Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 24.11.1988, Az.: 7 U 39/88

Berufungsverfahren; Wandlung eines Kaufvertrages; Sachverständigenkosten, Nutzungsvorteil, Reparaturkosten

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
24.11.1988
Aktenzeichen
7 U 39/88
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1988, 13744
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1988:1124.7U39.88.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Lüneburg - 23.12.1987 - AZ: 2 O 263/87

Fundstelle

  • NJW-RR 1989, 372 (Volltext mit amtl. LS)

Prozessführer

des Postbeamten ...

Prozessgegner

den Bundesbahnsekretär ...

In dem Rechtsstreit
hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ...,
den Richter am Oberlandesgericht ... und
den Richter am Amtsgericht ...
auf die mündliche Verhandlung vom 27. Oktober 1988
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten zu 2) wird das am 23. Dezember 1987 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg teilweise geändert und insgesamt neu gefaßt:

Das Versäumnisurteil vom 26. August 1987 wird gegen den Beklagten zu 2) in Höhe von 6.990,00 DM aufrechterhalten. Im übrigen wird es hinsichtlich des Beklagten zu 2) aufgehoben und die weitergehende, gegen diesen gerichtete Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits haben im Verhältnis der Parteien zueinander der Kläger zu 1/6 und der Beklagte zu 2) zu 5/6 zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe

1

Die Berufung des Beklagten zu 2) (im folgenden nur Beklagter genannt) hat lediglich hinsichtlich der Sachverständigenkosten und des Nutzungsvorteils einschließlich der Kosten für die Auspuffreparatur Erfolg.

2

Der Kläger kann von dem Beklagten Wandlung des Kaufvertrages vom 20. Januar 1987 über den Opel Manta GTE Baujahr 1982, Fahrgestellnummer ... verlangen. Zwar stellt die von dem Kläger gerügte Verwendung eines gebrauchten Ersatzteils keinen Mangel des Fahrzeuges dar. Daß dieses Teil selbst nicht mehr ordnungsgemäß ist, hat der Kläger nicht vorgetragen. So ist das Fahrzeug auch nicht wegen der mangelhaften Reparatur des Heckschadens durch den TÜV nicht abgenommen worden. Vielmehr hat dieser lediglich eine Bescheinigung über die Reparatur bzw. die Freilegung der betreffenden Schweißnähte verlangt, um so die Ordnungsgemäßheit der Reparatur erst überprüfen zu können. Die weiteren von dem Kläger gerügten Mängel fallen unter den zwischen den Parteien vereinbarten Gewährleistungsausschluß.

