Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 29.11.1996, Az.: 3 B 3172/96
Rechtsschutz gegen eine mit Sofortvollzug versehene Rückforderung von Geldleistungen im Rahmen der freien Heilfürsorge; Berufen eines Beamten auf den Wegfall der Bereicherung; Freie Heilfürsorge für einen kommunalen Beamten des Feuerwehrdienstes im Einsatzdienst; Brandmeister im mittleren feuerwehrtechnischen Dienst nach der Besoldungsgruppe A 7 (BesGr. A 7 BBesO)
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 29.11.1996
- Aktenzeichen
- 3 B 3172/96
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1996, 25017
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGGOETT:1996:1129.3B3172.96.0A
Rechtsgrundlagen
- § 1 NBG
- § 98a NBG
- § 230 Abs. 1 S. 1 NBG
- § 12 Abs. 2 S. 1 BBesG
- § 812 Abs. 1 S. 1 BGB
- § 818 BGB
Fundstelle
- NVwZ-RR 1998, 250-252 (Volltext mit amtl. LS)
Verfahrensgegenstand
Rückforderungen von Geldleistungen im Rahmen der freien Heilfürsorge
hier: Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO
In der Verwaltungsrechtssache
...
hat die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Göttingen
am 29. November 1996
beschlossen:
Tenor:
Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers (3 A 3171/96) gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 08.05.1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.05.1996 wird wiederhergestellt.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 3.240,00 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen eine mit Sofortvollzug versehene Rückforderung von Geldleistungen im Rahmen der freien Heilfürsorge.
Der Antragsteller ist Beamter auf Lebenszeit und stand als Brandmeister im mittleren feuerwehrtechnischen Dienst der Antragsgegnerin (BesGr. A 7 BBesO). Durch Bescheid vom 24.09.1993 versetzte ihn die Antragsgegnerin wegen Dienstunfähigkeit nach Ablauf des Monats November 1993 in den Ruhestand und wies den dagegen gerichteten Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 09.01.1995 zurück. Über die hiergegen vom Antragsteller am 01.02.1995 erhobene Anfechtungsklage (3 A 3353/95) ist noch nicht entschieden. Mit Verfügung vom 17.11.1995 ordnete die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung der Versetzung des Antragstellers in den Ruhestand an, wogegen er erfolglos um gerichtlichen Rechtsschutz nachsuchte (Beschluß der Kammer vom 09.02.1996 - 3 B 3788/95 -, bestätigt vom Nds. OVG durch Beschluß vom 22.03.1996 - 2 M 1271/96 -).
Vom 01.12.1993 bis zum 30.11.1995 zahlte die Antragsgegnerin dem Antragsteller seine Dienstbezüge in voller Höhe weiter und erstattete ihm im Rahmen der freien Heilfürsorge die zu zahlenden - freiwilligen - Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung in Höhe von monatlich 540,00 DM.
Unter dem 29.10.1993 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller folgendes mit:
"Der Widerspruch hat aufschiebende Wirkung. Das bedeutet, daß Sie Ihre Dienstbezüge über den 30.11.1993 hinaus in voller Höhe weiter erhalten, soweit bis dahin eine endgültige Entscheidung nicht getroffen ist.
Sollte ihr Widerspruch oder gegebenenfalls Ihre Klage zurückgewiesen werden, müßten sie allerdings die Ihnen dann zuviel erteilten Bezüge zurückzahlen."
Nach Anordnung der sofortigen Vollziehung der Versetzungsverfügung stellte die Antragsgegnerin mit Wirkung vom. 01.12.1995 die Zahlung dieser als freie Heilfürsorge geleisteten Krankenversicherungsbeträge ein.
