Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 28.10.1996, Az.: 1 Ws 260/96 (StrVollz)
Ausgestaltung des Rechts eines Sicherheitsverwahrten zum Empfang von Paketen; Ausgestaltung der Rechte von Sicherungsverwahrten und Strafgefangenen zum Empfang weiterer Pakete
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 28.10.1996
- Aktenzeichen
- 1 Ws 260/96 (StrVollz)
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1996, 24890
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1996:1028.1WS260.96STRVOLLZ.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG ... - AZ: 17 StVK 291/96
- LG ... - 15.08.1996
Rechtsgrundlagen
- § 33 Abs. 1 S. 1 StVollzG
- § 116 Abs. 1 StVollzG
Fundstellen
- NStZ 1997, 430
- NStZ 1997, 256 (Volltext mit amtl. LS)
Verfahrensgegenstand
Empfang von weiteren Paketen
In der Strafvollzugssache
...
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin gegen
den Beschluß der 1. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts ... in ... vom 15. August 1996
nach Anhörung des Niedersächsischen Justizministeriums,
vertreten durch die Generalstaatsanwaltschaft Celle,
und des Antragstellers
am 28. Oktober 1996
durch
den Richter am Oberlandesgericht ...,
den Richter am Oberlandesgericht ... und
die Richterin am Oberlandesgericht ...
beschlossen:
Tenor:
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 14. Juni 1996 wird verworfen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsteller auferlegt.
Der Streitwert wird auf 100 DM festgesetzt.
Gründe
Der Antragsteller befindet sich zur Zeit in Sicherungsverwahrung, deren Ende auf den 7. Mai 2000 datiert ist. In der Zeit vom 21. November 1991 bis zum 7. Dezember 1995 war er in der Justizvollzugsanstalt ... untergebracht.
Mit Bescheid vom 14. Juni 1996 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag des Untergebrachten ab, ihm den Empfang von insgesamt 15 Paketen pro Jahr in der Anstalt zu erlauben. Der Untergebrachte hatte begehrt, zusätzlich zu den gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 StVollzG vorgesehenen 3 Pakten jährlich weitere 12 Pakete erhalten zu dürfen und dabei geltend gemacht, diese Erlaubnis sei ihm für die Zeit der Unterbringung in der Justizvollzugsanstalt ... erteilt worden. In ihrem Bescheid hat die Antragsgegnerin die Erlaubnis von zusätzlichen 4 Paketen jährlich erteilt und auf eine entsprechende Verfügung aus dem Jahre 1987 hingewiesen. Die Anzahl der in ... erlaubten Pakete sei "hier nicht nachvollziehbar".
Auf den Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung hat die Strafvollstreckungskammer den angefochtenen Bescheid aufgehoben und die Antragsgegnerin verpflichtet, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung der Kammer neu zu bescheiden. Zur Begründung ist ausgeführt, der angefochtene Bescheid sei rechtsfehlerhaft, weil die Antragsgegnerin nicht geprüft habe, ob sie mit ihrem Bescheid einen begünstigenden Verwaltungsakt der Justizvollzugsanstalt ... widerrufen habe. Wenn dem Antragsteller der Empfang von jährlich 15 Paketen erlaubt worden sei, so könne er durch seine Verlegung nicht ohne einen Widerrufsgrund schlechter gestellt werden. Die Antragsgegnerin hätte den Inhalt der Erlaubnis in ... prüfen und ermitteln müssen, ob die Erlaubnis nur in der Justizvollzugsanstalt ... Gültigkeit gehabt habe.
Die hiergegen gerichtete, mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründete Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin ist nach § 116 Abs. 1 StVollzG zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zulässig. Es gilt, der Gefahr der Wiederholung des im nachfolgenden aufzuzeigenden Rechtsfehlers entgegenzuwirken.
Das Rechtsmittel ist auch erfolgreich. Dies führt nach § 119 Abs. 4 Satz 2 StVollzG zu einer Sachentscheidung durch den Senat, weil die Sache spruchreif ist.
