Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 19.04.2021, Az.: 3 Ws 8/21 (StrVollz)
Prüfung der Behandlungsuntersuchung durch strafvollzugsbegleitendes Gericht; Pflicht zur zügigen Umsetzung sozialtherapeutischer Behandlungsmaßnahmen; Pflicht zur regelmäßigen Fortschreibung des Vollzugsplans
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 19.04.2021
- Aktenzeichen
- 3 Ws 8/21 (StrVollz)
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2021, 26026
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2021:0419.3WS8.21STRVOLLZ.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Lüneburg - AZ: 17b StVK 21/20
Rechtsgrundlage
- § 66c Abs. 2 StGB
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Die erstmalige strafvollzugsbegleitende gerichtliche Kontrolle bei angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung beinhaltet auch die Prüfung, ob die umfassende Behandlungsuntersuchung als Grundlage der Betreuung rechtzeitig erfolgt ist.
- 2.
Stellt nach sachverständiger Behandlungsuntersuchung eine sozialtherapeutische Behandlung die gebotene Betreuungsmaßnahme dar, so muss diese bei unveränderter Sachlage auch zügig und konsequent umgesetzt werden, um den gesetzlichen Vorgaben gerecht zu werden. Sie kann nicht vom erfolgreichen Absolvieren niederschwelliger Behandlungsmaßnahmen im Normalvollzug abhängig gemacht werden, sofern diese nach dem Ergebnis der sachverständigen Behandlungsuntersuchung nicht ausreichen.
Tenor:
- 1.
Unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses wird festgestellt, dass
a) die dem Gefangenen von der Vollzugsbehörde im zurückliegenden Zeitraum angebotene Betreuung nicht den Anforderungen nach § 66c Absatz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Nummer 1 des Strafgesetzbuches entsprochen hat, und
b) die Vollzugsbehörde dem Gefangenen bei sich nicht wesentlich ändernder Sachlage künftig eine sozialtherapeutische Behandlung anzubieten hat, um den gesetzlichen Anforderungen an die Betreuung zu genügen.
- 4.
Die Kosten der Beschwerde und die dem Beschwerdeführer hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Landeskasse.
- 5.
Der Gegenstandswert wird auf 5000 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
1. Der Gefangene wurde durch Urteil des Landgerichts Bremen vom 23. Januar 2018, rechtskräftig seit dem 13. September 2018, wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung sowie wegen schwerer räuberischer Erpressung in drei Fällen, davon in einem Fall im Versuch, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gleichzeitig wurde seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet.
2. Zu den Anlasstaten kam es, nachdem der Gefangene am 23. März 2017 aus einer Lockerung nicht in den Vollzug der Maßregel nach § 64 StGB zurückgekehrt war, die seit dem 30. September 2014 gegen ihn vollstreckt wurde. Der Gefangene befand sich nach seiner vorläufigen Festnahme am 12. Juni 2017 zunächst in Untersuchungshaft. Seit dem 2. Oktober 2017 wurden mehrere Strafreste gegen ihn vollstreckt, bis am 5. Dezember 2020 die Vollstreckung der Freiheitsstrafe aus der Anlassverurteilung begann. Der Beginn des Vollzugs der Sicherungsverwahrung ist auf den 23. September 2030 notiert.
Die Freiheitsstrafen wurden zunächst in der Justizvollzugsanstalt B. vollstreckt. Am 10. Januar 2019 wurde der Gefangene aufgrund einer Verwaltungsvereinbarung in die Justizvollzugsanstalt C. verlegt. Diese erstellte aufgrund der Vollzugsplankonferenz vom 13. März 2019 einen Vollzugsplan. Darin wurde ausgeführt, dass Behandlungsmaßnahmen "noch nicht empfohlen werden" könnten, weil "die erstgutachterliche Stellungnahme zur Behandlungsuntersuchung" noch ausstehe. Die Anmeldung zur Behandlungsuntersuchung bei dem Prognosezentrum H. erfolgte am 18. März 2019. Das Prognosezentrum beauftragte am 8. Mai 2019 die Sachverständige Dipl.-Psych. F. In ihrem Gutachten vom 28. August 2019 kam die Sachverständige zu dem Ergebnis, dass die Verlegung des Gefangenen in eine sozialtherapeutische Einrichtung erforderlich erscheine.