Mit Bescheid vom 08.05.1996 forderte die Antragsgegnerin vom Antragsteller die im Zeitraum vom 01.12.1993 bis 30.11.1995 gezahlten Beiträge zur freiwilligen Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung in Höhe von insgesamt 12.960,00 DM zurück und begründete dies damit, unabhängig vom Ausgang des Zurruhesetzungsverfahrens hätten dem Antragsteller die Leistungen der freien Heilfürsorge ab dem 01.12.1993 nicht mehr zugestanden, da er nach diesem Zeitpunkt nicht mehr Feuerwehreinsatzdienst geleistet habe, was Anspruchsvoraussetzung für die Gewährung freier Heilfürsorge sei. Da der Antragsteller mit Schreiben vom 29.10.1993 auf eine mögliche Verpflichtung zur Rückzahlung der Leistungen hingewiesen worden sei, seien die als freie Heilfürsorge gewährten Leistungen als Vorbehaltszahlungen anzusehen und könnten zurückgefordert werden.
Mit am 23.05.1996 bei der Antragsgegnerin eingegangenem Schreiben legte der Antragsteller gegen den Rückforderungsbescheid vom 08.05.1996 Widerspruch mit der Begründung ein, seine Versetzung in den vorläufigen Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit werde sich als ungerechtfertigt herausstellen. Mit Widerspruchsbescheid vom 24.05.1996 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch zurück und ordnete die sofortige Vollziehung des Bescheides vom 08.05.1996 an. Die Rückforderung der Geldleistungen sei rechtlich unabhängig von der Zurruhesetzungsverfügung, da der Antragsteller ab Dezember 1993 keinen unmittelbaren Brandbekämpfungs- und Hilfeleistungsdienst geleistet habe. Die dauernde gesundheitliche Unfähigkeit des Antragstellers zur uneingeschränkten Dienstausübung im feuerwehrtechnischen Einsatzdienst sei sowohl durch amtsärztliche Feststellung am 11.08.1993 als auch durch eigene Aussagen in seinem Schreiben vom 06.09.1994 belegt. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei aus Gründen der Fürsorgepflicht gegenüber dem Antragsteller getroffen worden. Unabhängig von dem streitbefangenen Rückforderungsanspruch sei vom Antragsteller noch die Differenz zwischen der gezahlten Besoldung und den Versorgungsansprüchen in Höhe von 31.060,59 DM zurückzufordern. Unter Berücksichtigung der geringen Höhe der dem Antragsteller zustehenden Versorgungsansprüche und seiner Unterhaltsverpflichtungen würde sein Lebensstandard nicht unerheblich beeinträchtigen werden, wenn über Jahre Teile des Gehaltes einbehalten werden müßten. Die sofortige Vollziehung sei daher unabhängig von den gegebenen fiskalischen Gesichtspunkten auch im Interesse des Antragstellers selbst dringend geboten.
Hiergegen hat der Antragsteller am 05.06.1996 Klage (3 A 3171196)erhoben und zugleich um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht.
Er trägt im wesentlichen vor: Die Antragsgegnerin habe ihm freiwillig für die Zeit über die Versetzung in den Ruhestand hinaus freie Heilfürsorge gewährt. Daher könne sie die gezahlten Beträge selbst dann nicht zurückfordern, wenn er bereits ab November 1993 auf Dauer dienstunfähig gewesen wäre. Unabhängig hiervon könne die Antragsgegnerin die Beträge nicht zurückfordern, da er entreichert sei. Er habe die gezahlten Beträge jeweils sofort an seine Krankenkasse weitergeleitet.
Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 0805.1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.05.1996 wiederherzustellen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie nimmt zur Begründung Bezug auf ihren Bescheid vom 08.05.1996 und ihren Widerspruchsbescheid vom 24.05.1996.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens, die Gerichtsakte im Verfahren 3 A 3353/95 und auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Beschlußfassung.
II.
Der zulässige Antrag ist begründet.
Bei der im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes nach§ 80 Abs. 5 VwGO allein gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage spricht überwiegendes dafür, daß der angefochtene Rückforderungsbescheid vom 08.05.1996, dessen sofortige Vollziehung im Widerspruchsbescheid vom 24.05.1996 angeordnet worden ist, an Rechtsfehlern leidet. Demzufolge überwiegt das private Interesse des Antragstellers, von der Vollziehung dieses Bescheides einstweilen verschont zu bleiben, das öffentliche Vollzugsinteresse.
