Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 27.01.2016, Az.: L 2 R 615/14

Rente wegen Erwerbsminderung; Anrechnung von Mehrarbeitsvergütung und Urlaubsgeld; Zeitpunkt des Ausscheidens aus der Beschäftigung; Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Hinzuverdienst; Rentenunschädlichkeit von Zahlungen des Arbeitgebers zur Abgeltung von Erholungsurlaubsansprüchen

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
27.01.2016
Aktenzeichen
L 2 R 615/14
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2016, 14765
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2016:0127.L2R615.14.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Hannover - AZ: S 64 R 880/13

Fundstellen

  • AUR 2016, 382
  • AuUR 2016, 382

Redaktioneller Leitsatz

1. Das BSG hat in seinen Entscheidungen vom 10.07.2012 (B 13 R 81/11 R und B 13 R 85/11 R) ausgeführt, dass Einmalzahlungen, die einem Versicherten nach Rentenbeginn bei ruhendem Arbeitsverhältnis und einem zu diesem Zeitpunkt bereits unterbrochenen oder beendeten Beschäftigungsverhältnis (im leistungsrechtlichen Sinne) noch zufließen kein ("rentenschädlicher") Hinzuverdienst im Sinne des § 96a Abs. 1 SGB VI sind.

2. Der Zeitpunkt des Ausscheidens aus der Beschäftigung ist unabhängig vom rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses zu verstehen, denn eine Beschäftigung endet trotzt eines rechtlich (fort-) bestehenden Arbeitsverhältnisses bereits dann, wenn - wie z.B. bei seinem Ruhen - die Arbeitsleistung vom Arbeitnehmer tatsächlich nicht (mehr) erbracht wird, weil der Arbeiter auf seine Verfügungsbefugnis verzichtet hat.

3. Der Senat weist darauf hin, dass das BSG das Ruhen des Arbeitsverhältnisses nur als ein Beispiel für ein beendetes Beschäftigungsverhältnis aufführt; das Ende des Arbeitsverhältnisses oder dessen Ruhen ist nicht zwingend erforderlich.

Tenor:

Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers auch aus dem Berufungsverfahren.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die anlässlich der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses ausgezahlte Mehrarbeitsvergütung, Urlaubsgeld, Urlaubsabgeltung und Zuschuss zu Krankengeld als Hinzuverdienst auf eine laufende Rente wegen voller Erwerbsminderung anzurechnen sind.

Der am 18. Oktober 1948 geborene Kläger war bei der I. GmbH, J., K. beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis war der Manteltarifvertrag für die Erdöl- und Erdgas-, Bohr- und Gewinnungsbetriebe vom 2. November 2004, gültig ab 1. Januar 2005, anzuwenden.

Ab dem 21. Februar 2011 war er arbeitsunfähig erkrankt. Nachdem er zunächst Entgeltfortzahlung von seinem Arbeitgeber erhalten hatte, bezog er in dem Zeitraum vom 4. April 2011 bis 19. August 2011 Krankengeld von der AOK - Die Gesundheitskasse.

Mit Bescheid vom 15. August 2011 gewährte die Beklagte dem Kläger auf dessen Antrag vom 7. Juni 2011 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. Juni 2011 längstens bis zum 31. Dezember 2013 (Monat des Erreichens der Regelaltersgrenze). Für die Zeit ab 1. Oktober 2011 wurden laufend monatlich 1.741,99 EUR ausgezahlt. Auf den Antrag des Klägers vom 1. November 2011 erhielt er von der Beklagten mit Bescheid vom 3. November 2011 eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab November 2011 in Höhe von monatlich laufend 1.763,14 EUR.

Mit Schreiben vom 25. Oktober 2011 kündigte der Kläger entsprechend einem Vorschlag der Arbeitgeberin das formal fortbestehende Arbeitsverhältnis zum 31. Oktober 2011 aus gesundheitlichen Gründen.

