Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 17.03.1978, Az.: 2 U 196/77

Vorhersehbarkeit des Risikos bei Eröffnung eines Geschäftes in einem gewachsenen Stadtviertel und Betreibensverpflichtung in einem neu zu errichtenen Einkaufszentrum; Geschäftsgrundlage der Betreibenspflicht ; Abweichung von der ursprünglich vorgestellten Funktionsfähigkeit eines Einkaufszentrums; Garantieübernahme des Vermieters für Standortbehauptungen

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
17.03.1978
Aktenzeichen
2 U 196/77
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1978, 15156
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1978:0317.2U196.77.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 20.07.1977 - AZ: 23/22 O 9/77

Fundstelle

  • NJW 1978, 2510-2511 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Anspruch aus einem Mietvertrag

In dem Rechtsstreit
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 10. Februar 1978
unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht G. sowie
der Richter am Oberlandesgericht K. und D.
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 20. Juli 1977 verkündete Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hannover wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 13.500 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in dieser Höhe Sicherheit leistet.

Der Wert der Beschwer der Klägerin wird auf 200.000 DM festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beklagte betreibt in der Innenstadt H. ein E. für O. des gehobenen Bedarfs. Mit dem Vertrage vom 21. Dezember 1970 mietete von der Firma C., B., aus L. die im Ihmezentrum in H. zu errichtende Ladeneinheit L Nr. 59. Die Baubeschreibung wurde zum Bestandteil des Vertrages erklärt. In dem Mietvertrage heißt es ferner:

§ 1

Mietgegenstand

(1) ...

(2)
Der Mieter wird in den an ihn vermieteten Räumen

ein Oberbekleidungshaus

betreiben.

(3)
Das Mietobjekt darf einer anderen als der in Absatz 2 genannten Nutzung nur mit schriftlicher Einwilligung des Vermieters zugeführt werden.

§ 2

Mietdauer

(1)
Das Mietverhältnis beginnt mit der Überlassung der Mieträume, jedoch nicht eher als zwei Monate vor der Gesamteröffnung der im "Ihme-Zentrum" vorhandenen Ladengeschäfte.

(2) ...

2

Die Stadt H., der die Grundstücke für das vorgesehene Ihmezentrum gehörten, verkaufte und übereignete an die Klägerin 814 140/10 000 000 Miteigentumsanteile, die in Wohnungs- und Teileigentumsrechte aufgeteilt wurden. Die inzwischen errichtete Ladeneinheit L Nr. 59 befindet sich auf der Grundstücksfläche, die der Klägerin gehört.

3

Das Ihmezentrum war nach der Baubeschreibung als ein neues Geschäftszentrum mit rund 700 Wohnungen und Büroräumen für etwa 2.500 Beschäftigte geplant. Auf drei Geschoßebenen waren Ladenflächen in einer Größe von rund 51.000 qm vorgesehen, die beiderseits einer ausschließlich Fußgängern vorbehaltenen Ladenstraße angeordnet werden sollten, Dieser Geschäftsbereich sollte den Geschäftsbereich in der Innenstadt von H. ergänzen.

4

Am 21. Oktober 1974 zog die Beklagte in den Laden ein. Am 31. Oktober 1974 wurde die mit großem Werbeaufwand angekündigte "Eröffnung" des Ihmezentrums unter Anteilnahme von Vertretern der Stadt, der Bauherren, der Mieter usw. öffentlich gefeiert. Am nächsten Tage eröffnete die Beklagte ihr Geschäft im Ihmezentrum. Mit ihrem an die C. gerichteten Schreiben vom 12. November 1974 erklärte sie u.a., daß sie den Mietzins nur unter Vorbehalt zahlen könne, weil noch nicht zu übersehen sei, ob es zu einer Gesamteröffnung und somit zum Beginn des Mietvertrages komme.

5

In der folgenden Zeit erlitt die Beklagte aus dem Betrieb ihres Geschäfts im Ihmezentrum Verluste, am 22. Dezember 1976 erschien in der H. Allgemeinen Zeitung ein Artikel mit der Überschrift "Ihme-Zentrum soll Billigpreiscenter werden". Zum 31. Dezember 1976 stellte die Beklagte den Geschäftsbetrieb im Ihmezentrum ein. Sie weigert sich, den Laden wieder zu eröffnen. Die Bäume stehen leer.

