Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 10.02.1998, Az.: 5 A 5200/97
Voraussetzungen für die Verpflichtung zur Zahlung eines Fremdenverkehrsbeitrages; Umfang der Infrastrukturaufgabe; Anforderungen an das Vorliegen eines besonderen wirtschaftlichen Vorteils
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 10.02.1998
- Aktenzeichen
- 5 A 5200/97
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1998, 30333
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGBRAUN:1998:0210.5A5200.97.0A
Rechtsgrundlagen
- § 9 Abs. 2 NKAG
- § 1 Abs. 1 TPflLVO
- § 154 Abs. 1 VwGO
Fundstellen
- ArchPT 1998, 172
- NdsVBl 1998, 146-147
Das Verwaltungsgericht Braunschweig - 5. Kammer - hat
auf die mündliche Verhandlung vom 10. Februar 1998
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Hinselmann,
die Richter am Verwaltungsgericht von Krosigk und Tscherning sowie
die ehrenamtlichen Richter Duderstadt und Dürkop
für Recht erkannt:
Tenor:
Der Bescheid der Beklagten vom 20.2.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.6.1997 wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des festgesetzten Kostenerstattungsbetrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Tatbestand
I.
Mit Vorauszahlungsbescheid vom 20.11.1996 begehrte die Beklagte von der Klägerin für den Zeitraum vom 01.07. bis 31.12.1996 246,78 DM Fremdenverkehrsbeitrag. Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 18.12.1996 Widerspruch. Zur Begründung führte sie u.a. aus:
Es sei fraglich, ob die Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 NKAG vorlägen. Besondere wirtschaftliche Vorteile für die ... seien nicht erkennbar. Gemäß Art. 87 f GG gewährleiste der Bund im Bereich der Telekommunikation flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen. Diese Aufgabe werde durch die ... erbracht. In diesem Rahmen habe die ... nach der Telekom-Pflichtleistungs-Verordnung (TPflLVO) die Bereitstellung öffentlicher Telefonzellen an allgemein und jederzeit zugänglichen Standorten zu gewährleisten. Diese gemäß § 1 Abs. 1 TPflLVO im besonderen öffentlichen Interesse liegende Infrastrukturaufgabe müsse die ... also ohne Rücksicht auf wirtschaftliche Interessen erbringen. Damit unterscheide sich die ... grundlegend von sonstigen Privatunternehmen, denen es freistehe, aus wirtschaftlichen Interessen in einer Gemeinde mit Fremdenverkehrsaufkommen präsent zu sein.
Ein besonderer wirtschaftlicher Vorteil gemäß § 9 Abs. 2 NKAG liege bei der ... nicht vor, da die Deutsche Telekom AG die Infrastrukturdienstleistungen gemäß § 1 Abs. 1 TPflLVO ausschließlich im besonderen öffentlichen Interesse erbringe. Daß der Ö-Tel-Dienst zudem noch defizitär sei, könne schon jederman an der Vielzahl der beschädigten Telefonzellen erkennen. Zumindest sei hier nach dem Grundsatz der Beitragsgerechtgkeit an eine Ermäßigung der Beiträge zu denken.
Zu berücksichtigen sei auch, daß es sich bei der ... um ein bundesweites Unternehmen handele. Wirtschaftliche Vorteile die unter Umständen durch vermehrte Benutzung des Telefons in einem Fremdenverkehrsort anfallen könnten, fielen andererseits dadurch weg, daß eben diese Personen an ihrem Heimatort nicht telefonieren.
Es sei zu bezweifeln, ob die Telekommunikation überhaupt ein zulässiger Heranziehungspunkt ist. Ein Umsatzplus aufgrund des Fremdenverkehrs sei kaum ersichtlich. Das Sprech- bzw. Mitteilungsbedürfnis der Menschen hänge heutzutage nicht mehr davon ab, wo sie sich befänden. Außerdem dürfte allgemein bekannt sein, daß die Gespräche über Hoteltelefonanlagen oder öffentliche Telefonzellen nicht von langer Dauer seien.
Zusätzlich gebe es ja nicht nur abgehende, sondern auch ankommende Gespräche. Welcher Bemessungsmaßstab solle da zugrundegelegt werden?