Zwar ist die Antragsgegnerin zu Recht davon ausgegangen, daß der Antragsteller zwischen dem 01.12.1993 und dem 30.11.1995 keinen Anspruch auf Gewährung freier Heilfürsorge hatte (nachfolgend 1.). Er hat deshalb die geleisteten 12.960,00 DM rechtsgrundlos erlangt (nachfolgend 2). Doch hätte die Antragsgegnerin den Geldbetrag nicht zurückfordern dürfen, weil der Antragsteller insoweit entreichert ist und sich mangels verschärfter Haftung auf den Wegfall der Bereicherung auch berufen kann (nachfolgend 3.).
1.
Ausgangspunkt der rechtlichen Betrachtung dieses Falles ist § 230 Abs. 1 Satz 1 Niedersächsisches Beamtengesetz (in der Fassung vom 11.12.1985, Nds. GVBl. S. 493, - im folgenden: NBG -). Danach wird den Beamten des Feuerwehrdienstes, die im Brandbekämpfungs- und Hilfeleistungsdienst (Einsatzdienst) stehen, entsprechend § 224 Abs. 3 NBG "freie Heilfürsorge" gewährt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 27.06.1991 - 2 C 17.90-, BVerwGE 88, 337) leisten nur solche Beamte des Feuerwehrdienstes Einsatzdienst, die laufbahnentsprechend unmittelbar im Brandbekämpfungs- und Hilfeleistungsdienst eingesetzt werden, weil sich nur dort die gesondert zu honorierenden berufstypischen Erschwernisse dauerhaft realisieren und diese potentielle besondere Gefährdung der Gesundheit des Beamten eine herausgehobene Vor- und Fürsorge des Dienstherrn für den Beamten verlangt (BVerwG, aaO., S. 341).
Der Kläger ist diesem - bevorzugten - Personenkreis der Einsatzdienst leistenden Beamten des Feuerwehrdienstes im hier streitbefangenen Zeitraum nicht zugeordnet gewesen. Zwar gehörte er als Brandmeister der besonderen Laufbahn des feuerwehrtechnischen Dienstes an. Er wurde jedoch in dieser Zeit nicht im Einsatzdienst verwendet, weil er hierzu gesundheitlich nicht mehr in der Lage war. Zwei arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen hatten bereits am 07.09.1992 und 10.06.1993 gesundheitliche Bedenken gegen die Verwendung des Antragstellers im Bereich der Berufsfeuerwehr ergeben. Ein ärztliches Gutachten des Gesundheitsamtes der Antragsgegnerin vom 11.08.1993 verneinte sodann die gesundheitliche Eignung des Antragstellers für Tätigkeiten im feuerwehrtechnischen Dienst und nahm Dienstunfähigkeit wegen der bestehenden Alkoholkrankheit an. Zu Recht ist die Antragsgegnerin davon ausgegangen, daß es sich bei der festgestellten Erkrankung des Antragstellers nicht nur um eine vorübergehende Unterbrechung seiner Einsatzdienstzeit - wie etwa bei Erholungsurlaub oder kurzen Erkrankungen - handelt, was die weitere Gewährung der freien Heilfürsorge nicht in Frage gestellt hätte (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 24.08.1995 - 2 C 1.95 -, ZBR 1996, 44). Hiernach waren die Voraussetzungen für die Gewährung freier Heilfürsorge spätestens am 01.12.1993 nicht mehr gegeben. Denn ab dem zweiten Halbjahr 1993 leistete der Antragsteller wegen seiner Erkrankung keinerlei Einsatzdienst mehr, so daß er seit diesem Zeitraum erkennbar dauerhaft für den unmittelbaren Brandbekämpfung- und Hilfeleistungsdienst nicht mehr zur Verfügung stand. Eine Wiederherstellung der Feuerwehrdienstfähigkeit war und ist - auch nach Auffassung des Antragstellers - schlechterdings nicht absehbar. Weil es für die Frage, ob einem Feuerwehrbeamten freie Heilfürsorge zusteht oder nicht, ausschließlich auf die soeben erörterten Gesichtspunkte ankommt, spielt es entgegen der Ansicht des Antragstellers aus Rechtsgründen keine Rolle, ob sich die Zurruhesetzungsverfügung vom 24.09.1993 letztendlich als rechtmäßig erweisen wird oder nicht.
