00 DM nebst 5 % Zinsen seit dem 15.01.1996 zu verurteilen.

8

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

9

Die Beklagte hat sich auf den Standpunkt gestellt, die Bürgschaft decke nur Ansprüche bis zum Nachtrag Nr. 4 ab. Ansprüche aus diesem Komplex schieden aber aus, weil sie erst nach Erlöschen der Bürgschaft, also nach dem 31.01.1996, geltend gemacht worden seien.

10

Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgerührt, die geltend gemachten Forderungen aus Nachträgen seien nicht von der Bürgschaft erfaßt. Soweit die Klage hilfsweise bürgschaftsgesicherte Forderung zugrundelege, seien diese erst nach Erlöschen der Bürgschaft am 31.01.1996 geltend gemacht worden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

11

Gegen dieses dem Kläger am 03.06.1997 zugestellte Urteil hat der Streitverkündete, der dem Rechtsstreit auf seiten des Klägers als Nebenintervenient beigetreten ist, am 03.07.1997 Berufung eingelegt und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 25.09.1997 sein Rechtsmittel mit einem am 24.09.1997 beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

12

Der Berufungsführer wendet sich gegen das angefochtene Urteil, weil das Landgericht den Umfang der Bürgschaft zu Unrecht auf den ursprünglichen Generalunternehmervertrag mit den Nachträgen 1. bis 4. beschränkt habe. In der Bürgschaftsurkunde werde die Hauptforderung, nicht aber die Bürgschaftsverflichtung eingegrenzt. Dem Bürgschaftstext könne auch sonst keine Einschränkung entnommen werden. Auch im Rahmen eines Pauschalpreisvertrages des hier vorliegenden Volumens träten stets Nachträge auf. Der Beklagten sei der Generalunternehmervertrag mit allen Einzelheiten bekannt gewesen. Aus dessen Ziffern 6.1 (Erfüllungsbürgschaft) und 8.02 (Gewährleistungssicherheit) hätte sie entnehmen können, daß Nachträge von der Bürgschaft erfaßt werden sollten. Zwischen der Firma ... und der Beklagten habe im übrigen quasi eine wirtschaftliche Identität bestanden. Aus dem Umstand, daß die Aufforderungsschreiben vom 10. und 18.01.1996 allgemeine Zahlungsaufforderungen enthielten, sei schließlich abzuleiten, daß die Beklagte rechtzeitig in Anspruch genommen worden sei.

13

Der Streitverkündete beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 101.000,00 DM nebst 5 % Zinsen seit dem 15.01.1996 zu zahlen.

14

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

15

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und hält der Berufungsbegründung Rechtsausführungen entgegen. Sie bestreitet die Behauptung, zwischen ihr und der Firma ... habe geradezu eine wirtschaftliche Identität bestanden.

Entscheidungsgründe

16

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

17

Zu Recht hat das Landgericht Ansprüche der Gemeinschuldnerin aus der Bürgschaft vom 02.06.1994 verneint. Soweit die Klage auf Ansprüche aus den Nachträgen Nr. 5 ff zum Generalunternehmer gestützt wird, wendet die Beklagte zu Recht ein, daß die Bürgschaft sich nicht darauf beziehe (1.). Soweit sie hilfsweise als Bürgin für Forderungen aus dem Generalunternehmervertrag einschließlich der Nachträge 1. bis 4. in Anspruch genommen wird, hat das Landgericht die Klage zu Recht deshalb abgewiesen, weil diese Forderung nicht fristgerecht geltend gemacht worden ist (2.).

18

1. Der Beklagten ist es nicht verwehrt, sich gegenüber dem aus einer Bürgschaft auf erstes Anfordern hergeleiteten Klageanspruch darauf zu berufen, daß die Bürgschaft inhaltlich begrenzt sei. Wer aus einer Bürgschaft auf erstes Anfordern in Anspruch genommen wird, kann schon im Erstprozeß einwenden, die Bürgschaft sichere nicht die dem Begehren des Gläubigers zugrundeliegende Hauptforderung, sofern sich dies durch Auslegung aus der Urkunde selbst ergibt (BGH NJW 1996, 717). Auf dieser Grundlage ist mit dem angefochtenen Urteil festzustellen, daß die Bürgschaft nur den Werkpreis für Leistungen der Gemeinschuldnerin aus dem Generalunternehmervertrag und den Nachträgen 1, bis 4. sichert. Nach dem Wortlaut der Zahlungsbürgschaft vom 02.06.1994 hat die Beklagte die Bürgschaft "für die Erfüllung der sich aus dem o.g. Generalunternehmervertrag ergebenden Zahlungsverpflichtungen" übernommen. Dem ist "vorausgeschickt" ein Hinweis auf den Generalunternehmervertrag mit den Nachträgen bis Nr. 4 einschließlich der Bezifferung des pauschalen Werkpreises mit 18.517.400,00 DM und dem Hinweis, daß sich der Auftragnehmer verpflichtet habe, "für die vertragsgemäße Erfüllung seiner sich aus dem in Rede stehenden Generalunternehmervertrag ergebenden Zahlungsverpflichtungen eine Bankbürgschaft in Höhe von 3.000.000,00 DM zu stellen".