Müsse auch der Postdienst eine Fremdenverkehrsabgabe leisten, weil mehr Ansichtskarten verschickt würden? Und wie sehe es mit den ca. 5 Mill. Mobilfunkkunden aus, würden diese Unternehmen auch zu einem Fremdenverkehrsbeitrag herangezogen?
Mit Schreiben vom 20.02.1997 teilte die Beklagte der Klägerin hierauf u.a. mit:
Der Bescheid vom 20.11.1996 werde aufgehoben, da ein Eingabefehler erfolgt sei. Eine Neuveranlagung werde beigefügt. Diese Neuveranlagung erfolgte mit Bescheid vom 27. Februar 1997 unter der Überschrift "Änderung des Vorauszahlungsbescheides über den Fremdenverkehrsbeitrag für das Jahr 1996." Die Beklagte errechnete in diesem Bescheid, auf den Bezug genommen wird, einen Fremdenverkehrsbeitrag von 2.467,77 DM. Zur Begründung ihrer Ansicht, von der Klägerin Fremdenverkehrsbeiträge fordern zu können, führte die Beklagte u.a. aus:
Beitragspflichtig zum Fremdenverkehrsbeitrag seien grundsätzlich alle selbständigen Personen und Unternehmen, die einen besonderen wirtschaftlichen Vorteil aus dem Fremdenverkehr erwirtschaften könnten. Dieser Vorteil könne durch direkten Geschäftsverkehr mit Touristen entstehen (unmittelbarer Vorteil), aber auch durch Geschäftsbeziehungen zu unmittelbar Bevorteilten (mittelbarer Vorteil). Zu beachten sei hierbei, daß die Möglichkeit der Vorteilsziehung ausreiche, ein konkreter Vorteil also nicht gegeben sein müsse. Der genannte Vorteil werde von der FVB-Satzung der Stadt Bad Harzburg durch einen Vorteilssatz beziffert, der anhand vorhandener Daten, wie zum Beispiel Gästezahlen oder Anzahl der touristisch genutzten Gebäude errechnet oder geschätzt worden sei. Der Vorteilssatz sei branchenabhängig und daher für jede Tätigkeit individuell festgelegt.
Viele Bad Harzburger Gäste nutzten die Telekommunikationseinrichtungen der Klägerin und würden aufgrund des höheren Preisgefüges voraussichtlich nur in geringem Maße von den in Hotels, Pensionen und Fremdenzimmern vorgehaltenen Telefonen Gebrauch machen. Aber selbst in diesem Falle lasse sich ein mittelbarer Vorteil für die Klägerin ableiten, da auch die in den genannten Gewerbebetrieben vorhandenen Telefoneinrichtungen zum erhöhten Umsatz der Klägerin beitrügen. Weiterhin sei z. B. denkbar, daß Touristen die Möglichkeit des Kaufs oder der Miete von Telefonartikeln über den vor dem Postamt in Bad Harzburg stationierten Info-Wagen wahrnehmen würden.
Das Gästeaufkommen betrage, bezogen auf die Einwohnerzahl Bad Harzburgs, rund 1/10, so daß ein Vorteilssatz von 10 % für die Veranlagung zugrundegelegt worden sei.
Die FVB-Satzung berücksichtige unter der Branche 180.41 den Bereich der Telekommunikation mit dem veranlagten Mindestgewinnsatz und Vorteilssatz von jeweils 10 %. Ermäßigungs-und/oder Ausnahmevorschriften sehe die Satzung nicht vor und erscheine der Beklagten im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz auch nicht gerechtfertigt.
Ein Vergleich mit anderen Mobilfunkanbietern sei nicht möglich, da gerade keine Geschäftseinrichtungen dieser Firmen in Bad Harzburg ansässig seien und diese Firmen fest installierte Telefonzellen gerade nicht vorhalten würden.
Zu der speziellen Frage, ob der Postdienst beitragspflichtig sei, könne leider aufgrund des Steuergeheimnisses nicht eingegangen werden.
Ausgangspunkt für die Berechnung des Fremdenverkehrsbeitrages sei der im Vorjahr des Erhebungszeitraumes erzielte Umsatz bzw. die Betriebseinnahmen. Da die Klägerin keine diesbezüglichen Angaben gemacht habe, seien die Zahlen geschätzt worden.
