Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 17.10.1997, Az.: 1 WS 453/97

Prüfung der erneuten Aussetzung eines Strafrestes von Amts wegen; Vollstreckung von Strafresten auf Grund eines Widerrufs

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
17.10.1997
Aktenzeichen
1 WS 453/97
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1997, 21768
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1997:1017.1WS453.97.0A

Fundstellen

  • NStZ 2000, 56 (amtl. Leitsatz)
  • NStZ 1998, 271-272 (Volltext mit amtl. LS)
  • NStZ 1999, 8-12 (Urteilsbesprechung von Oberregierungsrat Thomas Ullenbruch)

Amtlicher Leitsatz

Prüfung der erneuten Aussetzung eines Strafrestes von Amts wegen entgegen § 454 b Abs. 2 Satz 2 StPO.

Gründe

1

Der Verurteilte verbüßt u.a. eine zweijährige Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Schöffengerichts Essen vom 6. Juni 1991. Das Landgericht Hannover hatte die Vollstreckung des Restes dieser Strafe am 17. August 1993 vor der Verbüßung von zwei Dritteln gem. § 57 Abs. 2 Nr. 1 StGB zur Bewährung ausgesetzt, die Aussetzung aber am 11. August 1995 widerrufen. Die Reststrafe wurde ab 7. Dezember 1995 bis zur Verbüßung von zwei Dritteln vollstreckt und dann zur Vollstreckung weiterer Freiheitsstrafen unterbrochen. Die Unterbrechung entsprach der Anordnung der Staatsanwaltschaft.

2

Am 14. September 1997 hatte der Verurteilte zwei Drittel aller gegen ihn vollstreckten Freiheitsstrafen verbüßt. Die Staatsanwaltschaft hat die Akten einschließlich Bericht der Strafvollstreckungskammer mit dem Antrag vorgelegt, eine Entscheidung gemäß § 57 Abs. 1 StGB auch in der vorliegenden Sache herbeizuführen. Der Verurteilte hat einer vorzeitigen Entlassung zugestimmt, einen Antrag darauf jedoch nicht ausdrücklich gestellt. Die Strafvollstreckungskammer hat es abgelehnt, eine Entscheidung zu treffen, weil bereits früher gemäß § 57 Abs. 2 Nr. 1 StGB befunden worden sei und deswegen eine weitere Entscheidung einen Antrag des Verurteilten voraussetze.

3

Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg. Die Strafvollstreckungskammer muss unter den vorliegenden Voraussetzungen prüfen, ob die Reststrafe aus dem Urteil des Schöffengerichts Essen zur Bewährung auszusetzen ist. Dahinstehen kann hierbei, ob der teilweise vertretenen Auffassung zu folgen ist, bei der Verbüßung mehrerer Freiheitsstrafen sei eine widerrufene Halbstrafenaussetzung stets in eine gemeinsame Zweidrittelprüfung gem. § 57 Abs. 1 einzubeziehen (vgl. Pohlmann/Jabel/Wolf, StrVollstr.O, 7. Aufl., Rn. 23 zu § 43). Dem steht jedenfalls der Wortlaut des § 454 b Abs. 2 Satz 2 StPO entgegen, nach dem Strafreste, die auf Grund eines Widerrufs zu vollstrecken sind, vorweg verbüßt werden. Vollstreckt die Staatsanwaltschaft jedoch wie hier in anderer Reihenfolge, wozu sie berechtigt und verpflichtet sein kann, § 43 Abs. 4 StrVollstrO, liegt es nahe, dass sich daran in Fällen der vorliegenden Art die Prüfung gem. § 57 Abs. 1 StGB von Amts wegen anschließt, zumal der Sinn einer solchen Unterbrechung gerade darin liegt, die widerrufene Reststrafenaussetzung in diese Prüfung einzubeziehen. Kommt hinzu, dass der Verurteilte zu einer Erklärung zu dieser Prüfung aufgefordert wird und er auch seine Zustimmung zu einer vorzeitigen Entlassung erteilt, ist es mit dem Vertrauensgrundsatz nicht zu vereinbaren, ihm mit dem Hinweis auf den verfahrensrechtlich fehlenden ausdrücklichen Antrag diese Prüfung zu versagen.

4

Der Senat hält demgemäß unter den vorliegenden Voraussetzungen eine Zweidrittelprüfung durch die Strafvollstreckungskammer für erforderlich. Er weicht damit nicht von der in der Nds.Rpfl. 1986, 279 veröffentlichten Entscheidung des Oberlandesgerichts ab. Bei ablehnender Entscheidung gemäß § 57 Abs. 2 Nr. 1 StGB nach Verbüßung der Hälfte der Strafe hält er eine Entscheidung von Amts wegen nach Verbüßung von zwei Dritteln der Freiheitsstrafe nicht für erforderlich. Dieser Fall liegt hier jedoch nicht vor.