Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 16.05.1997, Az.: 2 Ss (OWi) 358/96
Selbstständiges Verfallverfahren im Hinblick auf die Einnahmen eines privaten Rundfunkbetreibers aus der Schaltung unzulässiger Werbeinseln; Unzulässige Unterbrechung von Kino- und Fernsehspielfilmen durch Werbung trotz Verbotsverfügung; Anwendbarkeit der Ausnahmeregelung für Reihen auf unter einem Oberbegriff gesendete in sich abgeschlossene Filme; Ausreichen bloß formaler Gemeinsamkeiten; Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz wegen Entfallens der Möglichkeit des Verfalls von Einnahmen aus unzulässiger Werbung im Falle öffentlich-rechtlicher Rundfunkveranstalter; Wesentliche Unterschiede hinsichtlich Struktur, Funktion und Kontrollmechanismen; Verstoß einer Straf- oder Bußgeldvorschrift gegen den Bestimmtheitsgrundsatz; Vereinbarkeit einer engeren Auslegung des Reihenbegriffs durch den Landesgesetzgebers mit dem Begriff der EG-Fernsehrichtlinie; Unzulässigkeit der Rechtsbeschwerde wegen Unvollständigkeit der vorgetragenen Verfahrenstatsachen; Unterbleiben einer Mitteilung über den Gebrauch oder Nichtgebrauch einer Verfahrensvereinfachung; Pflicht des Gerichts zur ausführlichen Wiedergabe der Einlassung eines früheren Betroffenen und deren Würdigung; Pflicht zur Konsultation von Sachverständigen im Rahmen der Ermittlung von für die Begriffsauslegung bedeutsamem Erfahrungswissen
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 16.05.1997
- Aktenzeichen
- 2 Ss (OWi) 358/96
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1997, 24155
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1997:0516.2SS.OWI358.96.0A
Rechtsgrundlagen
- Art. 3 GG
- Art. 103 Abs. 2 GG
- § 9 Abs. 1 Nr. 2 OWiG
- § 29a Abs. 2 OWiG
- § 29a Abs. 3 OWiG
- § 78 Abs. 1 S. 2 OWiG
- § 26 Abs. 4 RfStV 1991
- § 32 Abs. 1 Nr. 10 RfStV 1991
- § 44 Abs. 4 RfStV 1997
- § 49 Abs. 1 Nr. 23 RfStV 1997
- § 33 Abs. 7 LRG
- § 69 Abs. 1 Nr. 12 LRG
- § 261 StPO
- § 344 Abs. 2 S. 2 StPO
- Art. 11 Abs. 3 RL 89/552/EWG
Fundstelle
- NStZ 1997, 554-556 (Volltext mit amtl. LS)
In dem selbständigen Verfallverfahren
hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Celle
auf die Rechtsbeschwerde der Nebenbeteiligten
gegen das Urteil des Amtsgerichts ... vom 22.08.1996
nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... sowie
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
am 16.05.1997
für Recht erkannt:
Tenor:
Unter Verwerfung der weitergehenden Rechtsbeschwerde wird das angefochtene Urteil wegen eines für verfallen erklärten Betrages in Höhe von 729.236,25 DM mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts ... zurückverwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
Das Amtsgericht hat in einem selbständigen Verfahren gemäß § 29 a Abs. 2, 3 OWiG gegen die Nebenbeteiligte, eine der größten privaten Rundfunkveranstalterinnen in der Bundesrepublik Deutschland, den Verfall eines Betrages von insgesamt 20.127.751 DM angeordnet, weil sie in der Zeit vom 07.10.1993 bis zum 29.06.1994 insgesamt 34 Kino- und Fernsehspielfilme unzulässig durch Werbung unterbrochen und dabei gegen §§ 26 Abs. 4, 32 Abs. 1 Nr. 10 RfStV 1991 - inhaltsgleich mit §§ 44 Abs. 4, 49 Abs. 1 Nr. 23 RfStV 1997 - sowie gegen §§ 33 Abs. 7, 69 Abs. 1 Nr. 12 LRG verstoßen habe.
Ein Bußgeldverfahren gegen die Nebenbeteiligte und ihren Vertreter im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 OWiG, den Geschäftsführer ..., hatte die nieder sächsische Landesmedienanstalt gemäß § 47 Abs. 1 OWiG eingestellt.
