Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 18.08.1983, Az.: 2 W 95/83

Beschlußüber die Erhebung einer Kostenpauschale zur Deckung von Mieterwechselaufwendungen; Abgrenzung der im Mehrheitsbeschluß getroffene Regelung vom Inhalt der Teilungserklärung ; Abweichungen von der allgemeinen Pflicht zur Instandhaltung des Gemeinschaftseigentums durch alle Wohnungseigentümer ; Belastung einzelner Wohnungeigentümer über die ausdrücklich geregelten Ausnahmefälle hinaus mit einem besonderen Beitrag

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
18.08.1983
Aktenzeichen
2 W 95/83
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1983, 14523
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:1983:0818.2W95.83.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG ... - 13.06.1983 - AZ: 8 T 121/83
AG ... - AZ: 1 UR II 71/82

Verfahrensgegenstand

Anfechtung eines Mehrheitsbeschlusses

Prozessführer

Eheleute ... und ... geb. ...

Prozessgegner

1. ...,
vertreten durch ihre Geschäftsführer ... und ...,

2. die übrigen Wohnungseigentümer ...
vertreten durch den Verwalter zu 1.,

In der Wohnungseigentumssache

Tenor:

wird der Beschluß des Landgerichts ... vom 13. Juni 1983 auf die weitere Beschwerde der Antragsteller aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen. Ihr wird auch die Entscheidung über die Rechtsbeschwerdekosten übertragen.

Gründe

1

Die Versammlung der Wohnungseigentümer beschloß am 25. September 1982 mehrheitlich, daß alle Gemeinschafter, die ihre Eigentumswohnung im Jahr für zwei Wochen oder länger vermieten, einen einmaligen Betrag von 100,- DM jährlich an die Wohnungseigentümergemeinschaft zur Rücklagenbildung für Mehrabnutzungen des Gemeinschaftseigentumes zahlen sollen. Die Ziffern 1 und 2 des § 5 des Teiles II der Teilungserklärung vom 18. Juni 1976, durch die das Wohnungseigentum begründet wurde (§ 8 WEG), lauten:

1)
Der Wohnungseigentümer ist vorbehaltlich der Sätze 2 und 3 verpflichtet, die dem Sondereigentum unterliegenden Gebäudeteile ordnungsgemäß instandzuhalten und instandzusetzen.

Die Instandhaltung und Instandsetzung der Wohnungsabschlußtüren, der Außenfenster und anderer Teile des Gebäudes, die für dessen Bestand erforderlich sind, sowie von Anlagen und Einrichtungen, die dem gemeinschaftlichen Gebrauch dienen, obliegt, auch wenn sie sich im Bereich der dem Sondereigentum unterliegenden Räume befinden, dem Wohnungseigentümer insoweit, als sie infolge unsachgemäßer Behandlung durch den Wohnungseigentümer, seine Angehörigen oder Personen, denen er die Wohnung oder einzelne Räume überlassen hat, notwendig werden.

Die Behebung von Glasschäden an Fenstern und Türen, die sich im Bereich dem Sondereigentum unterliegender Räume befinden, obliegt jedoch, ohne Rücksicht auf die Ursache des Schadens, dem Wohnungseigentümer.

Die Vornahme reiner Schönheitsreparaturen innerhalb der Wohnung, das Tapezieren, Anstreichen oder Kalken der Wände und Decken, der Innenanstrich der Außenfenster und der Wohnungsabschlußtüren, das Streichen der übrigen Türen, der Fußböden und der Heizkörper, steht im Ermessen des Wohnungseigentümers.

2)
Soweit sich nicht aus Absatz 1 etwas anderes ergibt, obliegt die Instandhaltung und Instandsetzung des Gebäudes und des Grundstücks den Wohnungseigentümern gemeinschaftlich; sie ist vom Verwalter durchzuführen.

2

In § 11 a.a.O. ist bestimmt:

§ 11

Zahlungsverpflichtung des Wohnungseigentümers

1)
Jeder Wohnungseigentümer ist verpflichtet, nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Beiträge zur Deckung der laufenden Bewirtschaftungskosten zu leisten.

Die Bewirtschaftungskosten bestehen aus:

...

c)
Den Kosten für die Instandhaltung und Instandsetzung, soweit diese gem. Teil II § 5 dieser Teilungserklärung den Wohnungseigentümern gemeinschaftlich obliegen, einschließlich eines Betrages für die Bildung einer angemessenen Instandsetzungsrücklage, die 15.000,- DM nicht übersteigen soll.

