Oberlandesgericht Braunschweig
Beschl. v. 21.11.2003, Az.: 2 W 155/03

Kosten eines vorausgegangen Beweisverfahrens; Erfassung durch die Kostenregelung eines zwischen den Parteien in einem Hauptsacheverfahren geschlossenen Vergleichs; Verteilung nach einer allgemeinen Quote nach Streitwerten

Bibliographie

Gericht
OLG Braunschweig
Datum
21.11.2003
Aktenzeichen
2 W 155/03
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 25494
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGBS:2003:1121.2W155.03.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Braunschweig - 08.05.2003 - AZ: 7 O 1042/02

Fundstellen

  • BauR 2004, 1052 (amtl. Leitsatz)
  • BauRB 2004, 231 (Volltext mit amtl. LS)
  • OLGReport Gerichtsort 2004, 403-404
  • RVG-B 2005, 70-71 (Volltext mit amtl. LS)

In der Beschwerdesache
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig
am 21. November 2003
beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Braunschweig vom 8.5.2003 aufgehoben und die Entscheidung über die Kostenfestsetzung nach Maßgabe der Gründe dieses Beschlusses dem Landgericht übertragen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

1

In diesem Rechtsstreit hat die Klägerin gegen den Beklagten Restwerklohn für die Errichtung der Doppelhaushälfte ... in Braunschweig geltend gemacht. Die Parteien haben über den Werklohn für einen nicht errichteten Carport und über diverse Mängel der Bauleistung gestritten. Dem Prozess ist das selbstständige Beweisverfahren 7 OH 9/98 vorausgegangen, in denen mehrere Sachverständigengutachten über verschiedene Mängel des Bauwerks erstattet wurden, wobei nur ein Teil der Mängel, die Gegenstand des selbstständigen Beweisverfahrens waren, im Hauptprozess von dem Beklagten der Werklohnklage der Klägerin entgegengehalten wurden. Auf Vorschlag des Gerichts schlossen die Parteien einen Vergleich, in dem hinsichtlich der Kosten vereinbart wurde, dass von den Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs der Beklagte 42 % und die Klägerin 58 % tragen.

2

In der angefochtenen Entscheidung vom 8.5.2003 hat der Rechtspfleger des Landgerichts die von der Klägerin dem Beklagten zu erstattenden Kosten nach Kostenausgleichung auf 265,74 EUR nebst Zinsen festgesetzt. Eine Berücksichtigung der Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens 7 OH 9/98 im Rahmen der Kostenausgleichung hat der Rechtspfleger abgelehnt, weil die Verfahren verschiedene Streitgegenstände hätten. Dagegen richtet sich die fristgerecht eingelegte als Erinnerung bezeichnete Beschwerde des Beklagten. Es treffe nicht zu, dass die Streitgegenstände von Klageverfahren und selbstständigem Beweisverfahren nicht identisch seien. Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht vorgelegt. Die Einzelrichterin hat mit Beschluss vom 18.11.2003 das Verfahren dem Senat zur Entscheidung übertragen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.

3

Die Beschwerde ist zulässig und in der Sache begründet. Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. zuletzt grundlegend Beschluss vom 13.3.2002 2 W 21/02) erfasst die Kostenregelung eines zwischen den Parteien in einem Hauptsacheverfahren geschlossenen Vergleichs grundsätzlich auch die Kosten des vorangegangenen selbstständigen Beweisverfahrens. Es kann hier dahin stehen, ob es erforderlich ist, dass die Ergebnisse des selbstständigen Beweisverfahrens im Hauptsacheverfahren tatsächlich mit verwertet worden sind und auf das Ergebnis des Hauptprozesses Einfluss hatten, denn das ist hier ausweislich der Begründung des gerichtlichen Vergleichsvorschlages der Fall.

4

Voraussetzung der Einbeziehung der Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens in die Kostenausgleichung im nachfolgenden Rechtsstreit ist jedoch die Identität des Streitgegenstandes des Hauptsacheverfahrens mit dem Verfahrensgegenstand des selbstständigen Beweisverfahrens. Hier sind die Parteien in beiden Verfahren identisch. Das Beweisverfahren betrifft jedoch neben den in dem Hauptsacheprozess einredeweise geltend gemachten Mängeln (zur Berücksichtigung der Kosten eines selbstständigen Beweisverfahrens in derartigen Fällen vgl. OLG Köln NJW-RR 2000, 361 [OLG Köln 09.06.1999 - 17 W 241/98]) auch weitere (angebliche) Mängel des streitbefangenen Hauses. In diesen Fällen sind die auf den nicht deckungsgleichen Gegenstand entfallenden Teilkosten des Beweisverfahrens von der Kostengrundentscheidung der Hauptsache nicht erfasst (vgl. OLG Düsseldorf NJW-RR 1998, 210 [OLG Düsseldorf 15.07.1997 - 7 W 40/97]).