Den Feststellungen des angefochtenen Urteils zufolge hat die Nebenbeteiligte mit Wissen und Billigung ihres Geschäftsführers im genannten Zeitraum 34 Filme unter dem Obertitel "Der große TV-Roman" sowie den Untertiteln "Gefährliche Leidenschaften", "Familienschicksale" und "Schicksalhafte Begegnungen" jeweils am gleichen Sendeplatz und damit zum immer wiederkehrenden gleichen Zeitpunkt ausgestrahlt, wobei jeder der einzelnen Filme einen in sich abgeschlossenen Roman zum Gegenstand hatte. 31 Filme wurden durch 4 und die restlichen 3 durch 3 Werbeinseln unterbrochen.
Bereits durch Bescheid vom 12.11.1993 hatte der ... - Rechtsvorgänger der ... - die Nebenbeteiligte auf die Rechtswidrigkeit ihrer Werbepraxis hingewiesen und ihr untersagt, die unter diesem Obertitel ausgestrahlten Filme häufiger durch Werbung zu unterbrechen, als dies nach § 26 Abs. 4 Satz 4 RfStV zugelassen sei. Danach darf jeder Fernseh- bzw. Spielfilm, der länger als 45 Minuten dauert, nur einmal je vollständigen 45-Minutenzeitraum unterbrochen werden. Eine weitere Unterbrechung ist zulässig, wenn diese Sendungen mindesten 20 Minuten länger dauern als zwei vollständige 45-Minutenzeiträume, also mindestens 110 Minuten Sendelänge haben.
In dieser Verfügung ist die Nebenbeteiligte zugleich darauf hingewiesen worden, auf die unter dem Oberbegriff "Der große TV-Roman" gesendeten Filme sei nicht die Ausnahmeregelung des § 26 Abs. 4 Satz 1 RfStV anzuwenden, nach der Reihen beliebig häufig durch Werbung unterbrochen werden dürfen, solange nur ein Abstand von 20 Minuten zwischen den Werbeschaltungen eingehalten wird. Denn nur formale Kriterien wie gemeinsamer Obertitel, gemeinsamer Sendeplatz mit gleicher Sendezeit sowie in sich abgeschlossene romanhafte Handlung seien nicht geeignet, den Tatbestand "Reihe" im Sinne des Rundfunkstaatsvertrages zu erfüllen.
Obwohl im Bescheid dessen sofortige Vollziehbarkeit angeordnet worden war, setzte die Beteiligte die beanstandete Werbepraxis fort. Die Nebenbeteiligte beantragte zugleich einstweiligen Rechtsschutz bei dem Verwaltungsgericht. Erst nachdem das Oberverwaltungsgericht ... am 04.07.1994 die Beschwerde der Nebenbeteiligten gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts ... vom 30.11.1993 zurückgewiesen hatte, änderte sie ihr Verhalten. Beide Gerichte hatten es abgelehnt, die sofortige Vollziehung des Bescheids des Landesrundfunkausschusses aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der inzwischen von der Nebenklägerin hiergegen erhobenen Klage wiederherzustellen. Das ebenfalls eingeleitete verwaltungsgerichtliche Hauptsacheverfahren ist noch anhängig.
Noch in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht haben die Nebenbeteiligte und ihr Vertreter, der Geschäftsführer ..., die Ansicht vertreten, der Begriff "Reihe" im Sinne von Rundfunkstaatsvertrag und Landesrundfunkgesetz sei weit auszulegen. Deshalb seien die seinerzeit zusätzlich geschalteten Werbeunterbrechungen rechtens gewesen.
Demgegenüber vertritt das Amtsgericht die Auffassung, die ausgestrahlten 34 Kino- bzw. Fernsehspielfilme bildeten keine Reihe i.S.v. § 26 Abs. 4 Satz 1 RfStV bzw. § 33 Abs. 7 Satz 1 LRG. Es fehle insbesondere an einer inhaltlichen Verbundenheit der Filme. Bloße formale Gemeinsamkeiten reichten nicht aus.
