Verwaltungsgericht Osnabrück
Urt. v. 17.05.2011, Az.: 1 A 187/10
Adressat; Anhaltungsanordnung; Auktion; Auktionskatalog; Kenntnisnahme; Kulturgut; Kulturgüterrückgabe; Rückgabeschuldner; Sicherstellung; öffentliche Einstufung
Bibliographie
- Gericht
- VG Osnabrück
- Datum
- 17.05.2011
- Aktenzeichen
- 1 A 187/10
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2011, 45226
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 6 KultGüRückG
- § 7 KultGüRückG
- § 8 KultGüRückG
- KultGüRückG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Richtiger Adressat einer Anhaltungsanordnung nach § 8 Abs. 2 Satz 1 KultGüRückG ist im Falle einer zuvor erfolgten strafprozessualen staatsanwaltschaftlichen Sicherstellung der Rückgabeschuldner i.S.d. § 7 Abs. 2 KultGüRückG, d.h. der letzte zivilrechtliche Gewahrsamsinhaber, und nicht die Staatsanwaltschaft.
Eine rein verwaltungsinterne, öffentlich nicht ohne weiteres wahrnehmbare Einstufung reicht weder im Falle des § 6 Abs. 1 KultGüRückG noch des § 6 Abs. 2 KultGüRückG aus.
In Fachkreisen bekannte Publikationen wie Kataloge von international bedeutsamen Auktionen genügen als Möglichkeit der Kenntnisnahme sowohl gemäß § 6 Abs. 1 KultGüRückG als auch nach § 6 Abs. 2 Satz 1 KultGüRückG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über eine Anhaltungsanordnung hinsichtlich einer antiken römischen Münze.
Die Klägerin betreibt ein Münzauktionshaus. Sie kündigte auf dem Internetportal „sixbid.com“ die öffentliche Versteigerung einer Goldmünze der Prägung „Claudius II. Gothicus“ unter der Losnummer 168 für den 12.03.2010 im Hotel E. in Osnabrück an.
Mit Schreiben vom 01.03.2010 ersuchte das Tribunal de Grande Instance de Marseille die Beigeladene um Rechtshilfe und bat um die Aufnahme von Ermittlungen sowie die Beschlagnahme der Münze. Die Münze sei ein unveräußerliches maritimes Kulturgut, das mit einem Ausfuhrverbot belegt und dessen Verkauf anzeigepflichtig sei. Sie müsse aus dem „Schatz von Lava“, einem vor der korsischen Küste gesunkenen römischen Schiff, stammen, weil dies der einzige Fundort solcher Münzen sei. Ein Korallenfischer habe den Schatz im 19. Jahrhundert entdeckt. Die Münzen seien erstmals 1958 und ein weiteres Mal 1980 in einem Katalog beschrieben worden. Im Rahmen eines strafrechtlichen Verfahrens im Jahre 1986 gegen Taucher, die Gold und Medaillons aus dem Schatz an Münzsammler verkauft hätten, seien 63 Münzen beschlagnahmt und den nationalen Museen zugeführt worden. Dabei habe sich zugleich ergeben, dass deutlich mehr als die beschlagnahmten Münzen geborgen und illegal weiterverkauft worden seien. Eine Anfang 2010 erschienene Veröffentlichung gehe davon aus, dass der „Schatz von Lava“ etwa 1.200 bis 1.400 Münzen umfasse.
Mit Beschluss vom 09.03.2010 ordnete das Amtsgericht Osnabrück, die Beschlagnahmung der Münze an. Die Klägerin gab der Beigeladenen die Münze am 10.03.2010 freiwillig heraus, die sie in ihre Wertverwahrung nahm. Die Klägerin versteigerte die Münze am 12.03.2010 unter Vorbehalt für 54.000 €.
Die Klägerin teilte der Beigeladenen durch Schreiben vom 16.03.2010 mit, dass die Münze aus einer Auktion in New York stamme, die am 10.01.2007 stattgefunden habe. Käufer sei ein Münzhändler aus der Schweiz gewesen. Sie selbst sei weder Eigentümerin noch Einliefererin gewesen. Bis zur Einlieferung in die Auktion in Osnabrück sei sie auch nie im Besitz der Münze gewesen.