2.
Der Antragsteller hat folglich 12.960,00 DM (24 Monate x 540,00 DM) zuviel erlangt. Diese Leistungen sind von der Antragsgegnerin ohne Zwischenschaltung eines Verwaltungsaktes unmittelbar aufgrund der Annahme, die gesetzlichen Heilfürsorgebestimmungen (§§ 230 Abs. 1,224 Abs. 3 NBG) seien anzuwenden, erbracht worden. Rechtsgrund war also nicht ein Bescheid, dessen Aufhebung einer Rückforderung vorauszugehen hätte, sondern eine schlichte Zahlung aufgrund gesetzlicher Vorschriften.
Grundsätzlich sind überzahlte Leistungen der freien Heilfürsorge bei kommunalen Beamten gemäß §§ 1, 98 a NBG i. V. m. § 12 Abs. 2 Satz 1 Bundesbesoldungsgesetz (in der Fassung der Bekanntmachung vom 22.02.1996, BGBl. I S. 262 - im folgenden: BBesG -) nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs - im folgenden: BGB - über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung zurückzufordern. Aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB ergibt sich, daß ohne Rechtsgrund und damit zuviel gezahlte Leistungen herauszugeben, also zurückzuzahlen sind. Nach § 818 Abs. 3 BGB entfällt die Herausgabepflicht jedoch dann, wenn der Empfänger nicht mehr bereichert ist (Wegfall der Bereicherung) und dies (als rechtsvernichtende Einwendung) gegenüber seinem Dienstherrn geltend macht.
So liegt es im hier zu entscheidenden Fall, Der Antragsteller hat in der Klageschrift vom 03.06.1996, die er im vorläufigen Rechtsschutzverfahren in Bezug genommen hat, - unwidersprochen - vorgetragen, die ihm als freie Heilfürsorge gewährten Beträge jeweils sofort an seine Krankenkasse weitergeleitet, also verbraucht zu haben. Da er die Mittel von dort nicht zurückfordern könne, sei er entreichert. Die Kammer hat keine Zweifel daran, daß diese glaubhaft gemachten und nicht bestrittenen Angaben des Antragstellers zutreffen. Daß er die Entreicherungseinrede nicht bereits im Verwaltungs-, insbesondere im Widerspruchsverfahren, sondern erst im Verwaltungsrechtsstreit erhoben hat,ändert nichts an ihrer Wirksamkeit. Denn (materielle) Einreden können erhoben werden, solange ein Rückforderungsanspruch noch nicht bestands- oder rechtskräftig zugunsten des Gläubigers feststeht. Überdies muß sich die Antragsgegnerin entgegenhalten lassen, den Antragsteller vor Erlaß des Rückforderungsbescheides nicht gemäß § 28 Abs. 1 VwVfG angehört zu haben. Der Antragsteller hätte daher frühestens im Widerspruchsverfahren seine Entreicherung geltend machen können.
3.
Eine Berufung auf den Wegfall der Bereicherung ist dem Antragsteller auch nicht wegen "Bösgläubigkeit" nach § 12 Abs. 2 BBesG i. V. m. §§ 819 Abs. 1,818 Abs. 4 BGB versagt.