Hinsichtlich der Filme mit einer Länge von mehr als 110 Minuten Sendezeit verstoße die Ausstrahlung der vierten Werbeinsel, bei Filmen mit einer Länge von weniger als 110 Minuten auch die Schaltung der dritten Werbeinsel gegen § 26 Abs. 4 RfStV und § 33 Abs. 7 LRG. Dabei ist das Amtsgericht bei der Ermittlung der Sendedauer zugunsten der Nebenbeteiligten vom sog. Bruttoprinzip ausgegangen und hat zur Sendezeit des Films auch die darin enthaltenen Werbeinseln hinzugerechnet. Das Amtsgericht hat mithin die Bußgeldtatbestände der §§ 32 Abs. 1 Nr. 10 RfStV, 69 Abs. 1 Nr. 12 LRG für erfüllt angesehen und gemäß § 29 a OWiG die Einnahmen der Nebenbeteiligten durch die Schaltung der vierten bzw. teilweise auch dritten Werbeinseln für verfallen erklärt. Als Täter i.S.v. § 29 a Abs. 2 OWiG hat sie dabei den Geschäftsführer ... angesehen, der für die Nebenbeteiligte im Sinne dieser Bestimmung gehandelt habe; § 9 Abs. 1 Nr. 2 OWiG.
Bei der Ermittlung des Verfallsbetrages hat das Amtsgericht die Beträge zugrunde gelegt, welche der Nebenbeteiligten von einer Vermarktungsfirma überwiesen worden waren (Nettozahlungen ohne Umsatzsteuer und ohne Agenturvergütung). Die Höhe der Einnahmen für jede dieser Werbeinseln bewegten sich zwischen 66.399,21 DM und 822.751,18 DM. Die Addition dieser Einnahmen ergibt den Verfallbetrag von 20.127.751 DM.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde der Nebenbeteiligten. Es wird die Verletzung förmlichen wie materiellen Rechts geltend gemacht.
II.
A.
Das Rechtsmittel ist wegen eines für verfallen erklärten Betrages in Höhe von 129.236,25 DM erfolgreich. Die hierzu getroffenen Feststellungen im angefochtenen Urteil erweisen sich als widersprüchlich. Dies führt im erkannten Umfang, zur Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.
Das Amtsgericht teilt die Werbeeinblendungen und die hierfür, erzielten Einnahmen für die 34 Filme mit. Die unzulässig geschalteten Werbeinseln und die daraus erzielten, für verfallen erklärte Einnahmen sind dabei durch Unterstreichung gekennzeichnet. Bei zwei dieser Filme, Nr. 14 und 15, sind auf diese Weise die Einnahmen aus der 3. - und letzten - Werbeinsel für verfallen erklärt worden. Hieraus wäre zu schließen, daß diese beiden Filme eine Sendedauer von 110 Minuten nicht erreicht hatten. Hierzu im Widerspruch steht allerdings die Feststellung, die Filme mit den lfd. Nrn. 13, 17, 18, 21, 22, 25, 27, 29, 33 und 34 wiesen eine Gesamtlänge von weniger als 110 Minuten auf, die übrigen Filme seien mindestens 110 Minuten lang oder länger. Hieraus könnte der Schluß gezogen werden, daß auch die Filme mit der Nr. 14 und der Nr. 15 in diese Kategorie fielen, so daß die Sendung der dritten Werbeinsel nicht gegen das Rundfunkrecht verstieße. Diesen offenkundigen Widerspruch kann der Senat nicht aufklären. Denn ihm sind eigene Feststellungen über die Länge der Filme Nr. 14 und 15 verwehrt. Die Sache bedarf deshalb insoweit ergänzender Aufklärung durch das Amtsgericht. Da in der vom Amtsgericht mitgeteilten Tabelle auf die Schaltung der dritten Werbeinsel für die Filme Nr. 14 und 15 Einnahmen in Höhe von 316.997,48 DM und von 412.238,77 DM entfallen, ist damit der aufzuhebende Verfallbetrag von 729.236,25 DM eindeutig von den ansonsten für verfallen erklärten Beträgen abgrenzbar. Deshalb ist die Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz nur in dieser Höhe erforderlich.
B.
Dagegen hält das angefochtene Urteil im übrigen der rechtlichen Nachprüfung stand. Insoweit verwirft der Senat die Rechtsbeschwerde der Nebenbeteiligten entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft gemäß §§ 79 Abs. 3 OWiG, 349 Abs. 2 StPO als unbegründet.
Der Senat sieht sich jedoch veranlaßt, auf folgende Punkte näher einzugehen:
1.