Die Generaldirektion des Patrimoniums im französischen Kultur- und Kommunikationsministerium stellte am 29.03.2010 eine Bescheinigung aus, wonach jede römische Münze, die aus dem „Schatz von Lava“ stamme, der in französischen Gewässern gefunden worden sei und vom dem sie seit 1985 Kenntnis besitze, im Eigentum des französischen Staates stehe, ein kulturelles maritimes Gut darstelle und unveräußerlich sei. Ein solches kulturelles Gut hätte sich auf jeden Fall auf die öffentlichen Sammlungen des Staates ausgewirkt, wenn es in dessen Besitz gewesen wäre, und habe dementsprechend den Charakter eines nationalen Schatzes.
Durch Schreiben vom 08.04.2010 unterrichtete die Beigeladene das Tribunal de Grande Instance de Marseille über die beabsichtige Herausgabe der Münze mangels feststellbaren strafbaren Verhaltens. Die Klägerin benannte im Schreiben vom 20.04.2010 den Namen und die schweizerische Anschrift des Einlieferers.
Mit Schreiben vom 01.06.2010 bat das Tribunal de Grande Instance de Marseille um Rückgabe der Münze und wies ergänzend darauf hin, dass die Klägerin als professionelle Münzhändlerin die Herkunft und den Status der Münze kennen müsse, zumal sie in ihrem Auktionskatalog auf die Artikel von 1958 und 1980 über den „Schatz von Lava“ verweise.
Der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien regte durch Schreiben vom 29.06.2010 die Unterrichtung der zuständigen Zentralstelle nach dem KultGüRückG – des Beklagten – an, damit dieser die Voraussetzungen eines Rückgabeverfahrens sowie einer Anhaltungsanordnung prüfen könne.
Durch einen als Bescheid bezeichneten und mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Schreiben vom 10.08.2010 ordnete der Beklagte gegenüber der Beigeladenen die Anhaltung der beschlagnahmten Goldmünze nach dem KultGüRückG und deren sofortige Vollziehung an. Zur Begründung führte er aus, dass der dringende Verdacht bestehe, dass die Münze nicht rechtmäßig aus dem französischen Hoheitsgebiet in das Bundesgebiet verbracht worden und ein Rückgabeanspruch gegeben sei. Es handele sich um ein unveräußerliches nationales französisches Kulturgut, dessen Verbringung mit hoher Wahrscheinlichkeit unrechtmäßig erfolgt sei. Auch sei es nicht unwahrscheinlich, dass die Verbringung erst nach dem 31.12.1992 geschehen sei. Dem Vorbringen der Klägerin, dass sich derartige Münzen schon seit langem im Handel und in Sammlungen befänden und die Herkunft aus dem „Schatz von Lava“ bestritten werde, sei entgegen zu halten, dass sie selbst auf die Artikel aus den Jahren 1958 und 1980 über den „Schatz eines römischen Schiffes, gefunden im Mittelmeer“, die den „Schatz von Lava“ beschrieben, in ihrem Auktionskatalog hinweise.
Die Beigeladene teilte der Klägerin mit Schreiben vom 12.08.2010 mit, dass eine Herausgabe wegen der Anhaltungsanordnung nicht erfolgen könne; die Sicherstellung auf Grund des richterlichen Beschlusses vom 09.03.2010 sei jedoch beendet.
Die Klägerin hat am 16.08.2011 Klage erhoben und trägt vor, dass die angefochtene Anhaltungsanordnung gegenüber dem falschen Adressat ergangen sei. Nach Aufhebung der strafrichterlichen Beschlagnahme habe sie als letzte Gewahrsamsinhaberin einen Folgenbeseitigungsanspruch gegen die Beigeladene. Bei der Anhaltungsanordnung handele es sich tatsächlich um eine Sicherungsanordnung i.S.d. § 8 Abs. 6 KultGüRückG. Die Anhaltungsanordnung verletze ihr Eigentum und ihr Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Die Bescheinigung der Generaldirektion des Patrimoniums, die der Beklagte zur Grundlage seiner Anhaltungsanordnung gemacht habe, enthalte keine Aussage zur Provenienz der Münze. Es gebe keine gesicherten Erkenntnisse darüber, woher die Münze stamme. Die Geschichte von dem vor der korsischen Küste gesunkenen Schiff, dem „Schatz von Lava“, stelle jedenfalls eine Legende dar, die von Münzhändlern gern angeführt werde, um auf ihr Angebot aufmerksam zu machen. Antike Münzen seien als Sammlungsstücke keine archäologischen Gegenstände i.S.d. KultGüRückG. Die streitbefangene Münze sei auch nicht in ein Verzeichnis wertvoller Kulturgüter aufgenommen worden.
