Landgericht Hildesheim
Urt. v. 26.07.1985, Az.: 2 O 226/85
§§ 844, 855 BGB als abschließende Regelungen für den Ersatz von Drittschäden; Gesetzliche Dienstverpflichtung als Voraussetzung des § 845 BGB
Bibliographie
- Gericht
- LG Hildesheim
- Datum
- 26.07.1985
- Aktenzeichen
- 2 O 226/85
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1985, 31352
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGHILDE:1985:0726.2O226.85.0A
Rechtsgrundlagen
- § 844 BGB
- § 845 BGB
Fundstelle
- NJW-RR 1986, 453 (Volltext mit red. LS)
Verfahrensgegenstand
Schadensersatz
In dem Rechtsstreit
...
hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim
auf die mündliche Verhandlung vom 12.07.1985
unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters am Landgericht K
des Richters am Landgericht D ... und
des Richters Dr. P
für Recht erkannt:...
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist für die Beklagten wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.100,-- DM abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Tatbestand
Der Beklagte zu 1), der bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert ist, verursachte am 05.04.1984 mit seinem Pkw auf der Landesstraße 484 in der Gemarkung G ... einen Verkehrsunfall, bei dem er mit einem von dem Ehemann der Klägerin gesteuerten Pkw zusammenstieß. Der Unfall beruhte auf dem alleinigen Verschulden des Beklagten zu 1). Der Ehemann der Klägerin erlitt bei dem Unfall so erhebliche Kopfverletzungen, daß er vom 05.04.1984 bis zum 06.07.1984 nicht arbeitsfähig war. Die Beklagte zu 2). hat die durch den Unfall entstandenen Schäden ersetzt, soweit sie nicht mit der Klage geltend gemacht werden. Darüber hinausgehende Schadensersatzansprüche hat sie zurückgewiesen.
Die Klägerin betreibt in D ... unter der Firma "A ... M ... , Küchenstudio, Heizungsbau und Installationen, Inhaberin I ... J ... " einen Gewerbebetrieb. Der Ehemann ist in diesem Betrieb als einziger Angestellter beschäftigt. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin von den Beklagten Ersatz solcher Schäden, die ihr in dem Gewerbebetrieb durch den Ausfall des Ehemannes in der Zeit vom 05.04.1984 bis zum 06.07.1984 entstanden sind. Im einzelnen beziffert sie die Schadensersatzbeträge wie folgt:
1. | Ersatz für entgangenen Gewinn gem. Gutachten ihres Steuerberaters vom 29.10.1984 | 5.914,95 DM |
---|---|---|
2. | Kosten des Steuerberatergutachtens | 125,-- DM |
3. | Kosten der Anlieferung einer Einbauküche durch eine Spedition W gem. Rechnung vom 07.05.1984 | 294,98 DM |
4. | Kosten der Beschäftigung zweier betriebsfremder Monteure | 1.417,30 DM |
5. | Fahrtkosten eines Monteurs mit Privat-Pkw | 92,82 DM |
6. | Aushilfsweise Beschäftigung ihrer Tochter für Küchenmontagearbeiten und anderes | 384,-- DM |
insgesamt | 8.229,05 DM |
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Der Klägerin steht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf den von ihr geforderten Schadensersatz zu.
Die von der Klägerin geltend gemachten Schäden steilen bloß mittelbare Folgen des Unfalles des Ehemannes dar. Sie sind lediglich im Vermögen der Klägerin eingetreten und nicht durch die unmittelbare Rechtsgutsverletzung, nämlich den Eingriff in die Gesundheit ihres Ehemannes, verursacht worden.
Derartige mittelbare Schäden Dritter werden im Deliktsrecht - andere Anspruchsgrundlagen, insbesondere des StVG, kommen nicht in Betracht - allenfalls nach den §§ 844, 845 BGB ersetzt.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Schadensersatz gem. § 845 BGB. Bereits nach ihrem eigenen Vortrag war ihr verletzter Ehemann in ihrem Gewerbebetrieb nicht im Rahmen der Erfüllung seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht tätig, sondern stand in einem festen Angestelltenverhältnis. § 845 BGB setzt jedoch eine gesetzliche Verpflichtung zu Tätigkeit in dem Gewerbebetrieb voraus, die dadurch gekennzeichnet ist, daß der mitarbeitende Ehegatte keinen Anspruch auf Entgelt für seine Arbeitsleistung hat (BGH NJW 1962, 1612 [BGH 29.05.1962 - VI ZR 228/61]). Aus dem von der Klägerin vorgelegten Steuerberatergutachten vom 29.10.1984 ergibt sich, daß ihr Ehemann wie ein normaler Angestellter entlohnt wurde. Von einer gesetzlichen Dienstverpflichtung im Sinne des § 845 BGB, die aus der Pflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft gem. § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB folgen könnte, kann deshalb keine Rede sein.
Die Klage ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Schadensliquidation im Drittinteresse gerechtfertigt. Dieses Rechtsinstitut, das vornehmlich auf vertragliche Schadensersatzansprüche beschränkt ist (BGH NJW 70, 1793), kann bereits deshalb nicht eingreifen, weil die §§ 844, 855 BGB eine abschließende Regelung für den Ersatz des Drittschadens im Deliktsrechts enthalten, mit der Folge, daß für eine Drittschadensliquidation kein Raum mehr ist.
In Anbetracht dieser klaren Rechtslage konnte es die Kammer dahingestellt sein lassen, ob die Klägerin für die geltend gemachten Schadensersatzansprüche überhaupt aktivlegitimiert ist. Erhebliche Zweifel an ihrer Aktiblegitimation ergeben sich daraus, daß nach heutiger Auffassung der Schadensersatzanspruch nu demjenigen zusteht, der durch die unerlaubte Handlung in seinen Rechtsgütern unmittelbar verletzt ist (BGHZ 50, 304 ff.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Nebenentscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit haben ihren Rechtsgrund in den §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.
D...
Dr. P...