Die Rüge der Rechtsbeschwerde, das Amtsgericht habe gegen § 261 StPO verstoßen, weil es in seinen Urteilsgründen in der Hauptverhandlung nicht verlesene Teile des Bescheids des Niedersächsischen Landesrundfunkausschusses vom 12.11.1993 und des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Hannover vom 30.11.1993 wiedergegeben habe, erweist sich als unzulässig, weil sie nicht formgerecht im Sinne von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO erhoben worden ist. Die den Verfahrensmangel begründenden Tatsachen müssen so genau und vollständig dargelegt werden, daß das Rechtsbeschwerdegericht allein aufgrund der Begründungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen sind oder bewiesen werden. Die von der Rechtsbeschwerde vorgetragenen Verfahrenstatsachen sind jedoch unvollständig. Es wird nämlich nicht mitgeteilt, ob in der Hauptverhandlung von der Verfahrensvereinfachung des § 78 Abs. 1 Satz 2 OWiG Gebrauch gemacht worden ist, ob nämlich das Gericht festgestellt hat, die in der Hauptverhandlung anwesenden Vertreter der Nebenbeteiligten und der Staatsanwaltschaft hätten vom Wortlaut der Schriftstücke Kenntnis genommen bzw. dazu Gelegenheit gehabt. Mit einer solchen Feststellung wäre zugleich klargestellt, daß die beiden Schriftstücke so in die Hauptverhandlung eingeführt sind, als wären sie verlesen worden; Göhler, OWiG, 11. Aufl., § 78 Rz. 1 d; KK-OWi-Senge § 78 Rz 2. Mangels vollständigen Vortrags der Verfahrenstatsachen ist dem Senat insoweit auch der Blick in das Hauptverhandlungsprotokoll verwehrt. Daß die Rechtsbeschwerdeführerin in ihrer Gegenerklärung auf den Antrag der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 3 StPO zur Verfahrensvereinfachung nach § 78 Abs. 1 Satz 2 OWiG vorträgt, ist in diesem Zusammenhang unbeachtlich, weil außerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 StPO neuer Tatsachenvortrag zur Begründung bereits erhobener Verfahrensrügen nicht zulässig ist.
2.
Die Rüge der Rechtsbeschwerde, das Amtsgericht habe gegen § 261 StPO dadurch verstoßen, daß es einen in der Hauptverhandlung erörterten Beweisstoff, nämlich ein vom Geschäftsführer der Nebenbeteiligten überreichtes Schriftstück über den Vergleich der Werbezeiten vom 01.01.1994 bis zum 30.06.1994 einerseits, vom 01.01.1996 bis zum 30.06.1996 andererseits, nicht erkennbar in den Urteilsgründen berücksichtigt habe, ist jedenfalls unbegründet. Das Gericht ist nicht gehalten, das tatsächliche Vorbringen eines Prozeßbeteiligten in allen Punkten ausführlich wiederzugeben. Dies gilt auch für die Wiedergabe der Einlassung eines früheren Betroffenen wie hier des Vertreters der Nebenbeteiligten und deren Würdigung. Eine Erörterung ist nur dann erforderlich, wenn sie sich als wesentlicher Gesichtspunkt aufdrängt; KK-Hürxthal, StPO, 3. Aufl., § 267 Rz. 14 f. Die Rüge ist auch deshalb unbegründet, weil sich der Amtsrichter im Rahmen seiner Erörterung zur Höhe des Verfalls mit dem Umstand auseinandersetzt, daß die Nebenbeteiligte bei rechtskonformer Werbung dieselben Erlöse hätte erzielen können, wie sie dies in den hier beanstandeten Fällen hat. Daß das Gericht dabei andere Schlußfolgerungen zieht, als dies die Nebenbeteiligte wünscht, ist für die Beurteilung der Verfahrensrüge ohne Bedeutung.
3.
Die Rüge, das Amtsgericht habe seine Aufklärungspflicht dadurch verletzt, daß es kein Sachverständigengutachten zu der Frage eingeholt habe, in welchem Sinne der Begriff "Reihe" in der Praxis der Fachkreise, insbesondere auch bei den anderen Landesmedienanstalten, verwendet werde, hat keinen Erfolg. In ihrem Kern bemängelt damit die Rechtsbeschwerde, der Amtsrichter hätte sich zur Ermittlung von für die Begriffsauslegung bedeutsamem Erfahrungswissen sachverständig beraten lassen müssen. Diese Beanstandung kann nicht im Wege der Verfahrensrüge geltend gemacht werden. Sie ist, weil es dabei um Rechtsanwendung geht, dem Strengbeweisverfahren nicht zugänglich. Ob sich eine bestimmte Handhabung des Reihenbegriffs i.S.v. § 26 Abs. 4 Satz 1 RfStV herausgebildet hatte, könnte, falls erforderlich, im Rahmen der Sachprüfung des angefochtenen Urteils im Freibeweisverfahren durch den Senat geklärt werden; Alsberg/Nüse/Meyer, Der Beweisantrag im Strafprozeß, 5. Aufl., S. 211. Doch kommt es darauf nicht an (s. auch im folgenden unter 5.).