Der Vollzugsplan der Justizvollzugsanstalt C. vom 13. November 2019 hielt unter I.2 fest: "Ob die Sicherungsverwahrung vermieden werden kann, hängt insbesondere vom Verlauf und Erfolg der empfohlenen und angestrebten sozialtherapeutischen Behandlung sowie dem weiteren innervollzuglichen Verhalten ab". Weiter sah der Vollzugsplan unter IV. vor, dass eine sozialtherapeutische Behandlungsmaßnahme angezeigt sei. Es sei geplant, den Gefangenen "im ersten Quartal 2020" bei der Koordinatorin für die sozialtherapeutischen Einrichtungen im niedersächsischen Justizvollzug anzumelden. Als "andere Einzel- und Gruppenbehandlungsmaßnahmen" nannte der Vollzugsplan: "Kontakt zum Suchberatungsdienst und psychosoziale Betreuung, insbesondere während der Substitutionsbehandlung, sowie Nachweis der Abstinenz". Weiter war in dem Vollzugsplan festgelegt, dass "aufgrund der in der gutachterlichen Stellungnahme definierten Behandlungsziele (...) die Teilnahme an Maßnahmen zur Vorbereitung auf die folgende sozialtherapeutische Behandlung für sinnvoll erachtet" werde. Die "Akzeptanz- und Commitment-Therapie" (ACT) sei ein verhaltenstherapeutischer Behandlungsansatz, der im Kern eine Flexibilisierung verfestigter Verhaltensmuster anstrebe, um eine an persönlichen Lebenszielen orientierte und zufriedenstellende Lebensführung zu ermöglichen. Als weitere Maßnahme war "PAG" aufgeführt.
Der Vollzugsplan vom 27. März 2020 sah die gleichen Behandlungsmaßnahmen vor. Die sozialtherapeutische Behandlung wurde weiterhin als angezeigt angesehen. Jedoch sollte die für das erste Quartal 2020 geplante Anmeldung bei der Koordinatorin für sozialtherapeutische Einrichtungen "später" erfolgen, weil die unter 2. "empfohlenen" Maßnahmen zur Vorbereitung "noch nicht abgeschlossen" seien. Unter IV.2. wurde zu den Behandlungsmaßnahmen "PAG" und "ACT" ausgeführt.: "Am PAG hat Herr K. bisher nicht teilgenommen. Er war für die Maßnahme vorgesehen, ist auf extra Anforderung in die Gruppe gegangen, um diese dann umgehend wieder zu verlassen. Herr J. teilt mit, dass Herr K. an der Maßnahme ACT an 5 von 12 Sitzungen gefehlt hat. Ein hoher Behandlungsbedarf werde deutlich. Insbesondere die Themen Sucht, Drogen und Schwierigkeiten, ein authentisches Leben zu führen, spielen hier eine große Rolle. Hierin dürften die Behandlungshindernisse zu suchen sein." Unter IV.5 war festgehalten, dass Maßnahmen zur Förderung der Behandlungsmotivation "nicht erforderlich" seien. Der Gefangene habe geäußert, er werde künftig an den empfohlenen Maßnahmen teilnehmen, wenn er weiter substituiert werde.
Der Vollzugsplan vom 5. Oktober 2020 enthielt hinsichtlich der Behandlungsmaßnahmen die gleichen Ausführungen wie der vorangegangene Plan. Eine Anmeldung bei der Koordinatorin für die sozialtherapeutischen Einrichtungen im niedersächsischen Justizvollzug war bis dahin nicht erfolgt. Ein konkreter Zeitpunkt für die Anmeldung wurde auch für den Fortschreibungszeitraum nicht festgelegt.
3. Mit Beschluss vom 23. November 2020 hat das Landgericht Lüneburg festgestellt, dass die dem Gefangenen angebotene Betreuung den gesetzlichen Anforderungen entsprochen habe. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass mit Blick auf die dissoziale Persönlichkeitsstörung des Gefangenen und seine Abhängigkeit von verschiedenen Betäubungsmitteln eine sozialtherapeutische Behandlung grundsätzlich angezeigt sei. Vorab seien jedoch niedrigschwellige Maßnahmen erforderlich, um den Gefangenen an eine solch intensive Behandlung heranzuführen, da nur dann die Chance bestehe, dass er die spätere Sozialtherapie auch erfolgreich durchlaufen könne. Eine Teilnahme an diesen Maßnahmen sei dem Gefangenen angeboten worden. Dass er sie noch nicht vollständig erfolgreich absolviert habe, sei dem Gefangenen zuzuschreiben.