Gegen die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer bestehen durchgreifende rechtliche Bedenken. Die von der Justizvollzugsanstalt angeordnete Begrenzung der Anzahl zusätzlicher Pakete ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Nach der Verwaltungsvorschrift Nr. 5 zu § 131 StVollzG kann dem Sicherungsverwahrten über die für Strafgefangene zugelassenen Pakete hinaus der Empfang weiterer Pakete gestattet werden. Auf der Grundlage dieser Regelung hat die Antragsgegnerin festgelegt, daß die in der Justizvollzugsanstalt ... untergebrachten Sicherungsverwahrten seit 1987 zusätzlich zu den gesetzlich vorgesehenen 3 Paketen jährlich pro Quartal ein weiteres Paket erhalten dürfen. Die Antragsgegnerin hat sich bei der Festlegung dieser Zahl zusätzlicher Pakete u.a. auf organisatorische Gründe und auf die Praxis in anderen Justizvollzugsanstalten gestützt, in denen Sicherungsverwahrte untergebracht werden. Die Entscheidung der Antragsgegnerin trägt der gesetzlichen Regelung (§§ 33 Abs. 1 Satz 3, 130 StVollzG) Rechnung, daß für den Empfang von mehr als 3 Paketen pro Jahr eine Erlaubnis erforderlich ist. Deshalb geht der Hinweis der Strafvollstreckungskammer fehl, die Antragsgegnerin habe prüfen müssen, ob sie einen begünstigenden Verwaltungsakt der Justizvollzugsanstalt ... widerrufe und habe für diesen Fall Widerrufsgründe darlegen müssen. Die nach § 33 Abs. 1 Satz 2 StVollzG erteilte Erlaubnis, weitere Pakete zu empfangen, beinhaltet in aller Regel keine für die gesamte Haftzeit geltende Dauererlaubnis. Vielmehr ist grundsätzlich für jedes zusätzliche Paket eine neue Erlaubnis zu erteilen, wobei es natürlich der Justizvollzugsanstalt unbenommen bleibt, den Empfang einer bestimmten Anzahl weiterer Pakete vorab zu gestatten. Dies bedeutet jedoch nicht, daß allein der Umstand, daß der Antragsteller in der JVA ... für eine Zeitlang jährlich 15 Pakete erhalten durfte, die Verwaltung der Vollzugsanstalt bindet, ihm das auch für die Zukunft zu gestatten. Allein auf die zeitweise ihm gegenüber erfolgte tatsächliche Übung kann sich der Antragsteller nicht berufen, so daß entgegen der Ansicht der Strafvollstreckungskammer von vornherein eine für die Zukunft geltende Dauererlaubnis, zusätzliche Pakete zu empfangen, nicht vorliegen kann, und die Antragsgegnerin dies bei ihrer Entscheidung auch nicht prüfen mußte. Dies gilt umso mehr, nachdem der Antragsteller nunmehr in die JVA ... verlegt worden ist. Gerade bei der Erteilung der Erlaubnis, weitere Pakete zu empfangen, kommt für jede Anstalt zur Vermeidung sonst entstehender Unruhen dem Gleichheitsgrundsatz besondere Bedeutung zu (vgl. Schwind, StVollzG, 2. Aufl., § 33 Rdn. 7; Callies/Müller-Dietz, StVollzG, 6. Aufl., § 33 Rdn. 2). Für jeden Gefangenen ist deshalb erkennbar, daß nach einer Verlegung aus einer Anstalt die dort gepflegte Übung nicht unbedingt auch für die neue Anstalt gelten muß. Daß die Justizvollzugsanstalt ... ihm ausdrücklich eine unbefristete und für andere Vollzugsanstalten im Falle seiner Verlegung bindende Erlaubnis, jährlich 15 Pakete zu empfangen, erteilt hat, ist weder vom Antragsteller vorgetragen worden noch sind sonst für den Senat Anhaltspunkte dafür ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 Satz 1 StVollzG, die über die Festsetzung des Streitwerts auf §§ 48 a, 25 Abs. 2 Satz 2, 13 GKG.