6

Die Klägerin hat die Beklagte für verpflichtet gehalten, das Geschäft weiterzubetreiben. Sie hat vorgetragen: Die Beklagte habe sich nach § 1 Abs. 2 des Vertrages in Verbindung mit anderen Bestimmungen dieser Vereinbarung verpflichtet, das Geschäft zu betreiben. Mindestens ergäben die Umstände, daß eine solche Verpflichtung stillschweigend vereinbart sei; denn die Beklagte sei mit ihrem Ladengeschäft Bestandteil eines sogenannten multifunktionalen Wohn- und Einkaufszentrums, das nur lebensfähig sei, wenn alle seine aufeinander abgestimmten Bestandteile die ihnen zugedachten und von ihnen übernommenen Einzelaufgaben erfüllten.

7

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, die an sie vermieteten gewerblichen Räume, bestehend aus der Ladeneinheit L 59 im Ihmezentrum in H., in Gebrauch zu nehmen und darin ein Einzelhandelsgeschäft für Oberbekleidung, entsprechend dem üblichen Geschäftsverkehr und nach Maßgabe des Mietvertrages vom 21. Dezember 1970 zu betreiben.

8

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

9

hilfsweise,

ihr nachzulassen, die Vollstreckung abzuwenden.

10

Sie hat geltend gemacht: Eine Gesamteröffnung habe nicht stattgefunden. Darum habe der Mietvertrag noch nicht begonnen. Eine Betriebspflicht sei nicht vereinbart. Jedenfalls sei sie inzwischen weggefallen, nachdem sich herausgestellt habe, daß die Klägerin und die Bauherren nicht dafür gesorgt hätten, daß das Ihmezentrum, wie sie versprochen hätten, ein interessanter Geschäftsbereich werde. Der Zeitungsartikel vom 22. Dezember 1976 mache deutlich, daß das Ihmezentrum auf dem Wege zu einem Billigpreiszentrum sei. Auf eine solche Entwicklung sei sie, die Beklagte, nicht eingerichtet, weil sie Qualitätswaren für gehobene Ansprüche führe und sich nicht auf einen Billigpreisladen umstellen könne, ohne ihre in der Innenstadt von H. und in anderen Städten unterhaltenen Geschäfte zu gefährden. Hinzu kämen die auf den nicht erfüllten Versprechungen beruhenden Verluste, die sich noch vergrößerten, wenn sie, die Beklagte, gezwungen wäre, das Geschäft weiterzubetreiben. Die Klägerin verlange Unzumutbares.

11

Das Landgericht in Hannover hat die Klage mit dem Urteil vom 20. Juli 1977 abgewiesen und angenommen, daß die Beklagte allenfalls für eine bis zum 31. Dezember 1976 begrenzte Anlaufzeit verpflichtet gewesen sei, das Geschäft zu betreiben. Gegen dieses Urteil, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, richtet sich die Berufung der Klägerin,

12

Sie wiederholt und ergänzt ihr Vorbringen. Sie bestreitet die behaupteten Verluste und beantragt,

13

das angefochtene Urteil abzuändern und nach ihrem Klageantrag zu erkennen.

14

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

15

Sie tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen. Sie hält es für ausgemacht, daß eine wirkliche Gesamteröffnung des Ihmezentrums nicht mehr stattfinden werde und daß die Eigentümer und Vermieter des Ihmezentrums die ursprüngliche Gesamtkonzeption dieser Anlage endgültig aufgegeben hätten. Sie macht dem Klageanspruch gegenüber hilfsweise ein Zurückbehaltungsrecht bis zu dem Zeitpunkt geltend, in dem die Klägerin nachweise, daß die Eigentümer die in ihrem Bereich liegenden Bestandteile des ursprünglichen Gesamtplanes hergestellt oder wiederhergestellt hätten. Sie stützt ihr Zurückbehaltungsrecht ferner darauf, daß sich im Untergeschoß des Ladens der Estrich aufgeworfen habe, so daß das Geschäft in diesem Bereich bis zur Behebung dieses Mangels nicht betrieben werden könne.

16

Wegen des Vorbringens der Parteien im einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe

17

Die Berufung hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage mit Recht abgewiesen.

18

Es ist bereits zweifelhaft, ob eine Gesamteröffnung im Sinne von § 2 Abs. 2 des Mietvertrages stattgefunden hat, d.h. ob der Mietvertrag wirksam geworden ist. Ebenso zweifelhaft ist es, ob die Beklagte, wenn der Mietvertrag zustandegekommen ist, von irgendeinem Zeitpunkt an verpflichtet war, das Ladengeschäft zu betreiben. Diese Zweifelsfragen brauchen jedoch nicht beantwortet zu werden, weil die Beklagte auf keinen Fall verpflichtet war, das Geschäft über den 31. Dezember 1976 hinaus weiterzuführen.

