Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 11.06.2002, Az.: 2 B 175/02

Berufsflugzeugführer; Diebstahl; Erlaubnis; Trunkenheit; Unfallflucht; Ungeeignetheit; Unzuverlässigkeit; Widerruf

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
11.06.2002
Aktenzeichen
2 B 175/02
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2002, 43400
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.500 EUR festgesetzt.

Gründe

1

I. Der 1967 geborene Antragsteller ist seit 21. Dezember 1999 Inhaber der Erlaubnis für Berufsluftfahrzeugführer. Die Erlaubnis wurde vom Luftfahrt-Bundesamt auf seine Anträge hin im Dezember 2000 und im Dezember 2001 jeweils um ein Jahr verlängert. Mit den Anträgen auf Verlängerung hatte der Antragsteller jeweils folgende Erklärung abgegeben: „Ich erkläre hiermit, dass ich seit der letzten Verlängerung der Gültigkeit der Erlaubnis gerichtlich nicht bestraft worden bin und an einem Luftfahrzeugunfall nicht beteiligt war sowie eine mir erteilte Fahrerlaubnis rechtskräftig nicht entzogen worden ist.“

2

Ausweislich des von dem Luftfahrt-Bundesamt eingeholten Führungszeugnisses ist der Antragsteller wie folgt strafrechtlich in Erscheinung getreten.

3

Am ... kam er gegen 02.00 Uhr mit seinem Pkw im Zustand absoluter Fahruntauglichkeit infolge übermäßigen Alkoholgenusses von der Fahrbahn ab, wodurch sein Fahrzeug ins Schleudern geriet und letztlich umkippte. Die entnommene Blutprobe ergab einen Wert von 1,93 o/oo. Durch Strafbefehl des Amtsgerichts () wurde gegen den Antragsteller wegen vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 50,-- DM festgesetzt. Die Fahrerlaubnis wurde für die Dauer von weiteren acht Monaten entzogen.

4

Am... entwendete der Antragsteller in einer Filiale der Firma in B. eine Faltencreme (Verkaufspreis: 26,99 DM). Hierfür wurde gegen ihn durch Strafbefehl des Amtsgerichts T. () eine Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu je 50,-- DM festgesetzt.

5

Am ... fuhr der Antragsteller mit seinem Pkw auf einen bei Rotlicht wartenden Pkw hinten auf. Dabei entstand ein Fremdschaden von 5.200,-- DM. Obwohl er den Unfall bemerkt hatte und auch ausgestiegen war, entfernte er sich vom Unfallort, ohne Feststellungen über seine Unfallbeteiligung zu ermöglichen. Mit Urteil des Amtsgerichts T. () wurde der Antragsteller wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 40,-- DM verurteilt. Die Fahrerlaubnis wurde für die Dauer von weiteren neun Monaten entzogen.

6

Mit Bescheid vom 26. Februar 2002 widerrief die Antragsgegnerin die Erlaubnis für Berufsflugzeugführer des Antragstellers. Sie zog den Luftfahrschein sowie die Beiblätter dazu ein und untersagte dem Antragsteller sofort jede fliegerische Tätigkeit innerhalb des Geltungsbereiches des Luftverkehrsgesetzes. Für den Fall, dass der Antragsteller den eingezogenen Luftfahrschein und die Beiblätter nicht vorlegt, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 400,-- EUR angedroht. Ferner wurde die sofortige Vollziehung der vorgenannten Maßnahmen angeordnet. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies das Luftfahrt-Bundesamt mit Bescheid vom 10. April 2002 zurück. Mit Bescheid vom gleichen Tage lehnte sie den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs ab.

7

Am 10. Mai 2002 hat der Antragsteller bei Gericht um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht und gleichzeitig Klage erhoben (2 A 174/02).

8

II. Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg.

9

Über Aussetzungsanträge gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ist im Wege einer Interessenabwägung zu entscheiden, bei der die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs der Hauptsache mit zu berücksichtigen sind. Vorliegend geht die Interessenabwägung zu Lasten des Antragstellers aus, weil sich der mit Bescheid des Luftfahrt-Bundesamtes vom 26. Februar 2002 angeordnete Widerruf der Erlaubnis für Berufsflugzeugführer als voraussichtlich rechtmäßig erweist.