Der Beklagte hat das Schreiben vom 10.08.2010 durch Bescheid vom 03.03.2011 mit der Begründung aufgehoben, dass die Anhaltungsanordnung wegen der zwischenzeitlich eingetretenen Verjährung des Rückgabeanspruchs des ersuchenden Staates zu widerrufen sei.
Die Klägerin hat ihre ursprüngliche Anfechtungsklage daraufhin auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage umgestellt. Zum Fortsetzungsfeststellungsinteresse trägt sie vor, dass sie wegen der rechtswidrigen Anhaltung der Münze beabsichtige, amthaftungsrechtliche Schadensersatzansprüche gegenüber dem Beklagten geltend zu machen. Ihr seien Zinskosten wegen des Forderungsverzugs gegenüber dem Käufer in Höhe von 2.595,20 €, ein Aufwand für Recherchen und Korrespondenz von 1.500 €, Rechtsberatungskosten von 3.000 € sowie ein Schaden am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb von 50.000 € entstanden. Der zuletzt genannte Betrag enthalte einen jährlichen entgangenen Gewinn von 10.000 € für fünf Jahre, der aus dem Verlust des verärgerten Münzkäufers als Kunde resultiere. Darüber hinaus bestehe die Gefahr, dass der Beklagte sein rechtswidriges Verwaltungshandeln ihr gegenüber wiederhole, weil sie im internationalen Maßstab mit alten Münzen Handel treibe. Zudem habe sie ein Rehabilitationsinteresse, weil sie durch die Anhaltungsanordnung als international tätiges Münzunternehmen diskriminiert worden sei.
Die Klägerin beantragt,
festzustellen, dass der Bescheid des Beklagten vom 10.08.2010 rechtswidrig gewesen ist.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt ergänzend vor, dass die Münze durch die Beigeladene konservatorisch sachgerecht und sicher aufbewahrt werde. Zunächst stelle sich die Frage, ob die Klägerin als Dritte, an die die Anhaltungsanordnung nicht ergangen sei, überhaupt klagebefugt sei. Auch sei die Anhaltungsanordnung an die Beigeladene als Gewahrsamsinhaberin zu richten gewesen, weil Rückgabeschuldner derjenige sei, der für sich selbst oder einen anderen die tatsächliche Sachherrschaft ausübe. Die Klägerin habe in ihrer Auktionspräsentation ausdrücklich auf die Provenienz aus dem „Schatz von Lava“ hingewiesen. Für alle Schiffsfunde im Meer bestehe ein Schatzregal des französischen Staates. Das Tatbestandsmerkmal des § 8 Abs. 2 KultGüRückG „dringender Verdacht“ sei nicht im Sinne des § 112 StPO auszulegen; vielmehr müsse wegen der noch erforderlichen behördlichen Ermittlungen eine überwiegende Wahrscheinlichkeit ausreichen. Hinsichtlich der Verbringung in die Bundesrepublik Deutschland sei auf den Zeitpunkt der Einfuhr abzustellen, der in jedem Fall nach der Versteigerung in New York im Jahr 2007 liege.
Die Fortsetzungsfeststellungsklage sei unzulässig, weil die Klägerin es unterlassen habe, den etwaigen Schaden durch ein Rechtsmittel abzuwenden; die Klägerin hätte neben der Anfechtungsklage einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung stellen müssen. Soweit die Klägerin überhaupt einen Schaden erlitten habe, sei dieser jedenfalls in einem erheblich geringeren Umfang entstanden, als er geltend gemacht worden sei. Ein Forderungsverzug sei wegen der Versteigerung unter Vorbehalt nicht nachvollziehbar. Zudem fehle es auch an einer konkreten Wiederholungsgefahr sowie einem Rehabilitationsinteresse.