4. Gegen diesen - seinem beigeordneten Rechtsanwalt am 8. Dezember 2020 zugestellten - Beschluss wendet sich der Gefangene mit seiner Beschwerde vom 4. Januar 2021, die am gleichen Tag bei Gericht ein gegangen ist. Er trägt vor, das Landgericht habe insbesondere verkannt, dass der Beschwerdeführer sich bereits über drei Jahre im Maßregelvollzug befunden habe und deshalb die sonst übliche Vorbereitung auf die Sozialtherapie nicht benötige. Zudem habe der Gefangene nahezu ein Jahr an einem "Anti-Gewaltkurs" teilgenommen und diesen auch erfolgreich abgeschlossen. Dem Gefangenen sei auch nicht mitgeteilt worden, dass noch weitere vorbereitende Maßnahmen im Hinblick auf die geplante Sozialtherapie erfolgen sollten. Der Gefangene wolle zudem die Sozialtherapie in der Nähe seiner Familie in B. durchführen und deshalb nach B. verlegt werden. Seit März 2020 fänden bis auf medizinische Behandlung keinerlei sonstige Maßnahmen im Rahmen des Vollzuges statt. Die "PAG-Gruppe" sei eine freiwillige Maßnahme, die an einem Wochenende an zwei Tagen durchgeführt werde. Zu keinem Zeitpunkt sei von dem Gefangenen gefordert worden, diese durchführen zu müssen. Die ACT-Maßnahme habe der Gefangene aus gesundheitlichen Gründen nicht zu Ende führen können. Seitens der Justizvollzugsanstalt habe es nicht einen Hinweis gegeben, dass ungeachtet der gesundheitlichen Probleme des Gefangenen diese Maßnahme noch weiter fortgeführt werden solle.
5. Der Senat hat eine weitere Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt eingeholt, die unter dem 9. März 2021 vorgelegt worden ist. Zu der Frage, aus welchem Grund die Anmeldung in der Sozialtherapie von einer erfolgreichen Teilnahme an den Maßnahmen PAG und ACT abhängig sei, hat die Vollzugsbehörde dargelegt, dass unter 6.4 der Behandlungsuntersuchung vom 28. August 2019 auf die Vorteile einer Gruppentherapie gegenüber einer Einzeltherapie verwiesen werde. Hieraus ergebe sich auch, dass eine Teilnahme an Gruppenbehandlungsmaßnahmen "sinnvoll" erscheine. Aufgrund der hier benannten Risikofaktoren (z.B. Emotionsregulation und Impulsivität) sei die Teilnahme an den Maßnahmen "empfohlen" worden. Eine sofortige Verlegung in eine Sozialtherapie sei im Hinblick auf die Suchtmittelproblematik, die dissoziale Persönlichkeitsstörung und ein gezeigtes subkulturelles Verhalten des Gefangenen "kritisch bewertet" worden, da ohne eine hinreichende Vorbereitung auf eine Sozialtherapie eine "eventuelle Ablösung" zu erwarten wäre. Die Maßnahmen seien dem Gefangenen "spätestens in der Vollzugsplankonferenz am 2. Oktober 2019 empfohlen" und angeboten worden. Zum PAG-Kurs in der Zeit vom 19. November bis 1. Dezember 2019 sei der Gefangene angemeldet und als Teilnehmer eingeplant gewesen. Allerdings habe er sich zu Beginn des ersten Tages entschieden, die Teilnahme abzulehnen. Die weiteren geplanten PAG-Kurse hätten aufgrund der Pandemie nicht durchgeführt werden können. Die ACT-Maßnahme habe in der Zeit vom 17. Oktober 2019 bis zum 15. Oktober 2020 mit 32 Sitzungen stattgefunden, wobei der Gefangene lediglich an zehn Sitzungen teilgenommen habe und es zu selbstverschuldeten Fehlzeiten gekommen sei. In der Abschlussdokumentation sei Folgendes vermerkt: "Herr K. fiel im Zeitraum seiner Teilnahme an der Gruppe durch subkulturelles und dissoziales Verhalten im Rahmen seiner Inhaftierung auf und wurde daher mit einer Sicherheitsverfügung belegt. Herr K. wies zudem verhältnismäßig viele Fehlzeiten auf. Ihm stand es frei, an der Gruppe weiterhin teilzunehmen. Allerdings nahm er dieses Angebot nach dem 12.03.2020 (letzte Teilnahme) nicht mehr wahr." Gründe für seine Fehlzeiten und den Behandlungsabbruch habe der Gefangene nicht benannt.
