Landgericht Oldenburg
Urt. v. 25.10.1985, Az.: 6 O. 1135/85

Mitteilungspflicht des Arbeitgebers über den Beschluss zur Eröffnung des Konkursverfahrens gegenüber den Arbeitnehmern; Schadensersatzpflicht bei Verletzung von Mitteilungspflichten im Konkursverfahren

Bibliographie

Gericht
LG Oldenburg
Datum
25.10.1985
Aktenzeichen
6 O. 1135/85
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1985, 30771
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGOLDBG:1985:1025.6O.1135.85.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Vechta - 28.03.1985 - AZ: 14 B 358/85

Fundstelle

  • NJW-RR 1986, 581-582 (Volltext mit red. LS)

Verfahrensgegenstand

Schadensersatz

In dem Rechtsstreit
hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg
auf die mündliche Verhandlung von 27. September 1985
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht ... als Einzelrichter
für Recht erkannt:

Tenor:

Der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Vechta vom 28. März 1985 (14 B 358/85) wird aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen, soweit sie nicht zurückgenommen worden ist.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen. Jedoch werden die Mehrkosten, die durch den Vollstreckungsbescheid entstanden sind, dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 1.000,- DM abwenden, sofern nicht der Beklagte vor der Vollstreckung entsprechende Sicherheit leistet.

Der Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 300,- DM abwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung entsprechende Sicherheit leistet.

Beide Parteien können die Sicherheitsleistung auch durch schriftliche, unwiderrufliche, selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank, öffentlichen Sparkasse oder Landesbank erbringen.

Tatbestand

1

Gegen die Firma ... in Vechta, deren Geschäftsführer der Beklagte war, hatten im Jahre 1984 zwei Gläubiger jeweils Konkursantrag gestellt (10 N 23 und 25/84 AG Vechta). Der Beklagte wurde dazu am 4. Juni 1984 angehört; vor dem Konkursrichter erklärte er, daß sein Unternehmen zahlungsunfähig und überschuldet sei und daß auch eine kostendeckende Masse nicht vorhanden sei. Das Amtsgericht lehnte zunächst durch Beschluß vom 4. Juni 1984 den Antrag des Finanzamtes ... auf Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse ab, und das gleiche geschah durch Beschluß vom 20. Juni 1984, soweit die Firma ... den Konkursantrag gestellt hatte. Trotzdem arbeiteten die 6 Arbeitnehmer der ... noch bis zum 26. Juni 1984 weiter, weil sie erst an diesem Tage vom Beklagten über die Ablehnung der Konkurseröffnung unterrichtet wurden.

2

Die Klägerin hat einen Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Vechta vom 28. März 1985 über einen Betrag von 7.715,- DM nebst Zinsen gegen den Beklagten erwirkt, gegen den dieser rechtzeitig Einspruch erhoben hat. Zur Begründung trägt die Klägerin vor, der Beklagte habe den ersten Beschluß am 8. Juni 1984 und den zweiten am 22. Juni 1984 erhalten. Er habe es versäumt, diese Entscheidungen unverzüglich seinen Arbeitnehmern mitzuteilen. Deswegen habe die Klägerin ihnen Konkursausfallgeld zahlen müssen. Die Klägerin hat ihre Leistungen für den Zeitraum vom 4. bis 26. Juni 1984 mit 7.715,- DM berechnet; für die Zeitspanne vom 4. bis 7. Juni 1984 hat sie inzwischen die Klage in Höhe von 1.352,99 DM zurückgenommen.

3

Die Klägerin beantragt,

den Vollstreckungsbescheid in Höhe von 6.362,01 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1. März 1985 aufrechtzuerhalten.

4

Der Beklagte beantragt,

unter Aufhebung des Vollstreckungsbescheides die Klage abzuweisen.

5

Der Beklagte bestreitet, den Beschluß vom 4. Juni 1984 überhaupt erhalten zu haben; den zweiten Beschluß vom 20. Juni 1984 will er nicht vor dem 25. Juni 1984 zur Kenntnis genommen haben.

6

Wegen des Vorbringens der Parteien im einzelnen wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

7

Aus den Konkursakten 10 N 23 und 25/84 sind von den entscheidenden Seiten Ablichtungen gefertigt worden, die sich als Blatte 33 bis 36 und 43 bis 45 bei den Akten befinden und auch den Prozeßparteien zugeleitet worden sind.