4.
Die Bußgeldtatbestände der §§ 26 Abs. 4, 32 Abs. 1 Nr. 10 RfStV und 33 Abs. 7, 69 Abs. 1 Nr. 12 LRG verstoßen nicht gegen höherrangiges Recht.
a)
Die Tatsache, daß nur Betreiber privaten Rundfunks diesen Vorschriften unterliegen, nicht aber öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten, so daß bei letzteren die Möglichkeit des Verfalls von Einnahmen aus unzulässiger Werbung entfällt, verletzt nicht den Gleichheitssatz aus Art. 3 GG.
Eine ungleiche Behandlung im Sinne dieser Bestimmung liegt nur dann vor, wenn wesentlich Gleiches ungleich behandelt wird. Für den hier vorliegenden Fall müßte daher der private Rundfunkveranstalter anders behandelt werden als der öffentlich-rechtliche Veranstalter, obwohl zwischen beiden keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß die ungleiche Behandlung gerechtfertigt wäre (BK-Rüfner, GG, Stand November 1996, Art. 3 Abs. 1 Rz 25). Zwischen beiden Veranstaltern gibt es aber wesentliche Unterschiede hinsichtlich Struktur, Funktion und Kontrollmechanismen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk dient der Grundversorgung der Bevölkerung mit Informationen. Er finanziert sich weit überwiegend aus Gebühren, Werbung darf nur werktäglich bis 20 Uhr für die Dauer von insgesamt 20 Minuten ausgestrahlt werden. Gänzlich unzulässig ist die Werbung in den Dritten bzw. in den Spartenprogrammen. Der öffentliche Rundfunk darf keinen Gewinn erzielen. Die öffentlich-rechtlichen Anstalten als Träger öffentlicher Verwaltung sind schon gemäß Art. 20. Abs. 3 GG an Gesetz und Recht gebunden. Sie unterliegen der Rechtsaufsicht der Länder gemäß § 31 NDRStV bzw. § 29 ZDFStV. Bei Gesetzesverstößen kann von den Aufsichtsbehörden unmittelbar eingegriffen werden.
Demgegenüber dienen privatrechtlichen Rundfunkveranstaltern als Einnahmequelle fast ausschließlich die Werbeentgelte. Ihnen ist es erlaubt, 20 % der täglichen Sendezeit zu Werbezwecken zu verwenden. Privater Rundfunk wird zudem in Form von Wirtschaftsunternehmen des privaten Rechts betrieben und ist auf Gewinnerzielung ausgerichtet. Bei Verstößen gegen Vorschriften über die Unterbrecherwerbung sind die privaten Rundfunkveranstalter keinen unmittelbaren Eingriffen seitens der Aufsichtsbehörde ausgesetzt. Gegen eine Untersagungsverfügung der Landesmedienanstalt kann sich der private Veranstalter, wie es auch hier geschehen ist, um Rechtsschutz bemühen und im Einzelfall sogar davon ausgehen, daß sein rechtswidriges Verhalten bis zur Klärung durch die Verwaltungsgerichte zunächst toleriert wird. Dabei entstehende, rechtswidrige Einnahmen könnten ohne den Bestand einer Bußgeldvorschrift weder sanktioniert noch abgeschöpft werden.
