Finanzgericht Niedersachsen
Beschl. v. 17.07.1995, Az.: IX 3/94 Ko

Erledigungsgebühr für die Tätigkeit des Prozeßbevollmächtigten; Umfang der für die Erhebung der Erledigungsgebühr maßgeblichen Mitwirkung

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
17.07.1995
Aktenzeichen
IX 3/94 Ko
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1995, 19984
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1995:0717.IX3.94KO.0A

Fundstelle

  • EFG 1995, 1076-1077 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Einkommensteuer 1988

Der IX. Senat des Finanzgerichts Niedersachsen hat
durch
den Richter am Finanzgericht ... als Berichterstatter
am 17. Juli 1995beschlossen:

Tenor:

Unter Änderung des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 29. Juni 1994 werden die von dem Erinnerungsführer an den Erinnerungsgegner zu erstattenden Kosten von 726,84 DM auf 468,06 DM herabgesetzt.

Dieser Beschluß ergeht gerichtsgebührenfrei.

Gründe

1

Mit der Klage ... hatte sich der Kläger gegen die Höhe des bei der Einkommensteuerfestsetzung 1988 berücksichtigten Grundfreibetrages gemäß § 32 a EStG gewandt und zunächst beantragt,

"1.
die Einspruchsentscheidung vom 29.03.1990 (Zustellung 30.03.1990) und den Bescheid über Einkommensteuer 1988 in der Fassung vom 30.11.1989 aufzuheben und die Einkommensteuer auf einen entsprechend dem spätestens in der mündlichen Verhandlung bestimmten Betrag herabzusetzen ...,

4.
dieses Verfahren ruhen zu lassen, weil es sich um vorsorgliche Klageerhebung handelt, um den Rechtsschutz des Klägers zu sichern,

5.
den Einspruchsbescheid wegen Verfahrensmangel aufzuheben und den Streitfall an das Finanzamt zurückzuverweisen, um einer ermessensgerechten Anwendung des § 363 AO zu entsprechen ... und

6.
vorsorglich darauf hingewiesen, daß bis zur mündlichen Verhandlung ein weitergehendes Klagebegehren vorbehalten bleibt ...".

2

Nachdem das Niedersächsische Finanzgericht durch Beschluß vom 19. Oktober 1990 ... das Verfahren gemäß § 74 FGO i.V.m. § 251 ZPO insbesondere wegen einer beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfassungsbeschwerde ausgesetzt hatte, schlug das Gericht den Beteiligten vor, die Hauptsache dergestalt zu erledigen, daß der Beklagte einen Änderungsbescheid erläßt und darin die Einkommensteuerfestsetzung wegen des strittigen Punktes gemäß § 165 AO für vorläufig erklärt. Dem folgte der Beklagte durch Erlaß des Einkommensteuer-Änderungsbescheids 1988 vom 11. Januar 1994 und erklärte damit den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Nachdem auch der Prozeßbevollmächtigte des Klägers nach zunächst vorgetragenen Bedenken den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt hatte, waren die Kosten des Rechtsstreits durch Beschluß des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 27. Januar 1994 gemäß § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO dem Beklagten auferlegt worden.

3

Auf Antrag des Klägers setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die vom Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten durch Beschluß des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 29. Juni 1994 ... auf 726,84 DM fest und berücksichtigte dabei antragsgemäß auch eine Erledigungsgebühr nach§ 24 BRAGO von 227,00 DM zuzüglich 14 v.H. Mehrwertsteuer.

4

Hiergegen legte der Beklagte (Erinnerungsführer) Erinnerung ein. Nach seiner Auffassung sei keine Erledigungsgebühr nach§ 24 BRAGO anzusetzen, weil der Prozeßbevollmächtigte des Klägers (Erinnerungsgegner) keine über das allgemeine Betreiben des Prozeßgeschäfts hinausgehende Tätigkeit erbracht habe.

5

Der Erinnerungsführer beantragt,

den Kostenfestsetzungsbeschluß hinsichtlich der gewährten Erledigungsgebühr zu ändern.

6

Der Erinnerungsgegner beantragt,

die Erinnerung zurückzuweisen und die Kosten entsprechend dem Kostenfestsetzungsbeschluß vom 29.06.1994 zu bestätigen.

7

"Mit der Erledigungsgebühr solle das Beenden eines Finanzgerichtsprozesses honoriert werden, damit eine Entlastung der Finanzgerichte vorgenommen werden könne." Eine solche Erledigung sei hier herbeigeführt worden. Daran habe sein Prozeßbevollmächtigter nicht nur durch (Erledigungs-)Gespräche mit ihm, sondern auch durch Schriftwechsel und Telefonate mit der Oberfinanzdirektion, dem Erinnerungsführer und dem Gericht in einer für§ 24 BRAGO ausreichenden Weise mitgewirkt. Der Erledigungsgebühr stünde nicht entgegen, daß die Erledigung aufgrund eines gerichtlichen Erledigungsvorschlages zustandegekommen sei.

8

Der Kostenbeamte des Niedersächsischen Finanzgerichts entschied am 26. August 1994, der Erinnerung nicht abzuhelfen.

9

Wegen des Sachverhalts im übrigen wird ergänzend auf die Gerichtsakten verwiesen.

10

Die Erinnerung ist begründet; eine Erledigungsgebühr nach § 24 BRAGO ist im Streitfall nicht entstanden. Der Beitrag des Prozeßbevollmächtigten des Erinnerungsgegners zum Zustandekommen des die Hauptsache erledigenden Einkommensteueränderungsbescheids 1988 vom 11. Januar 1994 geht nicht über das hinaus, was bei sachgerechter Prozeßführung von dem Bevollmächtigten eines Beteiligten verlangt werden muß und deshalb bereits durch die Prozeßgebühr abgegolten wird.

11

Gemäß § 24 BRAGO i.V.m.§ 45 StBGebV erhält der als Prozeßbevollmächtigter tätige Steuerberater, der bei der Erledigung mitgewirkt hat, eine volle Gebühr, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Zurücknahme oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsaktes erledigt. Aus dem sonst überflüssigen "Mitwirkungs"-Zusatz folgt, daß für die Erledigungsgebühr eine über die formelle Erledigungserklärung hinausgehende Mitwirkung notwendig ist. Da im übrigen die Erledigungsgebühr an die Stelle der (im Finanzgerichtsverfahren ausgeschlossenen) Vergleichsgebühr tritt, ist auch deshalb eine entsprechende Mitwirkung des Prozeßbevollmächtigten des Erinnerungsgegners an den die Erledigung verursachenden Maßnahmen nötig; ohne besondere, auf die Beilegung der Sache ohne Entscheidung gerichtete, Tätigkeit wird die Erledigungsgebühr also nicht verdient. Allein die Führung des Geschäfts (im Rechtsstreit die Erhebung und Begründung der Klage nebst Antragstellung) reicht nicht aus, weil die Geltendmachung von Steueransprüchen bereits durch die Prozeßgebühr des § 31 BRAGO abgegolten ist.

12

Danach hat hier der Prozeßvertreter des Erinnerungsgegners keine über die Führung des Geschäfts hinausgehende besondere - erledigende - Tätigkeit entfaltet. Vielmehr wurden allein die im Klageverfahren für die Auffassung des Klägers sprechenden Argumente schriftsätzlich vorgetragen und wurde letztendlich nur dem Vorschlag des Gerichts bzw. des Berichterstatters gefolgt, die Rechtssache in der Hauptsache dadurch zu erledigen, daß der Beklagte einen entsprechenden Vorläufigkeitsausspruch in einen Änderungsbescheid aufnimmt. Darüber hinaus brauchte der Prozeßvertreter des Erinnerungsgegners schon deshalb keine besonderen Bemühungen zu entfalten, um den Erinnerungsführer zum Einlenken zu bewegen, weil zu diesem Zeitpunkt (vgl. Schriftsatz des Prozeßbevollmächtigten des Erinnerungsgegners vom 13.07.1993) das gewählte Vorgehen, nämlich die Aufnahme des Vorläufigkeitsausspruchs in den Steuerbescheid gemäß § 165 AO, von der Steuerverwaltung allgemein praktiziert wurde (vgl. BMF-Schreiben vom 10. Juli 1992, BStBl 1992 I, 402). Zwar ist nach Aktenlage nicht zu verkennen, daß es dem Prozeßbevollmächtigten des Erinnerungsgegners sehr schwerfiel, seine prinzipiellen Einwände gegen das vom Gericht vorgeschlagene Vorgehen fallen zu lassen. Die gedankliche Auseinandersetzung mit einem gerichtlichen Erledigungsvorschlag ist als Teil der persönlichen Entscheidungsfindung aber immer notwendige Vorstufe für die auf Antrage des Gerichts abzugebende Erledigungserklärung und diese Entscheidungsarbeit soll - wie vorher bereits ausgeführt - nicht noch zusätzlich durch eine Erledigungsgebühr honoriert werden. Nach alledem reicht die Tätigkeit des Prozeßvertreters des Erinnerungsgegners in dem Klageverfahren nicht für eine zusätzliche Erledigungsgebühr aus (vgl. Beschluß des Finanzgerichts Bremen vom 16. Dezember 1993 2 92 138 E 2, EFG 1994, 316, 318; Hartmann, Kostengesetze, 26. Aufl. 1995, Rdnr. 11 zu § 24 BRAGO; a.A.: Beschluß des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 7. Januar 1994 VIII 4 und 5/93 Ko).

13

Danach ist der an den Erinnerungsgegner zu erstattende Betrag um (227,00 DM plus 14 v.H. Mehrwertsteuer =) 258,78 DM auf 468,06 DM herabzusetzen.

14

Das Erinnerungsverfahren ist gemäß §§ 1 Abs. 1 c, 5 Abs. 6 GKG gebührenfrei. Kosten eines Beteiligten werden nicht erstattet.

15

Dieser Beschluß ist unanfechtbar (§ 128 Abs. 4 FGO).