3

Der Kläger kann sein Wandlungsbegehren wegen Fehlens einer zugesicherten Eigenschaft, §§ 459 Abs. 2, 462 BGB jedoch mit Erfolg darauf stützen, daß der Vermittler ... in der vor dem Kauf aufgegebenen Anzeige, auf die sich der Kläger gemeldet hatte, das Fahrzeug als "TÜV neu" bezeichnet hatte. Zwar hat der Kläger nicht ausdrücklich vorgetragen, daß darüber auch bei Vertragsschluß gesprochen worden sei. Dies folgt jedoch aus dem Verhalten des Vermittlers .... Dieser hat nämlich, nachdem er von dem Kläger darauf hingewiesen worden war, daß die nächste Hauptuntersuchung bereits im August 1987 fällig sei, sich bereiterklärt, das Fahrzeug beim TÜV vorzuführen. Dies spricht nicht nur dafür, daß ... und der Kläger darüber gesprochen haben, sondern auch dafür, daß ... für die Richtigkeit seiner Erklärung "TÜV neu" einstehen wollte. Die Erklärung des Vermittlers ist daher als Zusicherung anzusehen. Inhalt der Zusicherung ist allerdings nicht der Zustand des Fahrzeuges unmittelbar, sondern die Tatsache, daß der Kläger einen frisch vom TÜV abgenommenen Pkw erhalten sollte, den er erst nach zwei Jahren dort wieder vorführen mußte. Diese der Sache anhaftende Eigenschaft lag bei ihrer Übergabe nicht vor und konnte auch im Nachhinein nicht mehr geschaffen werden, da das Fahrzeug beim TÜV nicht abgenommen worden ist. Das Verhalten des Vermittlers ... muß der Beklagte sich schon deswegen zurechnen lassen, weil er von dem Inhalt der Anzeige nach seiner eigenen Bekundung in der mündlichen Verhandlung vor Abschluß des Kaufvertrages gewußt und diesen Umstand weder gegenüber dem Kläger noch gegenüber ... beanstandet hat. Der Kläger durfte deshalb das Verhalten des Beklagten zu Recht als allgemeine Genehmigung des Beklagten hinsichtlich aller Handlungen des ... verlegen, so daß auch eine etwaige Vollmachtsüberschreitung und ein Handeln ohne Vertretungsmacht bei Aufgabe der Annonce nachträglich gebilligt war. Der Anspruch auf Wandlung und soweit auf Rückzahlung des Kaufpreises gemäß §§ 467, 346 BGB ist nicht verjährt. Da das Fahrzeug am 23. Januar 1987 übergeben worden ist, wäre mit Ablauf des 23. Juli des gleichen Jahres Verjährung eingetreten, § 477 Abs. 1 S. 1 BGB. Die Verjährung ist jedoch durch das Einreichen der Klage bei Gericht am 21. Juli unterbrochen worden, § 209 Abs. 1 BGB, da die öffentliche Zustellung der Klageschrift gleich anschließend und somit "demnächst" i. S. des § 270 Abs. 3 ZPO erfolgt ist. Zwar erscheint es zweifelhaft, ob die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer öffentlichen Zustellung gegeben waren. Dafür ist es nämlich notwendig, daß der Aufenthalt des Zustellungsempfängers nicht nur der zustellenden Partei, sondern allgemein unbekannt ist. Davon kann in der Regel nur ausgegangen werden, wenn eine Anfrage beim zuständigen Einwohnermeldeamt ohne Erfolg geblieben ist, (vgl. Thomas-Putzo, ZPO 15. Aufl., Anm. 2 b zu § 203), was hier unterblieben war. Dies kann jedoch dahingestellt bleiben, weil die Wirksamkeit der Zustellung nicht davon abhängig ist, daß die Voraussetzungen der öffentlichen Zustellung zu Recht angenommen worden sind (Thomas-Putzo, a.a.O. Anm. 4 b zu § 204). Lediglich für den Fall der Erschleichung der öffentlichen Zustellung käme eine Beseitigung der mit der Zustellung verbundenen Rechtsfolgen gemäß § 242 oder § 826 BGB in Betracht. Dies braucht jedoch nicht näher erörtert zu werden, da der Kläger zwar ungenügende, nicht aber falsche Angaben über den Aufenthalt des Beklagten gemacht hat.

4

Allerdings leidet die Zustellung selber ebenfalls an einem Mangel, da Auszüge aus der Klageschrift und den gerichtlichen Beschlüssen und Verfügungen vom 22. Juli 1987 nicht in den Bundesanzeiger eingerückt worden sind. Dies ist nach dem Wortlaut des § 204 Abs. 3 Satz 1 ZPO zwar nur dann erforderlich, wenn das zuzustellende Schriftstück eine Ladung enthält, was hier nicht der Fall gewesen ist. Sinn und Zweck der Vorschrift gebieten es jedoch, diese auch dann anzuwenden, wenn die Rechtsfolgen für den Zustellungsempfänger die gleichen sind, wie bei der Zustellung einer Ladung. Durch § 204 Abs. 3 Satz 1 ZPO soll erreicht werden, daß der Zustellungsempfänger eine größere Möglichkeit erhält, von einer Terminsladung Kenntnis zu erlangen, da mit dem Nichterscheinen in einem Termin in der Regel entscheidende Rechtsverluste - durch Erlaß eines Versäumnisurteils - verbunden sein können. Ein Versäumnisurteil kann jedoch auch bei Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens nach Ablauf der gemäß § 276 Abs. 1 S. 1 ZPO gesetzten Frist erlassen werden (§ 331 Abs. 3 ZPO), so daß der Zustellungsempfänger hierbei ebenso schutzbedürftig ist - wie bei Anberaumung eines frühen ersten Termins und dem Erlaß eines Versäumnisurteils nach mündlicher Verhandlung (so auch Thomas-Putzo, a.a.O. Anm. 3 b zu § 204 und Zöller-Stephan, ZPO 14. Aufl., § 204 Rdnr. 8). Der Annahme einer für eine entsprechende Anwendung des § 204 Abs. 3 Satz 1 ZPO notwendigen Gesetzeslücke steht nicht entgegen, daß der Gesetzgeber mit der Vereinfachungsnovelle vom 3. Dezember 1976 nicht nur die Möglichkeit eines Versäumnisurteils im schriftlichen Vorverfahren eingeführt sondern auch § 204 ZPO geändert hat. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, daß der Gesetzgeber dabei die Notwendigkeit erkannt und hat regeln wollen; für die Aufforderung zur Anzeige der Verteidigungsbereitschaft gem. § 276 Abs. 1 S. 1 ZPO im schriftlichen Vorverfahren von einer Bekanntmachung im Bundesanzeiger abzusehen. Die erfolgte Änderung bei der Ausführung der öffentlichen Zustellung betrifft nämlich lediglich die Frage der Anheftung der entsprechenden Schriftstücke an die Gerichtstafel bei Ehe- und Kindschaftssachen, während die Vorschrift über das Einrücken in den Bundesanzeiger im Wortlaut unverändert geblieben und nur aus dem Absatz 2 herausgenommen und in Absatz 3 als neuer Satz 1 eingefügt worden ist.