Nach diesen Vorschriften kann sich ein Beamter dann nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen, wenn er den Mangel des rechtlichen Grundes für die ihm gewährten Leistungen kannte oder wenn der Mangel so offensichtlich war, daß er ihn hätte erkennen müssen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts ist der Mangel des rechtlichen Grundes dann als offensichtlich anzusehen, wenn der Beamte - wobei es auf seine individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten ankommt - ihn nicht erkannte, weil er die im Rechtsverkehr erforderliche Sorgfalt in besonderem Maße außer Acht gelassen hat (BVerwG, Urteil vom 25.11.1982 - 2 C 14.81 -, Buchholz 235 § 12 BBesG Nr. 3; Nds. OVG, Urteil vom 10.1.2.1991 - 5 L 2492/91 -, S. 12 des amtl. Umdrucks). Dabei bedeutet "offensichtlich" nicht "ungehindert sichtbar". Offensichtlich ist dann eine Tatsache vielmehr schon dann, wenn sie der Erkenntnis leicht durch andere als durch optische Wahrnehmungen zugänglich ist, insbesondere wenn sie durch Nachdenken, logische Schlußfolgerungen oder durch sich aufdrängende Erkundigungen in Erfahrung gebracht werden kann. Es ist einem Beamten auf Grund seiner Treuepflicht auch zuzumuten, Zahlungen seines Dienstherrn auf ihre Richtigkeit zu prüfen. Er ist gehalten, sich bei Unklarheiten und Zweifeln durch Rückfragen bei der die Zahlung veranlassenden Stelle Gewißheit darüber zu verschaffen, ob eine Leistung zu Recht erfolgt ist (BVerwG, Urteil vom 25.11.1982, aaO.). Der Umfang der Prüfungspflicht muß jedoch in einem angemessenen Verhältnis zu dem stehen, was dem Beamten anhand der ihm durch seinen Dienstherrn eröffneten Merkmale der Leistung möglich ist. Soll die Erwartung des Dienstherrn berechtigt sein, daß der Beamte eine fehlerhafte Leistung bemerkt, so wird er ihn zumindest - sei es durch Bescheid oder einfache Mitteilung - über den Rechtsgrund der Zahlung und die Voraussetzungen seiner Gewährung informieren müssen (vgl. ähnlich zum Beamtenversorgungsrecht, BVerwG, Urteil vom 12.07.1972 - VI C 24.69 -, BVerwGE 40, 212/218). Dies gilt insbesondere dort, wo der Leistungsgewährung - wie im Bereich der freien Heilfürsorge bei Beamten des Feuerwehrdienstes - recht komplizierte Sonderregelungen zugrunde liegen, die nicht zu den Grundprinzipien des Beamten- oder Beamtenbesoldungsrechts im weiteren Sinne gehören und deren Kenntnis dementsprechend bei dem Beamten nicht vorausgesetzt werden können (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.01.1987 - 2 C 4.85 -, NVwZ 1987, 1082).
Unter Berücksichtigung der vorstehenden Grundsätze spricht alles dafür, daß der Antragsteller - auch nach seiner nicht rechtskräftigen Versetzung in den Ruhestand - weder wußte noch hätte wissen müssen, daß ihm die im Rahmen der freien Heilfürsorge überwiesenen Geldbeträge in Höhe von monatlich 540,00 DM nicht zustanden.
Anhaltspunkte für eine positive Kenntnis des Antragstellers vom rechtlichen Mangel der Leistungen kann die Kammer nicht erkennen.
Soweit die Antragsgegnerin im Bescheid vom 08.05.1996 darauf abgestellt hat, daß der Antragsteller mit Schreiben vom 29.10.1993über seine Rückzahlungsverpflichtungen im Falle der Abweisung der Klage gegen die Zurruhesetzung aufmerksam gemacht worden sei, kann dem nicht gefolgt werden. Im vorgenannten Schreiben wird dem Antragsteller lediglich mitgeteilt, daß er seine Dienstbezüge (weiter) in voller Höhe erhalte und er im Falle eines erfolglosen Rechtsmittels die dann "zuviel erhaltenen Bezüge" zurückzahlen müsse. Von den Leistungen der freien Heilfürsorge ist in diesem Schreiben offensichtlich keine Rede. Es liegt zudem völlig fern anzunehmen, die Antragsgegnerin habe die Leistungen der freien Heilfürsorge als Bestandteil von Dienstbezügen angesehen. Denn Dienstbezüge setzen sich aus dem Grundgehalt, den Zulagen, dem Ortszuschlag und den Vergütungen für besondere Leistungen zusammen. Die Gewährung freier Heilfürsorge (wie auch von Beihilfe) ist demgegenüber Ausfluß der allgemeinen Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber dem Beamten und tritt zu den Dienstbezügen hinzu. Sie ist rechtlich vergleichbar mit der Gewährung von Beihilfe. Sowohl freie Heilfürsorge als auch Beihilfe werden zusätzlich zur sonstigen Alimentation (durch Dienstbezüge) stets im Hinblick auf Krankheitsfälle und auf die dem Beamten dadurch konkret entstehenden Aufwendungen geleistet (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 10.12.1991, a.a.O., S. 9 ff.).