Am 23. November 2011 erstellte die I. GmbH L. ausgehend von einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Oktober 2011 die Entgeltabrechnung für den Kläger für die Monate Oktober und November 2011. Aus der Abrechnung für den Monat Oktober 2011 ergab sich eine (hinsichtlich des sich daraus ergebenden Nettobetrages im November 2011 an den Kläger ausgezahlte) Gesamtbruttozahlung in Höhe von 10.905,04 EUR, welche bei der sozialversicherungsrechtlichen Meldung der beitragspflichtigen Entgelte dem Monat Oktober 2011 zugeordnet worden ist. Diese gliederte sich in eine Vergütung für

Mehrarbeitsvergütung 1.092,00 EUR

Zus. Urlaubsgeld 1.650,00 EUR

Urlaubsabgeltung Betrag 7.621,28 EUR

Zuschuss Krankengeld 541,76 EUR.

Die Mehrarbeitsvergütung zugrunde liegenden 50 Überstunden hatte der Kläger im Zeitraum von Anfang 2010 bis einschließlich 31. Januar 2011 erarbeitet.

Das dem Kläger zustehende Urlaubsgeld belief sich im Jahr 2011 auf 2.475 EUR (entsprechend einem monatlichen Anfangsgehalt in der Tarifgruppe 4) und wurde in dem Beschäftigungsbetrieb in monatlichen Teilbeträgen von 206,25 EUR jeweils mit dem Monatsgehalt ausgezahlt. Da der Kläger entsprechende regelmäßige monatliche Gehaltszahlungen im Jahr 2011 zuvor nur für die Monate Januar bis April erhalten hatte, ergab sich noch ein verbleibender anteiliger Urlaubsgeldanspruch in Höhe des Achtfachen dieses monatlichen Abschlagbetrages von 206,25 EUR.

Die Urlaubsabgeltung errechnete sich aus 46 abzugeltenden Urlaubstagen (elf Tage Resturlaub aus 2010, 30 Tage Urlaub aus 2011 und fünf Tage Sonderurlaub für Schwerbehinderte) und belief sich nach den Berechnungen des Arbeitgebers auf 165,68 EUR je Tag. Der Zuschuss zum Krankengeld ergab sich aus der Regelung des § 17 Abs. 3 MTV unter Berücksichtigung eines Bruttoentgelts in Höhe von 3.603,58 EUR und einem Nettoentgelt von 2.525,42 EUR.

Mit Schreiben vom 12. Januar 2012 (Eingang bei der Beklagten: 16. Januar 2012) zeigte der Kläger die Zahlungen seines Arbeitgebers bei der Beklagten an und führte aus, dass er davon ausgehe, dass diese Zahlungen bei der Ermittlung der Hinzuverdienstgrenze nicht zu berücksichtigen seien, da sie aus einer Beschäftigung vor dem Bezugszeitraum der Rente resultieren würden. Gleichzeitig legte er die Entgeltabrechnungen für die Monate Oktober und November sowie die Meldebescheinigung zur Sozialversicherung vom 23. November 2011 vor.

Die Beklagte hörte den Kläger mit Schreiben vom 23. Februar 2009 zu einer teilweisen Aufhebung des Bescheides vom 15. August 2011 für den Zeitraum vom 1. bis 31. Oktober 2011 nach § 48 und einer Erstattung in Höhe von 1.741,99 EUR gemäß § 50 SGB X an.

Ohne den Ablauf der selbst gesetzten Anhörungsfrist abzuwarten nahm die Beklagte versehentlich bereits am nächsten Tag mit Bescheid vom 24. Februar 2012 eine Neuberechnung der Rente des Klägers vor und stellte eine Überzahlung für die Zeit vom 1. Oktober 2011 bis 31. Oktober 2011 in Höhe von 1.741,99 EUR fest. In der Anlage 21 legte sie dar, dass die Hinzuverdienstgrenze für die Rente in Höhe von einem Vierteil 4.456,94 EUR betrage. Hinzuverdienst sei in Höhe von 10.905,04 EUR zu berücksichtigen.

Mit seinem Widerspruch teilte der Kläger mit, dass das ruhende Arbeitsverhältnis zum 31. Oktober 2011 beendet und im November 2011 abgerechnet worden sei. Im Oktober 2011 sei überhaupt kein Hinzuverdienst angefallen, die Zahlung sei erst November 2011 erfolgt. Eine Beschäftigung habe der Kläger seit Beginn der Erkrankung nicht mehr ausgeübt.

