Arbeitsgericht Braunschweig
Beschl. v. 15.05.2003, Az.: 1 BV 30/03
Anrufung der Einigungsstelle nach der Beschwerde eines Arbeitnehmers; Annahme der Beschwerde durch einen Betriebsratsbeschluss als berechtigt; Vorherige Verhandlung mit dem Arbeitgeber
Bibliographie
- Gericht
- ArbG Braunschweig
- Datum
- 15.05.2003
- Aktenzeichen
- 1 BV 30/03
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 28157
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:ARBGBS:2003:0515.1BV30.03.0A
Rechtsgrundlage
- § 85 BetrVG
Fundstelle
- NZA-RR 2004, 28 (Volltext mit red. LS)
In dem Beschlussverfahren
zwecks Verhandlung
über die Berechtigung der Beschwerde des Arbeitnehmers Uwe H.
hat die 1. Kammer des Arbeitsgerichts Braunschweig
auf die mündliche Verhandlung vom 15.05.2003
durch
den Direktor des Arbeitsgerichts als Vorsitzenden und
die ehrenamtlichen Richter als Beisitzer
beschlossen:
Tenor:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Mit dem am 06.05.2003 beim Arbeitsgericht Braunschweig eingegangenen Antrag begehrt der Beteiligte zu 1), Betriebsrat der Beteiligten zu 2), die Bestellung eines Einigungsstellenvorsitzenden zwecks Verhandlung über die Berechtigung einer Beschwerde des Arbeitnehmers ... und die Festsetzung der Anzahl der Beisitzer für jede Seite auf zwei Personen.
Zur Begründung des Antrages trägt der Beteiligte zu 1) vor, der bei der Beteiligten zu 2) beschäftigte Arbeitnehmer ... Chefredakteur der Lokalredaktion ..., habe sich nach Erhalt eines Schreibens des Leiters der Personalabteilung der Beteiligten zu 2) vom 31.01.2003 an den Beteiligten zu 1) gewandt und habe die Ansicht vertreten, die in dem Schreiben exemplarisch dargestellten Vorwürfe seien falsch bzw. verzerrt dargestellt. Der Arbeitnehmer ... habe das Vorgehen der Personalleitung als unbegründete bzw. unberechtigte Ausübung von Druck gegen seine Person empfunden und sei mit der Bitte an den Beteiligten zu 1) herangetreten, dieses abzustellen.
Der Vorsitzende des Beteiligten zu 1) sowie das Betriebsratsmitglied ... hätten sodann am 06.03.2003 das Gespräch mit dem Personalleiter der Beteiligten zu 2) gesucht mit der Bitte, dass der Personalleiter die einzelnen Vorwürfe erörtern möge, um die Richtigkeit der Vorwürfe überprüfen und damit die Berechtigung der Beschwerde endgültig feststellen zu können. Dieser sei dazu aber nicht bereit gewesen.
Da nach den dem Beteiligten zu 1) vorliegenden Informationen er davon ausgehen müsse, dass es sich um einen Fall des Mobbing handelt, wäre die Beschwerde des Arbeitnehmers ... berechtigt. Da aber die Beteiligte zu 2) eine Erörterung der Einzelheiten der Beschwerde verweigere, besteht nach Auffassung des Beteiligten zu 1) eine Meinungsverschiedenheit zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber über die Frage, ob der Arbeitnehmer ... ungerecht behandelt wurde.
Auf seiner Sitzung vom 11.03.2003 habe der Beteiligte zu 1) daher beschlossen, nach § 85 BetrVG die Einigungsstelle anzurufen.
Da die Beteiligte zu 2) die Einberufung einer Einigungsstelle ablehne, sei daher der Einigungsstellenvorsitzende gerichtlich zu bestellen und die Anzahl der Beisitzer festzusetzen.
Der Beteiligte zu 1) beantragt:
- 1.
Der Vorsitzende Richter am Landesarbeitsgericht Herr ... wird zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle bei der ... Braunschweig zwecks Verhandlungen über die Berechtigung der Beschwerde des Arbeitnehmers ... bestellt.
- 2.
Die Anzahl der von jeder Seite zu benennenden Beisitzer wird auf zwei festgesetzt.