Die Beigeladene hat sich weder geäußert noch stellt sie einen Antrag.
Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat Erfolg.
A. Sie ist zulässig.
Statthafte Klageart ist die in § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO vorgesehene Fortsetzungsfeststellungsklage. Das Klagebegehren richtet sich auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines erledigten Verwaltungsaktes. Das Schreiben vom 10.08.2010 stellt jedenfalls auf Grund des Tenors, der Bezeichnung als Bescheid und der Rechtsbehelfsbelehrung einen formellen Verwaltungsakt i.S.d. §§ 42, 68 ff., 113 VwGO dar (vgl. Stelkens / Bonk / Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 35 Rn. 15 ff.). Ob es sich bei der Anhaltungsanordnung auch um einen materiellen Verwaltungsakt i.S.d. § 1 Abs. 1 NVwVfG i.V.m. § 35 Satz 1 VwVfG mit Außenwirkung handelt, obwohl der Beklagte und die Beigeladene Behörden desselben Rechtsträgers sind, kann dahingestellt bleiben. Weiterhin hat sich die Anhaltungsanordnung durch ihre Aufhebung im Bescheid vom 03.03.2011 erledigt.
Der Klägerin ist im Hinblick auf die ursprüngliche Anfechtungsklage auch klagebefugt i.S.d. § 42 Abs. 2 VwGO gewesen. Zwar war sie nicht Adressatin des Verwaltungsaktes, jedoch mittelbar davon betroffen. Sie konnte geltend machen, in ihrem vom Einlieferer abgeleiteten Besitzrecht an der Münze verletzt worden zu sein. Die Klägerin durfte davon ausgehen, dass die Beigeladene die Anhaltungsanordnung befolgen und vor deren Aufhebung die Münze nicht herausgeben würde, so dass ihr eine Übergabe an den Aktionskäufer zumindest zeitweise unmöglich sein würde.
Darüber hinaus besitzt die Klägerin auch ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse, das in der Vorbereitung eines Amtshaftungsverfahrens besteht (vgl. Sodan / Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 113 Rn. 277 ff.). Die Klägerin hat zumindest einen möglichen Verzögerungsschaden durch die verspätete Übergabe an den Käufer, der die Münze im Rahmen der Auktion ersteigert hat, ausreichend konkret dargelegt, ohne dass dies von vorne herein als abwegig erscheint. Ihr Prokurist hat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass sie den Zuschlagspreis wegen der Unmöglichkeit der Übergabe der Münze zunächst nicht erhalten habe, jedoch dem Verkäufer diesen abzüglich des Aufgeldes bereits habe auszahlen müssen. Auf die konkrete Höhe eines Verzögerungsschadens und die Möglichkeit weiterer Schäden kommt es für die Frage der Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage nicht an. Auch ansonsten bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass ein Amtshaftungsprozess offensichtlich aussichtslos wäre. Ob die Klägerin neben der ursprünglichen Anfechtungsklage die Obliegenheit zur Schadensabwendung i.S.d. § 839 Abs. 3 BGB gehabt hätte, zusätzlich ein vorläufiges Rechtsschutzverfahren anzustrengen, ist eine nicht ohne weiteres zu beantwortende staatshaftungsrechtliche Frage, die der Klärung in einem Amtshaftungsverfahren vorbehalten bleiben muss. Abgesehen davon hätte ein solches vorläufiges Rechtsschutzverfahren lediglich den Zeitraum der Vollziehbarkeit der Anhaltungsanordnung verkürzt und damit einen potentiellen Verzögerungsschaden verringert, jedoch nicht vollständig ausgeschlossen.
B. Die Klage ist auch begründet. Der angegriffene Bescheid ist rechtswidrig gewesen und hat die Klägerin in ihren Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 und 4 VwGO).