Mit Bescheid vom 25. Mai 2012 wiederholte die Beklagte - ausweislich eines Aktenvermerks vom 15. Mai 2012 angesichts der versehentlich missachteten Anhörungsfrist - die mit Bescheid vom 24. Februar 2012 bereits getroffenen Regelungen und hob wiederum den Bescheid vom 15. August 2011 sowie die Nachfolgebescheide wegen Überschreitung der maßgeblichen Hinzuverdienstgrenze für die Zeit vom 1. bis 31. Oktober 2011 teilweise auf. Für den Monat Oktober werde die Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht mehr geleistet. Die zu Unrecht erbrachten Leistungen seien in Höhe von 1.741,99 EUR zu erstatten. Der Kläger (dessen Eingabe vom 9. März 2012 allerdings aktenkundig ist) habe sich innerhalb der ihm gesetzten Frist nicht geäußert. Nach Ausübung pflichtgemäßen Ermessens sei eine Aufrechnung zulässig.

Mit Widerspruchsbescheid vom 31. Juli 2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Das vom ehemaligen Arbeitgeber gezahlte Urlaubsgeld und die Urlaubsabgeltung (zusammen 9.271,28 EUR) seien als Hinzuverdienst im Sinne des § 96a SGB VI anzurechnen. Auch unter Berücksichtigung der Urteile des Bundessozialgerichts (BSG vom 10. Juli 2012 - B 13 R 81/11 R und B 13 R 85/11 R -) ergebe sich keine andere Beurteilung. Im Falle des Klägers habe das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Rentenbeginns am 1. Juli 2011 nicht geruht. Der Kläger sei zwar arbeitsunfähig gewesen, durch die Arbeitsunfähigkeit werde ein Beschäftigungsverhältnis jedoch weder unterbrochen noch zum Ruhen gebracht. Die Zahlungen des Arbeitgebers seien daher anzurechnen. Ein atypischer Fall liege nicht vor.

Dagegen hat der Kläger am 3. September 2013 Klage vor dem Sozialgericht Hannover erhoben. Er hat sich auf seinen Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren bezogen und ergänzend ausgeführt, dass ein Beschäftigungsverhältnis eine tatsächliche Tätigkeit voraussetze. Diese sei jedoch seit Beginn der Arbeitsunfähigkeit nicht mehr ausgeübt worden. Die vom Arbeitgeber geleisteten Zahlungen würden nicht auf einem Beschäftigungsverhältnis während des Rentenbezuges beruhen. Darüber hinaus seien diese Zahlungen auch erst im Monat November 2011 zugeflossen.

Das SG hat mit Urteil vom 24. November 2011 die Bescheide der Beklagten aufgehoben. Die dem Kläger zugeflossene Einmalzahlung in Höhe von 10.905,04 EUR sei vorliegend nicht nach § 96a SGB VI als Hinzuverdienst für den Monat Oktober 2011 zu berücksichtigen, weil sie nicht aus einer während des Rentenbezuges noch bestehenden Beschäftigung des Klägers stammen würden. Die Voraussetzung für eine Aufhebung des Rentenbewilligungsbescheides, Erstattung und Aufrechnung seien daher nicht gegeben. Es hat weiter ausgeführt, dass entsprechend § 100 Abs. 1 Satz 2 SGB VI i. V. m. § 48 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB X der als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse der Beginn des Abrechnungszeitraums und somit der Monatsbeginn herangezogen werden müsse. Vorliegend handele es sich zwar um eine Einmalzahlung um Arbeitsentgelt im Sinne von § 96a SGB VI, das dem Kläger nach Rentenbeginn zugeflossen sei. Das Entgelt stamme aber nicht "aus einer Beschäftigung" des Klägers während des Bezugs der Rente wegen voller Erwerbsminderung. Trotz eines Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses sei dieses faktisch spätestens seit Rentenbewilligung im August 2011 unterbrochen gewesen. Einmalig gezahlte Arbeitsentgelte, die dem Versicherten nach Rentenbeginn aus einem nach leistungsrechtlicher Sicht zu diesem Zeitpunkt bereits unterbrochenen oder beendeten Beschäftigungsverhältnis noch zufließen würden von § 96a Abs. 1 SGB I nicht erfasst (BSG, Urteil vom 10. Juli 2012 - B 13 R 85/11 R -). Dabei sei vom leistungsrechtlichen Begriff der Beschäftigung auszugehen, der Zeitpunkt des Ausscheidens aus der Beschäftigung sei dabei unabhängig vom rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses zu beurteilen. Eine Beschäftigung ende nämlich trotz eines rechtlichen (fort-) bestehenden Arbeitsverhältnisses bereits dann, wenn eine Arbeitsleistung vom Arbeitnehmer tatsächlich nicht (mehr) erbracht werde (BSG, Urteil vom 10. Juli 2012 - B 13 R 81/11 R -). Dies sei auch vorliegend der Fall. Zum Zeitpunkt der Bewilligung der Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer seien sowohl der Kläger als auch der Arbeitgeber nicht mehr davon ausgegangen, dass der Kläger jemals wieder im Rahmen des Arbeitsverhältnisses tätig werden würde. So hätten beide zumindest konkludent ein Ruhen des Arbeitsverhältnisses vereinbart. Eine Arbeitsleistung sei vom Kläger nicht mehr erbracht worden.