b)
Der Begriff der "Reihe" in § 26 Abs. 4 Satz 1 RfStV und § 33 Abs. 7 Satz LRG verstößt weiter nicht gegen den in Art. 103 Abs. 2 GG normierten Bestimmtheitsgrundsatz. Danach muß eine Straf- oder Bußgeldvorschrift inhaltlich präzisiert sein, bevor eine Rechtsfolge festgesetzt werden kann. Eine nur globale Umschreibung des rechtswidrigen Verhaltens reicht nicht aus. Anwendungsbereich und Tragweite eines Tatbestandes müssen sich jedenfalls durch Auslegung ermitteln lassen; BVerfG NJW 1995, 1141 [BVerfG 10.01.1995 - 1 BvR 718/89]. Der Begriff der "Reihe" bedarf als unbestimmter, damit aber noch nicht unzulässiger Rechtsbegriff naturgemäß der Auslegung durch den Richter. Solche Auslegung ist nach Wortlaut und Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung auch ohne weiteres möglich. Die Nebenbeteiligte geht für den gleichlautenden Begriff in Art. 11 Abs. 3 der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 03.10.1989 (s. dazu unter c)) selbst davon aus. Daß z.B. Fernsehsendungen wie "Der Alte" unter den Reihenbegriff zu subsumieren sind, ist zweifelsfrei und allgemein anerkannt. Daß jenseits des klaren Begriffkerns Streitfragen über die Einordnung von Fernsehsendungen als Reihe entstehen können, ist kein Kriterium für mangelnde Bestimmtheit des Begriffs "Reihe".
Einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht bedarf es deshalb nicht.
c)
Die in §§ 26 Abs. 4 RfStV, 33 Abs. 7 LRG getroffenen landesrechtlichen Regelungen verstoßen schließlich nicht gegen europäisches Recht.
Die Unterbrecherwerbung in Werken wie Kinospielfilmen und Fernsehfilmen ist in Art. 11 Abs. 3 der Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 03.10.1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit (sog. "Fernsehrichtlinie", 89/552/EWG) geregelt. Aus Art. 25 der Richtlinie 89/552/EWG ergibt sich deren Verbindlichkeit für die Mitgliedsstaaten. Die Formulierungen der §§ 26 Abs. 4 RfStV und 33 Abs. 7 Nds. LRG sind nahezu identisch mit dem Wortlaut von Art. 11 Abs. 3 der Richtlinie. Insbesondere liegt eine dem Wortlaut nach völlig gleiche Verwendung des Reihenbegriffs vor. Sowohl in der europarechtlichen Vorschrift als auch in den landesrechtlichen Regelungen wird jeweils der Begriff "Reihe" gebraucht, ohne daß dieser näher definiert oder eingegrenzt wird.
Daß der Landesgesetzgeber die Fernsehrichtlinie in Landesrecht umsetzen wollte, ergibt sich ausdrücklich zum einen aus der Gesetzesbegründung zu § 26 Abs. 4 RfStV (Landtags-Drucksache 12/1970, S. 74, 76), worin die Übereinstimmung mit europäischen Regelungen betont wird sowie aus der Begründung zu § 33 LRG, in der auf Änderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen für das Rundfunkrecht, u.a. auch auf die Richtlinie 89/552/EWG hingewiesen wird (Landtags-Drucksache 12/4330, S. 53). Die Bedenken des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz (Beschluß des 2. Senats vom 18.02.1994 - 2 B 10185/94. OVG -) teilt der Senat nicht.
Die EG-Fernsehrichtlinie gibt keine verbindliche Auslegung des Begriffs Reihe vor. Hierzu bedürfte es der Änderung dieser Richtlinie. Derartiges ist in naher Zukunft nicht zu erwarten. Dies liegt schon daran, daß die EG-Fernsehrichtlinie in dem durch den Maastrichter Vertrag neu verankerten Verfahren der Mitentscheidung verabschiedet werden muß. Gegenwärtig ist nicht abzusehen, wann sich das europäische Parlament auf der einen Seite und der Rat bzw. die Kommission auf der anderen Seite auf einen gemeinsamen Standpunkt einigen werden; vgl. Dörr, NJW 1997 1341 f.