Mit Schreiben vom 11.03.1997 legte die Klägerin gegen den Bescheid vom 27. Februar 1997 Widerspruch ein. Mit Schreiben vom 07. Mai 1997 teilte sie der Beklagten unter anderem mit:
Im Ortsnetz Bad Harzburg sei 1995 ein Nettoumsatz von ... DM erzielt worden; für die öffentlichen Telefonzellen hätten sich die Einnahmen auf ... DM belaufen.
Im Jahre 1996 habe der Nettoumsatz ... DM betragen, die Einnahmen für die öffentlichen Telefonzellen hätten sich auf ... DM belaufen.
Die niedrigere Umsatzzahl für 1996 sei auf die 1996 für alle Leistungen der ... eingeführte Umsatzsteuerpflicht zurückzuführen.
Der Umsatz des von der Beklagten angeführten Info-Mobils könne zur Zeit nicht gesondert ermittelt werden. Zur Begründung des Widerspruchs führt die Klägerin dann u.a. aus:
Der in der FVB-Satzung benutzte Begriff der Telekommunikation sei zu pauschal und nicht bestimmt genug. Die Telekommunikation teile sich heutzutage in vielfältige Dienstleistungen und werde auch nicht mehr nur von einem Unternehmen angeboten. Es sei jedenfalls nicht richtig, vom Gesamtumsatz aller Dienstleistungen auszugehen. Von einem Vorteilssatz von 10 % auszugehen, dürfte auch als Schätzwert überhöht sein.
Hinsichtlich des Bemessungsmaßstabes sei zu bedenken, daß nicht lediglich die allgemeinen wirtschaftlichen Vorteile herangezogen werden dürften, sondern nur die, die dadurch entstehen, daß eine wirtschaftliche Beziehung zu den Teilnehmern des Fremdenverkehrs, mithin den Gästen, unterhalten werde. Soweit mittelbare Vorteile ausreichen sollten, könnten sich diese nur darauf beziehen, daß eine Leistung durch den unmittelbar Beteiligten erbracht werde, der einen Teil an den nur mittelbar Beteiligten weiterreiche.
Der Bemessungsmaßstab dürfe sich aber auch hier nur auf die Telefondienstleistungen beziehen, die von den Fremdenverkehrsgästen in Anspruch genommen würden. Unterstelle man einmal, daß nach dem Vorhergesagten nur der abgehende und nicht der ankommende Telekommunikationsverkehr zu beachten wäre, so dürfte dies nur einen geringen Teil des allgemeinen Telekommunikationsverkehrs ausmachen.
Der Anknüpfungspunkt "Telekommunikation" der Satzung sei auch schon deswegen fraglich, weil eine Dienstleistung oft nur noch schwer einer bestimmten Betriebsstätte zugeordnet werden könne. So werde sicherlich bekannt sein, daß hinsichtlich der Gewerbesteuer die DTAG zentral versteuert werde.
Nach § 2 Abs. 4 der Satzung der Beklagten seien Körperschaften des Bundes beitragsfrei. Die Deutsche Bundespost sei in ihrer damaligen Rechtsform nicht zu Fremdenverkehrsabgaben herangezogen worden. Nach § 16 Postumwandlungsgesetz gingen die Rechte und Pflichten der Deutschen Bundespost auf die Nachfolgeunternehmen über. Hinsichtlich des Telefondienst - (Sprach) Monopols stehe die Klägerin nicht in Konkurrenz zu anderen Unternehmen. Dieses Monopol, das den größten Umsatzanteil ausmache, ende erst am 31.12.1997.
