Sozialgericht Oldenburg
Urt. v. 29.01.2020, Az.: S 8 BA 383/18
Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung wegen Durchführung einer Betriebsveranstaltung anlässlich eines Firmenjubiläums
Bibliographie
- Gericht
- SG Oldenburg
- Datum
- 29.01.2020
- Aktenzeichen
- S 8 BA 383/18
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2020, 21760
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlage
- § 28p SGB IV
Tenor:
- 1.
Der Bescheid der Beklagten vom 04.12.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.05.2018 wird aufgehoben.
- 2.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
- 3.
Der Streitwert wird auf 60.043,71 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen einen Beitragsbescheid, mit dem die Beklagte Beiträge zur Sozialversicherung in Höhe von gut 60.000 EUR in Bezug auf eine von der Klägerin durchgeführten Betriebsveranstaltung nachfordert.
Die Klägerin hat am 05.09.2015 anlässlich eines Firmenjubiläums eine Betriebsveranstaltung durchgeführt. Dadurch sind Kosten in Höhe von 214.502,36 EUR inklusive Mehrwertsteuer entstanden. An dieser Veranstaltung haben nicht nur die Arbeitnehmer der Klägerin und deren Angehörige, sondern auch Kunden der Klägerin teilgenommen. Die Kosten der Veranstaltung überstiegen 110 EUR pro Arbeitnehmer.
Bei der Lohnsteueranmeldung vom 08.10.2015 berücksichtigte die Klägerin die Kosten für die Betriebsveranstaltung zunächst nicht. Unter dem 31.03.2016 korrigierte sie die Lohnsteueranmeldung für den September 2015 jedoch und teilte dem Finanzamt mit, dass sich die Korrektur ausschließlich auf die pauschale Lohnsteuer beziehe. Aufgrund der Betriebsveranstaltung sei bei den Arbeitnehmern der Freibetrag in Höhe von 110 EUR überschritten worden. Der Restbetrag sei der pauschalen Lohnsteuer in Höhe von 25 % zuzüglich Nebensteuern unterworfen.
Im Rahmen der Betriebsprüfung forderte die Beklagte Rechnungen inklusive der Verträge zu den Kosten der Betriebsveranstaltung und Nachweise über die Zahlungen an.
Mit Betriebsprüfungsbescheid vom 4.12.2017 forderte die Beklagte für den Prüfzeitraum vom 1.1.2013 bis zum 31.12.2016 Beiträge zur Sozialversicherung in Höhe von 60.043,17 Euro nach. Eine Lohnsteueranmeldung wegen der Kosten der Betriebsveranstaltung sei ausweislich der vorliegenden Anmeldung vom 08.10.2015 nicht erfolgt. Erst am 31.03.2016 habe die Klägerin einen Teil der Kosten der Betriebsveranstaltung pauschal versteuert. Die endgültige Abrechnung der Betriebsveranstaltung sei nach Überprüfung der eingereichten Rechnungen spätestens am 04.11.2015 (Zahlung des letzten Rechnungsbetrages) möglich gewesen. Spätestens zu diesem Termin sei offensichtlich gewesen, dass der Freibetrag von 110 EUR überschritten werde. Zu dem Zeitpunkt habe für den übersteigenden Betrag Beitragspflicht in der Sozialversicherung bestanden, da keine Pauschalversteuerung vorgenommen wurde. Die Beitragspflicht entfalle nicht durch die nach dem 28.02.2016 durchgeführte, in diesem Falle also verspätete, Pauschalversteuerung. Die Klägerin habe ein grundsätzlich beitragspflichtiges Arbeitsentgelt unzulässig beitragsfrei behandelt und dann auch noch zu spät pauschal besteuert.