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Streitig ist, ob in solchen Fällen gequotelt werden muss (anhängiger Teil / nicht anhängiger Teil; so: OLG Karlsruhe JurBüro 1996, 36; OLG München NJW-RR 2000, 1237 [OLG München 16.08.1999 - 11 W 2144/99] = MDR 1999, 1347 und für die Gerichtsgebühren des Beweisverfahrens OLG Schleswig AnwBl.1995, 269) oder ob hypothetisch zu fragen ist, welche Kosten entstanden wären, wenn von vornherein das Beweisverfahren nur hinsichtlich des anhängig gewordenen Hauptsachestreitgegenstandes durchgeführt worden wäre (so: OLG Koblenz NJW-RR 2000, 1239 = MDR 2000, 669; OLG Schleswig AnwBl 1995, 269 für die Auslagen, insbesondere Sachverständigenkosten des Beweisverfahrens; ebenso: Zöller/ Herget 24. Aufl. § 91 ZPO Rn. 13 "selbstständiges Beweisverfahren").

6

Eine Quotelung der Verfahrensgebühren des Beweisverfahrens nach den Streitwerten der einzelnen Verfahrensgegenstände, von denen nur ein Teil Gegenstand des Klageverfahrens sind, ist angemessen. Dabei kommt es darauf an, welchen Anteil diejenigen Beweispunkte, die später Gegenstand des Rechtstreits geworden sind, im Beweissicherungsverfahren selbst im Vergleich zu den übrigen Beweisfragen dieses Verfahrens wertmäßig dargestellt haben. Nur so wird etwaige Differenzen in der Streitwertbemessung, die im Beweisverfahren häufig auf einer groben Schätzung beruht, angemessen Rechnung getragen (vgl. im Einzelnen: OLG Schleswig AnwBl 1995, 269).

7

Bei den gerichtlichen Auslagen des Beweisverfahrens, insbesondere den Kosten der Sachverständigengutachten, kommt eine Verteilung nach einer allgemeinen Quote nach Streitwerten nicht in Betracht. Der Umfang der Kosten für ein Sachverständigengutachten hängt von dem Umfang der Tätigkeit des Sachverständigen und nicht vom Wert des begutachteten Gegenstandes ab. Soweit möglich, sind daher diejenigen Auslagen auszusondern, die überhaupt keinen Bezug zu dem späteren Rechtstreit haben oder umgekehrt sich ausschließlich auf diejenigen Personen und Gegenstände beziehen, die auch im späteren Rechtstreit wieder in Erscheinung treten.

8

Nur soweit dies nicht möglich ist, muss wiederum eine angemessene Verteilung versucht werden, die notwendigerweise pauschal sein muss und auf groben Schätzungen beruhen kann, um das Kostenfestsetzungsverfahren nicht unnötig zu erschweren. Insofern kommen Quotelungen etwa nach Anzahl der Beweisthemen oder nach dem Umfang der schriftlichen Niederlegung im Gutachten in Betracht (vgl. zum Beispiel die Berechnungen des OLG Schleswig AnwBl 1995, 269).

9

Es ist daher näher aufzuklären, welche Sachverständigenauslagen keinen Bezug zu dem nachfolgenden Rechtsstreit aufweisen und welche sich dem nachfolgenden Rechtsstreit zuordnen lasen. Soweit eine Trennung nicht möglich ist, ist eine Quote zu bilden, die sich nach dem Verhältnis der Kostenträchtigkeit zu richten hat. Angesichts des Umfangs der noch erforderlichen Aufklärung macht der Senat von der Möglichkeit gemäß § 572 III ZPO Gebrauch, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Entscheidung über die Kostenfestsetzung nach Maßgabe der Gründe dieses Beschlusses dem Landgericht zu übertragen, das auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden hat.

10

Die Rechtsbeschwerde wird gemäß § 574 II ZPO zugelassen, weil die Sache grundsätzliche Bedeutung hat und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung einer Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.