19

Wenn die Beklagte aufgrund ausdrücklicher oder stillschweigender Vereinbarung eine Betreibenspflicht hatte, so standen die Auferlegung und die Übernahme dieser Verpflichtung in einem untrennbaren Zusammenhang mit der bei Vertragsschluß vorhandenen Vorstellung beider Parteien, das Ihmezentrum werde entsprechend der Planung gebaut und sich als ein wirtschaftlich lebendiger und die H. Innenstadt ergänzender Geschäftsmittelpunkt erweisen, in dem die Betreibbarkeit einer Vielzahl von Geschäften, darunter auch desjenigen der Beklagten, beiden Parteien zugute kommen werde. Daß ein auf die Begründung einer etwaigen Betreibungspflicht gerichteter beiderseitiger Geschäftswille auf dieser Vorstellung aufbaute, ergibt sich aus den Umständen. Die Klägerin erwartete die Errichtung eines multifunktionalen Wohn- und Einkaufszentrums. Darum ließ sie durch die C. ein an den Mietinteressenten gerichtetes Rundschreiben vom 4. Juni 1970 versenden, dem als Anlage die Niederschrift über die "Landespressekonferenz H. 21.5.70" beigefügt war. Auf diese Niederschrift haben sich beide Parteien bezogen. Sie ist dem Senat bekannt. In ihr heißt es u.a.:

"Zunächst übernehmen die Wohnungen hierbei eine wichtige Rolle, die bewohnte Stadt bedeutet auch: die belebte Stadt. ...

...

Die Wohnansprüche der mittsiebziger und späteren Jahre gehen aber weiter. Wir haben das ermittelt. Auf das Hallenbad, die Sauna, die Bowlingbahnen, Kinderhorte, Kindergärten und verschiedene andere Dienstleistungsbereiche will der in der Stadt lebende Mensch nicht verzichten. Entsprechende Einrichtungen werden deshalb im Ihme-Zentraum ausreichend geschaffen.

Zur vollen Funktionsfähigkeit des Subzentrums gehört unerläßlich ein umfassendes Konsumangebot, ein Angebot aller Schattierungen. Angefangen beim Vollwarenhaus über das große Textilhaus hin zu den Fach- und Filialgeschäften verschiedener Qualitätsabstufungen. Warenhäuser, Textilhäuser, Supermärkte und rd. 50 Läden werden vorhanden sein.

...

...

An Cafés, Restaurants und sonstigen Lokalen wird es im ...-Zentrum nicht fehlen. Für die fortgeschrittenen Jahrgänge werden volkstümliche Lokale vorhanden sein, für die Jugend wird mit Beatschuppen und ähnlichen Einrichtungen gesorgt."

20

Die Klägerin ließ ferner in dem Mietvertrag auf die Baubeschreibung als Bestandteil des Vertrages Bezug nehmen. Darin heißt es u.a.:

"Das I.-Zentraum bildet die Brücke zwischen den Geschäftsschwerpunkten "L." und "S."

Dadurch entsteht ein interessanter Geschäftsbereich als Ergänzung zur Geschäfts-City von H..

Die Fußgänger-Verbindung zwischen L. und der höher gelegenen Einkaufsstraße des ...-Zentrums wird durch eine Brückenanlage über die Kreuzung "K." hergestellt. Diese Brücke wird mit Geschäften und Pavillons bestückt, so daß die Geschäftszone nicht unterbrochen wird und ein Einkaufsbummel vom "S. B." bis weit in die L. hinaus gleichermaßen attraktiv wird.

...

Die einzelnen Läden werden im Rahmen einer großen zusammenhängenden Baumaßnahme geplant und gebaut."

21

Die Klägerin verlangte, daß der Laden ohne ihre Einwilligung nicht anders als in der Form eines Oberbekleidungshauses geführt werden sollte und daß das Mietverhältnis erst mit der Gesamteröffnung der im I., vorhandenen Läden beginnen sollte.

22

Nach alledem erwartete die Klägerin, der Beklagten ein im kaufmännischen Sinne betreibbares, d.h. wirtschaftlich sinnvoll zu nutzendes und sich in das Wirkungsgefüge eines komplex geplanten Wohn- und Einkaufszentrums funktionsgerecht eingebautes Geschäft zu vermieten. Die Beklagte hat diese Vorstellung geteilt. Sie hat den Laden eingerichtet und ihn am 1. November 1974 eröffnet.

