Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 06.12.2006, Az.: 15 W 36/06
Umdeutung der Anfrage eines Sachverständigen in einen Antrag auf Festsetzung des Stundensatzes nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG); Ausschluss der Beschwerde des Sachverständigen gegen die Festsetzung seiner Vergütung nach Geltendmachung derselben
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 06.12.2006
- Aktenzeichen
- 15 W 36/06
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2006, 28739
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2006:1206.15W36.06.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Oldenburg - 12.07.2006 - AZ: 13 T 469/06
Rechtsgrundlagen
- § 8 JVEG
- § 9 Abs. 1 S. 6 JVEG
Fundstellen
- BauR 2007, 443 (amtl. Leitsatz)
- OLGReport Gerichtsort 2007, 240
- SV 2007, 115-116
Verfahrensgegenstand
Sachverständigenvergütung
Amtlicher Leitsatz
Hat das Gericht einem Sachverständigen für Vermessungswesen auf dessen Anfrage vor Erstellung des Gutachtens bestätigt, es solle "nach der geltenden Kostenordnung" abgerechnet werden, und durfte der Sachverständige dies so verstehen, dass damit auch vom Gericht die KOVerm (und nicht das JVEG) gemeint war, so ist die Anfrage analog einem Antrag auf Festsetzung des Stundensatzes nach dem JVEG zu behandeln. Der anzusetzende Stundensatz ist dann der KOVerm zu entnehmen.
In der Beschwerdesache
hat der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg
am 6. Dezember 2006
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
beschlossen:
Tenor:
Auf die weitere Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Landgerichts vom 12. Juli 2006 in der Fassung des Beschlusses vom 28. August 2006 wie folgt geändert:
Die dem Sachverständigen zu zahlende Vergütung wird auf 1.670,61 EUR festgesetzt.
Gründe
Der Beschwerdeführer begehrt die Erstattung eines höheren Stundensatzes für seine Sachverständigentätigkeit als ihm vom Amtsgericht zugebilligt worden ist.
Der Beschwerdeführer hat in dem zwischen den benachbarten Beteiligten geführten Rechtsstreit um eine Grenzeinrichtung ein schriftliches Sachverständigengutachten erstattet. Vor seiner Beauftragung hatte er mit Schreiben vom 12. Januar 2005 das Amtsgericht um Bestätigung gebeten, dass "die Grenzfeststellung" nach der geltenden Kostenordnung abgerechnet werden könne. Das Amtsgericht hatte ihm darauf am 3. Februar 2005 mitgeteilt, "es solle nach der geltenden Kostenordnung abgerechnet werden."
Mit Rechnung vom 18. März 2005 - auf der Grundlage der Kostenordnung für das amtliche Vermessungswesen (KOVerm) vom 16. Dezember 2003 - berücksichtigte der Sachverständige für seine Tätigkeit einen Stundensatz von 68 EUR.
Das Amtsgericht teilte ihm darauf mit, die KOVerm finde für das gerichtliche Verfahren keine Anwendung, er möge seine Rechung nach Maßgabe des Justizvergütungs- und entschädigungsgesetz (JVEG) berichtigen bzw. neu einreichen.
Der Sachverständige reichte sodann die Rechung vom 7. Juli 2005 über 1.800,11 Euro ein, worin er seinen Stundensatz nach § 9 Absatz 1 Satz 3 JVEG nach Stufe 7 (Honorargruppe für Architekten und Ingenieure) mit 80 EUR bemaß.
Mit Beschluss vom 25. April 2006 hat das Amtsgericht die Vergütung auf 1.019,41 Euro festgesetzt und dabei lediglich einen Stundensatz des Sachverständigen von 50 EUR gemäß Stufe 1 (Honorargruppe Vermessungstechnik) berücksichtigt, weitere Kürzungen vorgenommen und 135 EUR verauslagte Kosten für Katasterunterlagen gestrichen; wegen der Einzelheiten wird auf den Festsetzungsbeschluss verwiesen.
Auf die vom Sachverständigen wegen Nichtberücksichtigung der 135 EUR und der Bemessung der Vergütung für ihn und seine Mitarbeiter eingelegte Beschwerde hat das Landgericht Oldenburg mit Beschluss vom 12. Juli 2006 die Vergütung der Hilfskräfte anderweitig bemessen, die Auslagen von 135 EUR berücksichtigt und die zu erstattenden Kosten anderweitig auf 1.119,60 EUR festgesetzt.
