Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 28.08.2008, Az.: 5 B 2228/08
Versetzung; Bewertung schulischer Leistungen; Nachschreibeklausur; Anforderungsidentität von Klassenarbeiten
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 28.08.2008
- Aktenzeichen
- 5 B 2228/08
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2008, 46034
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGOLDBG:2008:0828.5B2228.08.0A
Rechtsgrundlagen
- § 60 NSchG
- § 18 Durchlässigkeits- und VersetzungsVO
- § 9 AVO-Sekl
Fundstellen
- NVwZ-RR 2009, VI Heft 1 (amtl. Leitsatz)
- NVwZ-RR 2009, 164-165 (Volltext mit amtl. LS)
- SchuR 2009, 53
- SchuR 2010, 139
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Es genügt dem Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn eine Nachschreibeklausur mit der versäumten Klassenarbeit anforderungsidentisch ist.
- 2.
Eine Nachschreibeklausur darf auch Aufgaben zu nach dem versäumten Arbeitstermin behandelten Themen enthalten.
Tenor:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 5 000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
Der nach § 123 Abs. 1 VwGO zu beurteilende zulässige Antrag bleibt ohne Erfolg.
Nach dieser Vorschrift kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen werden, wenn diese Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern. Das Begehren des Antragstellers, vorläufig am Unterricht in der 11. Klasse der gymnasialen Oberstufe des Antragsgegners teilnehmen zu können, ist darauf gerichtet, bis zum rechtskräftigen Abschluss eines späteren Hauptsacheverfahrens einem endgültig in diese Jahrgangsstufe aufgenommenen Schüler gleichgestellt zu werden, um ordnungsgemäß am Unterricht teilzunehmen und die vorgesehenen Prüfungen ablegen zu können. Hierin liegt eine Vorwegnahme der Hauptsache, denn die Teilnahme an dem Unterricht in der höheren Jahrgangsstufe lässt sich, auch wenn der Antragsteller im Hauptsacheverfahren unterliegen würde, weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht rückgängig machen. Die vom Antragsteller möglicherweise erbrachten Prüfungsleistungen könnten ihm aus rechtlichen Gründen nicht mehr entzogen werden.
Eine Vorwegnahme der Hauptsache im vorläufigen Rechtsschutzverfahren ist grundsätzlich unzulässig. Das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Aus dem Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG folgt nämlich, dass ausnahmsweise auch eine endgültige Befriedigung des geltend gemachten Anspruches im einstweiligen Rechtsschutzverfahren in Betracht kommen kann, wenn einem Antragsteller ohne eine solche Entscheidung unzumutbare Nachteile zugefügt würden und sein Begehren in der Sache mit hoher Wahrscheinlichkeit Erfolg hätte. Der Antragsteller hat hier einen solchen Anspruch jedoch nicht glaubhaft gemacht; vielmehr spricht bei der im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage überwiegendes dafür, dass die Entscheidung des Antragsgegners, den Antragsteller nicht in die 11. Klasse zu versetzen, rechtmäßig ist.
Ausgangspunkt der rechtlichen Betrachtungen ist hier § 18 der Verordnung über die Durchlässigkeit sowie die Versetzungen und Überweisungen an den allgemeinbildenden Schulen vom 19.06.1995 ( Nds.GVBl. 1995, S. 184) in der Fassung vom 19.10.2006 (Nds. GVBl.S. 470), wonach in die 11. Klasse (Qualifikationsphase der gymnasialen Oberstufe) versetzt wird, wer den Erweiterten Sekundarabschluss I erworben hat. Nach § 9 der Verordnung über die Abschlüsse im Sekundarbereich I - AVO-SI - vom 07.04.1994 ( Nds.GVBl. 1994, S. 147) in der Fassung vom 19.10.2006 (Nds. GVBl.S. 467) erwirbt den Erweiterten Sekundarabschluss I, wer am Ende des 10. Schuljahrgangs die Mindestanforderungen in allen Pflicht- und Wahlpflichtfächern erfüllt hat. Daran fehlt es hier aller Voraussicht nach.
Der Antragsteller ist jedenfalls im Fach Mathematik mit "mangelhaft" bewertet worden. Er hat insoweit nicht glaubhaft gemacht, dass die von ihm hier angefochtene Bewertung in diesem Fach rechtwidrig ist. Dabei ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Bewertung schulischer Leistungen das Ergebnis einer pädagogisch-wissenschaftlichen Beurteilung der jeweiligen Fachlehrkraft ist, der ein weiter Beurteilungsspielraum zusteht. Das Gericht vermag deshalb die Bewertung lediglich unter Beachtung des § 121 NSchG in eingeschränktem Rahmen darauf hin zu überprüfen, ob gegen Recht- oder Verwaltungsvorschriften verstoßen wurde, ob von unrichtigen Voraussetzungen oder sachfremden Erwägungen ausgegangen wurde oder ob allgemein anerkannte pädagogische Grundsätze oder Bewertungsmaßstäbe nicht beachtet wurden. Derartige Rechtsfehler sind indes hier aller Voraussicht nach nicht erkennbar.