6. Der Gefangene hat über seinen Verteidiger erwidert, es sei nicht erkennbar, warum die Justizvollzugsanstalt vor der Sozialtherapie noch vorbereitende Maßnahmen für erforderlich halte. Grundsätzlich sei die Zuständigkeit des Landes B. gegeben. Da die Justizvollzugsanstalt B. mittlerweile eine Sozialtherapie anbiete, sei die Grundlage für die Abweichung vom Vollstreckungsplan entfallen. Der Gefangene habe immer wieder auf die Wichtigkeit der Einbindung seiner Familie und eine heimatnahe Ausgestaltung des Vollzuges hingewiesen. Er habe das Vertrauen in das Vorgehen der Justizvollzugsanstalt C. verloren.
7. Der Zentrale juristische Dienst für den niedersächsischen Justizvollzug hat beantragt, die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet.
Der Senat teilt nicht die Auffassung der Vorinstanz, dass die dem Gefangenen im zurückliegenden Zeitraum angebotene Betreuung den Anforderungen nach § 66c Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 StGB entspricht.
1. Maßgeblicher Überprüfungszeitraum ist der Zeitraum vom 14. September 2018 bis zum 14. September 2020. Zwar befand sich der Gefangene schon seit dem 2. Oktober 2017 im Strafvollzug. Die Frist von zwei Jahren für die erstmalige Entscheidung von Amts wegen nach § 119a Abs. 3 Satz 1 StVollzG beginnt jedoch erst zu laufen, wenn die sich an die bereits laufende Strafvollstreckung anschließende Sicherungsverwahrung rechtskräftig angeordnet oder vorbehalten worden ist (vgl. OLG Rostock, Beschluss vom 15. Juni 2017 - 20 Ws 59/17, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 29. Dezember 2016 - 1 Vollz (Ws) 458/16, juris). Das war hier mit der am 13. September 2018 eingetreten Rechtskraft des die Sicherungsverwahrung anordnenden Urteils des Landgerichts Bremen vom 23. Januar 2018 der Fall. Zuvor bestand noch kein Anlass, die künftige Vollstreckung der Sicherungsverwahrung durch entsprechende Behandlungsmaßnahmen im vorausgehenden Strafvollzug möglichst entbehrlich werden zu lassen.
2. Gemäß § 66c Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 StGB ist dem Täter auf der Grundlage einer umfassenden Behandlungsuntersuchung und eines regelmäßig fortzuschreibenden Vollzugsplans eine Betreuung anzubieten, die individuell und intensiv sowie geeignet ist, seine Mitwirkungsbereitschaft zu wecken und zu fördern, insbesondere eine psychiatrische, psycho- oder sozialtherapeutische Behandlung, die auf den Gefangenen zugeschnitten ist, soweit standardisierte Angebote nicht Erfolg versprechend sind. Sie muss zum Ziel haben, die Gefährlichkeit des Täters für die Allgemeinheit so zu mindern, dass bereits der Beginn der Vollstreckung der Sicherungsverwahrung nach § 67c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB bzw. die Anordnung einer zunächst nur vorbehaltenen Sicherungsverwahrung (§ 66a Abs. 3 StGB) möglichst entbehrlich wird (vgl. BT-Drucks. 17/9874, S. 18). Gegenstand der Überprüfung nach § 119a Abs. 1 Nr. 1 StVollzG ist, ob das Behandlungsangebot bei retrospektiver Betrachtung diesen gesetzlichen Anforderungen entspricht. Der Erfolg der angebotenen Betreuung oder die Annahme des Angebots durch den Gefangenen sind dagegen für eine positive oder negative Feststellung nicht maßgeblich (vgl. BT-Drucks. 17/9874, S. 28).