Die vom Sachverständigen erhobene Beschwerde gegen die Festsetzung eines Stundensatzes von 50 EUR für seine eigene Tätigkeit hat das Landgericht mit der Begründung als unzulässig verworfen, gemäß § 9 Absatz 1 Satz 6 JVEG sei die Beschwerde nach § 4 Absatz 3 JVEG nur zulässig, solange der Berechtigte seinen Vergütungsanspruch noch nicht geltend gemacht habe. Da der Beschwerdeführer im vorliegenden Verfahren seine Vergütung bereits abgerechnet habe, sei er, was seinen Stundensatz angehe, nicht mehr beschwerdeberechtigt. Eine Verletzung des in Art. 19 Abs. 4 GG garantierten Rechtsschutzes sei in der Vorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 6 JVEG nicht zu sehen. Die Verkürzung des Beschwerderechts erstrecke sich nämlich nicht auf die Vergütung i.S.d. § 8 JVEG insgesamt, sondern nach der Gesetzessystematik ausschließlich auf die Festsetzung des Honorarstundensatzes. Um sich insoweit sein Beschwerderecht zu erhalten, könne der Sachverständige vor der Geltendmachung seines Gesamtanspruchs lediglich die Festsetzung seines Honorarstundensatzes beantragen und anschließend abrechnen. Zwar sei insoweit zu berücksichtigen, dass er gemäß § 2 Absatz 1 JVEG seinen Vergütungsanspruch binnen drei Monaten geltend gemacht haben müsse, was ihm nicht möglich sei, falls das Gericht seinem Antrag auf Festsetzung seines Stundensatzes nicht frühzeitig entspreche. Für diesen Fall werde dem Sachverständigen aber Wiedereinsetzung in den Stand vor Fristversäumung zu gewähren sein, so dass er hinsichtlich der richtigen Eingruppierung nach § 9 Absatz 1 JVEG nicht rechtlos gestellt sei. Weil der Frage der Verfassungsgemäßheit des § 9 Absatz 1 Satz 6 JVEG grundsätzliche Bedeutung zukomme, hat das Landgericht die weitere Beschwerde wegen der Nichtberücksichtigung des vom Sachverständigen beanspruchten Stundensatzes zugelassen.
Gegen diese Entscheidung hat der Sachverständige am 27. Juli 2006 erneut Beschwerde eingelegt. Das Landgericht hat diese - soweit sich der Sachverständige mit ihr gegen die Festsetzung der Stundensätze für den von ihm zugezogenen Vermessungsingenieur, den Vermessungstechniker und den Messgehilfen wendet - als Gegenvorstellung gegen den Beschluss vom 12. Juli 2006 angesehen und die Vergütung - unter Neubestimmung der Stundensätze für diese Personen und unter Einbeziehung der Auslagen von 135 EUR - mit Beschluss vom 28. August 2006 anderweitig auf 1.503,57 EUR festgesetzt. Im Übrigen hat das Landgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
Die vom Landgericht zugelassene weitere Beschwerde des Sachverständigen bezüglich des für seine Tätigkeit festgesetzten Stundensatzes von 50 EUR ist - unabhängig von der Frage der Verfassungsgemäßheit der in § 9 Abs. 1 Satz 6 JVEG getroffenen Regelung - begründet.
Vorliegend hat der Sachverständige sich beim Gericht vor seiner Beauftragung erkundigt, ob die Angelegenheit nach der geltenden Kostenordnung abgerechnet werden könne und eine entsprechende Bestätigung erhalten. Zwar sind der Sachverständige einerseits und das Amtsgericht andererseits von unterschiedlichen "geltenden Kostenordnungen" ausgegangen. Dieser Dissens ist erst durch die - auf die KOVerm gestützte - Abrechnung des Sachverständigen vom 18. März 2005 offenbar geworden. Die Anfrage des Sachverständigen vom 12. Januar 2005, mit der er den Rahmen abgesteckt wissen wollte, in dem er seine Tätigkeit abrechnen könne, ist vorliegend analog einem Antrag auf Festsetzung seines Stundensatzes zu behandeln. Denn er wollte ersichtlich die Honorarfrage vor
Übernahme des Auftrages geklärt wissen. Mit dem Grundsatz von Treu und Glauben wäre es unvereinbar, ihn um eine neue Rechung nach dem JVEG zu bitten, ihm aber - ohne Berücksichtigung seiner Anfrage vom 12. Januar 2005 - zugleich seine Beschwerdeberechtigung gegen die Festsetzung des Stundensatzes nach Gruppe 1 abzusprechen, weil er vor der Abrechnung eine Feststellung seines Stundensatzes nicht beantragt habe.
Vielmehr durfte der Sachverständige die Antwort des Amtsgerichts vom 3. Februar 2005 auf seine Bitte um Bestätigung einer Abrechnung nach der geltenden Kostenordnung dahin verstehen, dass er seinen Stundensatz nach der KOVerm abrechnen könne. Das folgt schon daraus, dass das Amtsgericht seinerseits die Geltung der "Kostenordnung" bestätigte und nicht auf das anzuwendende JVEG verwies.
Entsprechend ist ihm der Stundensatz von 68 EUR zuzubilligen.
Da bislang lediglich 50 EUR je Stunde zuzüglich Mehrwertsteuer bei der Vergütungsfestsetzung berücksichtigt worden sind, ist die Vergütung für das Sachverständigengutachten in Abänderung des Beschlusses des Landgerichts Oldenburg vom 12. Juli 2006 nach Maßgabe des Beschlusses vom 28. August 2006 um 167,04 EUR (= 8 Stunden zu je 18 EUR Mehrbetrag zuzüglich Mehrwertsteuer) zu erhöhen und auf insgesamt 1.670,61 EUR festzusetzen.