Gegen das der Beklagten am 5. Dezember 2014 zugestellte Urteil hat diese am 23. Dezember 2014 Berufung eingelegt und führt aus, dass die BSG-Rechtsprechung vom 10. Juli 2012 dann Anwendung finden könne, wenn ein Ruhen des Arbeitsverhältnisses aufgrund arbeits- oder tarifvertraglicher Regelung infolge der Rentenbewilligung ab Rentenbeginn eingetreten sei. Dies sei vorliegend aber nicht gegeben. Der Kläger sei für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit lediglich von seiner Arbeitspflicht befreit gewesen. Zum Zeitpunkt des Rentenbeginns sei das Beschäftigungsverhältnis weder beendet noch unterbrochen gewesen, ein Ruhen des Arbeitsverhältnisses aufgrund Krankengeldbezuges sei nicht eingetreten.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Es sei unerheblich, ob das Arbeitsverhältnis geruht habe. Denn entscheidend sei, dass Arbeitsentgelte nur dann als Hinzuverdienst auf die Rente anzurechnen seien, wenn sie tatsächlich aus einer ausgeübten Beschäftigung/tatsächlichen Arbeitsleistung währen des Bezuges der Rente wegen voller Erwerbsminderung stammen würden.

Das Gericht hat die Auskunft des Arbeitgebers des Klägers I. GmbH J. vom 30. Oktober 2015 beigezogen. Auf Blatt 62 bis 81 der Gerichtsakte wird Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.

Das SG hat zutreffend ausgeführt, dass der Bescheid der Beklagten vom 24. Februar 2012 in der Gestalt des Bescheides vom 25. Mai 2012 und des Widerspruchsbescheides vom 31. Juli 2013 rechtswidrig sind und den Kläger in seinen Rechten verletzen. Die Voraussetzung für eine Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 15. August 2011 gemäß § 48 SGB X liegen nicht vor.

Die aufgrund der Gehaltsabrechnung für den Monat Oktober 2011 von Seiten des vormaligen Arbeitgebers des Klägers (tatsächlich erst im November 2011) erbrachten Zahlungen in einer Gesamthöhe von brutto 10.904,04 EUR in Form von Mehrarbeitsvergütung, Urlaubsgeld, Urlaubsabgeltung und einem Zuschuss zu dem vom Kläger zuvor bezogenen Krankengeld im Sinne des § 23c SGB IV sind entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten nicht als "Hinzuverdienst" gemäß § 96a SGB VI auf die Rente wegen voller Erwerbsminderung des Klägers anzurechnen. Der Kläger hatte vielmehr schon materiellrechtlich auch für den Monat Oktober 2011 einen Anspruch auf Auszahlung der Erwerbsminderungsrente in ungekürzter Höhe von netto 1.741,99 EUR entsprechend dem Bewilligungsbescheid vom 15. August 2011. Damit ist bereits keine wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass dieses Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, im Sinne der von der Beklagten herangezogenen Eingriffsgrundlage des § 48 SGB X festzustellen.

Die genannten Zahlungen, die der Kläger aufgrund der o.g. Abrechnungen seines Arbeitgebers im November 2011 erhalten hat, sind kein Entgelt aus Beschäftigung im Sinne des § 96 a SGB VI, d.h. kein anrechenbarer Hinzuverdienst.