...

3

Die Antragsteller haben den Mehrheitsbeschluß am 25. Oktober 1982 mit der Begründung angefochten, daß er ihnen eine unzulässige Sonderabgabe auferlege.

4

Die Antragsteller haben beantragt,

den Mehrheitsbeschluß für ungültig zu erklären.

5

Die Antragsgegner haben beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

6

Das Amtsgericht hat den Antrag unter Bezug auf eine Entscheidung des Landgerichts Wuppertal (Rpfleger 1978, 23) zurückgewiesen. Die Antragsteller haben gegen den ihnen am 17. Januar 1983 zugestellten amtsgerichtlichen Beschluß am 28. Januar 1983 sofortige Beschwerde eingelegt und ihre Ansicht weiter vertreten, der angefochtene Mehrheitsbeschluß sei mit § 5 dar Teilungserklärung nicht zu vereinbaren, sondern habe nur einstimmig rechtswirksam gefaßt werden können.

7

Die Antragsteller haben den Antrag gestellt,

den amtsgerichtlichen Beschluß aufzuheben und den Mehrheitsbeschluß für ungültig zu erklären.

8

Die Antragsgegner haben den Antrag gestellt,

die Beschwerde abzuweisen.

9

Die Antragsgegner haben sich weiter auf den Standpunkt gestellt, der Mehrheitsbeschluß berühre die Teilungserklärung nicht. Die Pauschale habe mit den Instandhaltungsmaßnahmen des § 5 der Teilungserklärung nichts zu tun.

10

Die 8. Zivilkammer des Landgerichts ... hat die sofortige Beschwerde durch Beschluß vom 13. Juni 1983 zurückgewiesen und ebenfalls unter Bezug auf die Entscheidung des Landgerichts Wuppertal (Rpfleger 1978, 23) ausgeführt, der Mehrheitsbeschluß regele einen Sachverhalt, der weder unter § 5 Ziffer 1 noch unter § 5 Ziffer 2 der Teilungserklärung falle. Er beträfe Aufwendungen, deren Verursacher nicht feststellbar (§ 5 Ziffer 1), sondern nur zu vermuten seien und auch nicht unter die allgemeine Instandsetzungspflicht (§ 5 Ziffer 2) fielen.

11

Die Antragsteller haben gegen den ihnen am 22. Juni 1983 zugestellten landgerichtlichen Beschluß am 6. Juli 1983 sofortige weitere Beschwerde eingelegt. Sie sind weiterhin der Ansicht, der Mehrheitsbeschluß verstoße gegen die Teilungserklärung, deren § 5 Ziffer 2 ausdrücklich bestimme, daß die Instandhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums den Wohnungseigentümern gemeinschaftlich obliege, soweit sich aus § 5 Ziffer 1 nichts anderes ergebe. § 5 Ziffer 1 aber sehe für die durch den Mehrheitsbeschluß geregelten Fälle keine besondere Kostenpflicht vor.

12

Die Antragsteller beantragen,

den landgerichtlichen Beschluß aufzuheben und den Mehrheitsbeschluß für ungültig zu erklären.

13

Die Antragsgegner beantragen,

die sofortige weitere Beschwerde abzuweisen.

14

Sie treten der angefochtenen Entscheidung bei.

15

Das Rechtsmittel ist zulässig, insbesondere fristgemäß erhoben, und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung sowie zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz. Es steht nach den bisherigen Feststellungen, die noch ergänzungsbedürftig sind, dahin, ob der von den Antragstellern rechtzeitig angefochtene Mehrheitsbeschluß der Wohnungseigentümer-Versammlung vom 25. September 1982 gemäß § 23 Abs. 4 WEG für ungültig zu erklären ist oder nicht.

16

Zwar ist ein Beschluß über die Erhebung einer Kostenpauschale zur Deckung von Mieterwechselaufwendungen, wie ihn die Mehrheit der Wohnungseigentümer am 25. September 1982 faßte, durchaus möglich, allerdings nur dann, wenn ihm keine Vereinbarung entgegensteht (vgl. Augustin in BGB-RGRK 12. Aufl. [1983]§ 16 Rdn. 27, Bärmann/Pick/Merle WEG 5. Aufl. [1983]§ 15 Rz 24 u. § 16 Rz 37, Palandt/Bassenge 42. Aufl. [1983] Anm. 1a, Bärmann/Pick WEG 10. Aufl. [1981], § 15 Anm. III b sowie OLG Stuttgart MDR 1981, 587 [OLG Stuttgart 19.02.1981 - 8 W 233/80] und OLG Frankfurt OLGZ 1979, 25, 27) oder Treu und Glauben ihn trotz einer entgegenstehenden Vereinbarung rechtfertigen (OLG Frankfurt aaO).