Rechtsgrundlage für die Anhaltungsanordnung ist § 8 Abs. 2 Satz 1 KultGüRückG. Danach ordnen die für die Rückgabe des Kulturgutes zuständigen Behörden seine Anhaltung an oder veranlassen die Anordnung durch die dafür zuständige Behörde, wenn sie Kenntnis von Kulturgut erhalten, bei dem der dringende Verdacht besteht, dass es unrechtmäßig aus einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder Vertragsstaat in das Bundesgebiet verbracht worden und an diesen Staat zurückzugeben ist.
1. Die Anhaltungsanordnung ist gegenüber dem falschen Adressaten ergangen. Denn sie ist auf Grund des Regelungszusammenhangs der §§ 7 und 8 KultGüRückG an den Rückgabeschuldner zu richten, wovon offenbar auch der Beklagte in seinem Schriftsatz vom 20.10.2010 ausgeht. Die Beigeladene ist jedoch nicht Rückgabeschuldnerin i.S.d. § 7 Abs. 2 KultGüRückG, weil sie nicht für sich selbst oder für einen anderen die tatsächliche Sachherrschaft über das Kulturgut ausgeübt hat. Hierbei ist nicht allein die tatsächliche Zugriffsmöglichkeit auf das Kulturgut entscheidend. Das öffentlich-rechtliche Verwahrungsverhältnis im Rahmen einer staatsanwaltschaftlichen Sicherstellung (§ 94 Abs. 1 StPO) begründet nur eine Sachherrschaft auf Grund strafprozessualer hoheitlicher Befugnisse, jedoch keine Sachherrschaft für sich oder einen anderen i.S.d. § 7 Abs. 2 KultGüRückG. Denn damit ist der Eigenbesitz des (vermeintlichen) Eigentümers (vgl. § 872 BGB) bzw. der vom Eigentümer abgeleitete Fremdbesitz im Sinne des Zivilrechts gemeint. Ein Rückgabeanspruch ist daher im Verhältnis zum letzten zivilrechtlichen Gewahrsamsinhaber zu klären (VG München, U. v. 31.07.2008, M 17 K 06.3644, juris Rn. 43-44; ebenso: VG Berlin, U. v. 09.12.2010, 1 A 199.08). Im vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die Anhaltungsanordnung an die Klägerin zu richten gewesen wäre. Das korrespondiert auch mit deren materiellen Interesse an der Münze, welches die Beigeladene gerade nicht besitzt. Auch die Systematik des § 8 KultGüRückG legt dieses Ergebnis nahe. Gemäß § 8 Abs. 3 und 4 KultGüRückG löst die Anhaltungsanordnung zunächst nur ein Weitergabe-, Ausfuhr-, Vorenthaltungs-, Beschädigungs- und Zerstörungsverbot aus. Erst als nachgelagerte Maßnahme, wenn die Verhinderung der Rückgabe oder die Beschädigung des Kulturgutes zu befürchten ist, sieht § 8 Abs. 6 KultGüRückG die Sicherstellung des angehaltenen Kulturgutes nach Maßgabe der landesrechtlichen Vorschriften vor. Danach wäre unter Umständen – nach dem Erlass einer Anhaltungsanordnung gegenüber der Klägerin – eine Sicherstellungsanordnung seitens des Beklagten sowie die verwaltungsinterne Anweisung bzw. Beauftragung der Beigeladenen mit der weiteren Verwahrung nach § 27 Abs. 1 NSOG in Betracht gekommen.
2. Des Weiteren waren auch die materiellen Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 Satz 1 KultGüRückG im Zeitpunkt des Erlasses der Anhaltungsanordnung nicht gegeben. Ein dringender Verdacht in Sinne dieser Regelung setzt voraus, dass mit zumindest erheblicher Wahrscheinlichkeit und auf Tatsachen gestützt ein Rückgabeanspruch besteht. Nach dem Sinn und Zweck der Anhaltungsanordnung, die Rückgabe vorläufig bis zu einer eventuellen Klärung in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren nach § 13 KultGüRückG zu sichern, erfordert dies zwar weder eine vollständige Gewissheit über das Bestehen des Rückgabeanspruchs noch die Ausschöpfung aller Aufklärungsmöglichkeiten. Jedoch müssen die Tatbestandsvoraussetzungen des Rückgabeanspruchs in sich schlüssig durch den die Rückgabe ersuchenden Staat oder in sonstiger Form in den Verwaltungsvorgängen belegt sein. Ob der erforderliche Grad der Wahrscheinlichkeit „hoch“ oder „überwiegend“ sein muss, kann dahingestellt bleiben. Im vorliegenden Fall bestand nicht einmal ein überwiegend wahrscheinlicher Verdacht für das Vorhandensein eines Rückgabeanspruchs gemäß § 6 Abs. 1 oder 2 KultGüRückG.