23

Anders als bei der gewöhnlichen Vermietung von Räumen zum Betriebe eines Ladengeschäfts, etwa in einem nach und nach entstandenen ("gewachsenen") Stadtviertel, sind in dem vorliegenden Fall die gemeinsamen Vorstellungen der Parteien über die kaufmännische Betreibbarkeit des Geschäfts nicht allein dem Risikobereich der Beklagten zuzuordnen. Wer in einem gewachsenen Stadtviertel einen Laden eröffnet und sich einer Betreibenspflicht unterwirft, handelt regelmäßig auf eigenes Risiko; denn er kann die Gesamtlage von vornherein überschauen und sich das Risiko der Übernahme einer Betreibenspflicht im großen und ganzen vorstellen. Wer dagegen, wie es hier der Fall ist, einen Laden mietet, der erst errichtet werden soll und dessen kaufmännische Betreibbarkeit von der noch nicht erwiesenen Funktionsfähigkeit eines Wohn- und Einkaufszentrums abhängt, ist bei der Beurteilung des Risikos der Betreibenspflicht nicht nur auf den eigenen kaufmännischen Weitblick, sondern gleichermaßen auf das angewiesen, was ihm der Vermieter hierzu verspricht. Gibt der Vermieter dabei zu erkennen, daß er die Funktionsfähigkeit auch zu seinem Risiko macht, weil er erklärtermaßen nur betreibbare Läden zu vermieten beabsichtigt, dann liegen besondere Umstände vor, die von denen abweichen, unter denen üblicherweise ein Laden mit Betreibenspflicht vermietet wird. Der von jeder Partei erstrebte wirtschaftliche Erfolg - die Erzielung von Einnahmen aus der Vermietung eines betreibbaren Ladens durch die Klägerin und die Erzielung von Gewinnen durch den Betrieb des gemieteten Ladens durch die Beklagte - hing von der gemeinsamen Erwartung ab, daß sich das Ihmezentrum als funktionsfähig im Sinne der ursprünglichen Planung erweisen werde. Das außerhalb der unmittelbaren Einflußsphäre beider Parteien liegende Risiko der Funktionsunfähigkeit oder eines Funktionswandels dieses Zentrums ist hiernach, soweit es um die Betreibenspflicht geht, von beiden Parteien zu tragen. Das gebieten Treu und Glauben (§ 242 BGB).

24

Die derart zur Geschäftsgrundlage der Betreibenspflicht gemachten Erwartungen der Parteien haben sich nicht erfüllt. Ein Teil der Wohnungen ist nicht vermietet, was u.a. damit zusammenhängt, daß, wie gerichtsbekannt ist, mindestens das Hallenbad, die Sauna und der Kindergarten fehlen. Am 31. Oktober 1974 sind nicht alle Läden eröffnet worden. In einigen Läden wurde der Betrieb später aufgenommen. Etwa zur selben Zeit schlossen andere Mieter ihre Geschäfte wegen Unwirtschaftlichkeit. Auf der Brückenanlage über die Kreuzung "K." fehlt die Bestückung mit Geschäften und mit Pavillons. Die Firma "S." geriet in Vermögensverfall und mußte ihr Selbstbedienungsgeschäft aufgeben. An ihre Stelle ist die Firma H. getreten, die auf einer erheblich größeren Verkaufsfläche einen sogenannten Verbrauchermarkt mit einem weitgefächerten Warenangebot zu Billigpreisen eröffnet hat. Für die Kunden dieser Firma ließ die Klägerin Fahrstühle einrichten, die von dem Garagendeck unmittelbar zu den Verkaufsräumen des Verbrauchermarktes führen. Die Parteien streiten nur darum, ob die Klägerin besondere Fahrstühle einrichtete oder, wie es die Klägerin darstellt, die bereits vorhandenen Fahrstühle erweiterte.