Entscheidungsgründe

8

Die Klage ist unbegründet.

9

Zugunsten der Klägerin mag davon ausgegangen werden, daß sie den Arbeitnehmern der ... für die Zeit bis zum 26. Juni 1984 das berechnete Konkursausfallgeld gezahlt hat und daß ihr diese Aufwendungen erspart geblieben wären, wenn die Arbeitnehmer schon am 8. Juni 1984 von der Konkursablehnung mangels Masse erfahren hätten (vgl. § 141 b Abs. 1, 3 und 4 AFG). Der Beklagte als Geschäftsführer der Arbeitgeberin war auch nach Absatz 5 dieser Bestimmung verpflichtet, die entsprechenden Beschlüsse des Amtsgerichts Vechta unverzüglich den Arbeitnehmern mitzuteilen. Hierbei handelt es sich um ein Schutzgesetz i.S. des § 823 Abs. 2 BGB, aus dessen Verletzung der Beklagte persönlich der Klägerin auf Schadensersatz haften würde. Es läßt sich jedoch nicht feststellen, daß der Beklagte schuldhaft gegen seine vorbeschriebene Verpflichtung verstoßen habe.

10

Was den Beschluß vom 4. Juni 1984 angeht, so vermag die Klägerin nicht zu beweisen, daß dieser dem Beklagten als Geschäftsführer der ... überhaupt zugegangen sei. Sie benennt nur den ... als Zeugen, der jedoch nicht mehr bekunden kann, als was sich aus den Konkursakten ergibt. Danach ist zwar unter dem 4. Juni 1984 verfügt worden, daß u.a. eine Ausfertigung des Beschlusses an die ... gesandt werden solle, und dieses soll nach dem Kanzleivermerk am 6. Juni 1984 auch geschehen sein. Es ist aber nicht mit genügender Sicherheit auszuschließen, daß die Ausführung dieses Teils der Verfügung versehentlich unterblieben ist oder daß im Falle der tatsächlichen Absendung der Brief irgendwie abhandengekommen ist. Wenngleich derartiges selten ist und gegenüber entsprechenden Einlassungen von Prozeßparteien allgemein Mißtrauen angebracht ist, so kann das Gericht doch allein aus dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge nicht die Überzeugung gewinnen, daß hier der Beklagte den betreffenden Beschluß in den nächsten Tagen bekommen haben müsse. Im übrigen kann dem Beklagten nicht vorgehalten werden, daß er bei seiner Anhörung vom 4. Juni 1984 selbst mit einer Ablehnung mangels Masse gerechnet habe. Das Gesetz verpflichtet den Arbeitgeber nur, eine tatsächlich ergangene Gerichtsentscheidung den Arbeitnehmern unverzüglich bekanntzugeben. Solange der Beklagte keinen Gerichtsbeschluß in Händen hatte, brauchte er nichts zu veranlassen. Er war auch nicht gehalten, sich alsbald beim Amtsgericht nach der Entscheidung zu erkundigen, zumal er nicht wissen konnte, wieviel Zeit üblicherweise von der Anhörung des Gemeinschuldners bis zur Beschlußfassung vergeht.

11

Bezüglich des zweiten Beschlusses vom 20. Juni 1984 bleibt es offen, wann der Beklagte ihn erhalten hat. Seine Darstellung, daß der betreffende Brief vielleicht am Samstag, dem 23. Juni 1984, im Büro eingegangen sei, jedenfalls erst am folgenden Montag bearbeitet worden sei, läßt sich ebenfalls nicht widerlegen. Dann kann ihm aber nicht vorgeworfen werden, daß er mit der Bekanntgabe an die Arbeitnehmer noch bis zum nächsten Tage gewartet hat. Das ist nicht als schuldhafte Verzögerung zu bewerten. Da die von der Klägerin behaupteten Zahlungen von Konkursausfallgeld mit dem 26. Juni 1984 endeten, ist der Schaden der Klägerin auch nicht teilweise durch ein nachweisbar pflichtwidriges Unterlassen des Beklagten verursacht worden.

12

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 269, 344, 700 ZPO. Gemäß § 708 Nr. 11 ZPO ist das Urteil ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt worden, verbunden mit der Abwendungsbefugnis nach § 711. ZPO.