Nach § 6 Abs. 1 KultGüRückG ist ein unrechtmäßig nach dem 31. Dezember 1992 aus dem Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union in das Bundesgebiet verbrachter Gegenstand diesem Mitgliedstaat auf sein Ersuchen zurückzugeben, wenn (1.) dieser Gegenstand vor der Verbringung oder im Fall von archäologischen Gegenständen, die vor der Verbringung unbekannt waren, innerhalb eines Jahres, nachdem die zuständige Behörde des betroffenen Mitgliedstaats von dem Gegenstand Kenntnis erlangen konnte, von dem ersuchenden Mitgliedstaat durch Rechtsvorschrift oder Verwaltungsakt als nationales Kulturgut von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert im Sinne des Artikels 30 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft öffentlich eingestuft wurde oder seine Einstufung als nationales Kulturgut eingeleitet und die Einleitung des Verfahrens öffentlich bekannt gemacht wurde und (2.) der Gegenstand entweder a) unter eine der im Anhang der Richtlinie 93/7/EWG des Rates vom 15. März 1993 über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern (ABl. EG Nr. L 74 S. 74), zuletzt geändert durch die Richtlinie 2001/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juni 2001 (ABl. EG Nr. L 187 S. 43), genannten Kategorien fällt oder b) als Teil einer öffentlichen Sammlung in ein Bestandsverzeichnis eines Museums, eines Archivs, einer religiösen Einrichtung oder in das Bestandsverzeichnis der erhaltungswürdigen Bestände einer Bibliothek eingetragen ist und die Sammlung selbst oder die Einrichtung, zu der sie gehört, nach der für sie gültigen Rechtsordnung einer öffentlichen Einrichtung gleichsteht.
Gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 KultGüRückG ist ein unrechtmäßig nach dem 26. April 2007 aus dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats in das Bundesgebiet verbrachter Gegenstand dem Vertragsstaat auf sein Ersuchen zurückzugeben, wenn (1.) dieser Gegenstand vor der Verbringung oder im Fall von archäologischen Gegenständen, die vor der Verbringung unbekannt waren, innerhalb eines Jahres, nachdem die zuständige Behörde des betroffenen Vertragsstaats von dem Gegenstand Kenntnis erlangen konnte, von dem ersuchenden Vertragsstaat aus religiösen oder weltlichen Gründen als für die Archäologie, Vorgeschichte, Geschichte, Literatur, Kunst oder Wissenschaft besonders bedeutsam bezeichnet wurde oder ein Verfahren zur Bezeichnung eingeleitet und die Einleitung des Verfahrens öffentlich bekannt gemacht wurde und (2.) der Gegenstand einer der in Artikel 1 des Kulturgutübereinkommens genannten Kategorien angehört.
