Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 22.05.1997, Az.: 1 Ws 80/97 (StrVollz)
Verlegung in eine andere Justizvollzugsanstalt; Rechtzeitige Einlegung der sofortigen Beschwerde; Bestimmung des zuständigen Gerichts
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 22.05.1997
- Aktenzeichen
- 1 Ws 80/97 (StrVollz)
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1997, 15419
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1997:0522.1WS80.97STRVOLLZ.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG ... - AZ: 17 StVK 45/97
Rechtsgrundlagen
- § 8 StVollzG
- § 109 Abs. 1 StVollzG
- § 110 StVollzG
- § 120 Abs. 1 StVollzG
- § 17 a GVG
- § 311 StPO
Verfahrensgegenstand
Verlegung in eine andere Justizvollzugsanstalt
Prozessführer
... geboren am ... in ... zur Zeit ...
Prozessgegner
Justizvollzugsanstalt ...
vertreten durch die Anstaltsleiterin,
In der Maßregelvollzugssache
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluß der 1. kleinen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts ... in ... vom 26. Februar 1997
nach Beteiligung des Niedersächsischen Ministeriums der Justiz und für Europaangelegenheiten, vertreten durch die Generalstaatsanwaltschaft Celle,
am 22. Mai 1997
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ...
den Richter am Oberlandesgericht ... und
den Richter am Landgericht ...
beschlossen:
Tenor:
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.
Gründe
I.
Der Antragsteller befindet sich zur Zeit in der JVA ... in Sicherungsverwahrung. Er hat am 18.01.1997 gegenüber der Antragsgegnerin beantragt, ihn in den Maßregelvollzug des Landes Rheinland-Pfalz zu verlegen, weil das Land Niedersachsen für die Vollstreckung zu keinem Zeitpunkt zuständig gewesen sei. Die Antragsgegnerin hat die Verlegung mit Bescheid vom 24.01.1997 abgelehnt. Zur Begründung hat sie angeführt, das Land Niedersachsen und folglich die JVA ... sein den Vollzug der gegen den Antragsteller verhängten Maßregel zuständig, weil er seinen letzten Wohnsitz in .../Ostfriesland gehabt habe. Gründe für eine Verlegung nach § 8 StVollzG lägen nicht vor. Da das Ministerium der Justiz des Landes Rheinland-Pfalz eine vom Vollstreckungsplan abweichende Aufnahme des Antragstellers in die Anstalten Trier oder Wittlich abgelehnt habe, komme nur die Verlegung in die JVA ... in Nordrhein-Westfalen in Betracht, in der auch die Sicherungsverwahrten des Landes Rheinland-Pfalz untergebracht seien. Bei einer Verlegung in die JVA Werl hätten die beiden in ... wohnenden Brüder des Antragstellers jedoch keine gegenüber dem gegenwärtigen Zustand bessere Möglichkeit, ihn zu besuchen. Schließlich sei von der Verlegung eine Förderung der Behandlung und Wiedereingliederung nicht zu erwarten.
Mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 01.02.1997 macht der Antragsteller geltend, die Zuständigkeit der Vollzugsanstalt könne nicht an einen nur kurzfristigen Wohnsitz anknüpfen. Maßgebend seien vielmehr seine "heimatlichen Wurzeln" in Rheinland-Pfalz, wo seine Familie wohne. Die Verlegung sei auch nach § 8 Abs. 1 StVollzG geboten, weil seine Unterbringung in der JVA Werl bessere Besuchsmöglichkeiten für seine Familienangehörigen eröffne. Schließlich entspreche die Art und Weise des Maßregelvollzugs in der JVA nicht den gesetzlichen Vorgaben.
Die Strafvollstreckungskammer hat den Rechtsstreit mit dem angefochtenen Beschluß an den Senat abgegeben. Sie hält sich für unzuständig, weil der Antragsteller in seinem Antrag vom 18.01.1997 ausschließlich die örtliche Zuständigkeit der JVA ... gerügt habe. Soweit er in seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung auch eine Verlegung nach § 8 StVollzG geltend mache, müsse hierüber erst noch eine Entscheidung der Vollzugsbehörde herbeigeführt werden. Bislang habe die Antragsgegnerin lediglich über ihre Vollstreckungszuständigkeit entschieden. Für diese Entscheidung sei zwar eigentlich die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde zuständig. Dies ändere aber nichts daran, daß es sich bei dem Bescheid nicht um eine Maßnahme i.S.d. § 109 StVollzG handele. Er könne deshalb nur im Verfahren nach den §§ 23 ff EGGVG angefochten werden.
Gegen diesen Beschluß wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer sofortigen Beschwerde. Sie trägt vor, sie habe den Verlegungsantrag nach § 8 StVollzG geprüft und abgelehnt, so daß sie eine Maßnahme i.S.d. § 109 StVollzG getroffen habe und folglich die Strafvollstreckungskammer für die Sachentscheidung zuständig sei.
II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig.