Nach § 96a SGB VI i. d. F. vom 8. April 2008 wird eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nur geleistet, wenn die Hinzuverdienstgrenze nicht überschritten wird. Sie wird nicht überschritten, wenn das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen aus einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit oder vergleichbares Einkommen im Monat die in Absatz 2 genannten Beträge nicht übersteigt, wobei ein zweimaliges Überschreiten um jeweils einen Betrag bis zur Höhe der Hinzuverdienstgrenze nach Abs. 2 im Laufe eines jeden Kalenderjahres außer Betracht bleibt.

Seinem Wortlaut nach spricht § 96a Abs. 1 Satz 2 SGB VI allerdings nur von "Arbeitsentgelt aus einer Beschäftigung". Daraus erschließt sich nicht unmittelbar, ob auch das nach Rentenbeginn gezahlte Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 SGB IV aus einer Beschäftigung auch dann als Hinzuverdienst gilt, wenn in diesem Beschäftigungsverhältnis im Zeitraum seit Rentenbeginn keine Arbeitsleistungen mehr erbracht worden sind und sich die erst nach Rentenbeginn erfolgten Zahlungen damit wirtschaftlich gesehen als weitere Honorierung der bereits vor Rentenbeginn erbrachten Arbeitsleistungen darstellen.

Das BSG hat in seinen Entscheidungen vom 10. Juli 2012 (B 13 R 85/11 R und B 13 R 81/11 R- juris) ausgeführt, dass Einmalzahlungen, die einem Versicherten nach Rentenbeginn bei ruhendem Arbeitsverhältnis und einem zu diesem Zeitpunkt bereits unterbrochenen oder beendeten Beschäftigungsverhältnis (im leistungsrechtlichen Sinne) noch zufließen kein ("rentenschädlicher") Hinzuverdienst im Sinne des § 96a Abs. 1 SGB VI sind.

Vorliegend ist ein Beschäftigungsverhältnis im sozial-(leistungs-)rechtlichen Sinn im Zeitraum seit Rentenbeginn nicht mehr festzustellen. Sofern die Beklagte die Auffassung vertritt, dass hier die vom BSG aufgestellten Anforderungen nicht erfüllt seien, da das Arbeitsverhältnis des Klägers zum Zeitpunkt des Beginns der Erwerbsminderungsrente weder nach arbeitsvertraglichen noch tarifvertraglichen Regelungen ruhte, kann der Senat diesem nicht folgen. Denn bei dem Sachverhalt, dass ein Beschäftigungsverhältnis ab Rentenbeginn unterbrochen, beendet ist oder ruht, kann es nicht mehr darauf ankommen, ob auch der Arbeitsvertrag formal ruht. Entscheidend ist, dass das einmalig gezahlte Arbeitsentgelt nicht aus einer während des Rentenbezuges noch bestehenden Beschäftigung stammt (vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16. Juni 2015 - L 9 R 5132/14 -, NZS 2015, 826 ff.)

Zu berücksichtigen ist, dass der Gesetzgeber mit den Vorgaben des § 96a SGB VI über die dort im einzelnen ausgestaltete Teilanrechnung eines Hinzuverdienstes auf eine Erwerbsminderungsrente unter anderem erreichen wollte, die "Lohnersatzfunktion" der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu stärken (vgl Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung vom 11.10.1995 eines Gesetzes zur Änderung des SGB VI und anderer Gesetze, BT-Drucks 13/2590 S 19 f). Diese solle insbesondere verhindern, dass durch den gleichzeitigen Bezug von Erwerbseinkommen und einer als Ersatz für Erwerbseinkommen konzipierten Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit möglicherweise sogar ein höheres Gesamteinkommen erzielt wird als vor Eintritt der Erwerbsminderung (vgl. dazu auch BSG, Urteil vom 10. Juli 2012 - B 13 R 81/11 R -, Rn. 46, juris, mwN). Durch den Eintritt der Erwerbsminderung bedingte einmalige Einkünfte aus dem Arbeitsverhältnis, die der Versicherte anderenfalls gar nicht erhalten hätte, lassen jedoch die Notwendigkeit eines Ersatzes der ausgefallenen dauerhaften Lohneinkünfte unberührt. Ohne den Eintritt der Erwerbsminderung wäre auf Seiten des Klägers eine finanzielle Abgeltung von Urlaubsansprüchen jedenfalls in dem nachträglich für den Monat Oktober 2011 erfolgtem Ausmaß nicht zu erwarten gewesen, da dann vielmehr der dem Kläger zustehende Erholungsurlaub tatsächlich (mit der gesetzlich und tarifvertraglich vorgesehenen Lohnfortzahlung) gewährt worden wäre.