19

Diese Verknüpfung der Bürgschaftserklärung mit den Zahlungsverpflichtungen aus dem "o.g." Generalunternehmervertrag ist nichts anderes als eine Begrenzung der Bürgschaft auf Forderungen aus dem zuvor genannten Vertragsvolumen. Hätte die Bürgschaft für alle Forderungen aus dem Generalunternehmervertrag und sämtlichen, auch späteren, Nachträgen gelten sollen, wäre der Hinweis auf die bereits vereinbarten Nachträge im Vorspann der Bürgschaftserklärung nicht erforderlich gewesen.

20

Probleme des Bestimmtheitserfordernisses der Bürgschaft stellen sich nicht. Der Text der Bürgschaftserklärung ist auch hinsichtlich der Beschreibung des Bürgschaftsvolumens hinreichend deutlich.

21

Auch mit ihrem weiteren Vorbringen kann die Berufung nicht durchdringen:

22

Aus dem Umstand, daß auch bei einem Pauschalpreisvertrag Nachträge und Zusatzforderungen nach §§ 2 Nr. 5, 2 Nr. 6 und 6 Nr. 6 VOB (B) möglich sind, läßt sich nichts für den konkreten Umfang der hier vereinbarten Bürgschaft ableiten.

23

Wenn im Zeitpunkt der Bürgschaftsverpflichtung die Nachträge 5 bis 19 noch nicht in Auftrag gegeben waren, folgt daraus lediglich, daß die Forderungen aus diesen Nachträgen nicht bedacht und auch nicht ausgeschlossen worden sind. Für den Umfang der Bürgschaft kommt es aber auf die Frage an, ob diese Forderungen einbezogen wurden. Das ist nach dem Wortlaut der Bürgschaftsurkunde nicht der Fall.

24

Der Umstand, daß der Beklagten der Generalunternehmervertrag einschließlich der Regelungen für die Erfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaft bekannt war, hat ebenfalls keinen Bezug zum Umfang der Bürgschaftsverpflichtung.

25

Auch mit dem Argument, daß zwischen der Beklagten und der Auftraggeberin der Firma ... eine besonders enge wirtschaftliche Verbindung, ja eine wirtschaftliche Identität, bestanden habe, läßt sich nichts zugunsten der Berufung herleiten. Wenn die Beklagte die Auftraggeberin mit 33.000.000,00 DM kreditiert hat, handelt es sich eben um ein Kreditengagement. Daraus ergeben sich keine sachlichen, wirtschaftlichen oder rechtlichen Konsequenzen für den Umfang des Bürgschaftsengagements.

26

2. Mit dem Vortrag, das Aufforderungsschreiben vom 10.02.1996 und auf jeden Fall das Schreiben vom 18.01.1996 enthalte eine "allgemeine Zahlungsaufforderung" und erfasse daher alle Werklohnforderungen der Gemeinschuldnerin, will die Berufung zum einen das Problem des Umfanges der Hauptforderung in einen eventuellen Rückforderungsprozeß verlagern. Zum anderen will sie geltend machen, daß die gesamte Forderung rechtzeitig geltend gemacht worden sei. Auch damit kann sie nicht gehört werden.

27

Das Schreiben der Gemeinschuldnerin vom 10.01.1996 ist eine Erinnerung an das vorangegangene Schreiben vom 20.12.1995. Das Anwaltsschreiben vom 18.01.1996 wiederum bezieht sich hinsichtlich der geltend gemachten Forderung auf das vorgenannte Schreiben. Im Schreiben vom 20.12.1995 wird aber deutlich zwischen den Raten von 905.136,26 DM und 543.082,32 DM aus dem ursprünglichen Auftragsvolumen und weiteren Forderungen aus Nachträgen in Höhe von 1.700.393,79 DM unterschieden. Von einer allgemeinen Zahlungsaufforderung kann daher weder beim Schreiben vom 10.01. noch beim Schreiben vom 18.01.1996 die Rede sein. Beide Male ist die Forderung aus dem ursprünglichen Auftragsvolumen auf 1.448.218,58 DM begrenzt. Darauf hat die Beklagte alsbald Zahlung geleistet. Diese Forderung ist damit vollständig abgedeckt. Weitere Forderungen aus dem ursprünglichen Vertragsvolumen hat die Gemeinschuldnerin gegenüber der Beklagten bis zum 31.01.1996 unstreitig nicht geltend gemacht. Die hilfsweise Herleitung der Klagforderung aus diesem Teil der Restforderung ist daher wegen Verspätung nicht möglich. Es ist nicht ersichtlich, warum diese Erkenntnis erst in einem eventuellen Rückforderungsprozeß zur Geltung gebracht werden dürfte.

28

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Die Anordnung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Der Wert der Beschwer ist festgesetzt worden gemäß § 546 Abs. 2 ZPO. Die Verdoppelung der Klagforderung beruht darauf, daß die Klagforderung vorab auf die Nachträge und hilfsweise auf das ursprüngliche Vertragsvolumen gestützt worden ist.

Streitwertbeschluss:

Der Streitverkündete ist mit 202.000,00 DM beschwert.