a. Den Verwaltungsvorgängen und insbesondere den Schreiben der französischen Behörden lässt sich kein Anhaltspunkt dafür entnehmen, dass vor der Verbringung der streitgegenständlichen Münze öffentlich bekannt gemacht worden ist, dass sie als nationales Kulturgut oder als besonders bedeutsam eingestuft bzw. die Einstufung eingeleitet worden ist. Dabei muss sich die öffentliche Klassifizierung auf das konkrete Kulturgut beziehen und dieses individualisierbar machen (vgl. VG Berlin, U. v. 09.12.2010, 1 A 199.08). Im Falle des § 6 Abs. 2 KultGüRückG gilt ein Gegenstand als "besonders bedeutsam bezeichnet", wenn er individuell identifizierbar von einem anderen Vertragsstaat in ein Verzeichnis des bedeutenden öffentlichen und privaten Kulturgutes aufgenommen worden ist, wobei das Verzeichnis im Bundesgebiet ohne unzumutbare Hindernisse öffentlich zugänglich sein muss (§ 6 Abs. 2 Satz 2 und 3 KultGüRückG). § 6 Abs. 1 KultGüRückG verlangt zwar nicht ausdrücklich die Aufnahme in ein solches Verzeichnis, jedoch die öffentliche Einstufung durch Rechtsvorschrift oder Verwaltungsakt. Aus dem Sinn der Vorschrift, Rechtssicherheit zu gewährleisten (vgl. zur ursprünglichen Gesetzesfassung: BT-Drs. 13/10789, S. 9), ergibt sich auch in Bezug auf § 6 Abs. 1 KultGüRückG, dass die öffentliche Einstufung für den interessierten Personenkreis unter zumutbaren Umständen wahrnehmbar sein muss. In beiden Fällen handelt es sich daher um nach außen an die Öffentlichkeit gerichtetes staatliches Handeln. Eine rein verwaltungsinterne, öffentlich nicht ohne weiteres wahrnehmbare Einstufung reicht daher weder im Falle des § 6 Abs. 1 KultGüRückG noch des § 6 Abs. 2 KultGüRückG aus. Ebenso wenig genügt die erst im Rahmen des Rechtshilfeverfahrens erstellte Bescheinigung der Generaldirektion des Patrimoniums vom 29.03.2010, die – soweit erkennbar – nicht publiziert worden ist und nur der Vorlage beim ersuchten Staat dient, diesen Anforderungen.
b. Weiterhin ist die sowohl in § 6 Abs. 1 KultGüRückG als auch § 6 Abs. 2 KultGüRückG vorgesehene Nacherfassungsfrist für unbekannte archäologische Gegenstände im Zeitpunkt des Erlasses der Anhaltungsanordnung – für den Beklagten aus den Verwaltungsvorgängen erkennbar – bereits abgelaufen gewesen. Die Frist beginnt in dem Zeitpunkt zu laufen, in dem die im ersuchenden Staat zuständige Behörde von dem Gegenstand „Kenntnis erlangen konnte“, d.h. die Möglichkeit zur Kenntnisnahme hatte. Während der ursprüngliche Gesetzentwurf noch auf die positive Kenntnis des ersuchenden Staates abstellte (BT-Drs. 16/1371, S. 17-18), wurde auf Vorschlag des Ausschusses für Kultur und Medien (BT-Drs. 16/4145, S. 11) letztlich die Anknüpfung an die Möglichkeit der Kenntnisnahme mit der Begründung gesetzlich verankert, dass der Herkunftsstaat ansonsten stets behaupten könne, von der Existenz des Gegenstandes keine Kenntnis gehabt zu haben; ausreichend für den Fristlauf solle daher beispielsweise die Veröffentlichung in einem weltweit bekannten Katalog sein (vgl. auch: Bay VGH, B. v. 13.04.2010, 7 CE 10.258, juris Rn. 28). Insofern wird zwar nicht jede öffentlich in irgendeiner Weise zugängliche Informationsquelle als Kenntnisnahmemöglichkeit ausreichen. Jedoch genügen jedenfalls in Fachkreisen bekannte Publikationen wie Kataloge von international bedeutsamen Auktionen. Aus dem staatsanwaltschaftlichen Aktendoppel (Bl. 82-84), das dem Beklagten vorlag, geht hervor, dass die Goldmünze am 10.01.2007 im Rahmen der „The New York Sale – Auction XIV“ unter der Auktionsnummer 386 versteigert und im Auktionskatalog detailliert beschrieben wurde. Auf Grund dieser Auktion, deren Katalog nach wie vor im Internet (www.thenewyorksale.com) auffindbar ist, hätte die zuständige französische Behörde spätestens Anfang des Jahres 2007 von der Existenz der Goldmünze Kenntnis nehmen und diese innerhalb eines Jahres als nationales Kulturgut öffentlich einstufen oder die Einstufung einleiten und das Einstufungsverfahren öffentlich bekannt machen können.
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Hier entspricht es der Billigkeit, die Beigeladene ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen zu lassen, da sie sich mangels Antragstellung keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.