Der Antragsteller hat ausdrücklich die Strafvollstreckungskammer als Vollzugsgericht angerufen, so daß für das von ihr zu beachtende Verfahren in erster Linie die Regelungen des Strafvollzugsgesetzes gelten. Diese enthalten jedoch ebensowenig Vorschriften über eine rechtsweginterne Abgabe des Rechtsstreits wie die Strafprozeßordnung, auf die § 120 Abs. 1 StVollzG verweist.
Da durch die vorliegende Abgabe in den Instanzenzug eingegriffen wird und damit ähnlich erhebliche Auswirkungen wie bei einer Rechtswegverweisung entstehen, ist die Regelungslücke durch eine entsprechende Anwendung der hierfür geltenden Regelung des § 17 a GVG zu schließen (ebenso OLG Saarbrücken NStE Nr. 1 zu § 17 a GVG). Gegen den angefochtenen Beschluß ist mithin entsprechend § 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG die sofortige Beschwerde nach § 120 Abs. 1 StVollzG i.V.m. § 311 StPO statthaft. Da der Beschluß der Antragsgegnerin entgegen § 311 Abs. 2 StPO nicht zugestellt worden ist, ist die sofortige Beschwerde auch rechtzeitig eingelegt worden.
III.
Das Rechtsmittel ist begründet.
Die Strafvollstreckungskammer ist nach § 110 StVollzG für die Entscheidung der Sache zuständig. Für die Bestimmung des zuständigen Gerichts ist die Rechtsnatur des erhobenen Anspruchs maßgebend, wie sie sich aus dem tatsächlichen Vorbringen der klagenden Partei, hier des Antragstellers ergibt (vgl. Kissel, GVG, 2. Aufl., § 17 Rz 17). Entgegen der Ansicht der Strafvollstreckungskammer kommt es also nicht auf den Inhalt des ursprünglichen Antrags vom 18.01.1997, den der Antragsteller bei der Antragsgegnerin gestellt hat, an, sondern auf den die Anhängigkeit des Verfahrens begründenden Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 01.02.1997. Hierin wendet sich der Antragsteller mit der Verpflichtungsklage gegen den die Verlegung ablehnenden Bescheid der Antragsgegnerin. Mit diesem Bescheid hat die Antragsgegnerin entgegen der Ansicht der Strafvollstreckungskammer eine vollzugsbehördliche Maßnahme i.S.d. § 109 Abs. 1 StVollzG getroffen, denn sie hat die Ablehnung der Verlegung - zumindest auch - damit begründet, daß die Voraussetzungen des § 8 StVollzG nicht gegeben seien (vgl. dazu auch KK-Kissel, StPO, 3. Aufl., § 23 EGGVG Rz 97; Pohlmann/Jabel-Wolf, StVollstrO, 7. Aufl., § 21 Rz 12 "Unzuständige Vollzugsanstalt" und § 24 Rz 15, 19 und 28; Pohlmann/Jabel-Jabel, a.a.O., § 26 Rz 21). Entsprechend stützt der Antragsteller sein Begehren, wie die Strafvollstreckungskammer richtig erkannt hat, u.a. darauf, daß die Antragsgegnerin aufgrund des gemäß § 130 StVollzG auch für ihn als Sicherungsverwahrten geltenden § 8 Abs. 1 StVollzG verpflichtet sei, seine Verlegung in die JVA Werl zu veranlassen.
Ob die Antragsgegnerin in Hinblick auf den ihr vorliegenden Antrag überhaupt Anlaß hatte, über eine Verlegung nach § 8 StVollzG zu entscheiden, ist demgegenüber erst eine Frage der sachlichen Prüfung und daher für die Beurteilung der Zuständigkeit ohne Belang. Allerdings läßt sich dem Vorbringen des Antragstellers entnehmen, daß es ihm überhaupt um eine Verlegung geht, auf welche rechtlichen Erwägungen sie sich auch stützen mag.
Für die Zulässigkeit des Rechtsweges reicht es aus, wenn sie auch nur für einen in Frage kommenden Klagegrund gegeben ist (vgl. Kissel, a.a.O., § 17 Rz 27). Nichts anderes kann für die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer als Strafvollzugsgericht gelten. Insoweit kann dahinstehen, ob dem Bescheid der Antragsgegnerin überhaupt eine Entscheidung auch über ihre örtliche Zuständigkeit zu entnehmen ist, wie dies die Strafvollstreckungskammer meint. Es spricht einiges dafür, die Ausführungen des Bescheids zu dieser Frage dahin zu verstehen, daß die Antragsgegnerin die entsprechende Ansicht der Vollstreckungsbehörde teilt und keinen Anlaß sieht, die Vollstreckungsbehörde von sich aus - nochmals - mit der Zuständigkeitsfrage zu befassen. Eine Entscheidung zu wiederholen, die die Vollstreckungsbehörde durch die Unterbringung des Antragstellers in der JVA ... schon längst getroffen hat, wäre völlig sinnlos gewesen. Eine solche Auslegung des Bescheids stände im übrigen in Übereinstimmung mit dem Beschwerdevorbringen.
Da die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin begründet ist, ist der Rechtsstreit weiterhin bei der Strafvollstreckungskammer anhängig.