Bei der Beantwortung der Frage, ob die §§ 26 Abs. 4 RfStV und 33 Abs. 7 LRG mit der EG-Richtlinie 89/552/EWG im Einklang stehen, ist insbesondere auf Art. 3 dieser Richtlinie hinzuweisen. Danach können die Mitgliedstaaten für Fernsehveranstalter, die ihrer Rechtshoheit unterworfen sind, strengere oder ausführlichere Bestimmungen in den von dieser Richtlinie erfaßten Bereichen vorsehen, sofern diese nicht die durch den EG-Vertrag gewährleisteten Freiheiten, insbesondere Dienstleistungsfreiheit und den freien Warenverkehr beeinträchtigen; so auch EuGH, GRUR Int. 1997, 254, 257. Danach ist zum einen nicht zu beanstanden, daß der in Art. 11 Abs. 3 der Fernsehrichtlinie enthaltene Begriff programmierte Sendezeit bzw. programmierte Sendedauer nicht in das Landesrecht übernommen worden ist. Andererseits ist es dem - niedersächsischen - Gesetzgeber unbenommen, den Begriff "Reihe" eine enge Bedeutung beizulegen, ohne dabei ein eventuelles großzügigeres Begriffsverständnis des Rates der Europäischen Gemeinschaften beachten zu müssen. Es kann deshalb dahinstehen, ob die Auffassung der Nebenbeteiligten zutrifft, die EG-Fernsehrichtlinie werde hinsichtlich der Bedeutung des Reihenbegriffs großzügiger ausgelegt als vom Amtsgericht zugrunde gelegt. Von Interesse ist allein, was der Begriff Reihe nach niedersächsichem Landesrecht bedeutet. Die Voraussetzungen einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof sind nicht gegeben.
5.
Die vom Amtsgericht im vorliegenden Fall vorgenommene Auslegung des Begriffs Reihe ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die von der Nebenbeteiligten in der Zeit vom 07.10.1993 bis zum 29.06.1994 unter dem gemeinsamen Obertitel "Der große TV-Roman" ausgestrahlten 34 Kino- bzw. Fernsehfilme stellen keine Reihe im Sinne der §§ 26 Abs. 4 Satz 1 RfStV, 33 Abs. 7 Satz 1 LRG dar.
Einer positiven Begriffsbestimmung durch den Senat bedarf es dazu nicht. Es genügt fallbezogen festzulegen, welche Fernsehsendungen den Reihenbegriff nicht ausfüllen.
Der Begriff Reihe ist nicht gesetzlich definiert; auch die Entstehungsgeschichte gibt für seine Auslegung nichts Ergiebiges her. Er wird auf verschiedenen Gebieten in ganz unterschiedlicher Bedeutung verwendet. Aus dem Gesetz selbst läßt sich ableiten, daß u.a. mit einer Reihe bestimmte Kinospiel- oder Fernsehfilme aus einem Schutzbereich herausgenommen werden sollen, weil sie - wie auch Serien, leichte Unterhaltungssendungen und Dokumentarsendungen - eines so weitgehenden Schutzes nicht bedürfen. Die angezogenen Bestimmungen bezwecken dabei den Schutz der Kino- bzw. Fernsehspielfilm-Kultur vor den kommerziellen Interessen des privaten Rundfunkveranstalters zur Erzielung möglichst hoher Werbeeinnahmen. Derartige Filmwerke sollen vor Unterteilungen und Unterbrechungen geschützt werden, die allein an den Interessen der werbenden Wirtschaft orientiert sind; OVG Lüneburg, Beschluß vom 04.07.1994 - 6 B 7458/93 -; Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, Rundfunkstaatsvertrag, 2. Aufl. (1995) § 26 Rz 13. Dieser Schutzzweck für Filme der erwähnten Art würde verfehlt, wenn es möglich wäre, Spielfilme, die - neben gleicher Sendezeit - nichts miteinander verbindet als die Behandlung von eine große Zuschauerzahl interessierenden, beliebigen dramatischen oder anrührenden Geschehnissen mittels eines ausreichend umfassend gewählten Obertitels wie "Der große TV Roman", "Gefährliche Leidenschaften", "Familienschicksale" oder "Schicksalhafte Begegnungen" zu einer Reihe zu verbinden. Gerade so ist die Nebenbeteiligte aber vorgegangen, wie die rechtlich nicht angreifbaren und ausreichenden Feststellungen des Amtsgerichts eindeutig, belegen. Derartige äußerliche und formale Übereinstimmungen genügen zur Ausfüllung des Reihenbegriffs nicht. Die Einrichtung einer besonderen Redaktion für derartige Sendungen hat in diesem Zusammenhang ganz außer Betracht zu bleiben, weil sie für den Fernsehzuschauer, um dessen Schutz es letztlich geht, weder einsichtig noch von Bedeutung ist; es geht dabei ersichtlich um eine reine organisatorische Maßnahme im Betrieb der Nebenbeteiligten.
6.