Aber auch darüber hinaus sei die Klägerin gemäß §§ 17 ff. TKG zur flächendeckenden Grundversorgung der Bevölkerung verpflichtet. Gemäß Art. 87 f GG gewährleiste der Bund flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen. Die nunmehr vorliegende Universaldienstleistungsverordnung regele die Einzelheiten. Die Klägerin nehme damit, wenn auch in privatrechtlicher Form, öffentliche Aufgaben wahr. Sie, die Klägerin, sei deshalb der Ansicht, daß bei Dienstleistungen, die aufgrund gesetzlicher Grundlage erbracht werden bzw. erbracht werden müßten, keine Beitragspflicht bestehe. Mit Widerspruchsbescheid vom 09.06.1997 - zugestellt am 11.06.1997 - ermäßigte die Beklagte den Vorauszahlungsbescheid vom 27.02.1997 aufgrund der mitgeteilten Umsatzzahlen auf 2.141,71 DM. Im übrigen wies sie den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte die Beklagte u.a. aus:
Durch den Fremdenverkehr in ... entstünden der Klägerin sowohl unmittelbare als auch mittelbare Vorteile dadurch, daß entweder Gäste der Stadt die vorgehaltenen Einrichtungen (öffentliche Telefonzellen, aber auch die Telefone in Hotels und Ferienwohnungen) benutzten oder aber daß die Gewerbebetreibenden der Stadt die vorhandenen Einrichtungen (Telefon, T-Online, BT-X usw.) im Zusammenhang mit dem Fremdenverkehr nutzten. Der in der Anlage zur Satzung erwähnte Begriff "Telekommunikation" umfasse ihrer Meinung nach alle Angebote der Klägerin. Andererseits würde der Begriff aber auch auf Mobilfunkanbieter, Internet-Provider usw. passen, sofern diese ihren Sitz oder eine Betriebsstätte in Bad Harzburg hätten. Insofern könne die behauptete Unbestimmtheit nicht festgestellt werden.
Eine Befreiung von der Beitragspflicht sei für die privatrechtlich organisierte Klägerin nicht vorgesehen. Mit der am 08. Juli 1997 erhobenen Klage wiederholt die Klägerin ihr bisheriges Vorbringen und macht darüber hinaus geltend, daß die von ihr mitgeteilten Umsatzzahlen falsch seien, weil versehentlich bei der Ermittlung der Umsätze übersehen wurde, daß das Gesamtortsnetz der Stadt Bad Harzburg größer ist, als das gemäß § 1 Fremdenverkehrsbeitragssatzung als Kurort bezeichnete Gebiet. Im übrigen hält die Klägerin an ihrer im Widerspruchsverfahren vertretenen Auffassung fest. Die Einnahmen, die im Kurgebiet erzielt würden, gingen ihr in den Heimatorten der Kurgäste in gleichem Maße verloren. Ein besonderer wirtschaftlicher Vorteil im Sinne von § 9 NKAG liege daher insoweit nicht vor.
Das von der Beklagten angeführte T-Mobil habe seit April 1996 den Betrieb eingestellt. Standortgemäße Umsatzdaten seien nicht erfaßt worden und ließen sich auch nicht mehr ermitteln. Im Ortsbereich der Beklagten bestehe keine Betriebsstätte und es werde dort auch kein stationäres Personal beschäftigt.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 20.02.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.06.1997 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig und verweist auf ihr bisheriges Vorbringen.
Hinsichtlich des übrigen Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Verwaltungsstreitverfahren 5 A 5201/97 und 5 A 5184/97 sowie der Verwaltungsvorgänge, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige Klage ist begründet. Die angefochtenen Bescheide sind aus mehreren Gründen rechtswidrig.
1.)
Die Klägerin ist nicht beitragspflichtig.
Nach § 9 Abs. 2 NKAG sind alle selbständig tätigen Personen und alle Unternehmen, denen durch den Fremdenverkehr unmittelbar oder mittelbar besondere wirtschaftliche Vorteile geboten werden, beitragspflichtig (Satz 1). Die Beitragspflicht erstreckt sich auch auf solche Personen und Unternehmen, die, ohne in dem nach Absatz 1 anerkannten Gebiet ihren Wohnsitz oder Betriebssitz zu haben, vorübergehend dort erwerbstätig sind (Satz 2).
Dem entspricht im wesentlichen § 2 Abs. 1 der Fremdenverkehrsbeitragssatzung der Beklagten vom 25.6.1996. Soweit dort in § 2 Abs. 1 Satz 1 das Wort "besondere" ausgelassen worden ist, wollte die Beklagte hiermit im Verhältnis zu § 9 Abs. 2 Satz 1 NKAG keinen anderen Maßstab festsetzen. Dies ergibt sich aus der Bezugnahme der Satzung auf § 9 NKAG.
a)
Aus § 9 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 NKAG ergibt sich, daß eine
Ortsbezogenheit zu dem Kurgebiet vorhanden sein muß, um eine Beitragspflicht auszulösen. Denn anders wäre § 9 Abs. 2 Satz 2 NKAG nicht verständlich, wonach beitragspflichtig auch solche Personen und Unternehmen sind, die ohne in dem nach Absatz 1 anerkannten Gebiet ihren Wohnsitz oder Betriebssitz zu haben vorübergehend dort erwerbstätig sind.