Ausweislich der Verwaltungsvorgänge hat die Antragsgegnerin den Antragsteller über die Voraussetzungen der Gewährung freier Heilfürsorge auch nicht hinreichend belehrt, geschweige denn sich im Schreiben vom 29.10.1993 zur Frage der "Versorgung im Krankheitsfall" verhalten. Der Kläger hatte mithin keine positive Kenntnis vom Mangel des rechtlichen Grundes der Leistungen.
Ist hiernach davon auszugehen, daß der Antragsteller aus den Mitteilungen der Antragsgegnerin nicht hat ersehen können, ohne Rechtsgrund Gelder im Rahmen der freien Heilfürsorge erhalten zu haben, so bestand für ihn auch sonst kein Grund, an der Rechtmäßigkeit der Leistungen zu zweifeln, insbesondere nicht wegen des Zurruhesetzungsverfahrens. Zum einen hatte die Antragsgegnerin für. den streitigen Zeitraum nicht die sofortige Vollziehbarkeit seiner Zurruhesetzung verfügt. Zum anderen mußte - jedenfalls bei einem Adressaten, der nicht über entsprechende Spezialkenntnissen verfügte - das Schreiben vom 29.10.1993 eher den Eindruck erwecken, in diesem Schreiben nicht erwähnte Leistungen unterfielen nicht einer möglichen Rückforderungsverpflichtung. Denn die Antragsgegnerin hätte auch die Leistungen der freien Heilfürsorge neben den Dienstbezügen ebenfalls unter Rückforderungsvorbehalt stellen können, wenn sie dies gewollt hätte. Selbst wenn man gegen den Antragsteller einen Fahrlässigkeitsvorwurf erheben würde, könnte dieser Vorwurf allerdings nicht soweit reichen, ihm grobe Fahrlässigkeit zu unterstellen, denn angesichts der individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten des nicht mit der hier einschlägigen Rechtsmaterie vertrauten und zudem alkoholkranken Beamten, auf die es ausschließlich ankommt (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.01.1987, a.a.O.), kann nicht davon ausgegangen werden, daß der Mangel des rechtlichen Grundes der Zahlungen für ihn seinerzeit offensichtlich gewesen ist.
Andere Gründe. für die Annahme einer verschärften Haftung vermag die Kammer nicht zu erkennen. Insbesondere liegen die Voraussetzungen für eine verschärfte Haftung bei ungewissem Erfolgseintritt (§ 820 BGB) nicht vor. Denn die Leistungen der freien Heilfürsorge sind - wie oben dargelegt - keine Dienstbezüge, also nicht unter dem gesetzlichen Vorbehalt gezahlt worden, daß der Beamte sie nicht mehr beanspruchen kann, wenn er Versorgungsempfänger ist. Da hier auch nicht der Fall vorliegt, daß dem Antragsteller die gewährten Leistungen nur wegen der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die. Zurruhesetzungsverfügung weiter zuflossen und die Zahlungen zudem nicht - wie oben bereits dargelegt - unter rechtsgeschäftlichem Vorbehalt geleistet wurden, sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 820 Abs. 1 BGB sämtlichst nicht erfüllt.
Mithin spricht alles dafür, daß der Rückforderungsbescheid und folglich auch die Sofortvollziehungsanordnung einer rechtlichen Überprüfung im Hauptsacheverfahren nicht standhalten werden, so daß antragsgemäß die aufschiebenden Wirkung der Klage wiederherzustellen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 20 Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG. Laut Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (DVBl. 1996, 605 ff.) beträgt der Streitwert in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes bei anderen auf bezifferte Geldleistungen gerichteten Verwaltungsakten 1/4 des für die Hauptsacheverfahrens anzunehmenden Streitwerts.