Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 09.12.1998, Az.: 8 A 8348/98

Schließung einer Mehrkammerkläranlage wegen Nichterfüllung der allgemein anerkannten Regeln der Technik; Anschluss weiterer Wohneinheiten an die dafür nicht ausgelegte Sammelkläranlage; Erhöhung der Kanalbenutzungsgebühr auf Grund vermehrter Nutzung

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
09.12.1998
Aktenzeichen
8 A 8348/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1998, 30432
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGBRAUN:1998:1209.8A8348.98.0A

Verfahrensgegenstand

Kanalbenutzungsgebühren

In der Verwaltungsrechtssache
hat die 8. Kammer des Verwaltungsgerichts Braunschweig
auf die mündliche Verhandlung vom 9. Dezember 1998
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Büschen,
den Richter am Verwaltungsgericht Dr. Struß,
den Richter am Verwaltungsgericht Krause sowie
die ehrenamtlichen Richterinnen Baumgarten und Gliese
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der Kläger ist Eigentümer des bebauten Grundstücks ... in dem Baugebiet ... in dem Ortsteil ... der Mitgliedsgemeinde ... der Beklagten. Dieses Grundstück wurde gemeinsam mit weiteren neun Baugrundstücken 1980 an eine dort im ... von der Beklagten errichtete und betriebene Mehrkammerkläranlage angeschlossen. Die Mehrkammerkläranlage war ausweislich der Bauanzeige vom 01.12.1978 für den Anschluß von 56 Einwohnern mit einer Abwassermenge von 150 l pro Einwohner und Tag ausgelegt. Die Baukosten von 13.872,18 DM wurden Ende 1980 von der Beklagten zu gleichen Teilen auf die anliegenden Grundstücke umgelegt.

2

1995 wurde in ... das Baugebiet ... ausgewiesen. Die Baugrundstücke wurden an Bauwillige veräußert und fünf Grundstücke mit Genehmigung der Beklagten an die Mehrkammerkläranlage im ... angeschlossen. In diesem Zusammenhang teilte der Landkreis Goslar der Beklagter mit Schreiben vom 25.08.1995 mit, daß die vorhandene Kläranlage nicht die allgemein anerkannten Regeln der Techhik erfülle und darüber hinaus für die bereits angeschlossenen Einwohner unterdimensioniert sei. Daraufhin ließ die Beklagte den Ablauf der Gruppenkläranlage verschließen. Seit dem 01.11.1996 wird das Abwasser aus der nunmehr als abflußlose Sammelgrube betriebenen Gruppenkläranlage mit Fahrzeugen zur Kläranlage Lutter transportiert.

3

Mit Bescheid vom 20.11.1997 zog die Beklagte den Kläger für den Zeitraum vom 01.04.1997 bis 31.10.1997 zu einer Kanalbenutzungsgebühr in Höhe von 216,20 DM heran, wobei sie von einer Kanalbenutzungsgebühr von 4,70 DM je cbm Abwasser ausging. Hiergegen legte der Kläger am 19.12.1997 Widerspruch ein mit der Begründung, es müsse bei der bisherigen Kanalbenutzungsgebühr von 1,95 DM pro cbm Wasser verbleiben, da die Beklagte durch den Anschluß weiterer Wohneinheiten an die dafür gar nicht ausgelegte Sammelkläranlage deren Verkapselung verursacht habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 31.03.1998 wies die Beklagte diesen Widerspruch zurück. Darin heißt es u.a., der Anschluß weiterer Wohneinheiten sei für die Versiegelung der Gruppenkläranlage nicht ausschlaggebend gewesen. Vielmehr habe sie nur noch als abflußlose Sammelgruppe weiter betrieben werden dürfen, da sie den allgemeinen technischen Anforderungen nicht mehr genügt habe.

4

Zur Begründung der daraufhin am 30.04.1998 erhobenen Klage trägt der Kläger vor, allein die Beklagte habe die Erhöhung der Kanalbenutzungsgebühr von 1,95 DM auf 4,70 DM zu verantworten und damit auch zu tragen. Noch mit Schreiben vom 2.06.1995 habe der Landkreis Goslar als untere Wasserbehörde die Beklagte darauf hingewiesen, daß Betrieb und Wartung der Mehrkammerausfaulgrube so einzurichten seien, daß die Kleinkläranlage in ihrem Bestand und ihrer bestimmungsgemäßen Funktion nicht beeinträchtigt oder gefährdet werde. Die Beklagte sei dieser Verpflichtung, die auch eine ständige Anpassung an den Stand der Technik erfordere, nicht nachgekommen, sondern habe durch den Anschluß weiterer Grundstücke dieser Sammelkläranlage nachhaltig ihrer Funktion beraubt und ihren weiteren Betrieb unmöglich gemacht. Die Beklagte habe eine Kette von Fehlentscheidungen bis hin zur Verkapslung des Abflusses getroffen. Er könne deshalb nicht verpflichtet werden, die Gebühren und Kosten zu tragen, die bei sachgerechter und ermessensfehlerfreier Handlungsweise gar nicht entstanden wären.