Die von der Beklagten im Sinne von § 9 Abs. 2 NKAG angenommene Ortsbezogenheit der Klägerin besteht nicht.
Die Klägerin hatte im Kurgebiet der Beklagten keinen Betriebssitz. Sie unterhielt dort für den geltend gemachten Zeitraum (1.7.-31.12.1996) weder ein Info-Mobil noch ein Ladengeschäft.
Die von der Beklagten vorgenommene Anknüpfung an die von der Klägerin im Kurgebiet vorgehaltenen Telekommunikationsanschlüsse und die über diese Anschlüsse erfolgten Umsätze wird nicht durch § 9 Abs. 2 NKAG und damit auch nicht durch § 2 Abs. 1 der Fremdenverkehrsbeitragssatzung gedeckt. Denn die Klägerin war nach § 87 f GG verpflichtet, im Bereich der Telekommunikation flächendeckend qualitativ angemessene und quantitativ ausreichende Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen. Das bedeutet, daß die Klägerin gegenüber jedem beliebigen Ort im Bereich der Telekommunikation nach § 87 f GG gleichermaßen zur Bereitstellung von qualitativ angemessenen und quantitativ ausreichenden Dienstleistungen verpflichtet war.
Damit bestand im Verhältnis zum Kurgebiet und zum Fremdenverkehr der Beklagten keine stärkere objektiv verfestigte Beziehung als zu jedem anderen beliebigen Ort im Bundesgebiet, so daß die Klägerin schon mangels ausreichender Beziehung zum Fremdenverkehr der Beklagten für den geltend gemachten Zeitraum vom 1.7.-31.12.1996 nicht beitragspflichtig ist.
b)
Im übrigen hat die Klägerin mit Recht darauf hingewiesen, daß auch fraglich ist, ob ihr durch den Fremdenverkehr unmittelbar oder mittelbar besondere wirtschaftliche Vorteile geboten werden. Denn der Kurgast, der im Kurgebiet der Beklagten telefoniert, telefoniert nicht aus beruflichen und/oder privaten Gründen an seinem Heimatort. Das bedeutet, daß keineswegs festgestellt werden kann, der überregional tätigen Klägerin würden durch den Fremdenverkehr der Beklagten unmittelbar oder mittelbar besondere wirtschaftliche Vorteile geboten.
2.
Im übrigen fehlt es auch an einer wirksammen Beitragsermittlung. Der in § 4 i.V.m. Anlage 3 der Fremdenverkehrsbeitragssatzung ermittelte Beitragssatz von 2, 58 v.H. ist, jedenfalls zur Zeit des Erlasses des Widerspruchsbescheides als maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt, nichtig.
Nach § 1 Abs. 3 a der Fremdenverkehrssatzung i.V.m. II und III der Anlage 3 zur Satzung sollen die Fremdenverkehrsbeiträge benutzt werden, um 80 % der Aufwendungen für die Fremdenverkehrswerbung zu decken. Hierbei geht die Beklagte unter II der Anlage 3 von einem umlagefähigen Aufwand in Höhe von 501.540,- DM wie folgt aus:
Die Fremdenverkehrswerbung der Stadt ... wird bzw. wurde in den vergangenen Jahren von der Kurbetriebsgesellschaft und dem Marketingbeauftragten durchgeführt. Die Stadt ... erstattete der KBG 1995 aus Einzelplan 7900 des Haushaltes einen Betrag in Höhe von 60.000 DM für die Tätigkeit des Marketingbeauftragten.