10

Rechtsgrundlage für den angeordneten Widerruf der Erlaubnis für Berufsflugzeugführer sind § 4 Abs. 3 LuftVG und § 29 Abs. 1 LuftVZO. Danach ist die Erlaubnis zu widerrufen, wenn sich Tatsachen dafür ergeben, dass der Inhaber für die erlaubte Tätigkeit ungeeignet ist. Dies ist u.a. dann der Fall, wenn der Bewerber als unzuverlässig angesehen werden muss, ein Luftfahrzeug zu führen oder zu bedienen (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 LuftVG). Solche Tatsachen, die den Bewerber als unzuverlässig erscheinen lassen, sind gemäß § 24 Abs. 2 LuftVZO insbesondere „mehrfache rechtskräftig festgestellte erhebliche Verstöße gegen Verkehrsvorschriften“. Die Antragsgegnerin hat zu Recht angenommen, dass diese Voraussetzungen für den Widerruf vorliegen. Auch wenn man die Verurteilung wegen Diebstahls außer Acht lässt, ist der Antragsteller innerhalb relativ kurzer Zeit zweimal und damit mehrfach verurteilt worden. Die rechtskräftig gewordenen Verurteilungen wegen vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung durch Trunkenheit und unerlaubtes Entfernen von Unfallort betrafen auch erhebliche Verstöße gegen Verkehrsvorschriften im Sinne der vorgenannten Vorschrift. Die Verurteilungen sind geeignet, auf die charakterliche Ungeeignetheit des Antragstellers zu schließen. Die in den Taten des Antragstellers zutage getretene Unzuverlässigkeit kann nicht deshalb in Frage gestellt werden, weil es sich dabei um Vergehen im Straßenverkehr handelt und diese etwa nicht geeignet wären, eine Unzuverlässigkeit auch in luftverkehrsrechtlicher Hinsicht zu begründen. Es ist nämlich nicht ernsthaft anzuzweifeln, dass auch und gerade Verstöße gegen Vorschriften des Straßenverkehrs die Annahme der luftverkehrsrechtlichen Ungeeignetheit begründen können (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 22.03.1989 – 5 S 2635/88 -, zit. nach Juris). Schon der Wortlaut des § 24 Abs. 2 LuftVZO schließt Verfehlungen im Straßenverkehr ein. Wer gegen Straßenverkehrsvorschriften verstößt, lässt außerdem erkennen, dass er es generell mit der Beachtung von Verkehrsvorschriften nicht genau nimmt und dass dies auch im Blick auf luftverkehrsrechtliche Vorschriften zu erwarten steht (vgl. Giemulla/Schmid, Komm. z. Luftverkehrsrecht, § 4 LuftVG Rn. 26). Dabei ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass die Anforderungen, die an die Zuverlässigkeit von Luftfahrzeugführern zu stellen sind, nicht geringer sein können als im Straßenverkehr. Wegen der besonderen Gefahren des Luftverkehrs und die unter Umständen schwerwiegenden Auswirkungen eines Luftverkehrsunfalls ist ihnen eher noch größere Bedeutung beizumessen. Schließlich kann zu Lasten des Antragstellers und gegen seine charakterliche Eignung sprechend nicht unberücksichtigt bleiben, dass dieser jedenfalls in seiner Erklärung zum Antrag auf Verlängerung der Erlaubnis vom 20. November 2001 – offenbar bewusst – wahrheitswidrige Angaben gemacht hat. Denn er hat erklärt, seit der letzten Verlängerung der Gültigkeit der Erlaubnis gerichtlich nicht bestraft worden zu sein und es sei eine ihm erteilte Fahrerlaubnis nicht rechtskräftig entzogen worden. Tatsächlich war er aber mit Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 18. Juli 2001 wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Geldstrafe verurteilt worden und war im November 2001 seine Fahrerlaubnis aufgrund dieses Urteils noch nicht wieder erteilt.

11

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

12

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 1 GKG. Das Gericht hält in Fortführung der vor der Umstellung auf Euro geltenden Rechtsprechung für das Hauptsacheverfahren einen Wert von 15.000 EUR für angemessen. Dieser Wert ist hier wegen des nur auf vorläufigen Rechtsschutzes gerichteten Antrages zu halbieren.