5

Der Kläger beantragt,

die Bescheide der Beklagten vom 20.11.1997 und 31.03.1998 aufzuheben, soweit damit die Kanalgebühren von 1,95 DM zuzüglich 0,65 DM pro cbm auf 4,70 DM pro cbm angehoben worden sind.

6

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

7

Sie bezieht sich auf die Gründe der angefochtenen Bescheide und weist ergänzend darauf hin, daß nach ihrem Abwasserbeseitigungskonzept vom 26.11.1996 für 1998 der Bau der Ortskanalisation Neuwallmoden und für 1999 der Bau der Transportleitung von Neuwallmoden nach Altwallmoden geplant sei.

8

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten. Sie waren ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

9

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Beklagte war in Ausübung ihres Organisationsermessens befugt, ihr bisheriges Konzept der Abwasserbeseitigung zu ändern mit der Folge des für den Kläger teureren Anschlusses an die Kläranlage in Lutter am Barenberge.

10

Nach § 1 Abs. 1 der Satzung über die Abwasserbeseitigung und den Anschluß an die öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage der Samtgemeinde Lutter am Barenberge betreibt die Beklagte nach Maßgabe dieser Satzung zur Beseitigung des in ihrem Entsorgungsgebiet anfallenden Abwassers eine rechtlich selbständige Anlage zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung. Art, Lage und Umfang der öffentlichen Abwasseranlagen sowie den Zeitpunkt ihrer Herstellung, Erweiterung und Sanierung bestimmt die Samtgemeihde im Rahmen der ihr obliegenden Abwasserbeseitigungsflächen (§ 1 Abs. 4 der Satzung). Der hiermit der Gemeinde eingeräumte - und von der Rechtsprechung allgemein anerkannte (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 3.4.1997 - 9 L 179/96 - in Nds. Verwaltungsblätter 1997, 261) - Ermessensspielraum findet seine Grenze erst in dem Willkürverbot des Art. 3 des Grundgesetzes. Die Gemeinde kann ihre vielfältigen Aufgaben gerade auf dem Gebiet der Abwasserbeseitigung nur dann sachgerecht erfüllen, wenn es ihr überlassen bleibt, über Organisation, Umfang der Anlagen und den Zeitraum ihrer Herstellung eigenverantwortlich zu entscheiden (vgl. Dietzel in Kommunalabgabenrecht, Loseblattsammlung Stand: März 1998, Rdnr. 516 zu § 8).

11

Unter Beachtung dieser Grundsätze war die Beklagte befugt, die ungeachtet ihrer leitungsmäßigen Trennung von dem übrigen Leitungsnetz in dem Gebiet der Beklagten als Teil der einheitlichen Einrichtung betriebene Mehrkammerkläranlage am Haselweg in Neuwallmoden zu versiegeln und die abfallenden Abwässer der Kläranlage in Lutter am Barenberge zuzuleiten. Es ist ihr in Ausübung ihres Ermessens unbenommen darüber zu befinden, ob sie die bisherige Mehrkammerkläranlage den heutigen Anforderungen der Technik entsprechend herrichtet und dann weiterbetreibt oder aber, wie in ihrem Abwasserbeseitigungskonzept festgeschrieben, die dort anfallenden Abwässer mittels einer Druckleitung nach Lutter am Barenberge transportieren will. Gründe, die davon abweichend dem Kläger einen Anspruch auf einen weiteren ungehinderten Betrieb der Mehrkammerkläranlage am Haselweg geben könnten, sind nicht ersichtlich. Weder grundgesetzliche Rechtspositionen noch eine erteilte Baugenehmigung, Vorschriften des niedersächsischen Kommunalabgabengesetzes oder gar eine - nicht erfolgte - "seinerzeitige Widmung der Kläranlage durch Satzung" sind geeignet, einen weiteren Betrieb der den heutigen Regeln der Technik nicht entsprechende Gruppenkläranlage zu gebieten. Gleiches gilt in Ansehung des § 153 Abs. 1 NWG. Diese Vorschrift läßt das Organisationsermessen der Gemeinde unberührt. Die Gemeinde hat die Wahl, ob sie die nach § 153 NWG geforderten Anpassungsarbeiten vornimmt oder aber eine Anlage schließt und eine ordnungsgemäße Abwasserbeseitigung auf andere Art und Weise sicherstellt. Dies muß umso mehr gelten, wenn - wie hier - die geforderte Anpassung einem Neubau der Kläranlage gleichkäme, die zudem dem Abwasserbeseitigungskonzept der Beklagten zuwiderliefe.

12

Als Unterlegener hat der Kläger gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

Büschen
Dr. Struß
Krause