Der Gesetzgeber wollte lediglich die - seinerzeit auch vom Bundesrechnungshof "massiv kritisierte" - Möglichkeit beseitigen, "neben" einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit "unbegrenzt" hinzuverdienen zu können (BT-Drs 13/2590, S. 20). Bei Sonderzahlungen der vorliegend zu beurteilenden Art handelt es sich aber nach dem allgemeinen Sprachgebrauch und dementsprechend auch nach den Vorstellungen des Gesetzgebers, nicht um einen - gar "unbegrenzten" - "Hinzuverdienst", welcher "neben" einer Rente erzielt wird. Typischerweise sind diese Leistungen einmalig und knüpfen an die bereits vor Rentenbeginn erbrachten Arbeitsleistungen an. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass bei ihrer Nichtanrechnung im Rahmen des § 96a SGB VI die lebensstandardsichernde Funktion der Rente verfehlt werden könnte.

Darüber hinaus wollte der Gesetzgeber durch die Hinzuverdienstgrenzen insbesondere die Möglichkeit des Versicherten einschränken, durch Arbeit "neben einer Rente" wegen verminderter Erwerbsfähigkeit "auf Kosten seiner Gesundheit" (unbegrenzt) hinzuzuverdienen. Denn mit Blick auf "die Zielsetzung der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, den durch die Minderung der Erwerbsfähigkeit eingetretenen Einkommensverlust auszugleichen", sah er "keine Rechtfertigung dafür, ein Einkommen, das durch Arbeit auf Kosten der Gesundheit erzielt wird, unberücksichtigt zu lassen" (BT-Drucks 13/2590 S 20; vgl. dazu ebenfalls (BSG, Urteil vom 10. Juli 2012, aaO., Rn. 47). Auch dieser Ansatz erfasst nur die Entlohnung solcher Arbeitsleistungen, die erst nach Eintritt der Erwerbsminderung erbracht wurden.

Das BSG hat hieran anknüpfend ausgeführt, dass nach Sinn und Zweck des § 96a SGB VI "rentenschädlich" grundsätzlich nur ein Hinzuverdienst aus einer "Arbeit" des Versicherten (gleichzeitig) "neben" der Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit sein soll, also Arbeitsentgelt, das der Versicherte durch Arbeitsleistung aus einer nach Rentenbeginn noch bestehenden Beschäftigung erzielt (vgl. BSG, Urteil vom 10. Juli 2012 - B 13 R 81/11 R -, Rn. 46, juris). Arbeitsentgelte, die dem Rentenempfänger nach Aufgabe der Beschäftigung (Unterbrechung oder Beendigung) für Zeiten vor Rentenbeginn noch zufließen, sind nicht als ("rentenschädlicher") Hinzuverdienst im Sinne des § 96a Abs. 1 SGB VI zu berücksichtigen (BSG, a. a. O.). § 96a SGB VI erfordert für eine Anrechnung des Hinzuverdienstes, dass das Beschäftigungsverhältnis während des Rentenbezuges noch besteht. Der Zeitpunkt des Ausscheidens aus der Beschäftigung ist unabhängig vom rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses zu verstehen, denn eine Beschäftigung endet trotzt eines rechtlich (fort-) bestehenden Arbeitsverhältnisses bereits dann, wenn - wie z. B. bei seinem Ruhen - die Arbeitsleistung vom Arbeitnehmer tatsächlich nicht (mehr) erbracht wird, weil der Arbeiter auf seine Verfügungsbefugnis verzichtet hat (BSG, Urteil vom 10. Juli 2012 - B 13 R 81/11 R - Rdnr. 39, juris). Der Senat weist darauf hin, dass das BSG das Ruhen des Arbeitsverhältnisses nur als ein Beispiel für ein beendetes Beschäftigungsverhältnis aufführt. Das Ende des Arbeitsverhältnisses oder dessen Ruhen ist nicht zwingend erforderlich.