Indes hätten sich die Regelungen für die Beitragsfreiheit von Arbeitsentgelten in der Sozialversicherung bei einer möglichen Pauschalversteuerung mit Wirkung vom 22.04.2015 verschärft. Mit Änderung des § 1 Abs. 1 Satz 2 Sozialversicherungsentgeltverordnung (SvEv) müsse für eine Beitragsfreiheit der Zuwendungen eine pauschale Versteuerung der übersteigenden Beträge bereits mit der Entgeltabrechnung des jeweiligen Kalendermonats tatsächlich durchgeführt worden sein. Eine vom Arbeitgeber erst im Nachhinein durchgeführte Pauschalversteuerung wirke sich auf die beitragsrechtliche Behandlung der Arbeitsentgeltbestandteile demnach nur aus, wenn der Arbeitgeber die von ihm vorgenommene steuerrechtliche Behandlung noch ändern könne. Eine unzutreffende steuer- und beitragsfreie Behandlung von Arbeitsentgeltbestandteilen könne vom Arbeitgeber grundsätzlich nur bis zur Erstellung der Lohnsteuerbescheinigung, also längstens bis zum 28. Februar des Folgejahres (§ 41b Einkommensteuergesetz, EStG), durch eine nachträgliche Pauschalversteuerung geändert werden. Die Klägerin habe die pauschale Besteuerung der Zuwendungen erst nach dem 28.02.2016 durchgeführt, weshalb dieser Bestandteil des Arbeitsentgelts im vorliegenden Fall nicht zu einer Beitragsfreiheit in der Sozialversicherung führe. Die Zuwendungen würden der Beitragspflicht in der Sozialversicherung unterliegen. Die entsprechenden Beiträge seien im Rahmen eines Summenbeitragsbescheides nachzufordern. Es werde der von der Klägerin für die Betriebsveranstaltung pauschal versteuerte Gesamtbetrag von 162.892,96 EUR als Bemessungsgrundlage zugrunde gelegt. Ebenso werde berücksichtigt, dass ein Teil der Arbeitnehmer bereits die Jahresarbeitsentgeltgrenze in der Kranken- und Pflegeversicherung sowie die Beitragsbemessungsgrenze in der Renten- und Arbeitslosenversicherung überschritten habe. Insofern werde in der Kranken- und Pflegeversicherung ein Betrag in Höhe von 143.634,68 EUR und in der Renten- und Arbeitslosenversicherung ein Betrag in Höhe von 156.473,53 EUR zur Beitragsberechnung herangezogen.
Unter dem 28.12.2017 legte die Klägerin Widerspruch gegen den Betriebsprüfungsbescheid ein. Zur Begründung führte die Klägerin an, dass für die lohnsteuerliche Erfassung des Arbeitslohns aus Anlass der Betriebsveranstaltung von Beginn an die Absicht bestanden habe, die Pauschalversteuerung in Anspruch zu nehmen. Im Rahmen der Prüfung des Jahresabschlusses per 31.12.2015 sei die Abgabe einer berichtigten Lohnsteueranmeldung für September 2015 veranlasst worden. Soweit die Beklagte auf die geänderte gesetzliche Regelung in § 1 Abs. 1 Satz 2 SvEv verweise, könne dem Gesetzeswortlaut nicht entnommen werden, wie sich Berichtigungen auf die Einordnung als sozialversicherungsfreies oder -pflichtiges Arbeitsentgelt auswirke. In der Gesetzesbegründung werde dazu ausgeführt, dass eine erst im Nachhinein geltend gemachte Pauschalversteuerung nicht dazu führe, dass für steuer- und beitragspflichtig abgerechnete Arbeitsentgeltbestandteile Sozialversicherungsbeiträge zu erstatten seien, wenn der Arbeitgeber die vorgenommene steuerpflichtige Erhebung nicht mehr ändern könne. Diese Begründung beruhe auf dem Grundsatz der Unveränderlichkeit des abgewickelten Versicherungs- und Beitragsverhältnisses, betreffe aber nicht den hier zu beurteilenden Sachverhalt. Erst am 20.04.2016 hätten sich die Spitzenverbände der Sozialversicherung hinsichtlich der Gesetzesänderung des § 1 Abs. 1 S. 2 SvEv abschließend über die beitragsrechtliche Behandlung steuerfreier bzw. pauschal besteuerter Entgeltbestandteile beraten. Vor diesem Hintergrund vertrete die Klägerin die Auffassung, dass es im Hinblick auf die im Februar und März 2016 noch unklare Rechtslage zu Berichtigungssachverhalten unbillig sei, den Arbeitslohn aus Anlass der Betriebsveranstaltung im Nachhinein als sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt zu behandeln, zumal es sich um einen außerordentlichen und einmaligen Vorgang und nicht um einen Dauersachverhalt gehandelt habe.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 31.5.2018 zurück. Die neue Regelung in § 1 Abs. 1 S. 2 SvEv gelte für Entgeltabrechnungszeiträume ab dem 22.04.2015 und damit auch für den hier vorliegenden Fall. Eine vom Arbeitgeber erst im Nachhinein geltend gemachte Möglichkeit der Steuerfreiheit bzw. Pauschalbesteuerung wirke sich auf die beitragsrechtliche Behandlung der Arbeitsentgeltbestandteile nur aus, wenn der Arbeitgeber die von ihm vorgenommene steuerrechtliche Behandlung noch ändern könne. Eine mit der Entgeltabrechnung vorgenommene lohnsteuerpflichtige Behandlung von Arbeitsentgeltbestandteilen könne vom Arbeitgeber jedoch grundsätzlich nur bis zur Erstellung der Lohnsteuerbescheinigung, also längstens bis zum 28. Februar des Folgejahres (§ 41b EStG), geändert werden.
