Landgericht Hildesheim
Urt. v. 11.07.1985, Az.: 1 S 67/85
Abrechnung von Heizkosten für Wohnraum; Wirtschaftlichkeitsberechnung mit öffentlichen Mitteln
Bibliographie
- Gericht
- LG Hildesheim
- Datum
- 11.07.1985
- Aktenzeichen
- 1 S 67/85
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1985, 31177
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGHILDE:1985:0711.1S67.85.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Hildesheim - 04.03.1985 - AZ: 19 C 50/85
Rechtsgrundlage
- § 315 BGB
Fundstelle
- WuM 1986, 118-119 (Volltext mit amtl. LS)
Verfahrensgegenstand
Forderung
In dem Rechtsstreit
...
hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim
auf die mündliche Verhandlung vom 27. Juni 1985
durch
den ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 4. März 1985 verkündete Urteil des Amtsgericht Hildesheim abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Entscheidungsgründe
Von einer Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.
1.
Die Klägerin führt eine Reihe inhaltlich identischer Rechtsstreitigkeiten mit Mietern über die Abrechnung der Heizkosten. Die Mieter - wie auch hier die Beklagten - wohnen in Wohnungen der Klägerin, die mit öffentlichen Mitteln finanziert sind und die mit Wärme aus einem Heizkraftwerk der Klägerin versorgt werden. Über die Abnahme der Wärmeenergie haben die Parteien am 1.8.1973 einen gesonderten Liefervertrag geschlossen (Bl. 13 d.A.), auf dessen Inhalt Bezug genommen wird.
Die gleichgelagerten Rechtsstreitigkeiten werfen eine Reihe von Rechtsproblemen auf, auf die aber aus den Gründen zu 2. derzeit nicht näher eingegangen zu werden braucht. Im Hinblick auf die Folgeverfahren sei aber bemerkt:
a)
Die von der Kammer anläßlich der Rechtsstreitigkeiten der Klägerin mit Wärmeabnehmern, die in Eigenheimen wohnen, entwickelten Grundsätze gelten im wesentlichen auch für die Mieter der Klägerin; auf den Prozeßkostenhilfebeschluß vom 20.02.1985 in Sachen 1 S 15/85 und das Urteil vom 09.05.1985 in Sachen 1 S 33/85 wird daher Bezug genommen.
b)
Danach ist die Klägerin künftig gehalten, die Heizkosten nach den Bestimmungen des von ihr abgeschlossenen Vertrages abzurechnen, mithin also eine feste monatliche Grundgebühr in Ansatz zu bringen, die auch der Umlage und der Versorge für etwaig anfallende Reparaturen dient, und im übrigen abzurechnende Vorschüsse für den Verbrauch der Wärmeabnehmer zu erheben.
Für die Vergangenheit kann die Klägerin Heizkosten nach Maßgabe der jährlich angefallenen Gesamtkosten ausnahmsweise und entgegen der an sich getroffenen vertraglichen Abrede grundsätzlich dann abrechnen und nachfordern, wenn der Abrechnungszeitraum etwa 10 Jahre beträgt. Denn dann sind die Grundkosten, auch wenn sie in jeder einzelnen Abrechnung nach dem jeweiligen Anfall berechnet wurden, über den gesamten Abrechnungszeitraum praktisch so festgesetzt worden, wie es einer ordnungsgemäßen Kalkulation der Durchschnittskosten unter Zugrundelegung eines Zeitraumes von 10 Jahren entspricht. Diese Möglichkeit ist der Klägerin aber dann versagt, wenn ein wesentlich kürzerer Abrechnungszeitraum im Streit ist.