5

Eine Heilung dieses Zustellungsmangels gemäß § 187 ZPO kommt schon deswegen nicht in Betracht, da es sich bei der Frist des § 276 Abs. 1 ZPO um eine Notfrist handelt. Der Mangel ist jedoch gemäß § 295 ZPO geheilt worden, da ihn der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 25. November 1987 nicht gerügt hat, obwohl sein damaliger Prozeßbevollmächtigter aufgrund der Akteneinsicht die Nichtbeachtung des § 204 Abs. 3 Satz 1 ZPO hätte bemerken müssen. Dies gilt umsomehr, als für den Prozeßbevollmächtigten berechtigter Anlaß zur Prüfung der Frage bestand, wie es zum Erlaß des Versäumnisurteils vom 26. August 1987 gekommen war, ohne daß der Beklagte davon wußte. Durch die rügelose Einlassung ist die fehlerhafte Zustellung als von Anfang an gültig zu behandeln, so daß durch die fristgerechte Einreichung der Klage die Verjährungsfrist gewahrt worden ist. Somit hat der Beklagte den Kaufpreis von 7.990,00 DM Zug um Zug gegen Obergabe des Pkw zurückzuzahlen, §§ 346, 348 BGB.

6

Die Kosten für das Gutachten des Sachverständigen ... kann der Kläger dagegen nicht verlangen, weil die darin festgestellten Mängel für die Entscheidung des Rechtsstreits keine Rolle gespielt haben und auch ein anderer Anspruchsgrund nicht gegeben ist.

7

Von der Forderung des Klägers auf Rückzahlung des Kaufpreises ist jedoch der Wert der Vorteile abzuziehen, die der Kläger durch den Gebrauch des Fahrzeuges gehabt hat. Diese schätzt der Senat gemäß § 287 ZPO unter Berücksichtigung des Alters, der Laufleistung und des Wertes des Fahrzeuges bei Ankauf im Januar 1987 und im Zeitpunkt der Stillegung im August 1987 sowie der durch den Kläger vorgenommenen geringfügigen Auspuffreparatur auf 1.000,00 DM, mithin auf 0,10 DM je Kilometer. Da der Beklagte auch Schadensersatz gem. § 463 S. 1 BGB schulden würde, bemißt sich der Wert der Gebrauchsvorteile hier an den insoweit anderweitig ersparten Vermögenseinbußen (vgl. BGH NJW 1962, 1909, 1910) [BGH 02.07.1962 - VIII ZR 12/61].

8

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 92 und 97 ZPO. Eine Anwendung von § 344 ZPO kommt nicht in Betracht, da das Versäumnisurteil wegen des Verstoßes gegen § 204 Abs. 3 Satz 1 ZPO nicht in gesetzlicher Weise ergangen ist. Wegen des Zustellungsmangels kann dahingestellt bleiben, ob das Landgericht nicht auch gemäß § 200 GVG gehindert gewesen wäre, das Versäumnisurteil in den Gerichtsferien zu erlassen (so Thomas-Putzo a.a.O., § 331 Anm. 1 d m.w.N., Zöller-Stephan a.a.O., § 331 Rdnr. 14; a.A. Baumbach-Hartmann a.a.O., § 331 Anm. 4 Cb m.w.N. und wohl auch Franzki, NJW 1979, 9, 10).

9

Die weiteren Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 708 Nr. 10, 713 und 546 ZPO.

Streitwertbeschluss:

Die Beschwer beträgt für den Kläger 1.396,46 DM und für den Beklagten zu 2) 6.990,00 DM.