Soweit sich der Antragsteller gegen die Bewertung seiner letzten Klassenarbeit mit "mangelhaft" wendet, vermag die Kammer eine fehlerhafte Bewertung im obigen Sinne nicht zu erkennen. Der zuständige Fachberater der Landesschulbehörde Dr. und der unterrichtende Fachlehrer, Herr B., haben insofern in ihren Stellungnahmen vom 12.08. und 20.08.2008 für das Gericht nachvollziehbar dargelegt, dass die vom Antragsteller nachgeschriebende Klassenarbeit ihrer Konzeption und Schwierigkeit nach durchaus mit der vom Antragsteller krankheitsbedingt versäumten Arbeit vergleichbar war. Eine solche Anforderungsidentität reicht nach Ansicht der Kammer aus, um dem vom Antragsteller hier angemahnten Gleichbehandlungsanspruch zu genügen. Einen Anspruch darauf, dass eine Nachschreibearbeit denselben Inhalt hat, wie die versäumte oder gar aufgabenidentisch ist, vermag das Gericht hingegen nicht zu sehen. Diese Konstellation könnte sogar im Gegenteil zu einer Benachteiligung der Schüler führen, die zuerst die Arbeit schrieben, da den Nachschreibenden mehr Vorbereitungszeit zur Verfügung gestanden haben könnte. Es ist daher nichts dagegen einzuwenden, wenn eine Nachschreibearbeit auch Aufgaben aus einem Stoffgebiet umfasst, welches erst nach der versäumten Klassenarbeit behandelt wurde. Dies dürfte jedenfalls dann gelten, wenn - wie hier - die Anforderungen dem Grunde nach identisch und gemessen an den Vorgaben der Rahmenrichtlinien und der Vorbereitung im Unterricht auch insgesamt angemessen sind. Letzteres hat der Fachlehrer in seiner Stellungnahme vom 20.08.2008 für das Gericht auch unter Vorlage einer Darstellung des Unterrichtsverlaufs zwischen dem 23.04. und dem 16.06.2008 nachvollziehbar dargelegt. Ob schließlich andere Mitschüler die Aufgabe 5 der nachgeschriebenen Klassenarbeit auch nicht hätten lösen können, wie der Antragsteller meint, ist jedenfalls für die Bewertung seiner Arbeitsleistung ohne Belang. Ebenso deutlich sind die Ausführungen des Fachlehrers zur Ermittlung der Gesamtnote, die insbesondere die für die mündlichen und weiteren Leistungen erteilte Note "ungenügend" in den Blick nehmen und für das Gericht diese, wie auch die aus allen Leistungen resultierende Gesamtnote plausibel darstellen. Dabei kann dahinstehen, ob der Antragsteller für sich eine Arbeitsmappe führte, denn maßgeblich hat der Fachlehrer betont, dass der Antragsteller im zweiten Halbjahr die Bearbeitung von Hausaufgaben gänzlich verweigerte und darüber hinaus auch keine Bereitschaft zur Mitarbeit im Unterricht bestand. Anhaltspunkte für eine Verletzung der oben geschilderten rechtlich überprüfbaren Kriterien sind für die erkennende Kammer nicht ersichtlich.
Die Antragsgegnerin ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass der Antragsteller die Mathematiknote nicht auszugleichen vermag. Denn nach § 5 Abs. 2 der Durchlässigkeits- und Versetzungsverordnung können im Gymnasium die Fächer Deutsch, Mathematik, Englisch und Französisch nur untereinander ausgeglichen werden. Eine für den Ausgleich notwendige Benotung mit "befriedigend" oder besser hat der Antragsteller aber in keinem dieser Fächer erzielt. Demnach ist die Entscheidung der Antragsgegnerin, den Antragsteller gem. § 2 Abs. 2 der Durchlässigkeits- und Versetzungsverordnung nicht zu versetzen aller Voraussicht nach rechtmäßig.
Soweit der Antragsteller weiter die Benotung im Fach Kunst angreift, so hat die Antragsgegnerin bereits eine Änderung der Note in der Abhilfekonferenz in Aussicht gestellt. Zudem ist diese Benotung für die Versetzungsentscheidung ohne Relevanz, wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt. Letzteres gilt auch für die Benotung im epochal unterrichteten Fach Politik.
Nach allem vermag der Antrag keinen Erfolg zu haben.
Streitwertbeschluss:
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1 und 2, 53 II Nr. 1 GKG. Dabei folgt die Kammer in ständiger Rechtsprechung dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Stand 2004; NVwZ 2004, S. 1327), wonach bei derartigen Verfahren in der Hauptsache gemäß Nr. 38.5 als Streitwert der Auffangwert aus § 52 Abs. 2 GKG (€ 5 000,00) zugrunde zu legen ist. Eine Halbierung, wie gemäß Nr. 1.5 Satz 1 für Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes grundsätzlich vorgeschlagen, nimmt die Kammer nicht vor, da es sich um eine ausnahmsweise zulässige Vorwegnahme der Hauptsache handelt und die Kammer deshalb den in einer Hauptsache festzusetzenden Streitwert auch hier festsetzt (vgl. auch Nr. 1.5 Satz 2 des Streitwertkataloges).