c)
Der Streit zwischen der Klägerin und ihren Wärmeabnehmern, ob das Heizwerk als Fernheizwerk oder Blockheizwerk einzustufen ist, ist für die Wärme abnehmenden Sozialmieter insbesondere unter dem Gesichtspunkt von Bedeutung, ob die Kosten des Heizwerkes über die Grundkosten - so die Klägerin - zu erheben sind oder ob sie in die Wirtschaftlichkeitsberechnung des mit öffentlichen Mitteln geförderten Wohnraumes - so die Beklagten - einfließen. Dieser Streitpunkt bedarf noch näherer Aufklärung. Die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 14.05.1985 (Bl. 172 d.A.) vorgelegten Wirtschaftlichkeitsberechnungen für den Wohnbereich ... enthalten nämlich eine Position von über 50.000,- DM für "Heizung im Haus", wobei offenbleibt, ob es sich um anteilige Kosten für das Heizwerk oder um die Kosten der Installation im Hause selbst handelt.
d)
Wegen der restlichen Streitpunkte zwischen der Klägerin und den Mietern als Wärmeabnehmern (etwa Ermittlung der beheizten Flächen, Erfordernis einer Heizkraft, die behauptete Erneuerung des Rohrleitungssystems, mangelhafte Isolierung der Rohre) kann ebenfalls auf das Urteil in Sachen 1 S 33/85 Bezug genommen werden.
2.
Die von der Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit verlangte Nachzahlung für Heizkosten sind mangels einer ordnungsgemäßen und nachvollziehbaren Abrechnung nicht fällig, so daß die Klage auf die Berufung der Beklagten abzuweisen war. Die Klägerin hat nämlich die Heizkosten zwischen den Mietern einerseits und den Eigenheimbewohnern andererseits entgegen ihrer Verpflichtung aus § 315 BGB unbillig verteilt, so daß die von der Klägerin mit ihrem Abrechnungsmodus gewählte Leistungsbestimmung unwirksam ist.
Die Klägerin hat als Betreiberin eines Heizwerkes mit ihren Mietern und den Käufern von Eigenheimen gleichlautende Wärmelieferungsverträge geschlossen, die rechtlich dem Kaufrecht zuzurechnen sind. Nach diesem Vertrag, der über eine Aufteilung der allen gemeinsam anfallenden Heizkosten nichts aussagt, war die Klägerin gehalten, zumindest in entsprechender Anwendung des § 315 BGB einen Verteilungsmaßstab zwischen den Eigentümern und Mietern nach billigem Ermessen zu bestimmen. Die Klägerin hat diese Verteilung nun unstreitig in der Weise vorgenommen, daß die Kosten des Heizwerks einschließlich des verbrauchten Öls vorweg allein nach Maßgabe zunächst der bewohnten, sodann der beheizten Fläche zwischen den gesamten Mietwohnungen einerseits und den gesamten Eigenheimen andererseits aufgeteilt werden. Erst dann wird innerhalb dieser beiden Gruppen eine Verteilung nach Fläche der einzelnen Objekte und tatsächlichem Verbrauch vorgenommen. Die Nichtberücksichtigung des Faktors Verbrauch bei der Festsetzung der Heizkosten für die beiden Abrechnungsgruppen muß aber zu einer unbilligen, nicht vertretbaren Ungleichbehandlung führen. Es entspricht nämlich der Lebenserfahrung, daß Mehrfamilienhäuser wegen des geringeren Anteils an Außenfläche billiger zu beheizen sind als freistehende Einfamilienhäuser oder Reihenhäuser; mit anderen Worten: Die Klägerin mußte davon ausgehen, daß die Eigentümer mehr Kubikmeter Warmwasser zu Heizzwecken verbrauchen als die Mieter. Wenn dann aber die gesamten Kosten des Heizwerks global allein nach der Fläche zwischen den beiden Abrechnungsgruppen aufgeteilt werden, wird Ungleiches willkürlich gleich behandelt mit der Folge, daß die Mieter praktisch den erhöhten Verbrauch der Eigentümer mitfinanzieren. Daß dem tatsächlich so ist, ergibt sich aus der vorgelegten Abrechnung der Firma ... vom 5.11.1981 und 7.6.1984 (Bl. 19, 20 d.A.) in Verbindung mit der Berechnung der Klägerin über die Heizkosten in dem Zeitraum vom 1.7.1980 bis 30.6.1983 (eingereicht mit Schriftsatz vom 7.2.1985, Bl. 46-48 d.A.) in einem Maße, das die Fehlerhaftigkeit der Abrechnung der Klägerin offenkundig werden läßt. Danach werden den Mietern Verbrauchskosten pro Kubikmeter von 4,- DM bis 5,- DM in Rechnung gestellt (den hiesigen Beklagten für die Heizperiode 81/82 von 4,85 DM und für die Heizperiode 82/83 von 4,27 DM). Aus den Rechtsstreitigkeiten der Klägerin mit verschiedenen Eigentümern ist der Kammer aber bekannt, daß diesen Verbrauchskosten von nur 2,- DM bis 3,- DM angerechnet werden. Aus der seitens der Klägerin unwidersprochen gebliebenen Aufstellung für die (hier nicht streitige, zum Vergleich aber geeignete) Heizperiode 83/84 (Bl. 67 der Akte), ergibt sich ein Verbrauchspreis von 4,28 DM pro Kubikmeter für den Mieter und von 2,53 DM pro Kubikmeter für die Eigentümer. Die von der Klägerin im Termin überreichte Aufstellung für die gesamte Zeit von 1973 bis 1984 bestätigt das Mißverhältnis zwischen der den Mietern und den Eigentümern berechneten Verbrauchspreise. Die Mieter sollen also nach den Vorstellungen der Klägerin im Vergleich zu den Eigentümern fast das Doppelte für den Kubikmeter verbrauchten Heizwassers bezahlen, obwohl die der Klägerin entstandenen Kosten für die Aufheizung für beide Vergleichsgruppen notwendig gleich sind. Dieses offenbar unbillige Ergebnis beruht eben darauf, daß die Eigentümer erwartungsgemäß mehr als die Mieter verbrauchen und dadurch bei der Grundaufteilung allein nach der beheizten Fläche bevorteilt werden. Aus der genannten Aufstellung ergibt sich nämlich weiterhin - ebenfalls unwidersprochen seitens der Klägerin -, daß die Eigenheime 4,7 Kubikmeter pro Quadratmeter, die Mietwohnungen jedoch nur 2,69 Kubikmeter pro Quadratmeter Heizwasser während einer Heizperiode verbraucht haben. Die Abrechnungsweise der Klägerin führt also im Ergebnis dazu, daß die Mieter fast das Doppelte für den verbrauchten Kubikmeter Heizwasser aufwenden sollen, weil sie um fast die Hälfte weniger als die Eigentümer verbrauchen. Der von der Klägerin gewählte Abrechnungsmaßstab erweist sich damit als willkürlich gewählt und benachteiligt die Mieter erheblich ohne sachlichen Grund. Die Klägerin hat deshalb ihr Leistungsbestimmungsrecht nicht nach billigem Ermessen, sondern grob unbillig ausgeübt.
Ob darüber hinaus die Heizkostenverordnung auf die Aufteilung zwischen Mietern und Eigentümern Anwendung zu finden hat, kann dahingestellt bleiben. Wäre dem so, wäre das Abrechnungsverfahren der Klägerin ein Verstoß gegen diese Verordnung und auch deshalb unwirksam.
Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung gemeint hat, die gewählte Verteilung sei deshalb gerecht, weil auch innerhalb eines Wohnblocks nicht zwischen Wohnungen mit viel und wenig Außenfläche differenziert werde, wendet sich dieses Argument gegen sie. Innerhalb eines Wohnblocks werden die Isolierungsverhältnisse nämlich zu einem unterschiedlichen Verbrauch führen, der bei der unter den Mietern praktizierten Abrechnungsmethode sich auf die Heizkosten auswirkt.
Da die Berufung der Beklagten mithin Erfolg haben mußte, hat die Klägerin die gesamten Kosten des Rechtsstreits zu tragen (§ 91 Abs. 1 ZPO).