Das Amtsgericht hat auch zu Recht die Voraussetzungen für die Anordnung des Verfalls nach § 29 a OWiG für gegeben erachtet. Gemäß § 29 a Abs. 2 OWiG liegen sie bereits vor, wenn der Täter einer mit Geldbuße bedrohten Handlung für einen anderen gehandelt und dieser dadurch etwas erlangt hat. Nach der Begriffsbestimmung in § 1 Abs. 2 OWiG muß diese Handlung nicht vorwerfbar begangen sein. Rechtswidrigkeit reicht aus. In dem hier zu entscheidenden Fall ist dem angefochtenen Urteil ohne weiteres zu entnehmen, daß der frühere Betroffene und Vertreter der Nebenbeteiligten, der Geschäftsführer ... auch schuldhaft gehandelt hat. Dabei kann dahinstehen, ob er bei seiner Auslegung des Merkmals "Reihe" einem vorsatzausschließenden Tatbestandsirrtum erlegen war oder ob es sich dabei lediglich um einen vermeidbaren und den Vorsatz nicht ausschließenden Subsumtionsirrtum gehandelt hat. Auch bei der Annahme eines Tatbestandsirrtums bleibt die Möglichkeit der Ahndung wegen fahrlässigen Handelns bestehen; § 11 Abs. 1 Satz 2 OWiG. § 32 Abs. 1 RfStV wie auch § 69 Abs. 1 LRG stellen ausdrücklich auch fahrlässiges Zuwiderhandeln unter Geldbuße. Daß ... im Hinblick auf Anordnung und Billigung der unzulässigen Unterbrecherwerbung der Vorwurf fahrlässigen Zuwiderhandelns gegen §§ 26 Abs. 4 RfStV, 33 Abs. 7 LRG trifft, belegt das angefochtene Urteil ohne weiteres.
7.
Das Amtsgericht hat zudem den Rechtsbegriff des erlangten "Etwas" im Sinne von §§ 29 a OWiG rechtsfehlerfrei ausgelegt. Diese Vorschrift ist - ebenso wie u.a. § 73 Abs. 1 StGB - durch das am 07.03.1992 in Kraft getretene "Gesetz zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes, des Strafgesetzbuches und anderer Gesetze" (BGBl I 372) dergestalt geändert worden, daß nicht mehr nur der Vermögensvorteil aus einer mit Geldbuße bedrohten Handlung abgeschöpft werden muß, sondern daß nunmehr wirtschaftliche Werte, die in irgend einer Phase des Tatablaufs erlangt wurden (wie das "Etwas") in ihrer Gesamtheit erfaßt und dem Verfall zugeführt werden sollen.
Nach dem erklärten Ziel des Gesetzgebers soll damit vom Netto- zum Bruttoprinzip übergegangen werden; d.h. es soll alles das, was der Täter oder der von ihm vertretene Dritte für die mit Geldbuße bedrohte Handlung erlangt hat, ohne Abzug gewinnmindernder Kosten abgeschöpft werden; BGH NStZ 1994, 123. Die Bruttogewinnabschöpfung ist jedenfalls immer dann statthaft, wenn wie im vorliegenden Fall der Täter auch schuldhaft gehandelt hat; vgl. nur Eser in Schönke/Schröder, StGB, 25. Aufl., § 73 Rz 2, 4.
Das im Sinne von § 29 a Abs. 2 OWiG erlangte Etwas ist somit die Vergütung, welche die Agentur für die jeweiligen Werbungen in den verbotenen Inseln an die Nebenbeteiligte gezahlt hat (Nettobeträge ohne Mehrwertsteuer und Agenturvergütung). Daß die Werbezeit aus den unzulässigen Unterbrechungen ohne weiteres noch hätte auf die zulässigen Inseln verteilt werden können, ohne damit gegen das Recht zu verstoßen, ist für die Verfallentscheidung ohne Belang. Es kommt jetzt nicht mehr darauf an, daß sich die Nebenbeteiligte bzw. ihr Vertreter auch rechtstreu hätte verhalten können. Entscheidend ist vielmehr, daß sie dies nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils - bislang mit Ausnahme der Filme Nr. 14 und 15 - gerade nicht getan hat.
III.
Der Senat sieht keinen Anlaß, die eingangs erwähnte, noch ausstehende Hauptsacheentscheidung der Verwaltungsgerichte abzuwarten. Ebensowenig bestand Grund, eine Hauptverhandlung durchzuführen.