Die Beteiligte zu 2) beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie hält den Beteiligten zu 1) für den hier gestellten Antrag nicht für aktiv legitimiert und meint überdies, dass dem Beteiligten zu 1) für die begehrte Einsetzung einer Einigungsstelle das Rechtsschutzbedürfnis fehle. Schließlich sei der Antrag als unbegründet abzuweisen, da die Einigungsstelle gemäß § 85 Abs. 2 Satz 3 BetrVG offensichtlich unzuständig sei. Denn Gegenstand der Beschwerde sei die von der Beteiligten zu 2) dem Arbeitnehmer ... erteilte Abmahnung. Es stehe dem Arbeitnehmer frei, gegen diese Abmahnung gerichtlich vorzugehen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gemäß § 313 Abs. 2 ZPO auf die Schriftsätze der Beteiligten, Protokollerklärungen und die zu der Gerichtsakte gereichten Unterlagen Bezug genommen.
Gründe
II.
Der Antrag ist zurückzuweisen, da die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für die Anrufung der Einigungsstelle nach § 85 Abs. 2 BetrVG (zur Zeit) nicht erfüllt sind.
Nach § 85 Abs. 1 BetrVG hat der Betriebsrat Beschwerden von Arbeitnehmern entgegenzunehmen und, falls er sie für berechtigt erachtet, beim Arbeitgeber auf Abhilfe hinzuwirken.
Bestehen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung der Beschwerde, so kann der Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen (§ 85 Abs. 2 Satz 1 BetrVG).
Die Beschwerde ist grundsätzlich an den Betriebsrat als Gremium zu richten. Der Betriebsrat muss sich sodann mit der Beschwerde befassen und über ihre Berechtigung einen Beschluss fassen. Nimmt der Betriebsrat die Beschwerde an, hat er zunächst beim Arbeitgeber auf Abhilfe hinzuwirken. Arbeitgeber und Betriebsrat haben über die Erledigung der Beschwerde zu verhandeln. Kommt es dabei nicht zu einer Einigung über die Berechtigung oder Nichtberechtigung der Beschwerde, so steht es sodann dem Betriebsrat frei, die Einigungsstelle anzurufen (ErfK/Hanau/Kania, Rdn. 2, 3 zu § 85 BetrVG; Fitting, Rdn. 3, 4 zu § 85 BetrVG).
Im konkreten Fall hat der Beteiligte zu 1) nicht dargelegt, dass seitens des Beteiligten zu 1) als Gremium im Wege des Beschlusses eine Beschwerde des Arbeitnehmers ... als berechtigt angenommen wurde. Im Gegenteil: Nach dem Vorbringen des Beteiligten zu 1) war er sich selbst noch nicht schlüssig, ob die Beschwerde des Arbeitnehmers ... berechtigt war. Denn so wurde vorgetragen: "Aus diesem Grunde bat Herr ... Herrn ... die einzelnen Vorwürfe zu erörtern, um die Richtigkeit der Vorwürfe überprüfen und damit die Berechtigung der Beschwerde endgültig feststellen zu können." Nach allem sollte das Gespräch der Recherche dienen, nicht jedoch der Verhandlung mit dem Arbeitgeber über eine vom Beteiligten zu 1) als berechtigt anerkannte Beschwerde.
Wenn es in der Antragsschrift weiter heißt: "Aufgrund der dem Betriebsrat vorliegenden Informationen muss dieser davon ausgehen, dass es sich um einen Fall des Mobbing handelt", so werden die dem Betriebsrat vorliegenden Informationen zum einen nicht weiter vorgetragen, zum anderen ergibt sich aus diesem Sachvortrag ebenfalls nicht, dass etwa aufgrund dieser Informationen mit dem Gremium ein Beschluss gefasst wurde, die Beschwerde als berechtigt anzunehmen.
Selbst - wenn ein dementsprechender Beschluss gefasst sein sollte, so wäre die Beschwerde mit dem Arbeitgeber zunächst zu verhandeln gewesen, bevor die Einigungsstelle angerufen wird. In diesem Zusammenhang sind dem Arbeitgeber die Tatsachenbehauptungen des Beschwerdeführers offenzulegen, auf die er seinen Vorwurf des Mobbing stützt und die den Beteiligten zu 1) veranlassten, die Beschwerde, als berechtigt anzunehmen. Erst in diesem Stadium kann eine Meinungsverschiedenheit zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat über die Berechtigung der Beschwerde eintreten, die Anlass zur Anrufung der Einigungsstelle geben kann. Dieses Stadium ist jedoch noch nicht erreicht. Nach allem ist die Einigungsstelle (zur Zeit) offensichtlich unzuständig.
Nach allem sind die Voraussetzungen für die Bestellung eines Einigungsstellenvorsitzenden und die Festsetzung der Anzahl der Beisitzer nicht erfüllt. Der Antrag war daher zurückzuweisen § 98 Abs. 1 Satz 2 ArbGG.