Der umlagefähige Aufwand berechnet sich demnach wie folgt:
1) | Aufwand der Stadt ... Erstattung an die Wirtschaftsbetriebe ... | 60.000 DM | ||
---|---|---|---|---|
2) | Aufwand der Wirtschaftsbetriebe/KBG: | |||
a) | Marketingbeauftragter | 150.000 DM | ||
- Ertattung | 60.000 DM | 90.000 DM | ||
b) | anteilige Gehälter für Bedienstete | 105.844 DM | ||
c) | Gästezimmerverzeichnis | 94.532 DM | ||
d) | Anzeigen, Prospekte etc. | 170.801 DM | ||
e) | Sonderwerbung (Messen) | 88.665 DM | ||
f) | Aufwenden f.d. AG Harzer Veranstalter | 6.020 DM | ||
g) | Sonstige Werbeaufwendungen | 11.063 DM | ||
Gesamtaufwand: | 626.925 DM | |||
3) | Als Allgemeinanteil werden 20 % der Aufwendungen abgezogen: | 125.385 DM | ||
es verbleibt ein umlagefähiger Aufwand in Höhe von: | 501.540 DM |
Entgegen der Ansicht der Beklagten lagen die Voraussetzungen für eine Umlage des Aufwandes zur Zeit des Erlasses des Widerspruchsbescheides am 9.6.1997 nicht vor:
Auf § 15 des Gesellschaftsvertrages der Kur- und Wirtschaftsbetriebe der Stadt ... kann sich die Beklagte, abgesehen davon, daß dieser erst am 1. Januar 1997 in Kraft getreten ist (§ 18), also nicht die Zeit vom 1.7.-31.12.1996 erfaßt, nicht berufen. § 15 des Gesellschaftsvertrages lautet wie folgt:
Verlustabdeckung
Die Gesellschafter verpflichten sich, Nachschüsse zur Deckung von Verlusten zu leisten, soweit diese Verluste im Wirtschaftsplan oder in Überschreitungsbeschlüssen genehmigt worden sind.
Hiernach ist die in § 15 des Gesellschaftsvertrages geregelte Verlustabdeckung nicht identisch mit den Kosten der Fremdenverkehrswerbung, so daß sich die Beklagte schon allein deshalb zur Begründung, den Aufwand für Fremdenverkehrswerbung umlegen zu können, nicht auf die rechtliche Verpflichtung nach § 15 berufen kann. Auch die Ansicht, daß eine - zunächst - mündliche Vereinbarung zwischen der Beklagten und der Kur- und Wirtschaftsbetriebe der Stadt ... auf Erstattung von Kosten der Fremdenverkehrswerbung ausreichend sei, ist nicht richtig. Zwar rechnen zum Aufwand im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 NKAG auch die Kosten, die einem Dritten entstehen, dessen sich die Gemeinde bedient, soweit sie dem Dritten von der Gemeinde geschuldet werden. Im vorliegenden Fall fehlt es jedoch an einer entsprechenden rechtlichen Verbindlichkeit der Beklagten, der Kur- und Wirtschaftsbetriebe der Stadt ... die Aufwendungen für die Fremdenverkehrswerbung entsprechend der Aufstellung in der Anlage 3 zur Fremdenverkehrsbeitragssatzung zu erstatten. Denn entgegen der Ansicht der Beklagten ist eine mündliche Vereinbarung für eine entsprechende Verpflichtung nicht ausreichend. Dies ergibt sich eindeutig aus § 63 Abs. 2 NGO alter und neuer Fassung, wonach Erklärungen, durch die die Gemeinde verpflichtet werden soll, sofern sie nicht gerichtlich oder notariell beurkundet werden, nur rechtsverbindlich sind, wenn sie von dem Gemeindedirektor gemeinsam mit dem Ratsvorsitzenden (alte Fassung) oder der Bürgermeisterin oder dem Bürgermeister handschriftlich unterzeichnet wurden und mit dem Dienstsiegel versehen sind.
Da zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide auf den Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides vom 9.6.1997 abzustellen ist, kann für den vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob der am 29. Januar 1998 zwischen der Stadt ... und den Kur- und Wirtschaftsbetrieben der Stadt ... abgeschlossene Vertrag rückwirkend ab Inkrafttreten der Fremdenverkehrsbeitragssatzung, mithin seit dem 1. Juli 1996, Wirksamkeit entfalten kann. Bedenken bestehen auch insoweit, als der Gesellschaftsvertrag der Kur- und Wirtschaftsbetriebe der Stadt ..., auf den sich die Vereinbarung vom 29.1.1998 bezieht, erst am 1. Januar 1997 in Kraft trat, so daß die in dem Vertrag vom 29. Januar 1998 vorgenommene Bezugnahme auf § 2 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages jedenfalls für die hier streitige Zeit (1.7.-31.12.1996) ins Leere gehen würde.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO und die der vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
von Krosigk ist wegen Krankheit verhindert zu unterschreiben, Hinselmann
Hinselmann