Der Senat geht davon aus, dass vorliegend ein Beschäftigungsverhältnis im sozial- (leistungs-)rechtlichen Sinn im Zeitraum seit Rentenbeginn nicht mehr festzustellen ist. Für den vorliegend zu beurteilenden Fall kann festgehalten werden, dass die im November 2011 von Seiten des bisherigen Arbeitgebers erbrachten Zahlungen gerade nicht aus gleichzeitig "neben" der Rente von Seiten des Versicherten tatsächlich erbrachten Arbeitsleistungen herrührten. Der Versicherte hatte letztmalig am 20. Februar 2011 gearbeitet. Seit dem Eintritt der dauernden Arbeitsunfähigkeit am 21. Februar 2011 und damit insbesondere auch während des gesamten Zeitraums des Bezugs der Erwerbsminderungsrente von Juni bis Oktober 2011 hatte er keinerlei Arbeitsleistungen erbracht; es gab seinerzeit auch keine Arbeitsversuche im Betrieb seines Arbeitgebers.

Soweit es sich arbeitsrechtlich bei einer durch Krankheit herbeigeführten dauerhaften Verhinderung zur Arbeitsleistung nicht um eine durchgehende wechselseitige Suspendierung der Hauptpflichten, sondern um eine Leistungsstörung im Sinne des Allgemeinen Teils des Bürgerlichen Schuldrechts handelt (BAG, Urteil vom 23. August 1990 - 6 AZR 124/89 -, BAGE 66, 34-38, Rn. 17), bestimmt dieser Ansatz nicht als solcher zugleich auch die sozialrechtliche Bewertung. Selbst wenn es - anders im vorliegenden Fall - gleichwohl noch anderslautende Erklärungen der Beteiligten über ein fortbestehendes Verfügungsrecht und eine prinzipielle Dienstbereitschaft geben sollte, würden sich entsprechende Erklärungen im sozial- (leistungs-)rechtlichen Sinn im Ergebnis letztlich als "leere Hülse" darstellen, weil eine realistische Möglichkeit zur Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr besteht (BSG, Urteil vom 28. September 1993, aaO., Rn. 14; vgl. auch zu einem "faktischen Ruhen" des Beschäftigungsverhältnisses: Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 16. Juni 2015 - L 9 R 5132/14 -, Rn. 22, juris"). Eine realistische Möglichkeit zur Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses bestand im vorliegenden Fall jedenfalls seit Beginn des Bezugszeitraums der Erwerbsminderungsrente augenscheinlich nicht mehr (vgl. auch die vom Arbeitgeber des Klägers für diesen rückschauend am 23. November 2014 übermittelte Meldebescheinigung zur Sozialversicherung betreffend eine "Abmeldung [Beschäftigungsende] vom 04.04.2011 bis 31.10.2011").

Angesichts der ohnehin festzuhaltenden Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses im sozialrechtlichen Sinne ist es unerheblich ist, dass der im Beschäftigungsbetrieb maßgebliche Manteltarifvertrag für die Erdöl- und Erdgas-, Bohr- und Gewinnungsbetriebe keine ausdrücklichen Regelungen über ein Ruhen des Arbeitsverhältnisses mit Eintritt der Arbeitsunfähigkeit oder mit Eintritt der Erwerbsminderung vorgesehen hat und auch anderweitig keine ausdrückliche Ruhensvereinbarung des Klägers mit seinem Arbeitgeber vor der (letztlich einvernehmlich Ende Oktober 2011 vereinbarten) Beendigung des formal fortbestehenden Arbeitsverhältnisses zum 31. Oktober 2011 getroffen worden ist.

Da die Aufhebung nach § 48 SGB X rechtswidrig und aufzuheben ist, sind auch die Voraussetzungen für eine Erstattungsforderung gemäß § 50 SGB X und eine sich daran ggfs. anknüpfende Aufrechnungsbefugnis nicht erfüllt.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus der Anwendung des § 193 SGG.

Die Revision wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG; vgl. auch das bereits beim BSG unter dem Aktenzeichen B 13 R 21/15 R anhängige Revisionsverfahren).