3. Hieran gemessen erweist sich die dem Gefangenen im vorliegenden Fall angebotene Betreuung auch unter Berücksichtigung der ergänzenden Stellungnahme der Vollzugsbehörde vom 9. März 2021 als nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechend. Denn dem Gefangenen sind im Überprüfungszeitpunkt nur ein PAG-Kurs und die Teilnahme an einer ACT-Maßnahme angeboten worden, obwohl die Behandlungsuntersuchung ausweislich des Gutachtens der Sachverständigen Dipl.-Psych. F. vom 28. August 2019 ergeben hatte, dass die Verlegung in eine sozialtherapeutische Einrichtung erforderlich ist.
a) Mit Blick auf den Beginn des maßgeblichen Behandlungszeitraums am 14. September 2018 begegnet es bereits erheblichen Bedenken, dass die Behandlungsuntersuchung erst knapp ein Jahr später abgeschlossen war und der auf ihrer Grundlage erstellte Vollzugsplan erst vom 13. November 2019 datiert. Nicht zuletzt aufgrund der sich aus dem verfassungsrechtlichen Abstandsgebot ergebenden Anforderungen ist eine zeitnahe Behandlungsuntersuchung geboten. Diese muss nach den Gesetzmaterialien zu § 9 NJVollzG "frühzeitig nach der Aufnahme" erfolgen (LT-Drucks. 15/3565 S. 99). Für die Höchstdauer der Behandlungsuntersuchung ergibt sich ein Anhalt aus § 19 Abs. 3 Nr. 1 NJVollzG, der - in Anlehnung an § 17 Abs. 3 Nr. 2 StVollzG - regelt, dass die gemeinschaftliche Unterbringung während der Arbeitszeit und Freizeit bis zu einer Dauer von zwei Monaten während der Erhebung und Untersuchung nach § 9 Abs. 2 eingeschränkt werden darf (vgl. Wischke in Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, StVollzG 6. Aufl. § 6 Rn. 9; Arloth StVollzG 4. Aufl. § 6 Rn. 1). Soweit hier Verzögerungen durch die länderübergreifende Verlegung des Gefangenen eingetreten sind, ist dies rechtlich unerheblich. Denn es ist nicht festzustellen, dass die Ursache der Verzögerungen in der Sphäre des Gefangenen lag. Insoweit gilt der verfassungsrechtlich verbürgte Grundsatz, dass der Staat sich auf verzögernde Umstände, die in seinem eigenen Verantwortungsbereich liegen, nicht zulasten des Rechtsschutzsuchenden mit rechtfertigender Wirkung berufen kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. September 2013 - 2 BvR 1582/13, NStZ-RR 2013, 389 [BGH 27.08.2013 - 2 ARs 267/13; 2 AR 206/13]; OLG Celle, Beschluss vom 14. Februar 2019 - 3 Ws 10/19 (StrVollz), Nds. Rpfl. 2019, 373). Zudem hätte eine gewisse Verzögerung dadurch aufgefangen werden können, dass die Justizvollzugsanstalt bereits mit der Vollzugsplanung vom 13. März 2019 zumindest diejenigen Behandlungsmaßnahmen angeboten hätte, die sie - letztendlich unabhängig vom Ergebnis der Behandlungsuntersuchung - dem Gefangenen mit der Vollzugsplanung vom 13. November 2019 angeboten hat, nämlich die Maßnahmen PAG und ACT.
b) Es ist nicht festzustellen, dass im vorliegenden Fall das erfolgreiche Absolvieren der Maßnahmen PAG und ACT notwendige Bedingung für die angezeigte sozialtherapeutische Behandlung war.
Die Sachverständige hat in ihrem Gutachten vom 28. August 2019 unter 6.4. überzeugend ausgeführt, dass zwar nicht eine psychiatrische Behandlung, jedoch eine psychotherapeutische oder sozialtherapeutische Maßnahme zur Verbesserung der Legalprognose und zur Erreichung der Vollzugsziele nötig erscheine. Der Gefangene solle sowohl an einzeltherapeutischen Gesprächen, vor allem Dingen aber an Gruppentherapien teilnehmen. In einer Gruppentherapie kämen eine Reihe von Wirkfaktoren zum Tragen, die sich in einer Einzeltherapie nicht verwirklichen ließen (wie zum Beispiel eine soziale Dynamik) und die dem Gefangenen helfen könnten, sich besser zu reflektieren, seine sozialen Kompetenzen zu verbessern, Feedback zu erhalten, Lösungswege zu finden und korrigierende soziale Erfahrungen zu machen. Zudem erschienen alle Maßnahmen zur Verbesserung der sozialen Fertigkeiten und zur Aufarbeitung der Delikte sinnvoll und zielführend. Die Aufarbeitung der Suchtproblematik sei zudem nötig.