Mit ihrer Klage vom 29.6.2018 verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Maßgebender Zeitpunkt sei der der Entstehung des Beitragsanspruchs. Es sei denn, dass es beim Arbeitgeber zu Abrechnungsfehlern gekommen sei. Vorliegend handele es sich nicht um eine Rückgängigmachung. Mit der berichtigten Lohnsteueranmeldung für September 2015 sei Arbeitslohn aus Anlass der Betriebsveranstaltung erstmals der Pauschalversteuerung zugeführt worden. Pauschal versteuerter Arbeitslohn werde bei Veranlagungen nicht berücksichtigt, sodass die Angabe in der Lohnsteuerbescheinigung unterbleibe. Demnach handele es sich nicht um eine Änderung im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 2 SvEv, sondern um eine erstmalige berichtigende Beurteilung eines steuerrechtlichen Sachverhalts.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 04.12.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.05.2018 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat die Beklagte auf Ihre Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Bescheides und des Widerspruchsbescheides Bezug genommen.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen und wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
1. Der Bescheid der Beklagten vom 4.12.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.5.2018 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
Die Klägerin ist nicht verpflichtet auf die Arbeitsentgeltbestandteile aus September 2015 im Zusammenhang mit der durchgeführten Betriebsveranstaltung Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten. Wegen der Unterwerfung der anteiligen Kosten der Betriebsveranstaltung der pauschalen Lohnsteuer -soweit der Lohnsteuer-Freibetrag überschritten war-, sind die Zuwendungen an die Arbeitnehmer nicht dem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsentgelt zuzurechnen.
a) Die Zuständigkeit für Betriebsprüfungen und die Nacherhebung von Beiträgen liegt vorliegend nach § 28 p des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) bei der Beklagten. Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Sozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen. Insbesondere prüfen sie hierbei die Richtigkeit der Beitragszahlungen. Nach Satz 5 der genannten Vorschrift erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen dieser Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern.
b) Die Beklagte hat Beiträge in Höhe von 60.043,71 EUR zu Unrecht nacherhoben.
Nach § 14 und § 17 SGB IV i.V.m. § 1 Abs. 1 SvEv (in der für den hier vorliegenden Fall maßgebenden Fassung vom 15.04.2015) richtet sich die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von Arbeitsentgelt grundsätzlich nach dem Steuerrecht.
aa) Die Kosten im Rahmen der Betriebsveranstaltung waren dem sozialversicherungsrechtlich relevantem Arbeitsentgelt nicht zuzurechnen.
Dem Arbeitsentgelt sind (unter anderem) nach § 1 Abs. 1 S. 1 SvEV nicht zuzurechnen:
1. einmalige Einnahmen, laufende Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse sowie ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt werden, soweit sie lohnsteuerfrei sind, ( ) 2. Einnahmen nach § 40 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes.
Die Klägerin hat Arbeitslohn aus Anlass einer Betriebsveranstaltung gezahlt.
Nach § 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 EStG kann der Arbeitgeber die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz von 25 Prozent erheben, soweit er Arbeitslohn aus Anlass von Betriebsveranstaltungen zahlt.
Betriebsveranstaltungen führen nach § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a EStG zu steuerpflichtigem Arbeitslohn, soweit der Freibetrag i.H.v. 110 Euro überschritten ist (§ 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a S. 3) oder mehr als zwei Veranstaltungen pro Jahr durchgeführt werden (§ 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a S. 4). In diesen Fällen kann der Arbeitslohn nach Abs. 2 Nr. 2 pauschal mit 25 % versteuert werden (Eisgruber in: Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 18. Aufl. 2019, § 40 EStG, Rn. 21).
Zu den Zuwendungen gehören alle Aufwendungen des Arbeitgebers einschließlich Umsatzsteuer unabhängig davon, ob sie einzelnen Arbeitnehmern individuell zurechenbar sind oder ob es sich um einen rechnerischen Anteil an den Kosten der Betriebsveranstaltung handelt, die der Arbeitgeber gegenüber Dritten für den äußeren Rahmen der Betriebsveranstaltung aufwendet.
Bei den im Rahmen der Betriebsveranstaltung vom 05.09.2015 entstandenen Kosten in Höhe von 214.502,36 EUR handelt es sich um Kosten in diesem Sinne. Die Klägerin hat zulässigerweise einen Freibetrag pro Arbeitnehmer in Höhe von 110 EUR angesetzt. Bei den den Freibetrag übersteigenden Kosten, die die Klägerin der Pauschalsteuer unterworfen hat, handelt es sich um Einnahmen nach § 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 EStG.
bb) Etwas Anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass die Klägerin die Kosten der Betriebsveranstaltung erst im Nachhinein zur Lohnsteuer im Abrechnungszeitraum September 2015 angemeldet hat.
Nach § 1 Abs. 1 S. 2 SvEv sind dem Arbeitsentgelt die in Satz 1 Nummer 1 bis 4a, 9 bis 11, 13, 15 und 16 genannten Einnahmen, Zuwendungen und Leistungen nur dann nicht zuzurechnen, soweit diese vom Arbeitgeber oder von einem Dritten mit der Entgeltabrechnung für den jeweiligen Abrechnungszeitraum lohnsteuerfrei belassen oder pauschal besteuert werden.
(1) Die Voraussetzungen nach § 1 Abs. 1 S. 2 SvEv sind erfüllt. Die Klägerin hat die hier streitigen Arbeitsentgeltbestandteile mit der Entgeltabrechnung für den Abrechnungszeitraum September 2015 teilweise lohnsteuerfrei belassen und darüber hinaus pauschal besteuert.
Entgegen der Auffassung der Beklagten war die Pauschalversteuerung bzw. Belassung als lohnsteuerfreien Anteil auch nach dem 28.02.2016 möglich. In der Gesetzesbegründung zu § 1 Abs. 1 S. 2 SvEv heißt es:
"[ ] wird klargestellt, dass es auf die tatsächliche Erhebung der Lohnsteuer ankommt. Eine erst im Nachhinein geltend gemachte Steuerfreiheit bzw. Pauschalbesteuerung führt nicht dazu, dass für steuer- und beitragspflichtig abgerechnete Arbeitsentgeltbestandteile Sozialversicherungsbeiträge zu erstatten sind, wenn der Arbeitgeber die vorgenommene steuerpflichtige Erhebung nicht mehr ändern kann."
(Drucksache 18/3699 - 48 - Deutscher Bundestag - 18. Wahlperiode)
Die Klägerin konnte die steuerpflichtige Erhebung der Lohnsteuer für September 2015 im März 2016 ändern.
(2) Die nach § 41b EStG geltende Frist hinsichtlich der Erstellung der Lohnsteuerbescheinigung für den Arbeitnehmer, die bis zum 28.2.2016 lief, musste im vorliegenden Fall nicht berücksichtigt werden.
Bei den Kosten der Betriebsveranstaltung handelte es sich einerseits um lohnsteuerfreie Bestandteile des Arbeitsentgeltes bzw. teilweise um Bestandteile des Arbeitsentgeltes, die der Pauschalsteuer unterworfen wurden.
Nach § 41b Abs. 6 EStG gilt das Erfordernis der Lohnsteuerbescheinigung bis zum 28. Februar des Folgejahres nicht für pauschal besteuerten Arbeitslohn; und erst Recht nicht für lohnsteuerfrei belassenen Bestandteil des Arbeitsentgelts. Beide Bestandteile werden in der Lohnsteuerbescheinigung nicht aufgeführt.
(3) Die Voraussetzungen der allgemeinen Korrekturvorschriften liegen vor.
Grundsätzlich erfolgt die Lohnsteueranmeldung durch den Arbeitgeber monatsweise bis zum 10. des Folgemonats. Eine Korrektur-Anmeldung ist jedoch möglich.
Der Bundesfinanzhof führte in seiner Entscheidung vom 13.11.2012 aus, dass der tatsächliche Lohnsteuerabzug im Zusammenhang mit einer Lohnsteuer-Anmeldung nicht von Bedeutung sei. Denn bei der darin festgesetzten, mit der Zahlung des Arbeitslohns entstehenden Entrichtungssteuerschuld des Arbeitgebers handele es sich um einen gesetzlich bestimmten "Sollbetrag" und nicht um einen durch den tatsächlichen Lohnsteuerabzug bestimmten "Istbetrag" (BFH, Urteil vom 13. November 2012 - VI R 38/11 -, BFHE 239, 403, BStBl II 2013, 929, Rn. 16). Nach dem erkennenden Senat sei eine Änderung der Lohnsteuer-Anmeldung nach Maßgabe der allgemeinen Korrekturvorschriften möglich [ ], solange der Vorbehalt der Nachprüfung (§ 168 Satz 1 AO) noch bestehe (BFH, Urteil vom 13. November 2012 - VI R 38/11 -, BFHE 239, 403, BStBl II 2013, 929, Rn. 17).
Die von der Klägerin am 08.10.2015 durchgeführte Steueranmeldung ist eine Steuererklärung und gilt nach § 168 der Abgabenordnung (AO) als Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung. Aus § 164 Abs. 2 Satz 1 AO folgt, dass die Steuerfestsetzung aufgehoben oder geändert werden kann, solange der Vorbehalt wirksam ist.
Am 31.03.2016 war der Vorbehalt noch wirksam und eine Änderung möglich.
Nach § 169 Abs. 1 S. 1 EStG sind eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dabei beträgt die Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO vier Jahre. Die Festsetzungsfrist war im März 2016 hinsichtlich der Steuerfestsetzung für September 2015 (unproblematisch) noch nicht abgelaufen.
(4) Entgegen der Auffassung der Beklagten folgt aus dem Ergebnis des Spitzengesprächs zwischen dem D., der E. und der F. vom 20.04.2016 kein anderes Ergebnis.
Unter dem Tagesordnungspunkt 5 wurde folgendes zusammengefasst:
"In Anlehnung an § 41b EStG sind demnach Änderungen in der steuerrechtlichen Behandlung von Arbeitsentgeltbestandteilen, die der Arbeitgeber im Falle einer unzutreffenden steuer- und beitragspflichtigen Beurteilung bis zur Erstellung der Lohnsteuerbescheinigung zum 28. Februar des Folgejahres selbst noch vorgenommen hat, bei der Feststellung der Arbeitsentgelteigenschaft der [ ] Einnahmen, Zuwendungen und Leistungen zu berücksichtigen, und zwar sowohl in versicherungs- als auch in beitragsrechtlicher Hinsicht. Dies gilt zum einen zudem in den Fällen analog, in denen der Arbeitgeber eine unzutreffende steuer- und beitragsfreie Behandlung von Arbeitsentgeltbestandteilen durch eine nachträgliche Pauschalbesteuerung korrigiert. Zum anderen aber auch in den Fällen, in denen Zuwendungen zunächst zulässig steuer- und beitragsfrei behandelt und nachträglich pauschal besteuert werden [ ]. Die Zurechnung bzw. Nichtzurechnung einzelner Einnahmen, Zuwendungen und Leistungen zum Arbeitsentgelt nach Maßgabe der SvEv ist somit einheitlich und nicht funktionsbereit vorzunehmen."
(Protokoll, Besprechung des GKV-Spitzenverbandes, der Deutschen Rentenversicherung Bund und der Bundesagentur für Arbeit über Fragen des gemeinsamen Beitragseinzugs, vom 20.4.2016)
Die Gesetzesänderung in § 1 Abs. 1 S. 2 SvEv für die Zeit ab dem 22.04.2015 hat für den vorliegenden Fall auch schon vor der Durchführung des sogenannten Spitzengesprächs gegolten. Entgegen der klägerischen Auffassung ist es für die Zeit ab dem 20.04.2016 nicht zu einer neuen Rechtslage gekommen.
Das Ergebnis des Spitzengespräches kann die Gerichte bei der Anwendung des § 1 Abs. 1 S. 2 SvEv indes nicht binden. Es dürfte allenfalls die Verwaltung selbst binden, sofern entsprechende Verwaltungsanweisungen formuliert worden sind.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung und entspricht dem Ergebnis des Verfahrens.
3. Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß § 63 Abs. 2 i. V. m. § 52 Abs. 1 bis 3 Gerichtskostengesetz nach Ermessensausübung unter Berücksichtigung der sich aus der Klage für die Klägerin ergebenden Bedeutung der Sache, wobei ein Streitwert von 5.000 EUR nur dann anzunehmen ist, wenn der bisherige Sach- und Streitstand keine genügenden Anhaltspunkte bietet. Mit ihrer Klage wandte sich die Klägerin gegen eine Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung in Höhe von 60.043,71 Euro.