17

Entgegen der vorinstanzlichen Auffassung steht dem Mehrheitsbeschluß grundsätzlich gemäß § 15 Abs. 2 WEG die Teilungserklärung entgegen, die einer Vereinbarung gleichsteht (s.h. z.B. Augustin a.a.O. § 10 Rdn. 14 Abs. 1 u. 15 Abs. 2).

18

Das Landgericht grenzt - wie das Landgericht Wuppertal (Rpfleger 1978, 23 und dazu unter Hinweis auf das ohne eine abschließende Regelung der Teilungserklärung eingreifende Gesetzesrecht (vgl. auch Teil II § 1 der Teilungserklärung, kritisch Schmid in BlGBW 1980, 203, 204) in einem ähnlichen Fall - die im Mehrheitsbeschluß getroffene Regelung vom Inhalt der Teilungserklärung ab, indem es darauf abstellt, daß die getroffene Regelung die vermuteten Verursacher von Abnutzungen am Gemeinschaftseigentum treffen solle, dies nichts mit der gemeinschaftlichen Instandhaltungspflicht zu tun habe und auch der in der Teilungserklärung geregelte Fall konkret feststellbarer Schädiger nicht gegeben sei. Indes greift nach der Teilungserklärung in allen Fällen, in denen die Ausnahme, bei der ein Schädiger feststeht (Teil II § 5 Ziffer 1), nicht vorliegt, die allgemeine Regelung der gemeinschaftlichen Instandhaltungspflicht ein (Teil II § 5 Ziffer 2), von der nur im Einvernehmen mit allen Gemeinschaftern abgewichen werden darf, sofern die Wohnungseigentümer nicht nach Treu und Glauben verpflichtet sind, der vorgesehenen Regelung zuzustimmen. Eine Rücklagenbildung für die Mehrabnutzung des Gemeinschaftseigentums durch Vermietung fällt in den Bereich der Instandhaltungspflicht, die in Teil II § 5 der Teilungserklärung festgelegt ist. Geldrücklagen für die Mehrabnutzung von Gemeinschaftseinrichtungen infolge von Vermietung dienen der Instandhaltung des Gemeinschaftseigentums. Teil II § 5 Ziffer 1 der Teilungserklärung regelt die Instandhaltung und Instandsetzungspflicht von im gemeinschaftlichen Gebrauch stehenden Einrichtungen durch den einzelnen Wohnungseigentümer, wenn sie durch seine eigene unsachgemäße Behandlung oder die seiner Angehörigen und Mieter notwendig wird. Teil II § 5 Ziffer 2 der Teilungserklärung behandelt die Instandhaltung des Gebäudes für alle anderen Fälle als gemeinschaftliche Angelegenheit der Wohnungseigentümer. Von dieser allgemeinen Pflicht zur Instandhaltung des Gemeinschaftseigentums durch alle Wohnungseigentümer wird nur unter den Ausnahmevoraussetzungen des § 5 Ziffer 1 des Teiles II der Teilungserklärung abgewichen (Teil II § 5 Ziffer 2: "Soweit sich nicht aus Absatz 1 etwas anderes ergibt ..."), so daß es der Teilungserklärung widerspricht, über die ausdrücklich geregelten Ausnahmefälle hinaus einzelne Wohnungseigentümer nach Art und Maß mit einem besonderen Beitrag zu den nach § 5 Abs. 2, § 11 Teilungserklärung von der Gemeinschaft aller Wohnungseigentümer zu tragenden Instandhaltungsaufwendungen zu belasten. Wie bisher unaufgeklärt ist, könnte allerdings ein Zustimmungsanspruch der Mehrheit der Wohnungseigentümer gegenüber den Antragstellern bestehen, wenn Treuepflichten aus der Gemeinschaftszugehörigkeit die Weigerung der Antragsteller als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (vgl. OLG Frankfurt aaO).

19

Da die Entscheidung über die Rechtsmittelkosten vom endgültigen Ausgang des Verfahrens abhängt, war sie - wie geschehen - dem Landgericht zu übertragen.