Weiter ist die Sachverständige unter 6.5 zu der Beurteilung gelangt, dass die Verlegung des Gefangenen in eine sozialtherapeutische Einrichtung erforderlich erscheine. Die Behandlungsbedürftigkeit sei gegeben. Vorteile einer Sozialtherapie gegenüber einer psychotherapeutischen Behandlung im Normalvollzug seien die strukturierten und deliktsspezifischen Behandlungskonzepte (Gruppentherapie, Einzeltherapie). Zudem sei eine engere Betreuungsdichte gegeben. Niederschwellige Behandlungsmaßnahmen würden zur Verbesserung der Legalprognose und zur Erreichung der Vollzugsziele als nicht ausreichend erachtet. Vor dem Hintergrund der Therapieziele, der Vorgeschichte und der langen Haftstrafe sei ein eher langer Behandlungszeitraum nötig.
Hiernach steht fest, dass allein die Maßnahmen PAG und ACT als niederschwellige Behandlungsmaßnahmen im Normalvollzug im Fall des Beschwerdeführers nicht den Anforderungen nach § 66c Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 StGB genügen. Weder den Vollzugsplänen noch der ergänzenden Stellungnahme der Vollzugsbehörde ist zu entnehmen, dass diese insoweit eine vom Gutachten abweichende Beurteilung vertritt. Vielmehr hat die Vollzugsbehörde selbst ausgeführt, dass die Vermeidung der Sicherungsverwahrung insbesondere vom Erfolg der sozialtherapeutischen Behandlung abhänge und sie diese daher anstrebe. Die bloße Festsetzung einer therapeutischen Maßnahme im Vollzugsplan beinhaltet aber noch kein den gesetzlichen Anforderungen entsprechendes Behandlungsangebot. Vielmehr müssen solche plangemäß gebotenen Maßnahmen auch zügig und konsequent umgesetzt werden, um den zentralen Vorgaben für eine therapiegerechte Ausgestaltung des Strafvollzugs zur Vermeidung der Sicherungsverwahrung gerecht zu werden (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 4. Juli 2017 - III-1 Vollz (Ws) 310/16, juris).
Dem Behandlungsgutachten ist auch nicht zu entnehmen, dass das erfolgreiche Absolvieren der Maßnahmen PAG und ACT notwendige Voraussetzung für die Anmeldung des Gefangenen in der Sozialtherapie ist. Die Sachverständige hat unter 6.5 vielmehr ausgeführt, der Gefangene verfüge über eine ausreichende Introspektions- und Reflexionsfähigkeit. Er sei intellektuell in der Lage, an einer Sozialtherapie teilzunehmen. Der Gefangene sei zu einer Sozialtherapie motiviert und sehe auch subjektiv eine Behandlungsnotwendigkeit. Er sei in der Lage, eine therapeutische Arbeitsbeziehung einzugehen. Es sei davon auszugehen, dass er nach einer Eingewöhnungsphase in der Lage sein werde, sich offen in der Gruppe darzustellen.
Zweifel an dieser sachverständigen Beurteilung hat die Vollzugsbehörde nicht vorgetragen. Soweit sie die von ihr angebotenen Maßnahmen als "sinnvoll" eingestuft hat, tritt der Senat dem zwar bei. Dies gilt allerdings nur insoweit, als diese niederschwelligen Behandlungsmaßnahmen eine sinnvolle Überbrückung der Wartezeit bis zum Beginn der sozialtherapeutischen Behandlung darstellen. Sie vermögen weder die gebotene sozialtherapeutische Behandlung zu ersetzen noch stellen sie hier eine notwendige Bedingung für diese dar. Die von der Vollzugsbehörde aufgezeigte Gefahr einer eventuellen Ablösung aus der Sozialtherapie rechtfertigt es nicht, dem Gefangenen die Sozialtherapie dauerhaft vorzuenthalten. Insbesondere ist nicht erkennbar, wie die von der Vollzugsbehörde angeführten Behandlungshindernisse durch niederschwellige Maßnahmen im Normalvollzug behoben werden könnten. Wie die Sachverständige überzeugend ausgeführt hat, kann etwaigen Behandlungskomplikationen wesentlich besser unter den Bedingungen einer sozialtherapeutischen Einrichtung begegnet werden.
4. Gemäß § 119a Abs. 1 Nr. 2 StVollzG war daher festzustellen, dass die Vollzugsbehörde dem Gefangenen bei sich nicht wesentlich ändernder Sachlage künftig eine sozialtherapeutische Behandlung anzubieten hat, um den gesetzlichen Anforderungen an die Betreuung zu genügen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 Abs. 4 i.V.m. § 467 Abs. 1 StPO analog.
Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf §§ 65, 60,52 GKG.