25

Alle diese Umstände beeinträchtigten die ursprünglich vorgestellte Funktionsfähigkeit des L. zum Nachteil der Beklagten in dem Sinne, daß sie weniger Kunden als erwartet hatte. Es kommt hinzu, daß die Klägerin durch ihren Generalbevollmächtigten, den Kaufmann Spitzkopf, am 22. Dezember 1976 in der H. Allgemeinen Zeitung erklären ließ, daß man nicht in der Lage sei, mit dem L. die City zu kopieren und daß Preisdifferenzierung zur City betrieben werden müsse. Die Klägerin hat zwar in der mündlichen Verhandlung behauptet, daß sie der Zeitung gegenüber nicht erklärt habe, das L. solle ein Billigpreiscenter werden, vielmehr sei von Preisdifferenzierung die Rede gewesen. Darauf kommt es jedoch nicht an. Die Klägerin hat von einer Klarstellung dieses Artikels abgesehen und den in die Richtung eines Funktionswandels des Einkaufszentrums gehenden Informationsinhalt dieses Artikels und dessen Wirkung in der Öffentlichkeit gelten lassen. Sie hat im übrigen in der mündlichen Verhandlung erklärt, sie habe mit den Mietern über die Standortbehauptung gesprochen und ihnen nahegelegt, sich durch Gestaltung der Werbung, der Preise, des Warenangebots usw. von den Geschäften in der H. Innenstadt zu unterscheiden, um auf diese Weise wettbewerbsfähig zu bleiben. Das läuft aber im Ergebnis darauf hinaus, die Funktionsfähigkeit des I. durch billigere Preise oder durch ein Angebot von weniger wertvollen Waren herzustellen. Auf eine solche Geschäftspolitik kann sich die Beklagte nicht einlassen. Sie handelt mit Qualitätswaren für gehobene Ansprüche und wirbt hierfür in H. und in anderen Städten. Preisherabsetzungen für Waren derselben Qualität oder das Angebot nicht so hochwertiger und dementsprechend billigerer Waren würden ihrem Ruf schaden und ihre Werbung unglaubwürdig machen, Schließlich ist zu berücksichtigen, daß die Beklagte aus dem Betrieb des Geschäfts im ... erhebliche Verluste erlitten hat, nach ihren im ersten Rechtszug unbestritten gebliebenem Vortrag rund 781.000 DM im Jahre 1975 und rund 678.000 DM im Jahre 1976. Diese Verluste zeigen, daß sich das I. für die Beklagte nicht als funktionsfähig erwiesen hat. Andere Gründe für diese Verluste sind nicht ersichtlich. Sie sind somit darin zu erblicken, daß die ursprüngliche Konzeption des I. fehlgeschlagen ist, daß es den Geschäftsbetrieb in der H. Innenstadt nicht ergänzen konnte und daß es eben kein die Kunden anziehender und für Mieter vom Zuschnitt der Beklagten interessanter Geschäftsbereich im Sinne der Baubeschreibung ist. Hierdurch ist die Geschäftsgrundlage für eine etwa begründet gewesene Betreibenspflicht vollständig weggefallen, und zwar spätestens für die Zeit ab 1. Januar 1977, als im Zusammenhang mit der Eröffnung der Firma H. und dem Erscheinen des Zeitungsartikels vom 22. Dezember 1976 feststand, daß sich die gemeinsamen Vorstellungen der Parteien von der kaufmännischen Betreibbarkeit des Geschäftes der Beklagten zerschlagen hatten und ein Weiterbetreiben des Ladens der Beklagten weitere, nachhaltige Verluste eintragen werde. Spätestens von diesem Zeitpunkt an brauchte die Beklagte, wenn sie jemals dazu verpflichtet war, das Geschäft nicht mehr weiterzuführen. Auch das gebieten Treu und Glauben (§ 242 BGB).

26

Im Berufungsrechtszug bestreitet die Klägerin die Verluste der Beklagten mit Nichtwissen. Dieses Bestreiten ist verspätet. Die Klägerin hätte es im ersten Rechtszug geltend machen können und geltend machen müssen; denn es kam für die Frage nach der Betreibbarkeit erkennbar auf die wirtschaftliche Entwicklung in dem von der Beklagten gemieteten Laden an. Darum hätte jede auf die Verfahrensförderung bedachte Partei mit dem Bestreiten nicht bis zum Eintritt in das Berufungsverfahren gewartet oder wenigstens so rechtzeitig bestritten, daß es möglich gewesen wäre, die Behauptung über die erlittenen Verluste bis zum Verhandlungstermin oder spätestens in diesem Verhandlungstermin in einer verfahrensrechtlich einwandfreien Weise zu prüfen. Von dieser Möglichkeit hätte der Senat durch entsprechende prozeßleitende Verfügungen Gebrauch gemacht. Da er daran gehindert ist, könnte ein Termin zur Beweisaufnahme und zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung nach der Geschäftslage des Senats frühestens auf einen Tag im Sommer dieses Jahres anberaumt werden. Das würde zu einer erheblichen Verzögerung bei der Erledigung des Rechtsstreits führen. Das grob nachlässige Verhalten der Klägerin führt somit dazu, daß ihr Bestreiten unberücksichtigt bleibt (§ 529 Abs. 2 Satz 1 a.F. ZPO).

27

Nach alledem wird die Berufung zurückgewiesen.

28

Die Entscheidung über die Kosten und die Vollstreckbarkeit beruht auf § 97 Abs. 1, § 708 Nr. 10 und § 711 Satz 1 ZPO.

Streitwertbeschluss:

Der Wert der Beschwer der Klägerin wird auf 200.000 DM festgesetzt.

Die Festsetzung des Wertes der Beschwer folgt aus § 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO.